Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 23. Dezember 2012

Nager im Schafspelz

Der Rattengott (Izbavitelj)
YU 1976
R.: Krsto Papic


 Worum geht's?: Der Balkan irgendwann in den 20er Jahren.
Die Städte zerfallen in Dreck und Ungeziefer, Arbeitslosigkeit und Verzweiflung machen sich im Volke breit.
Der Schriftsteller Ivan (Ivica Vidovic) versucht erfolglos sein neustes Werk an den Mann zu bringen und landet wenig später prompt wohnungslos auf der Straße.
Auf einem Markt trifft er die hübsche Sonja (Mirjana Majurec), welche ebenfalls versucht, einigen Hausrat zu Geld zu machen und dem abgebrannten Ivan außerdem noch ihre Telefonnummer verrät.
Als Ivan im Park nächtigen will gerät er an einen Nachtwächter, der sich als alter Freund herrausstellt und ihm aus Mitleid das alte, leer stehende Bankgebäude als Ruhestädte für eine Nacht anbietet.
Ivan willigt gern ein, doch statt der ersehnten Bettruhe findet der Schriftsteller eine sonderbare Party im großen Saal vor.
Hier amüsieren sich seltsame Gestalten bei Völlerei, Tanz und sexuellen Ausschweifungen und huldigen ihrem "Retter", der Sonjas Vater, Professor Boskovic (Fabian Sovagovic), akut nach dem Leben trachtet.
Dieser hat nämlich eine Lösung entwickelt, welche die sich hinter einer menschlichen Fassade versteckten Ratten sichtbar macht und tötet.
Aus einem alten, deutschen Text erfuhr der Gelehrte von der uralten Legende des Rattenkönigs, der mit seinen Scharen sich die Welt untertan machen will.
Zusammen mit Ivan und seiner Tochter Sonja, nimmt es der alte Mann mit einer Bedrohung auf, die ihre Kreise bereits viel weiter zieht, als man vermuten konnte.


Wie fand ich's?: Gerade in den Filmen des osteuropäischen Raums findet man sehr oft starke politische Subtexte, was nicht nur auf das intellektuelle Kunstkino zutrifft, sondern auch im Mainstream anzutreffen ist.
So ist der 1976 erschienene Izbavitelj zunächst ein Horrorfilm, aber bereits ein zweiter Blick offenbart die offenkundige Faschismuswarnung hinter der Geschichte.
Wie in den (Genre-)Klassikern Invasion of the Body Snatchers (USA 1956 R.: Don Siegel dt.: Die Dämonischen), The Hidden (USA 1987 R.: Jack Sholder dt.: The Hiden - Das unsagbare Böse) oder dem konsumkritischen They Live (USA 1988 R.: John Carpenter dt.: Sie Leben!), verstecken sich Verschwörer hinter einem menschlichen Äußeren und nur die Helden können diese Bedrohung auf eigene Faust aufhalten.
Izbavitelj basiert auf einer Geschichte des russischen Literaten Alexander Grin, welcher diese bereits im Jahr 1924 verfasste und in dieser fast prophetisch vor dem aufkommenden Faschismus warnt.
Regisseur Papic verwendet neben Grins Grundmotiven allerdings auch zahlreiche, klassische Elemente des Horrorfilms, wobei man bemerken muss, dass gerade die Masken und Make-up-Effekte ebenso simpel wie wirksam sind.
Die aus den Mündern ragenden Rattenzähne der Bösewichte erinnern hier stark an Kinskis Fänge in Werner Herzogs Nosferatu - Phantom der Nacht (BRD/F 1979), der ja nur drei Jahre nach Izbavitelj entstand und ebenfalls Ratten als Metapher für Krankheit und moralischen Verfall verwendet.
Leider findet sich in Papics Film kein Akteur, der es mit Kinski auch nur annähernd aufnehmen könnte, trotzdem ist man auf der darstellerischen Ebene durchgehend gut bedient.
Ein weiterer kleiner Negativpunkt, der Izbavitelj davon abhält nach der Höchstbewertung zu greifen, ist das sich in der Dramaturgie etwas zu sehr überschlagende Schlussdrittel. Zwar schätze ich im Allgemeinen Filme, welche es in einer kurzen Laufzeit schaffen ihren Stoff zu erzählen (Izbavitelj läuft dabei gerademal läppische 74 Minuten) und den Zuschauer nicht mit Unnötigem langweilen, doch überstürzt sich Papic geradezu, seinen Film zu einem Ende zu bringen.
Trotzdem hat mit dieser in Vergessenheit geratenen (VHS-)Rarität mit einem äußerst interessanten Genrevertreter aus dem ehemaligen Jugoslawien zu tun, der eine vernünftige DVD-Auswertung endlich verdient hätte!


Fazit: Faszinierende Parabel mit einfachem, politischen Subtext und lange nachwirkenden Bildern.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten

Samstag, 15. Dezember 2012

Voll auf die Zwölf!

Macho Man
BRD 1985
R.: Alexander Titus Benda

Worum geht's?: Danny Wagner (René Weller) ist Playboy, Ästhet und amtierender Boxweltmeister und gottseidank gerade vor Ort, als eine Bande von Drogendealern die dralle Sandra (Bea Fiedler) überfällt und an die Nadel bringen will.
Danny zögert nicht und tut halt das, was er kann: einige Schwinger und die Dreckskerle suchen das Weite.
Da Danny anscheinend gerade einen Lauf in Sachen Verbrechensbekämpfung hat, wird auch die Bank, die er am nächsten Tag aufsucht unvermutet von Bösewichtern überfallen, doch mit der Hilfe des Karatemeisters Andreas Arnold (Peter Althof), bekommen auch diese Herren ihr Fett weg und die beiden Kampfsportler sind die Helden des Tages.
Leider hat es auch Andreas auf Sandra abgesehen, was zunächst für Spannung zwischen unseren beiden Freunden führt, doch auch andere Mütter haben schöne Töchter und so greift er sich eben schnell seine neuste Schülerin (Jacqueline Elber) als Ersatz.
In einem Showkampf "Boxen-gegen-Karate" wollen die beiden Machos aber trotzdem herausfinden, wer die dickeren Eier, ähem, Muskeln hat, doch wird das Event vorzeitig abgepfiffen, um es doch lieber den ungeliebten Dealern vom Anfang erneut zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat, bzw. der Bartel den Most herholt.
Fäuste fliegen, Beine treten, Knochen brechen und am Ende können endlich alle fröhlich in den schwer verdienten Urlaub abdüsen.
Toll.

Wie fand ich's?: Hier ist er also, der ultimative, deutsche Exploitationfilm der 80er.
Manche behaupten sogar, dies sei der beste Actionfilm, der je in Nürnberg gedreht wurde, und das kann man wohl erst mal so stehen lassen.
Weller, der zu Glanzzeiten den Beinamen "der schöne René" trug, zeigt hier nicht nur seinen durchtrainierten Körper, nein, er zeigt auch begnadete Tanzkünste, die einem die Tränen beim Fremdschämen in die Augen treiben.
So hat besonders die grenzästhetische Discoszene aus Macho Man zur ungemeinen Legendenbildung um diesen Streifen beigetragen, der 1991 Herrn Weller wiederum zu einer Unterlassungsklage veranlasste, alle Sexszenen mit ihm aus dem Film entfernen zu lassen; was besonders inkonsequent anmutet, entledigte sich der gute Mann doch 2005 im Big-Brother-Dorf mal eben selber seiner Hose und war er doch selbst bei einer Open-Air-Vorführung des Films im Jahre 2004 schon wieder froh gelaunt (und bekleidet!) anwesend.
Ebenfalls augenreizend und skandalerregend ist die hier gezeigte, wundersame Mode der 80er, inkl. Schulterpolster, die jedem Strich in der Landschaft ein Kreuz verschafften, wie es sonst nur der unglaubliche Hulk sein Eigen nennt, oder das Tragen so enger Herrenjeans, dass man den Begriff Cameltoe auch bei Herrn Weller anwenden möchte, wenngleich etwas weiter hinten angesetzt...
Peter Althof, heute Chef einer auf Personenschutz spezialisierten Security Firma, war mal deutscher Kickbox- und Europameister im Vollkontaktkarate und körperlich sicher immer top in Form; nur eins waren er und Weller wohl nie: richtige, soll heißen: fähige Schauspieler.
Das gilt auch für die Damen Fiedler und Elber (welche sich bereits zwei Jahre zuvor beim Dreh des Karl-Dall-Kultfilms Sunshine Reggae auf Ibiza [BRD 1983 R.: Franz Marischka] kennengelernt hatten), die sicher ihre anatomischen Vorzüge hatten, aber für Sprechrollen dann doch etwas fehlbesetzt sind...
Da helfen natürlich auch Dialoge auf Scripted Reality Niveau nix, der Film lässt zu jeder Zeit erahnen, dass man es hier mit einem wunderbar fehlgegangenen Schnellschuss erster Kajüte zu tun hat - ganz nach dem Motto: lasst uns mal 'nen Film mit dem Weller und Althof machen, der Rest kommt von selbst.
Trotzdem bzw. gerade deswegen macht Macho Man aber jede Menge Spaß; man sollte sich nur beim Anschauen nicht selbst ständig die Frage stellen: "Bin ich zu der Zeit auch so rumgelaufen?"

Fazit: Allerfeinster Trash mit hohem Kultfaktor, etwas nackter Haut und (zu-)viel 80er Jahre Zeitkolorit.

Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten (auf der Trashskala landet der Film fast bei einer vollen 10...)

Montag, 10. Dezember 2012

Großer Apfel voller Maden


Die Ratte (Night of the Juggler)
USA 1980
R.: Robert Butler


Worum geht's?: Gus (Cliff Gorman) reicht's. Seine Nachbarschaft wird von den verdammten Ausländern ruiniert, die von raffgierigen Immobilienspekulanten dort hingesetzt werden, um die Grundstückspreise systematisch zu senken.
Eh arbeitslos und gewaltbereit will Gus also die Tochter des reichen Mr. Clayton entführen, um so endlich was von dem Typen wiederzubekommen, der Gus's Kiez in ein Trümmerfeld verwandelt hat.
Doch der Soziopath entführt das falsche Mädchen und greift sich statt des verwöhnten Töchterleins den Nachwuchs des Ex-Cops Boyd (James Brolin), der sofort die Verfolgung aufnimmt, koste es, was es wolle.
So bahnt sich Boyd seinen Weg durch den verrottenden Big Apple mit seinen Peepshows und Abwasserkanälen, unterstützt vom integren Lt. Tonelli (Richard S. Castellano) und der schönen Maria (Julie Carmen), gejagt von Jugendbanden und einem alten Kollegen (Dan Hedaya), der noch eine Rechnung mit Boyd zu begleichen hat - wenn es sein muss, dann auch mit der Schrotflinte...


Wie fand ich's?: Manchmal gelingt es einem Exploitationfilm besser, die Befindlichkeiten einer Zeit und/oder eines Orts besser wiederzugeben, als es mit anderen Mitteln gelingen würde.
So zeigt der hier besprochene Night of the Juggler eine von Paranoia, Existenzangst und Verrohung geschüttelte Großstadt, in der man nur mit dem unbändigen Willen zum Überleben und einer gesunden Portion Galgenhumor bestehen kann.
Der Held dieses Films ist ein abgeklärter Excop und nun Lastwagenfahrer, dessen reiche Exfrau die gemeinsame Tochter mit sich aus dem Großstadtmoloch nehmen will, was aber an der Liebe der 15-Jährigen zur Heimatstadt und zum Vater scheitert.
Auch der Bösewicht, ein Rassist und Soziopath, liebt seinen Teil der Welt, doch ist es gerade dessen Niedergang, der ihn zu seiner Tat verleitet. So kann man sogar regelrecht Mitleid mit dem armen Hund haben, was dem Film einen emotionaleren Aspekt verleiht als ähnlichen Produktionen der Zeit, wie z. B. Michael Winners Death Wish II (USA 1982 dt.: Der Mann ohne Gnade).
James Brolin macht seinen Job als unermüdlicher Jäger mehr als solide, ebenso Regisseur Robert Butler, der zumeist fürs TV gearbeitet hat, einigen aber wegen seines soliden Actioners Turbulence (USA 1997) mit Ray Liotto vielleicht ein Begriff ist.
In einer Nebenrolle als korrupter Cop kann man zudem Dan Hedaya bestaunen, dessen Augenbrauen schon Filme wie Commando (USA 1985 R.: Mark L. Lester dt.: Das Phantom Kommando) und The Usual Suspects (USA 1995 R.: Bryan Singer dt.: Die üblichen Verdächtigen) aufgewertet haben.
Einige Abstriche muss man allerdings bei der Logik der Story machen, wo man sich schon fragen darf, warum Boyd als Expolizist nicht mehr Rückendeckung bekommt und sein Problem klarer darlegt, oder seine Tochter sich kaum gegen ihren Kidnapper wehrt (Mitleid?).


Fazit: Grimmiges Zeitdokument mit guter Action, sympathischen Protagonisten und einer Metropole kurz vor dem Kollaps.

Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Ohne Angst mit dem Biest in Wien

Die Zuhälterin (Poliziotto senza paura)
I/AU 1978
R.: Stelvio Massi

Worum geht's?: Wally (Maurizio Merli) ist ein ständig abgebrannter Expolizist, der sich im schönen Rom als Privatdetektiv verdingt.
Sein neuster Fall führt den Scherzkeks nach Wien, wo er die Tochter eines reichen Mannes aufspüren und nach Hause bringen soll.
Dies gestaltet sich schwerer als erwartet, wird die junge Dame (Annarita Grapputo) doch von zwielichtigen Kerlen entführt, und Väterchen möchte fortan anscheinend nicht mehr das Risiko eingehen, durch das Hinzuziehen von Ermittlern, ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Wieder arbeitslos erfährt Wally von dem rätselhaften Unfalltod eines jungen Mädchens und macht sich daran, den Fall aus Mitleid mit der traumatisierten zu untersuchen.
Schon bald findet Wally eine heiße Spur, die zum schmierigen Stripklubbesitzer Strauss (Werner Pochath) und seiner Hauptattraktion, der Stripperin Brigitte (Joan Collins), führt.
Als Wally dann auf eine Schulkollegin des toten Kindes trifft, muss der "Fuchs" erkennen, dass es sich beim Tod des Kindes nicht um einen Unfall handelte, und dass es mehr als eine direkte Verbindung zur Verschwundenen gibt, deretwegen er eigentlich gekommen war...

Wie fand ich's?: Wenn der Co-Autor eines Films von Italo-Action-Experte Stelvio Massi, der für seine Frau-Wirtin-Streifen bekannte Österreicher Franz Antel ist, dann wundert es kaum, dass dieser Film in erster Linie mit den Nacktszenen einer jungen Joan Collins wirbt, die sich zu dieser Zeit hauptsächlich in kleinen TV-Nebenrollen und italienischer Exploitation verdingt.
Als drei Jahre später Collins als Alexis Carrington in der Serie Dynasty (1981-1989 dt.: Der Denver-Clan) für Furore sorgt, wurden diese Filme erneut in die Videoregale gestellt, um durch die neue Popularität erneut kräftig abzusahnen.
Dabei hat Poliziotto senza paura viel mehr zu bieten, als eine nackte Frau Collins und einen dummen, deutschen Titel, der tatsächlich am Ende ein vielleicht recht werbewirksamer, aber für den Zuschauer doch eher ärgerlicher Spoiler ist.
Viel weniger ärgerlich war es z. B., Maurizio Merli in der Hauptrolle zu besetzen, ist es doch letztendlich er, der den Film quasi allein über die Ziellinie trägt. Merli wirkt dabei wie eine Mischung aus Franco Nero, Tomás Milián und (meinetwegen) Tom Selleck.
Werner Pochath ist als Schurke und/oder Kinski-Ersatz immer ein passabler Akteur und nur bei Frau Collins hätte man meines Erachtens lieber zu Genre-Ikonen wie Rosalba Neri, Florinda Bolkan oder gar Edwige Fenech greifen dürfen.
Die Story erinnert an Klassiker wie Cosa avete fatto a Solange? (I/BRD 1972 dt.: Das Geheimnis der grünen Stecknadel) oder La polizia chiede aiuto (I 1974 dt.: Der Tod trägt schwarzes Leder), welche beide zuvor von Massimo Dallamano gedreht wurden und ebenfalls das Thema Kinderprostitution aufgreifen.
In Magnum Cop (so der internationale Titel von Poliziotto senza paura) wird das schwierige Terrain zusätzlich mit Merlis spitzbübischen Witz konfrontiert, was dank seines sympathischen Charms auch tatsächlich weit besser gelingt, als man erwarten könnte.

Fazit: Keine vergessene Perle, aber solide Unterhaltung für Fans von Massi, Merli oder Collins.

Punktewertung: 6,5 von 10 Punkten

Sonntag, 25. November 2012

Bitte lächeln!

Der unheimliche Sardonicus (Mr. Sardonicus)
USA 1961
R.: William Castle

Worum geht's?: William Castle tritt im nebligen London vor die Kamera, um dem Zuschauer die Geschichte eines Ghuls anzukündigen.
Der leidenschaftliche Arzt Sir Robert Cargrave (Ronald Lewis) ist eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Muskelentspannung bei Lähmungserscheinungen.
Als ihn ein dringender Brief seiner alten Liebe Maude (Audrey Dalton) aus dem (fiktiven) Balkanländchen Gorslava erreicht, eilt der gute Doktor natürlich sofort los, seiner Flamme zur Hilfe zu eilen.
Tatsächlich trifft er Maude in den unheilvollen Fängen des sinisteren Barons Sardonicus (Guy Rolfe) vor, einem Edelmann, der sein Gesicht hinter einer starren Gesichtsmaske verbirgt und sein Essen laut schlürfend zu sich nimmt.
Zusammen mit seinem einäugigen Faktotum Krull (Oskar Homolka), droht der Baron der holden Maude etwas anzutun, sollte Sir Robert sich weigern, jedes legale und illegale Mittel zu ergreifen, ihn von dem Leiden zu befreien, das ihn zwingt, diese verdammte Maske tragen zu tragen.
Und dann erzählt der Baron seine Geschichte, die wahrlich jedem das Grinsen im Gesicht erstarren lassen könnte...

Wie fand ich's?: Castle, der eigentlich Schloss hieß, war der König der Gimmicks. Zu jedem seiner Filme ließ er sich einen zusätzlichen Anreiz einfallen, der werbewirksam die Zuschauer in die Lichtspielhäuser locken sollte.
Bei Mr. Sardonicus war dies die sogenannte Punishment Poll, eine Umfrage unter den
Zuschauern, wie der Film enden soll - solle man Gnade mit dem unmenschlichen Mr. Sardonicus walten lassen, oder solle es für ihn ganz dicke kommen?
Zu diesem Zweck wurden vor der Vorstellung Karten mit fluoreszierenden, aufgedruckten Daumen verteilt, welche man am Ende des Films für den, von der Leinwand direkt zum Publikum sprechenden, Herrn Castle bitte hochhalten sollte. Daumen hoch - lasst den Schuft leben. Daumen runter - wäre ja noch schöner...
Die Legende besagt nun, es habe nie ein Publikum für die Titelfigur gestimmt, so das man immer nur das böse Ende gezeigt habe.
Fakt wird sein: es hat nie ein anderes Ende existiert; denn zum einen entspricht dieses Ende der zugrunde liegenden Kurzgeschichte Sardonicus von Drehbuchautor Ray Russell, zum anderen wurde nie ein Happy End in den Archiven gefunden.
In bester Tradition eines Lon Chaney sen. ließ Sardonicus-Darsteller Guy Rolfe sich von fünf formenden Hilfsmitteln im Gesicht malträtieren, um so den Risus sardonicus zu imitieren, der der Titelfigur den Namen gibt.
Risus was? Sie wissen nicht, wovon zum Teufel ich spreche? Um so besser. Ich wünsche viel Vergnügen beim Entdecken einer gern übersehenen Horrorikone!

Fazit: Atmosphärische, gothische Gruselmär, die den Kenner strahlen lässt - zwei Daumen hoch!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Sonntag, 18. November 2012

Freundschaft mit dem Tod

Macario
MEX 1960
R.: Roberto Gavaldón


Worum geht's?: Der arme mexikanische Holzfäller Macario (Ignazio López Tarso) kann mit Müh und Not seine Familie ernähren und hungert sich von Tag zu Tag.
Eines Tages schwört er erzürnt über seine Armut und den Reichtum Anderer, solange nichts mehr zu essen, bis er einen ganzen, gebratenen Truthahn für sich allein hätte.
Seine ihn liebende Frau (Pina Pellicer) erfüllt ihm schließlich den Wunsch und stielt ein Tier bei ihren reichen Arbeitgebern.
Erfreut stürmt Macario mit dem Festschmaus in den Wald, wo er sonst seinem beschwerlichen Tagwerk nachgeht.
Hier trifft er zunächst auf den Teufel persönlich (José Gálvez), dann auf den lieben Gott (José Luis Jiménez), welche beide ein Stück Truthahn von ihm fordern, wobei der Teufel Macario sogar seine Silbersporen und Goldknöpfe im Tausch anbietet.
Doch der Holzfäller bleibt hart, erst die magere, traurige Gestalt des Tods (Enrique Lucero) bewegt ihn dazu, doch noch sein Mahl zu teilen.
Zum Dank lässt der Tod Macario seine Flasche mit einer wundertätigen Flüssigkeit füllen, mit der er von nun an jeden Totkranken auf dem Sterbebett heilen kann - solange der Knochenmann am Fußende steht und nicht am Kopfende, denn dann ist der Sterbende unausweichlich zum Tode bestimmt.
Als Macario daraufhin tatsächlich seinen eigenen, in einen Brunnen gefallenen, Sohn vor dem schnellen Ableben rettet, verbreitet sich die Kunde vom wundertätigen Hexendoktor schlagartig im nahen Städtchen und der ehemalige Holzfäller wird schnell zum reichen Mann.
Doch Erfolg zieht Neider an, und die schrecken auch nicht davor zurück, die Heilige Inquisition auf den Plan zu rufen...


Wie fand ich's?: Roberto Galvadóns Adaption von B. Travens preisgekrönter Novelle The Healer, war der erste mexikanische Film, der für den Oscar nominiert wurde.
Traven, dessen wahre Identität der Literaturwissenschaft seit langer Zeit Rätsel aufgibt, bediente sich großzügig beim Grundgerüst des bekannten Märchens Der Gevatter Tod der Gebrüder Grimm, reicherte jedoch das Märchen um den für ihn üblichen sozialkritischen Subtext an, und schuf so ein flammendes Plädoyer für die verarmten, mexikanischen Bauern und Tagelöhner, die der nach Mexiko ausgewanderte Traven selbst kennenlernte.
So beginnt auch Galvadóns Verfilmung des Stoffes wie ein Sozial- und Milieudrama, bevor sie nach etwa 25 Minuten urplötzlich eine unerwartete Wendung ins Reich der Phantasie nimmt und von da an tatsächlich stark an ein deutsches Volksmärchen vor lateinamerikanischer Kulisse erinnert.
Ignacio López Tarso, der für Macario den Golden Gate Award des San Francisco International Film Festival als bester Schauspieler 1960 gewann, wandelt mit scheinbarer Leichtigkeit durch den Film und wirkt selbst ständig erstaunt über die Ereignisse, welche ab einem bestimmten Zeitpunkt unumgänglich ihren Lauf nehmen.
Gegenüber Travens Novelle veränderte Galvadón das Ende vom Happy End zur bösen Lektion über das menschliche Schicksal und gewinnt dadurch noch zusätzlich an erwachsenem Subtext.
Für Pina Pellicer, die hier als sorgenvolle Ehefrau des Titelhelden brillierte, nahm das Leben ebenfalls ein trauriges Ende. Sie nahm sich aufgrund von Depressionen im Alter von nur 30 Jahren das Leben.


Fazit: Einer der besten mexikanischen Filme bis dato... Wundervolles, warmherziges Kino mit Anspruch und Botschaft!

Punktewertung: 9 von 10 Punkten

Freitag, 16. November 2012

Let's twist again...

The Fourth Victim (La última señora Anderson)
E/I 1971
R.: Eugenio Martin


Worum geht's?: Als auch die dritte Gattin eines seltsamen Todes stirbt, landet der distinguierte Herr Anderson (Michael Craig) auf Veranlassung der zum dritten Mal geschröpften Versicherungsgesellschaft prompt wegen mutmaßlichen Mordes vor Gericht.
Nur dank einer Aussage seiner getreuen Haushälterin (Miranda Campa) wandert Anderson doch nicht hinter schwedische Gardinen und kehrt stattdessen in seine schmucke Villa zurück.
Bald schon tritt die schöne Julie (Carroll Baker) in sein Leben und wird nach einigem Geturtel sogar gegen alle Vernunft die vierte Mrs. Anderson.
Doch Julie verschweigt scheinbar ihrem Gatten so manches und Anderson erfährt zu seiner Überraschung, dass seine neue Ehefrau ihren früheren Gatten ebenfalls auf dem Gewissen haben soll.
Wem kann ein mutmaßlicher dreifacher Blaubart jetzt noch trauen?
Wer ist die verdächtige, blonde Frau, welche des Nachts Julies Anwesen heimsucht?
Was weiß Inspektor Dunphy (José Luis López Vázquez), der ein ständiges Auge auf Anderson hat?
Fragen über Fragen...


Wie fand ich's?: Hollywoodbeauty und Giallo-Veteranin Carroll Baker in einem spanischen Thriller von Eugenio Martin, dessen bester Film wohl der starbesetzte Horror Express (E/GB 1972) ist.
Was diesen schwer zu findenden Film so besonders macht ist zum einen seine wunderbare altmodische, ja, man möchte fast sagen hitchcocksche Machart, zum Anderen, besticht das Drehbuch durch eine Unzahl an tollen Twists, die den geneigten Rezipienten ständig bei bester Laune halten.
Dass für einen Genrefilm dieser Zeit kaum Blut fließt, ist zu verschmerzen, dafür macht Martin sein Können bereits in der Gerichtsszene zu Anfang des Films offenkundig - Billy Wilders Witness for the Prosecution (USA 1957 dt.: Zeugin der Anklage) lässt fast grüßen!
Das spanische Gialli nicht zwingend hinter den italienischen Originalen herhinken müssen, ist spätestens mit Titeln wie El techo de christal (s. h.:  http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/09/fenster-zum-schweinestall.html) belegt worden und der hier besprochene Streifen unterstützt die These nur umso mehr.
Leider liegt diese schöne Rarität nur auf einem griechischen VHS-Tape aus den glorreichen 80ern vor, was eine vernünftige, digitale Veröffentlichung wünschenswert macht.


Fazit: Oldschool Thrill für Feinschmecker europäischer Krimikost!

Punktewertung: 7 von 10 Punkten 


Dienstag, 13. November 2012

Initiation in die Traumwelt

Walkabout
GB 1971
R.: Nicolas Roeg

 
Worum geht's?: "In Australia when an Aborigine man-child reaches sixteen, he is sent out into the land. For months he must live from it. Sleep on it. Eat of its fruit and flesh. Stay alive. Even if it means killing his fellow creatures. The Aborigines call it the Walkabout. This is the story of a Walkabout."
Vater (John Meillon) nimmt seine beiden Kinder, ein etwa 14-jähriges Mädchen (Jenny Agutter) und ihren etwa halb so alten Bruder (Luc Roeg - Sohn des Regisseurs), mit ins australische Outback.
Doch aus dem vorgeblichen Wunsch nach einem friedlichen Picknick wird ein grausames Drama, als Vater plötzlich auf die Kinder schießt, den Familienwagen in Brand steckt und schließlich selbst tot im roten Wüstensand liegt.
Nun irren die Kinder, unter Führung des Mädchens, durch die wundersame Landschaft, stetig auf der Suche nach Wasser und Nahrung.
Als alles verloren scheint, taucht plötzlich ein junger Aborigine (David Gulpilil) am Horizont auf. Der Junge befindet sich auf seinem Walkabout und nimmt die beiden in der Hitze Gestrandeten mit sich, auf seiner Reise über die Songlines, die Traumpfade der Ureinwohner.
Entlang des Weges finden die Reisenden neue Erfahrungen, Erkenntnisse, Emotionen, aber auch zerbrochene Träume, Schmerz und sogar den Tod.


Wie fand ich's?: Roeg kann man getrost zu den großen Ausnametalenten des britischen Films gerechnet werden.
Er begann seine Karriere als Kameramann am Set von Meisterwerken wie David Leans Lawrence Of Arabia (GB/USA 1962 dt.: Lawrence von Arabien) oder Truffauts Fahrenheit 451 (F 1966), bevor er an der Seite von Donald Camell beim surrealen Kultthriller Performance (GB 1970) mit Mick Jagger, James Fox und Anita Pallenberg das erste Mal Regieführen sollte.
Bei Walkabout nahm Roeg bereits ein Jahr später allein auf dem Regiestuhl Platz und schuf einen Film, der in oft assoziativen Schnittcollagen die Gegensätze von Natur, Ureinwohnern, deren Traditionen und dem was wir gemeinhin Zivilisation nennen, aufzeigt.
Vieles in Roegs Film ist tatsächlich improvisiert und dem Zufall geschuldet, umfasste das Drehbuch doch nur die lächerliche Anzahl von 14 Seiten.
Roeg arbeitet in Walkabout ständig mit dem Aufzeigen von Dualismen, bedient sich dabei einer fast instinktgesteuerten Montage und schafft so am Ende ein kunstvoll, verschlungenes Drama mit glaubwürdigen, menschlichen Charakteren und wunderschönen Naturbildern.
Dass die sogenannte Zivilisation der weißen Männer dabei praktisch ständig als Negativbeispiel herhalten muss, steht wohl von vornherein außer Frage.
Unterstrichen wird das Ganze von einem fabelhaften Score John Barrys, der der Mehrheit wohl in erster Linie für seine Kompositionen innerhalb der James-Bond-Reihe bekannt sein wird. Weiterhin werden Teile der Hymnen Karlheinz Stockhausens verwendet, in denen sich ebenfalls collagenartig Töne, Worte und Klänge zu einem weltmusikalischen Gesamtbild zusammensetzen.
Neben Roegs Sohn Luc (in den Credits als Lucien John gelistet), welcher in späteren Jahren als Produzent ins Filmbusiness zurückkehren sollte und dessen bisher einziger Filmauftritt vor der Kamera in Walkabout stattfinden sollte, debütierte ebenfalls David Gulpilil in der Rolle des jungen Aborigines, ein seither viel beschäftigter australischer Schauspieler, der aufgrund seiner Abstammung fast immer die gleichen Rollen bekommt und auch Peter Weirs wundersamen The Last Wave (AUS 1977 dt.: Die letzte Flut) weiter aufwertete - dies ist auch ein kleiner Tipp für ein unterhaltsam verstrahltes Doublefeature. 
In letzter Zeit macht Gulpilil traurigerweise mehr durch häusliche Gewalt und Alkoholprobleme von sich reden...
Der ursprüngliche Star des Films ist aber eigentlich Jenny Agutter, deren ästhetische Nacktszenen in Walkabout noch heute in den Foren der iMDb zu regen Diskussionen führen. Tatsächlich wurde der Film aber wegen dieser full-frontal nudity ursprünglich mit einem R-Rating (d. h.: Jugendliche unter 17 Jahren dürfen den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen sehen) versehen, aufgrund eines Antrages wurde aber später die Bewertung auf ein PG-Rating (die Begleitung durch einen Erwachsenen ist hier lediglich eine gut gemeinte Empfehlung...) heruntergestuft.
Agutter war beim Dreh des Films, genau wie David Gulpilil, an der Schwelle zur Volljährigkeit und warnte ihre Eltern vor Besuch des Films schon mal vorsichtshalber vor, doch sollte sie später nie angeben, die Szenen jemals bereut zu haben.
Einer der Päpste der amerikanischen Filmkritik, Roger Ebert, nannte Walkabout "one of the great Films" und sagte weiter: "no one who saw Walkabout has ever forgotten it". 
Stimmt.


Fazit: Traumwandlerisch schön und traumhaft verträumt. Das etwas andere Coming-of-Age-Drama!

Punktewertung: 9,75 von 10 Punkten


Samstag, 10. November 2012

Blowin' in the wind

Even the Wind Is Afraid (Hasta el viento tiene miedo)
MEX 1968
R.: Carlos Enrique Taboada


Worum geht's?: Claudia (Alicia Bonet), ihres Zeichens Schülerin eines Mädcheninternats im Grünen, hat in letzter Zeit grausame Albträume.
In ihnen wird sie von einer unbekannten Frau in den alten Turm auf dem Schulgelände gerufen, nur um am Ende einer langen, knarzenden Treppe, auf einen erhängten Frauenkörper zu stoßen.
Während die herrische Schulleiterin Bernada (Marga López), die von den Schülern nur "die Hexe" genannt wird, die Träume kurzerhand als puren Unfug abtut, erkennt die einfühlsame Lehrerin Lucia (Maricruz Olivier) Verbindungen zur Vergangenheit.
Damals hatte sich nämlich eine Schülerin vor Trauer und Hass auf die Schulleitung in dem Turm erhängt, und ihr Geist scheint nun nach Claudia zu greifen.
Eines Nachts schlafwandelt Claudia, wieder von der unheimlichen Stimme in die Nacht gerufen, zum Turm, nur um dort von der Treppe zu stürzen und etwas später auf dem Totenbett wundersam zu genesen.
Doch ist das wirklich Claudia, die da wieder erwacht ist - oder ist der unruhige Geist Andreas (Pamela Susan Hall) aus dem Jenseits wiedergekommen, um Rache zu nehmen?


Wie fand ich's?: Wenn man meint, man hätte alle sehenswerten Klassiker des Horrorfilms gesehen, dann kommt eine Obskurität wie diese daher.
Hasta el viento tiene miedo ist ein Film der alten Schule, ganz ohne Gore und Gekröse, dafür mit viel Herz, Humor und Charme inszeniert.
Hier wird sich noch bemüht, jeder Figur einen unverwechselbaren Charakter zu geben und manchmal wird man fast schon an eine Mädchen-Version von Das fliegende Klassenzimmer (BRD 1973 R.: Werner Jacobs) erinnert, was ja nichts Schlechtes ist.
Atmosphärisch wird zu den altbekannten, aber erprobten Mitteln gegriffen, inklusive Standards wie Käuzchenruf, Gewittergrollen und Blitze zucken bei Nacht.
Die Sets sind nicht atemberaubend aber zweckmäßig, insgesamt sieht die Produktion jedoch nach einem etwas höheren Budget als bei ähnlichen mexikanischen Low-Budget-Streifen aus.
Die Darsteller machen ihre Sache allesamt sehr ordentlich; inhaltlich lassen sich leichte Parallelen zu Guillermo del Toros späterem Meisterwerk El espinazo del diablo (E/MEX 2001 int.: The Devil's Backbone) ausmachen.
Ein offizielles Remake unter der Regie Gustavo Mohenos kam 2007 unter dem gleichen Titel in die mexikanischen Kinos und verlegt die Handlung (ganz zeitgemäß) von der Mädchenschule direkt in die Psychiatrie...


Fazit: Altmodischer Internatsgrusel aus dem Land der Tortilla. Ein hierzulande unbekannter Klassiker des internationalen Gruselfilms.

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Samstag, 3. November 2012

Gib Gummi!

Rubber
F/AO 2010
R.: Quentin Dupieux

Worum geht's?: Robert ist ein Killerreifen mit telekinetischen Fähigkeiten. Denn, jedes Mal wenn Robert sich in seinem Dasein als herumstreunender Autoreifen gestört fühlt, lässt er einfach so Köpfe platzen, wie es ihm gefällt.
Auf seiner scheinbar ziellosen Tour durch eine amerikanische Wüstenlandschaft wird er von einer Gruppe mit Ferngläsern bewaffneten Leuten (darunter u. a. Movie-Veteran Wings Hauser) begafft, welche unter freiem Himmel campieren müssen für dieses Vergnügen scheinbar auch noch bezahlen.
Ein zwielichtiger Buchhalter (Jack Plotnick) versorgt das Grüppchen mit dem Nötigsten und als Robert sich in eine durchreisende Schönheit (Roxane Mesquida) verguckt, bekommt man sogar noch, was Neues für sein Geld geboten.
Bald sieht sich die Polizei unter der Leitung von Lt. Chad (Stephen Spinella) gezwungen in die Szenerie einzugreifen.
Doch kann man einen Reifen wirklich töten?
Und kann er wirklich lieben?
Welche Rolle spielen die Zuschauer, die natürlich ganz eigene Vorstellungen von einer guten Show haben?
Und ist alles am Ende tatsächlich nur reine Willkür?

Wie fand ich's?: Am Anfang des Films spricht Lt. Chad scheinbar direkt zum Zuschauer und hält eine kurze Rede über das für ihn auffälligste Element im modernen Film: reine Willkür.
Warum ist E. T. braun, warum ist dies ein Film über einen soziopathischen Gummireifen? Reine Willkür!
Bereits zum Beginn des Streifens macht Quentin Dupieux, der manchen vielleicht unter seinem Musikerpseudonym Mr. Oizo besser bekannt sein wird, klar, dass man das Folgende unter genau diesem Aspekt sehen sollte.
Rubber ist somit nicht (nur) kurzweiliger Trash mit etwas Splatter, der an Cronenbergs Scanners (CAN 1981) erinnert, nein, Rubber will sein Publikum auch zur Reflexion über seine eigenen Seherwartungen und Vorstellungen ermuntern.
Diese Metaebene wurde allerdings scheinbar nicht von jedermann begriffen und führte mitunter zu teilweise vollkommen unberechtigten Verrissen des mit 79 Minuten ohnehin recht kurz geratenen Trip ins Absurde.
Als Mr. Oizo verkaufte Dupieux zur Jahrtausendwende mehr als 3 Millionen Kopien seines Flat Beats, auch durch das knuffige Ding namens Flat Eric, der im Video auf einem Wienerwürstchen herumpafft.
Dupieux spielte schon länger in Interviews mit den Medien und gab zwischen den Zeilen unumwunden zu, dass er im Grunde schlicht ein findiger Dilettant sei, dessen Kompositionen eher auf Faulheit und Zufall basieren und natürlich steuerte Dupieux Alter Ego Mr. Oizo auch gleich Teile des Soundtracks bei.
Dilettantismus findet man in Rubber hingegen kaum, der kleine Film weiß auch durch schöne Bilder und gute Darsteller zu gefallen
Und so schafft es am Ende des Films ein wiedergeborener Reifen namens Robert sogar noch bis nach Hollywood, in die Zentrale des Filmmainstreams schlechthin, doch dem Zuschauer ist in dieser Szene eigentlich sofort klar, dass Robert nicht gekommen ist, um hier Karriere zu machen - er ist gekommen, um zu töten!

Fazit: Skurriler, selbstreflexiver Trash mit Arthouse-Desert-Splatter-Attitüde

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten

Freitag, 26. Oktober 2012

Das erste Opfer eines Krieges ist die Unschuld...

Pensione Paura
I 1977
R.: Francesco Barilli

Worum geht's?: Italien zur Zeit des 2. Weltkriegs.
Die Minderjährige Rosa (Leonora Fani) bestellt zusammen mit ihrer Mutter Marta (Lidia Bondi) ein Hotel irgendwo in der Provinz.
Rosa vermisst ihren geliebten Vater, der bei der Luftwaffe dient, und verabscheut die aufdringlichen Gäste der maroden Herberge, deren Nachstellungen sie fast hilflos ausgeliefert ist.
Besonders aufdringlich und hartnäckig ist Rodolfo (Luc Merenda), ein schmieriger Gigolo, der mit seiner wesentlich älteren Geliebten nur aufgrund derer Diamanten ewige Heiratspläne schmiedet.
Als Rosas Mutter sich bei einem Treppensturz das Genick bricht (Unfall oder Mord?), steht das Mädchen plötlich vollkommen schutzlos und allein da, denn der trunksüchtige, alte Kellner Alfredo ist ebenso wenig eine Hilfe, wie der nervöse Fahnenflüchtige (Francisco Rabal), den Mutti im Hotel versteckt hielt.
Doch als sich zwei weitere Gangster einquartieren und Rodolpho eines Nachts wie ein Tier über Rosa herfällt, taucht plötzlich ein mörderischer Helfer mit Hut und Trenchcoat auf...

Wie fand ich's?: Dies ist der zweite Langfilm von Francesco Barilli, der bereits drei Jahre zuvor mit Il profumo della signora in nero (I 1974) einen unvergesslichen Klassiker des italienischen Psychothrillers abgeliefert hatte, dessen Qualitäten, um mal direkt zum Punkt zu kommen, mit Pensione Paura allerdings nicht ganz erreicht werden.
Handwerklich ist Barillis Nachfolger sicher erneut unantastbar und auch auf darstellerischer Ebene kann man alles andere als meckern; es ist vielmehr die Unentschlossenheit des Drehbuches, die den Film unausgewogen und sonderbar unstimmig anmuten lässt.
Fast die gesamte erste Stunde des Films bekommt der Zuschauer nämlich ein schön anzusehendes Drama über eine leidgeplagte Jugend im Krieg zu sehen, bevor dann im letzten Drittel zunächst eine unnötig explizite Vergewaltigung, dann wesentlich unspektakulärer gefilmte Messermorde und schließlich ein Maschinengewehrmassaker den Zuschauer aus dem Fluss der Bilder reißen, nur um ihn dann zum Schluss wieder ins Land der Tragödie zu schicken.
Wer Il profumo della signora in nero gesehen hat, weiß, dass Barilli Drama, Gewaltdarstellung und einen bemerkbaren Spannungsbogen dort noch bei Weitem besser miteinander verbinden konnte, als in Pensione Paura, hier zerfallen diese Elemente fast in eigenständige, sehr unterschiedlich lange Episoden, sodass der Film leider keinen einheitlichen Ton findet.
Trotzdem wird man gut unterhalten, was man mich zu einer klaren Wertung oberhalb des Mittelmaßes bewegt hat.
Nach Pensione Paura sollte Francesco Barilli leider kaum noch als Regisseur aktiv werden und sich vermehrt als Schauspieler betätigen.

Fazit: Knapp vorbei am großen Treffer - zum Ende hin mit einer unnötigen Prise Giallo und unangemessenem Gemetzel leider etwas überwürztes Psychodrama!

Punktewertung: 6,5 von 10 Punkten

Samstag, 20. Oktober 2012

Wer sagt: Auf der Alm da gibt's koa Sünd?

Sennentuntschi
CH/AU 2010
R.: Michael Steiner


Worum geht's?: 1975. In einem Schweizer Alpendorf erhängt sich der Messner, zeitgleich taucht eine offensichtlich traumatisierte, junge Frau (Roxane Mesquida) auf.
Diese kann weder sprechen, noch einen Hinweis auf ihre Herkunft geben und nur der Priester (Ueli Jäggi) vermutet zunächst, dass diese traurige Figur direkt aus der Hölle stammt und ihr Auftauchen in direktem Zusammenhang mit dem toten Kirchendiener steht.
Trotz der fürsorglichen Hand des engagierten Dorfpolizisten Reusch (Nicholas Ofczarek), schlägt der Verlorenen nur Hass oder Gleichgültigkeit entgegen, genährt von Aberglauben und Vorurteilen.
Ohne wirkliche Hilfe der Dorfbevölkerung versucht Reusch die Herkunft der Schönen ausfindig zu machen, und stößt dabei auf ein Verbrechen, welches bereits fünfzig Jahre zurückliegt und damit auf den einzigen ungelösten Fall eines sterbenden Polizeiinspektors im Ruhestand.
Doch wie hängt dies alles nur mit einem Leichenfund in der Gegenwart zusammen, was haben zudem drei Männer in einer abgelegenen Almhütte mit der Frau zu tun, und wie kommt dann noch die sagenumrankte Figur der Sennentuntschi ins Spiel, die zu Leben kommende Strohpuppe, welche einsamen Hirten als Gespielin dient, um dann tödliche Rache an ihnen zu nehmen?


Wie fand ich's?: Nachdem die Produktion des Films beinah an finanziellen Problemen scheiterte und nur eine Geldspritze der Münchener Constantin Film das Projekt rettete, schaffte es Sennentuntschi tatsächlich doch noch dank rund 150000 zahlender Schweizer Kinobesucher der erfolgreichste Film im Jahr 2010 der Alpenrepublik zu werden.
Dabei hatte eine Ausstrahlung eines gleichnamigen Theaterstücks des Dramatikers Hansjörg Schneider im Schweizer Fernsehen bereits 1981 einen Skandal ausgelöst und auch eine recht freizügige, deutsche Kinoadaption unter dem Titel Sukkubus - den Teufel im Leib (BRD 1989) von Georg Tressler war eher auf profane Schauwerte aus.
In Steiners neuerer Filmadaption der Sage, bei der der Regisseur in Zusammenarbeit mit seiner damaligen Ehefrau auch das Drehbuch verfasste, liegt das Hauptaugenmerk der Geschichte jedoch weniger auf einem sexuell aufgeladenen Metaphernspiel, als auf einem spannenden Mysterythriller, der sich nach und nach durch die Verwendung längerer Rückblenden auflöst und den Zuschauer am Ende eher fassungslos über das Gesehene entlässt.
Hinzu kommt die wahrhaft malerische Szenerie der Schweizer Alpen, ebenso die hervorragende Ausstattung, welche die Handlung zur Mitte der 70er Jahre äußerst authentisch erscheinen lässt und die bis in die kleinste Nebenrolle sehr gut agierenden Schauspieler.
Die 1981 geborene Französin Roxane Mesquida erweist sich hier geradezu als Idealbesetzung für die geheimnisvolle Schönheit und auch Nicholas Ofczarek gibt den gerechten Dorfpolizisten mit Bravour.
Der schweizerdeutsche Originalton ist für einheimische Ohren allerdings kaum verständlich, darum ließ man den Film für eine Auswertung hierzulande nachträglich noch einmal hochdeutsch synchronisieren.



Fazit: Ganz was Feines aus dem Land der Toblerone - allerdings herbe im Abgang.

Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten

Freitag, 19. Oktober 2012

Insekten und um Sekten herum

The Sect (La Setta)
I 1991
R.: Michele Soavi

 
Worum geht's?: Deutschland 1991. Nachdem die etwas verhuschte Lehrerin Miriam (Kelly Curtis) auf dem Nachhauseweg fast einen alten Mann (Herbert Lom) angefahren hat, beschließt sie aufgrund von Schuldgefühlen, den Alten mit zu sich und ihr abgelegenes Häuschen zu nehmen.
Dies soll sich schnell als böser Fehler erweisen, nutzt der Gute doch die erste Gelegenheit, der armen Miriam ein Insekt in die Nase einzuführen, ihr Trinkwasser mit sonderbaren, blauen Fäden zu kontaminieren, um dann im Keller auch noch tot umzufallen!
Was folgt, ist ein scheinbar nicht endenwollender Strudel aus Mord, Traum, Wahn und Verzweiflung; denn die Sekte hat schon lange ihre Augen auf Miriam gerichtet und verfolgt gnadenlos ihren wahrhaft teuflischen Plan!


Wie fand ich's?: Michele Soavi spielte im Filmbusiness jahrelang nur die zweite Geige, soll heißen: er verdingte sich als Regieassistent, am Set von solchen Klassikern des italienischen Horrorfilms wie Dario Argentos Tenebre (I 1982) oder Lamberto Bavas La casa con la scala nel buio (I 1983 dt.: A Blade in the Dark) in denen er auch als Darsteller auftauchte.
1987 inszenierte Soavi mit dem stylishen Giallo Deliria (I 1987 dt.: Aquarius - Theater des Todes) dann endlich seinen ersten eigenen Langfilm, und spätestens mit der viel umjubelten Horrorkomödie Dellamorte Dellamore (I 1994) hat er schließlich auch international auf sich aufmerksam machen können.
1991 drehte Soavi jedoch erst mal La Setta, einen von seinem Freund Dario Argento geschriebenen und produzierten Film, für den sich Soavi den zu dieser Zeit fast vergessenen Herbert Lom und Jamie Lee Curtis' große Schwester Kelly vor die Kameras holte.
Lom, der in diesem Jahr leider verstorben ist, hatte bereits in Meilensteinen wie Spartacus (USA 1960 R.: Stanley Kubrick) und The Ladykillers (GB 1955 R.: Alexander Mackendrick) mitgewirkt und war 1991 längst am Ende seiner Karriere angelangt, während Kelly Curtis sich in kleinen Nebenrollen verdingte und hin und wieder für Fernsehproduktionen engagiert wurde.
Nun, auch mit La Setta sollte es Kelly nicht gelingen, ihrer jüngeren Schwester auch nur ansatzweise den Rang abzulaufen, das Endresultat kann sich aber auch nach mehr als zwanzig Jahren noch sehen lassen.
Der Film ist ein ungemein atmosphärischer Mix aus fast surrealen Albtraumbildern a' la David Lynch und Motiven aus Rosemary's Baby (USA 1968 R.: Roman Polanski), die aber in Argentos Drehbuch mitunter vollkommen eigenständig und frisch wirken.
Damit ist Soavis Film weit entfernt von den eher unkreativen, bloßen Rip-Offs seiner Landsleute, denn er verleiht einer längst nicht neuen Story (die zudem die für Argento üblichen Logiklücken mitbringt...) einen ganz eigenen Anstrich, ohne sich einfach nur dem Plagiat zu verschreiben.
Stilistisch lässt Vieles zwar noch sehr stark den Einfluss Argentos erahnen, doch auch auf dieser Ebene ist Soavi weit davon entfernt, seinen Freund rein zu kopieren.
Der Film definiert seine ganz eigene Symbolik, schafft damit einen so noch nicht vorhandenen Mythos, in dem sich Charles Mansons mörderische Hippiekommune mit der Schwarzen Magie und den pantheistischen Motiven grimmscher Märchen zu etwas umformt, was es so als Ganzes noch nicht gab, mich allerdings teilweise stark an einige Bilder aus Clive Barkers drei bis vier Jahre später entstandenen Lord Of Illusions (USA 1995) erinnerte - ohne hier jetzt ein Plagiat vermuten zu wollen...
Am Ende kann man La Setta getrost zu den besten italienischen Genrefilmen der frühen 90er Jahre rechnen - für die dritte eigene Regiearbeit eines ewigen Assistenten eine mehr als beachtliche Leistung...


Fazit: Märchenhaft anmutender Horrortrip in tollen Bildern - with a little help from his friend(s)...

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Exzentrische Adlige voller Mordlust

The Sadistic Baron Von Klaus (La mano de un hombre muerto)
E 1962
R.: Jess Franco

Worum geht's?: Im schönen Städtchen Holfen geht ein Frauenmörder um. Die Alteingesessenen wissen auch genau, wer der Unhold sein soll: der vor 500 Jahren verstorbene Baron Von Klaus, ein Sadist und Frauenhasser, wie er im Buche steht (bei de Sade halt...) und nun ein des Nachts herumstreifender Geist mit mörderischen Absichten.
So eine Geschichte bleibt natürlich nicht lange im Verborgenen, und so schickt das wunderschön betitelte Magazin Mädchen und Mörder Wochenzeitung ihren besten Mann, Karl Steiner (Fernando Delgado) nach Holfen, um von dort sowohl über Mädchen wie Mörder zu berichten.
Hier hat Inspektor Borowsky (George Rollin) bereits Witterung aufgenommen und bereits so manches Alibi gecheckt und schon bald deuten tatsächlich mehrere Spuren in Richtung des heutigen Barons, Max Von Klausen (Howard Vernon), der unter falschem Namen im Hotel vor Ort abgestiegen war.
Doch als seine Geliebte ihm ein wasserfestes Alibi verschafft und ein weiterer Mord passiert, muss sich der Inspektor nach einem neuen Verdächtigen umsehen und die schöne Karine (Paula Martel) muss weiter Angst im Hause der Von Klausens haben, wo sie doch gerade erst mit ihrem Liebsten, Ludwig Von Klausen (Hugo Blanco), einem kultivierten Feingeist und Freund klassischer Musik, dort eingetroffen ist.
Potenzielle Opfer gibt's in dem kleinen Örtchen wohl noch genug, und so lässt die nächste Untat nicht lange auf sich warten.
Wer wird zum nächsten Opfer des schwarz gekleideten Killers?

Wie fand ich's?: Dies ist einer der ersten Filme des berüchtigten Vielfilmers Jess Franco, der es bis heute auf weit über hundert Werke von zumeist eher zweifelhafter Qualität bringt. Dabei hat er fast alle Genres bedient, nur das des Westerns nicht, weil er diesen, so sagte er mal selbst, einfach zu sehr mag.
Wie bei allen echten Künstlern (hüstel...), finden sich auch in Francos Arbeiten immer wieder Leitmotive, welche sich wie ein roter Faden durch sein Oeuvre ziehen.
So kulminiert schon dieser Streifen in einer für 1962 sehr gewagten Szene, in der eine gefesselte Frau im nietenbesetzten G-String mit Peitsche und glühendem Schneidwerkzeug zu Tode malträtiert wird.
Hier zeigt sich also bereits sein Faible für nackte Haut und sein S/M-Fetisch, der spätestens in Filmen wie Marquis de Sade: Justine (E/I/BRD/LI 1969) oder Der heiße Tod (E/I/UK/BRD/LI 1969) voll zur Geltung kamen - beide Filme greifen im Übrigen Themen auf, welche Franco im Laufe seiner Karriere immer wieder abarbeiten wird: das Werk des Marquis de Sade und leicht bis unbekleidete Frauen hinter Gittern.
In La mano de un hombre muerto findet man zumindest Anklänge an den berüchtigten Adligen aus der Provence wieder.
Was diesen Film jedoch von vielen seiner unzähligen späteren Werke abhebt, ist hier Francos noch vorhandenes Gespür für Atmosphäre und ein gesteigertes Interesse an der Inszenierung im Allgemeinen, beides Dinge, die, der im Laufe seiner Karriere immer mehr zum besessenen Akkordarbeiter evolvierende Franco, zugunsten eines immensen Outputs gerne links liegen ließ.
Hier hingegen bekommt man den Eindruck, dass Franco tatsächlich voll auf der Höhe der Zeit ist und bereits Stil und Flair der zu diesem Zeitpunkt und in den folgenden Jahren in Europa aufkommenden Krimis und Gialli aufgreift, wenn nicht sogar teilweise vorwegnimmt.
Die als Handlungsort gewählte, fiktive deutsche Stadt Holfen, welche scheinbar irgendwo im Bayrischen liegen soll, in der aber immerhin Dortmunder Aktienbier ausgeschenkt wird, zeugt zusätzlich von dem Versuch eines spanischen Filmemachers, diesen Film unmittelbar neben den sehr erfolgreichen Produktionen der Rialto Film positionieren zu können.
So ist La mano de un hombre muerto vielleicht der Titel, mit dem sich Jess bei Atze Brauner bereits vorzeitig für die Regie bei El Muerto hace las maletas (E/BRD 1971 dt.:Der Todesrächer von Soho) empfehlen konnte - dem Remake der 1962 von Werner Klingler gedrehten Bryan Edgar Wallace-Adaption Das Geheimnis der schwarzen Koffer.
Der Todesrächer von Soho sieht dann auch wie ein billiges Plagiat eines Edgar-Wallace-Streifens aus und kündet von Francos zu dieser Zeit schon vorherrschender, überstürzter Arbeitsweise.
Man kann also sagen, dass Franco neun Jahre nach dem soliden La mano de un hombre muerto nur noch eine billige, verwaschene Kopie seiner selbst war...

Fazit: Netter Krimi mit einem für die Entstehungszeit außergewöhnlichen Finale - Fans von Fuchsberger & Co. dürfen hier ruhig mal einen Blick riskieren!

Punktewertung: 6 von 10 Punkten

Sonntag, 30. September 2012

Fenster zum Schweinestall

The Glass Ceiling (El techo de cristal)
E 1971
R.: Eloy de la Iglesia

Worum geht's?: Da sich ihr Mann auf Geschäftsreise befindet, hat Marta (Carmen Sevilla) des Abends nichts Besseres zu tun, als mit ihrem Kater Pedro im Bett zu liegen und den Schritten aus der Wohnung ihrer Nachbarin Julia (Patty Shepard) zu lauschen.
Diese stammen, der Schwere nach zu urteilen, von einem Mann, und als Marta Julia fragt, ob es ihrem Gatten Victor gut ginge, entgegnet Julia, dass Victor sich ebenfalls auf Geschäftsreise befinde.
Doch auch am nächsten Abend vernimmt Marta wieder Schritte aus dem Appartment über ihr und erfährt, dass Victor sich nicht mit dem Bus den Ort verlassen haben kann, da dieser an jenem Tag gar nicht fuhr.
Dann nimmt Martas Vermieter, der ungemein männliche Skulpteur Ricardo (Dean Selmier) in seinem Hinterhofatelier den Geruch von Verwesung aus einem Reisighaufen war.
Tatsächlich erkennt Marta in dem zum Befeuern des Brennofens genutztem Holz einen einzelnen Männerschuh, und als dann noch Ricardos Hunde das Essen verweigern und friedlich im Zwinger neben dem Schweinestall herumsitzen, verdichtet sich ein Verdacht für Marta zur Gewissheit.
Hat Julia tatsächlich ihren Mann umgebracht?
Warum gibt sie vor, dass ihr Kühlschrank nicht mehr funktioniere und sie deshalb ihr Fleisch in Martas deponieren müsse?
All diese Fragen werden vom ständigen Klicken eines Kameraverschlusses begleitet. Denn jemand macht heimlich Aufnahmen von den attraktiven Damen...

Wie fand ich's?: Die Fußschritte von der Zimmerdecke aus The Lodger: A Story of the London Fog (GB 1927 dt.: Der Mieter), der Verdacht und die Kamera aus Rear Window (USA 1954 dt.: Das Fenster zum Hof), ein Glas Saft wird inszeniert wie das berühmte Glas Milch in Suspicion (USA 1941 dt.: Verdacht) -  ja, hier hat jemand seine Hitchcockklassiker gut studiert!
Laaaangsam, gaaanz laaangsam entwickelt sich die Geschichte in El techo de cristal, was sicher ganz im Sinne des Altmeisters Sir Alfred war, um sich dann in einem fulminanten Finale mit Knalleffekt plötzlich aufzulösen.
Das Budget war sicherlich äußerst gering, doch macht Regisseur de Inglesia das Beste aus seinen begrenzten finanziellen Mitteln. So sehen die Wohnungen der Protagonisten zwar nach sozialem Wohnungsbau aus und Schweinestall und Hundezwinger im dreckigen Hinterhof geben dem Film ebenfalls kein Hochglanzambiente, aber gerade das macht die Handlung umso authentischer.
Gerade hier zeigt sich mal wieder, dass man auch mit einem äußerst geringen finanziellen Einsatz einen tollen Genrefilm zaubern kann, dies aber (besonders in Hinsicht auf einheimische TV-Produktionen) fast niemand mehr versteht.
In Zeiten von CGI und digitaler Videoästhetik ist dies hier noch herrlich Old School und daher umso reizvoller!

Fazit: Spanischer Giallo mit Charme und Flair - Spannung in Zeitlupe, dann aber richtig!

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Dienstag, 25. September 2012

Mann im Mond

Spuren auf dem Mond (Le Orme)
I 1975
R.: Luigi Bazzoni/Mario Fanelli

Worum geht's?: Die sensible Alice (Florinda Bolkan) arbeitet als Dolmetscherin bei einer Raumfahrttagung und leidet zudem an seltsamen Albträumen, in denen auf die Veranlassung des sinisteren Professors Blackmann (Klaus Kinski) ein Astronaut auf dem Mond zurückgelassen wird.
Sie verliert jedoch ihren Job, als ihre Chefin ihr anscheinend zu Recht vorhält, in den letzten Tagen nicht zum Dienst erschienen zu sein.
Tatsächlich hat die Gute keine Erinnerungen mehr an die letzten drei Tage und in ihrem Schrank hängt ein ihr unbekanntes gelbes Sommerkleid, auf dem sich ein Blutfleck befindet.
Als sie eine zerrissene Postkarte, welche ein Hotel mit prächtiger Fassade zeigt, findet, beschließt sie kurzerhand dorthin zu fliegen, zumal sich der Name der Ortschaft, Garma, auf der Rückseite der Karte befindet.
In Garma, einer (türkischen) Touristenstadt außerhalb der Saison, findet sie ein kleines Mädchen (Nicoletta Elmi), dass sie unter dem Namen Nicole zu kennen scheint, und den sympathischen Harry (Peter McEnery) vor, der ebenfalls ihre Nähe zu suchen scheint.
Nach und nach findet Alice Spuren dafür, schon einmal in Garma gewesen zu sein und langsam verwischen Realität und Wahn...

Wie fand ich's?: Le Orme wird gewöhnlich in der Genreschublade des Giallos abgelegt, doch gehört er dort nur äußerst bedingt hinein.
Einen, mit einer Stichwaffe bewaffneten unheimlichen Killer, der vorzugsweise ebenfalls Kunde eines Handschuhmachers ist, findet man hier nämlich nicht; dafür bekommt man eine unglaublich atmosphärische Story gezeigt, welche sich langsam entwickelt (slow-burn nennt man im englischen Sprachraum so was), aber dafür in einer unvergesslichen Abschlussszene mündet.
Somit lässt sich Le Orme eher mit dem gleichermaßen sehr bizarrem, aber wundervollem, Il profumo della signora in nero (I 1974 R.: Francesco Barilli) vergleichen, der auch die unheilvolle Reise einer Frau in den Wahnsinn (dort: Mimsy Farmer) zeigt und ebenfalls mit einer ebenso skurrilen, wie verstörenden Szene endet, als mit einem klassischen Giallo wie z. B. Bavas Sei donne per l'assassino (I/F/MC 1964 dt.: Blutige Seide).
Floranda Bolkan spielt die langsam in den Wahnsinn rutschende Frau mit Bravour und Nicolette Elmi ist sicherlich jedes Giallofans liebster Kinderstar, war die Kleine doch auch in solch Knallern wie Argentos Profondo Rosso (I 1975 dt.: Rosso - Die Farbe des Todes) oder Aldo Lados Chi l'ha vista moire? (I/BRD 1972 dt.: The Child - Die Stadt wird zum Albtraum) zu sehen, bevor sie in den 80ern der Schauspielerei den Rücken kehrte und seitdem als Logopädin arbeitet.
Dass unser aller Lieblingswahnsinniger Klaus Kinski hier auftaucht, kann man aufgrund der Kürze seiner etwa vier Szenen, zwar eher als Promotiongag abhaken; doch gelingt es Kläuschen auch hier einmal mehr, beim Zuschauer in Sekunden Eindruck zu schinden und aus der kleinen Rolle noch einen großen Auftritt herauszuschlagen.

Fazit: Wer auf der Suche nach einem subtilen Horrortrip ist, und zwar auf Blut, aber nicht auf Atmosphäre verzichten kann: Bingo!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Samstag, 22. September 2012

Rote Lippen soll man küssen...

Rote Lippen, Sadisterotica (El Caso de Las Dos Bellezas)
BRD/E 1969
R.: Jess Franco (eigentl.: Jesús Franco Manera)


Worum geht's?: Diana (Janine Reynaud) und Regina (Rosanna Yani) sind die berüchtigten "Roten Lippen" ein Zwei-Mann (oder besser Zwei-Frau...) Detektivbüro, welches international agiert und den zwei jungen Dingern erlaubt, ihre unbändige Lebenslust leicht bekleidet mitunter in den feinsten Hotels auszuleben.
Ihr neuster Auftrag: sie sollen für den galanten Mr. Radek (Adrian Hoven - der Produzent in persona) dessen verschwundene Geliebte, das Model Lida (Maria Antonia Redondo), aufspüren.
Doch die junge Frau ist nur eine unter vielen, die in letzter Zeit verschwunden sind und die einzige Spur führt zum Künstler Klaus Tiller, dessen Bilder und Skulpturen die toten Mädchen in Qual und Todespein darstellen.
Als Diana und Regina Tiller folgen, geraten sie schnell in Gefahr, denn des Künstlers ebenso behaarter wie wahnsinniger Gehilfe Morpho (Michel Lemoine) macht wie sein Meister vor nichts halt.
Nur gut, dass Interpols bester Mann, Francis McClune (ausgerechnet: Chris Howland), ein Auge auf die beiden geworfen hat...


Wie fand ich's?: Dies ist der Mittelteil der sogenannten Aquila-Trilogie, benannt nach der Produktionsfirma des Produzenten Adrian Hoven, der dem Usain Bolt des Eurotrash (keiner drehte so viel, so schnell...), Jess Franco, einige Peseten in die Hand drückte, um sein Werk gleich dreimal in Folge zu verrichten.
Dass ausgerechnet Hoven, der zur Zeit der 50er noch so etwas wie der Rudolfo Valentino des Heimatfilms war, sich ab Ende der 60er auf die Produktion harscher Bahnhofskinostreifen (z. B. Michael Armstrongs Hexen bis aufs Blut gequält von 1970) verlegte, konnte wohl zuvor keiner ahnen, der den schönen Adrian noch aus Filmen wie Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren (BRD 1952 R.: Ernst Neubach) kannte. 
Entlockte der, ebenfalls mit Janine Reynaud in der Hauptrolle besetzte, surreale S/M-Trip Necronomicon - Geträumte Sünden (BRD 1968) selbst Fritz Lang noch lobende Worte, so gerieten die nachfolgenden beiden schlüpfrig angehauchten Krimikomödien Rote Lippen, Sadisterotica und Bésame Monstruo (BRD/E 1969 dt.: Küss mich, Monster) doch noch weit mehr in die Richtung der klassischen Euro-Exploitation.
Etwas nackte Haut trifft auf Sonne, Sand und Frauenmord; gespickt wird dies mit frivolen Witzchen und trotteligem Humor (hier kommt Chris Howland ins Spiel...) - zack - fertig ist der freche Kinoerfolg der Saison.
Ausgerichtet auf möglichst hohen Einsatz an den Kinokassen, sollten diese beiden Filme vor allem ein kurzweiliger Spaß sein - Trivialfilm in seiner Essenz, wenn man so will - und tatsächlich ist der durchaus vorhandene Unterhaltungswert noch fast das Einzige, was die beiden Filme heute sehenswert erscheinen lässt. Wenn man von Rossana Yanis kaum verhülltem Körper mal absieht...
Logik, Suspense oder auch nur so etwas wie eine gut durchdachte Story darf man von Franco mal wieder kaum erwarten; vielmehr erfreut sich der Trashfreund am grellen Swinging-Sixties-Ambiente oder dem nach Minimaljazz klingendem Easy-Listening-Score.
Sicher, man hat vom guten Jess schon des Öfteren weit Unansehnlicheres delektiert und als schwüler Zeitvertreib taugt dieser Streifen alle mal.
Das Sequel Bésame Monstruo setzt, nebenbeibemerkt, dem knuffigen Wahnsinn noch die Krone auf und kommt mit Lendenschurz tragenden Übermenschen und geheimnisvollen Windmühlen daher!
Na dann: Prost!


Fazit: Grell, bunt, sleazy und aufgekratzt wie Micky Krause auf Speed! Der Vergleich gilt allerdings leider auch für die Substanz und das Niveau des Filmes...

Punktewertung: 5,25 von 10 Punkten

Dienstag, 18. September 2012

Kaltes Huhn? Warum nicht...

Poultrygeist: Night of the Chicken Dead
USA 2006
R.: Lloyd Kaufman


Worum geht's?: Auf dem früheren Friedhofsgelände des Tromahawkstamms steht nun eine Filiale der Fast-Food-Kette American Chicken Bunker, vor dessen geschlossenen Türen schon vor der offiziellen Neueröffnung sich einige Demonstranten die Füße platt stehen.
Im Inneren der Hühnerbraterei hat soeben der junge Arbie (Jason Yachanin) einen Job als Thekenbedienung ergattert, um es seiner Exfreundin Wendy (Kate Graham) zu zeigen, welche nun Seite an Seite mit ihrer neuen Freundin und deren militante Lesbenbewegung C.L.A.M draußen lautstark mitdemonstriert.
Doch kaum sind die Fritteusen auf Betriebstemperatur gebracht, beginnen sondebare Eier, angefüllt mit grünem Schleim, die Kunden zu vergiften und in gefährliche Hühnerzombies zu verwandeln.
So nehmen Arbie und Kollegen den Kampf gegen die untoten Federviecher auf und rammen auch schon mal Besenstiele in Därme um das Böse aufzuhalten.


Wie fand ich's?: Dass es eine dumme Idee ist, auf einem Indianerfriedhof einen Neubau zu errichten, wissen wir spätestens seit Stephen Spielbergs, tschuldigung, Tobe Hoopers Meisterwerk Poltergeist (USA 1982), bei dem sich Tromachef Lloyd Kaufman auch mal kurz beim Titel bedient hat.
Hier enden aber auch bereits die Ähnlichkeiten beider Filme und stat einem stringenten Horrorfilm bekommt man bei Poultrygeist einen krassen Mix aus Splatter, Komödie, Coming-of-Age-Drama, Konsumkritik, Erotikfilm und Musical geliefert.
Musical? Ja, gesungen und getanzt wird hier auch noch, gleich mehrfach, und wer glaubt, dass man das alles kaum unter einen Hut bekommt, sieht sich getäuscht.
Lloyd Kaufman, Mitbegründer der US-Trashschmiede #1 namens Troma, gab bereits 1984 mit seinem Kultwerk The Toxic Avenger (USA dt.: Atomic Hero) die grobe Marschrichtung vor, und mit Poultrygeist wird diese auch nach mehr als 20 Jahren noch stringent weiterverfolgt.
So ist auch Poultrygeist ein infantiler Spaß, welcher seine Gags besonders aus seiner political incorrectness (Witze über Homosexuelle, Moslems, Juden und Christen, über Billiglöhner und Fettsüchtige sind halt nicht jedermanns Sache...) und zahlreichen Geschmacklosigkeiten (wobei man auch vor extremen Fäkalhumor nicht halt macht) generiert.
Ob einem diese Form von Humor gefällt, bleibt am Ende natürlich jedem selbst überlassen und nichts ist mitunter so individuell wie das eigene Spaßzentrum.
Kaufman legt bei seinen Büchern wenig Wert auf Subtilität und arbeitet im übertragenen Sinn eher mit Brechstange und Schrotflinte - doch wie bei einer Ladung Schrot üblich: eine Kugel trifft meist immer doch das Ziel...
Handwerklich ist der Film, wie auch praktisch alle anderen Troma Produktionen, als recht solide zu bezeichnen, wenn man auch das geringe Budget an jeder Ecke deutlich durchscheinen lässt.
Troma hat halt schon immer seinen ganz eigenen Charme gehabt - also ich hab' sehr gelacht...


Fazit: Witzischkeit kennt keine Grenzen - und bei Troma schon mal gar nicht! Wer andere Werke der bekloppten Amis mag und kennt, macht auch hier nix verkehrt.

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten

Donnerstag, 13. September 2012

Tödliche Machtprobe

Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger (Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto)
I 1970
R.: Elio Petri

***

Worum geht's?: Ein Mann (Gian Maria Volonté) tötet seine Geliebte (Florinda Bolkan).
Nach der Tat beginnt er in fast jedem Raum Spuren zu hinterlassen; so reißt er absichtlich einen Faden aus seiner blauen Seidenkrawatte, stiehlt den Schmuck der Frau, lässt aber eine größere Summe Bargeld liegen und macht sich dabei keinerlei Gedanken über die von ihm überall vorhandenen Fingerabdrücke.
Sodann informiert er gelassen die Polizei von der Tat und spaziert langsam aus dem Haus, jedoch nicht ohne einen Nachbarn, den jungen, studentischen Revolutionär Antonio (Sergio Tramonti), noch ebenfalls auf sich aufmerksam zu machen.
Nun fährt er gelassen zu seiner Arbeitsstelle, wo man bereits Feierlichkeiten für seine Beförderung vorbereitet hat.
Der Mann ist "Il Dottore", der Chef des Morddezernats, welcher aufgrund seiner Leistungen nun zur inneren Sicherheitsabteilung befördert wird und damit noch mehr Macht erlangt.
Eine gefährliche Stellung für einen Soziopathen, der einen Mord begeht, nur weil er sich sicher ist, aufgrund seines Standes mit der Tat davonzukommen. 
Immer obsessiver hinterlässt er Hinweise auf seine Täterschaft, bis hin zum wörtlichen Geständnis - doch niemand scheint seinen Spuren nachgehen zu wollen.
Er ist halt ein über jeden Verdacht erhabener Bürger...

Wie fand ich's?: Elio Petri war Regiegenie und Kommunist.
Mit diesem Film begründete er seine politische Trilogie der Neurosen, welche mit La classe operaia va in paradiso (I 1971 dt.: Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies) und La proprietà non è più un furto (I 1973) fortgesetzt wurde.
So ist Indagine... neben einer Abrechnung mit den immer noch in Italien herrschenden Faschisten, auch eine böse Satire über Standesdünkel, Leistungsgesellschaften und eben die Neurosen der Gesellschaft.
Gian Maria Volonté brilliert als ebenso unheimlich böser, wie unglaublich widerlich neurotischer Machtmensch, der ständig sein Amt und seine Mitmenschen missbraucht, nur um zu sehen, dass er es kann.
Dabei ist er nicht nur völlig unfähig eine Person zu lieben und obendrein sexuell impotent, er verlangt auch anstelle von Sex ständig das Nachstellen bizarrer Leichenfunde von seiner Geliebten.
Petri zeigt einen pervertierten Machtapparat, der sich gegenseitig stützt und in dem das Wort "Rechtsstaat" längst zur Lüge verkommen ist.
Am Ende des Films treibt Petri die Story durch einen kleinen Kunstgriff vollkommen auf die Spitze und das Publikum darf sich fragen, ob es diesen Trick wirklich hat kommen sehen, oder ob es dieses Handeln der Vorgesetzten und Kollegen des "Dottore" tatsächlich als real ansehen würde.
Der Film lässt die letzte Konsequenz für den Antihelden offen, und überlässt es dem Zuschauer, sein eigenes Weltbild ans Ende der Handlung zu projizieren.
Neben der grandiosen Story bietet der Film zusätzlich wunderbar komponierte Bilder, große Schauspielkunst und einen eingängigen Score von Maestro Ennio Morricone, der im Ohr bleibt und, einmal gehört, nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen ist (und über JAhre der Klingelton meines Smartphones war).
Florinda Bolkan, die hier die weibliche Hauptrolle besetzt, ist Kennern des italienischen Films sicher nicht unbekannt, und dürfte regelmäßigen Lesern dieses Blogs bereits hier untergekommen sein: http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/05/die-obsessionen-des-jean-sorel.html.

Fazit: Böses Meisterwerk mit ätzendem Humor - handwerklich perfektes Politkino, dass lange nachwirkt.

Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten

Samstag, 8. September 2012

Wer ist wer und wer ist Wolf?

Mondblut (The Beast Must Die)
UK 1974
R.: Paul Annett


Worum geht's?: Tom Newcliff (Calvin Lockhart) ist reich, gut aussehend, schwarz und passionierter Jäger.
Nachdem er jeden Meter seines Hauses und Grundstücks von einem Experten (Anton Diffring) mit Kameras und Mikrofonen bestücken lassen hat, lädt er fünf Gäste ein, die zusammen mit ihm und seiner Frau Caroline (Marlene Clark) dort die nächsten Tage verbringen sollen.
Doch Tom gibt seinen Gästen schon früh seine wahren Absichten bekannt. Er glaubt nämlich, dass sich hinter einer Person in ihrer Mitte tatsächlich ein Werwolf verbirgt.
Jeder seiner Besucher kommt dafür infrage, sind doch in ihrer Nähe immer wieder Leute auf seltsame Weise umgekommen.
Neben dem distinguierten Werwolfexperten Dr. Lundgren (Peter Cushing), dem ebenso gemütlichen wie schnell aufgebrachten Diplomaten Bennington (Charles Gray), der attraktiven Davina (Ciaran Madden) und deren Beschützer Jan (Michael Gambon), fällt das Augenmerk aller zunächst besonders auf den extrem behaarten Maler Paul (Tom Chadbon).
Doch ist die Identität der Bestie wirklich so offensichtlich?
Jede Jagd fordert ihren Preis und ein Wolf hat scharfe Zähne...


Wie fand ich's?: Amicus Production war der härteste Konkurrent für die zur gleichen Wirkungszeit extrem erfolgreiche, britische Horrorfilmschmiede Hammer Film.
Genau wie Hammer hat auch Amicus es nur einmal im Genre des Werwolffilms wissen wollen - Hammers Versuch war der sehr klassisch inszenierte The Curse of the Werewolf (UK 1961 R.: Terence Fisher dt.: Der Fluch von Siniestro) mit einem jungen Oliver Reed in der Hauptrolle, Amicus' Versuch war der moderne The Beast Must Die.
Basierend auf der Geschichte There Shall Be No Darkness des amerikanischen Autors James Blish, versucht man hier jedoch das Thema Lykantropie mehr von der Seite des Kriminalfilms zu betrachten.
So stellt eine Stimme bereits nach den Titeln fest, dass es sich hier um einen Whodunit handelt, und dass der Zuschauer bis zum Werewolf Break nun Zeit hat, die Identität des Werwolfs selbst zu erraten.
Tatsächlich wird nach etwa 75 Minuten der Film gestoppt und eine für 30 Sekunden eine Stoppuhr eingeblendet, während dem Publikum noch mal alle Verdächtigen kurz vorgestellt werden.
Dieses Gimmick ist eigentlich nicht wirklich neu, erfand doch William Castle, der König des B-Films (bevor Roger Corman ihm die Krone klaute...) und der schrägen Verkaufsidee, für seinen Film Homicidal (USA 1961 dt.: Mörderisch), in dem der Film ebenfalls kurz vor dem Finale stoppte und den Schreckhaften unter den Versammelten während einer sogenannten Fright Break 45 Sekunden Zeit ließ, seiner Angst nachzugeben und sich in die Lobby zum ausgeschilderten Coward's Corner (zu deutsch also zur Ecke der Feiglinge) zubegeben, um sich dann das Ende des gar schauerlichen Films besser von anderen nachträglich erzählen zu lassen.
Natürlich wertet solch ein Gimmick einen Film in der Regel nur unwesentlich auf, allerdings kann sich The Beast Must Die neben dieser Spielerei auch auf eine durchaus spannende Story und vor allem auf den sehr guten Cast verlassen.
Neben den beiden altgedienten Brit-Haudegen Cusching und Gray, ist es besonders der äußerst suave Calvin Lockhart, der den Film trägt.
Dabei war Lockhart nur zweite Wahl, wollte das Studio ursprünglich lieber den viel beschäftigten, weißen Robert Quarry. Doch aufgrund des zurzeit an den amerikanischen Kinokassen grassierenden Blaxploitationhypes, griff man dann auf Calvin Lockhart zurück. Witzigerweise berichten manche Quellen tatsächlich von Problemen beim Ausleuchten schwarzer Darsteller in Nachtszenen, ebenso wie vom gescheiterten Versuch die durch ihre Interpretation von James-Bond-Titelliedern bekannte Shirley Bassey in der Rolle von Newcliffs Gattin zu besetzen.
Da der Produktion ein nicht allzu hohes Budget zur Verfügung stand, besetzte man hingegen in der Rolle des Werwolfs in Tiergestalt kurzerhand einen Deutschen Schäferhund...
Überhaupt greift die Story die seit George Waggners The Wolf Man (USA 1941 dt.: Der Wolfsmensch) grundsätzlich statuierten Werwolfmythen auf, lässt aber (wie in der literarischen Vorlage) Peter Cushings Charakter zusätzlich eine medizinische Erklärung (ich sag nur Hormone...) für das Werwolfphänomen liefern.
Insgesamt ist mit The Beast Must Die ein Film entstanden, der klassische Gruselfilmelemente mit modernen gekonnt verbindet, einen leichten Blaxploitationvibe mitbringt und einfach nur Spaß macht, auch wenn man sich eine (selbst alberne) Transformationsszene zusätzlich wünschen würde...


Fazit: Meine persönlich liebste Amicus Produktion. Spannend, kurzweilig, toll gespielt und mit Gimmick!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Mittwoch, 5. September 2012

Douglas und der Antichrist

Inferno 2000 (Holocaust 2000)
I/UK 1977
R.: Alberto De Martino

 
Worum geht's?: Robert Caine (Kirk Douglas) will der Welt eine neue, preisgünstige Energiequelle schenken und plant, unterstützt von seinem erwachsenen Sohn Angel (Simon Ward), im Mittleren Osten ein Kernkraftwerk zu bauen.
In sieben Türmen sollen Laserstrahlen auf Atome treffen, um diese zu spalten; auf diese Weise soll bald praktisch die ganze Welt ihren Strom erzeugen.
Doch dann wird Caines Frau Eva (Virginia McKenna), welche die Aktienmehrheit am Familienunternehmen hält und den Bau des Kraftwerks stoppen will, bei einem Sektempfang von einem Attentäter erstochen, welcher nach seiner Einlieferung in Dr. Kerouacs (Adolfo Celi) Irrenhaus plötzlich scheinbar prophetische Worte spricht und Caine nicht nur bezichtigt mit seiner "Saat" das Böse in die Welt zu bringen, sondern ihn auch für eine drohende Apokalypse verantwortlich macht.
Tatsächlich häufen sich bald seltsame Ereignisse, wie sonderbare Todesfälle und als Caines junge Freundin Sara (Agostina Belli) schwanger wird, glaubt der Großindustrielle nun den Antichristen in die Welt gesetzt zu haben.
Zusammen mit einem hilfsbereiten Monsignore (Romolo Valli), den er zuvor zufällig bei einer Geschäftsreise im Flugzeug kennengelernt hatte, bereitet Caine alles vor, um seine böse Saat noch im Bauch der Mutter auszulöschen...

Wie fand ich's?: Dies ist tatsächlich bereits der dritte Film Alberto De Martinos, der in diesem Blog besprochen wird, und nach einem netten Giallo (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/06/kein-schwein-ruft-mich.html) und einer pfiffigen James-Bond-Parodie (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/08/operation-schnell-absahnen.html), kommt nun noch ein Horrorfilm-Rip-Off dazu.
Plagiiert wird hier in erster Linie Richard Donners Hit The Omen (USA 1976 dt.: Das Omen), der ein Jahr zuvor an den Kinokassen eingeschlagen war und zusammen mit William Friedkins The Exorcist (USA 1973 dt.: Der Exorzist) zu den erfolgreichsten Horrorfilmen der 70er Jahre gezählt werden muss.
Dabei denkt das Drehbuch von Holocaust 2000 erstaunlicherweise die Story konsequenter zu Ende, als es der erste Teil der Omen-Reihen tut, und nimmt damit bereits einige Plotelemente späterer The Omen-Sequels Jahre zuvor vorweg.
Andererseits möchte De Martino gar keinen Hehl daraus machen, wo er hier abkupfert und fügt sogar eine unmotivierte Szene ein, in der Caines mit seinem Kind schwangere Partnerin sich vehement weigert eine Kirche zu betreten, ganz wie Damien im Original, allerdings zeigt sich in Holocaust 2000 später, dass diese Szene nicht nur scheinbar grundlos, sondern auch durch einen Plottwist jenseits aller Logik des Films existiert.
Was den Film jedoch jenseits seiner besonders inhaltlichen Mängel für (Italo-)Horrorfans absolut sehenswert macht, sind die sehr guten schauspielerischen Leistungen und die Tatsache, dass das Ensemble das, was es spielt zu jeder Zeit absolut ernst nimmt und niemals durch unangebrachtes Overacting in eine Parodie abzurutschen droht.
Wie bei The Omen wirken die wenigen Goreszenen besonders aufgrund ihrer Kürze nie so selbstzweckhaft, wie es bereits wenige Jahre später in den meisten Italo-Streifen der Fall sein sollte.
Zuletzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass Holocaust 2000 in mindestens drei verschiedenen Schnittfassungen existiert, und man je nach dem, mal mehr mal weniger, Blut sieht, und die amerikanische Fassung dazu noch ein längeres Ende bietet, welches die Geschichte sinnvoll zu Ende bringt, wohingegen die deutsche und italienische Fassung sehr offen enden.


Fazit: Ein Höhepunkt des Plagiatskinos, denn: wenn schon klauen, dann von den Besten! Mission erfolgreich abgeschlossen...

Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Montag, 3. September 2012

Der Sinn hinterm Wahn

Curtains - Wahn ohne Ende (Curtains)
CND 1983
R.: Richard Ciupka/Peter Simpson

 
Worum geht's?: Um sich für ihre nächste Rolle vorzubereiten, begibt sich die gestandene Diva Samantha Sherwood (Samantha Eggar) freiwillig in eine geschlossene Anstalt.
Eingeliefert wird sie dort vom Regisseur des Projekts, Jonathan Stryker (John Vernon), dessen Plan allerdings von Anfang an vorsieht, die gute Sam endgültig loszuwerden und die Titelrolle in "Audra" mit einer jüngeren, unbekannteren Schauspielerin zu besetzen.
Doch dem alten Bühnenhasen gelingt die Flucht aus der Klapsmühle, und als Stryker tatsächlich in einer abgelegenen Villa ein großes Vorsprechen abhält taucht auch seine alte Muse mit unverhohlener Wut auf.
Unter den vorsprechenden Aktricen befinden sich auch die erfahrene, ältere Brooke (Linda Thorson), sowie die nervöse Stand-up-Comedian Patti O'Connor (Lynne Griffin).
Unwissend, dass bereits zwei Kolleginnen bereits zuvor einem Killer mit Hexenmaske zum Opfer gefallen sind, beginnen die Frauen sich dem Auswahlverwahren und Strykers entnervende Psychospielchen zu stellen.
Nachdem die Jüngste der Schar (Lesleh Donaldson) beim Eislaufen vom Hexen-Killer mit einer Sense enthauptet wurde und auch der sexy Hausboy Matthew (Michael Wincott) nirgendswo mehr zu finden ist, leert sich langsam das Herrenhaus und der Vorhang hebt sich für einen blutigen letzten Akt.
Es werden auftreten: zwei Damen mit definitiven Tötungsabsichten, ein klassisches Final-Girl auf der Flucht durch den Requisitenfundus und ein Kopf in Linda Thorsons Toilettenschüssel!
Was will man mehr?


Wie fand ich's?: Wenn eine Filmproduktion so viele Probleme wie in diesem Fall in sich vereint, kann das Ergebnis in der Regel meist wenig begeistern.
Nachdem Regisseur Richard Ciupka 1980 seine Version des Films fertiggestellt hatte, und dies obwohl er bereits die ursprünglich für die Rolle der Brooke vorgesehene Céline Lomez durch Linda Thorson ersetzen musste, welche man heute vielleicht noch als Emma Peels wenig glückliche Nachfolgerin Tara King im Hinterkopf hat. Lomez erzählte mehrfach, dass sie das Handtuch wegen einer geforderten Nacktszene geworfen hätte - eine Aussage, die der Produzent des Films Peter Simpson vehement verneint und Lomez' Ausscheiden ihrem mangelnden Talent zuschreibt.
Doch dann schmiss der Belgier Ciupka selbst hin, da er mit der geforderten Ausrichtung des Films nicht zufrieden war.
Ciupka schwebte ein künstlerisch wertvoller Psychothriller für ein erwachsenes Publikum vor; sein Produzent Simpson bestand jedoch auf einen weit kommerzielleren Ansatz und wünschte sich einen eher klassische Slasher, welcher auch eine junge Zuschauerklientel in die Lichtspielhäuser locken sollte.
Nach Ciupkas vorzeitigem Abgang stand Simpson als Produzent nun mit einem etwa zu 50 Prozent fertiggestellten Film da, und es blieb ihm nichts weiter übrig, als selbst Szenen nachzudrehen, um das Produkt einerseits endlich fertigzustellen, andererseits dem Streifen das von ihm favorisierte Slasherfeeling doch noch aufzudrücken.
Nachträglich muss man den Erfolg und kleinen Kultstatus des Films, den er bei Fans des Genres durchaus besitzt, der erstklassigen Arbeit des im Schneideraum tätig gewesenen Michael MacLaverty zurechnen, der aus einem regelrechten Chaos ein unterhaltsames Ganzes zusammenschnitt und dem Film nach fast drei Jahren  doch noch ein Release im Jahre 1983 bescherte.
So kann man den Film trotz seiner Mängel, insbesondere was die zum Teil etwas wirsch erzählte Story und deren konfuse Logik betrifft, doch noch sehr gut ansehen; ja, der Film gewinnt gerade durch seinen sehr erwachsenen Ton besonders im Reich des Slashers ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht von der Hand zuweisen ist.
Wer also die ständig kichernden Teenies in den sonstigen Produktionen der 80er satthat und nicht rein auf Blood 'n Gore aus ist, sollte hier durchaus einen Blick riskieren!


Fazit: Ein übersehenes Slasherhighlight, das endlich eine vernünftige DVD-Veröffentlichung (auch im Ausland) verdient!

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Samstag, 1. September 2012

Wenn der Seewolf Geiseln nimmt...

Blutiger Freitag
BRD/I 1972
R.: Rolf Olsen







Worum geht's?: Heinz Klett (Raimund Harmstorf) entkommt bei seiner Vorführung im Münchener Gerichtsgebäude mithilfe zweier Komplizen aus dem Polizeigewahrsam.
Während sein Komplize Stevo (Totò Mignone) bei der Befreiungsaktion festgenommen wird, gelingt dem absolut gewaltbereiten Klett die Flucht zu einem in einer Großgarage geparkten Wohnwagen.
Hier plant der schwere Junge bereits seinen nächsten Coup: einen Überfall mit Geiselnahme auf die Deutsche Finanzbank.
Unterstützt wird er von dem Italiener Luigi (Gianni Macchia) und dessen Freundin Heidi (Christine Böhm), die von Luigi wein Kind erwartet.
Zum Team stößt unerwartet Heidis Bruder Christian (Amadeus August), welcher zuvor vom Wehrdienst desertiert ist und sich nun ebenfalls auf der Flucht vor der Polizei befindet.
Bevor man jedoch die Bank überfällt, besorgen sich die Gangster durch das Abfangen eines amerikanischen Militärtransporters automatische Waffen und Handgranaten.
Schwer bewaffnet und zu allem bereit stürmen die Männer nun die auserkorene Bank und nehmen eine ganze Reihe von Geiseln, darunter auch zwei Kinder und die Tochter des Kaufhauskönigs Walter Lortzmann (Walter Buschhoff), Marie Lortzmann (Gila von Weitershausen).
Schon bald fängt jedoch Einiges an recht schnell aus dem Ruder zu laufen und Klett kennt auf alle Probleme nur eine Lösung: Gewalt!


Wie fand ich's?: Raimund Harmstorf hat in seinem Leben mindestens zwei Rollen gespielt, die seinen Zuschauern lebendig im Geiste geblieben sind: zum einen den Seewolf (BRD/FR/RO/AT 1971 R.: Croitoru/Nicolaescu/Staudte), zum anderen die des Heinz Klett.
Als Seewolf Wolf Larsen durfte er eine (vorgekochte) Kartoffel mit der bloßen Hand zerdrücken, als Heinz Klett durfte er zum Lederoutfit Sonnenbrille, Maschinenpistole und stets einen zynischen Spruch auf den Lippen tragen.
Leider verlief Harmstorfs Leben später aufgrund von Geldproblemen und einer Parkinsonerkrankung so tragisch, dass es 1998 sogar im Suizid endete - doch werden weder der Schauspieler noch seine Rollen wohl so schnell vergessen werden.
Blutiger Freitag kann als der Versuch gewertet werden das italienische Genre des harten Polizeifilms Poliziottesco auch in Deutschland nachzubilden.
Rolf Olsen, ein in Deutschland arbeitender Österreicher, der in vielen Genres, zum Ende seiner Laufbahn allerdings vermehrt im Exploitationbereich, gearbeitet hat, drehte kurz zuvor den ebenfalls bemerkenswerten Film Das Stundenhotel von St.Pauli (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/08/stundenweiser-einsatz-aufm-kiez.html), welcher sich bereits inhaltlich durch das Aufgreifen der Gewalt gegen die Studentenbewegung auf aktuelle politische Probleme bezog.
In Blutiger Freitag sprach man nun den in der Öffentlichkeit viel diskutierten Überfall auf eine Münchener Filiale der Deutschen Bank vom 04. August 1971 an.
Damals waren ein Bankräuber samt Geisel Todesopfer einer vorschnellen Polizeiaktion geworden und der Vorfall schlug ähnliche Wellen wie die Geiselnahme von Gladbeck 1988.
Tatsächlich zeigt der Film eine Polizeiführung, die die am 04. August 1971 gemachten Fehler nicht wiederholen möchte und darauf bedacht ist die ständig zu eskalieren drohende Gesamtsituation unter Kontrolle zu halten.
Harmstorf gibt als Klett das Tier, er beherrscht jede Szene, in der er spielt, und würde den Film auch praktisch alleine tragen, würden seine Mitspieler nicht ebenso grandiose Leistungen abliefern.
Ernst H. Hilbich z. B., der mir noch gut durch seine Auftritte im Musikantenstadl-Vorgänger Zum Blauen Bock mit Heinz Schenk (...nicht Klett) in Erinnerung ist und hier ein armes Würstchen gibt, der sich den Gangstern gegenüber anbiedert, um aus seiner eigenen Lebensrealität entfliehen zu können.
Gila von Weitershausen, die zuvor in Jess Francos X312 - Flug zur Hölle (BRD/E 1971) mitgewirkt hatte, bietet ebenso gutes Handwerk, wie der 1992 an AIDS verstorbene Amadeus August oder der italienische Kollege Gianni Macchia in der Rolle des Luigi.
Mit Blutiger Freitag gelingt es Olsen einen, wenn nicht den wohl härtesten deutschen Gangsterfilm der 70er abzuliefern, der zum einen kontroversen, sozialpolitisch relevanten Subtext transportiert, zum anderen alle würzigen Genrezutaten mitbringt und dabei auch vor einer hässlichen Vergewaltigungsszene am Schluss zurückschreckt.
Hier zeigt Olsen die Gedankenwelten beider sich auf einem Bett windenden Personen, und während das Opfer sich eine Sexszene zwischen zwei Frauen suggeriert, sieht man hinter Kletts innerem Auge bewegte Bilder aus einem Schlachthaus...


Fazit: Kompromisslos dreckig und schonungslos gut. Ein oft etwas übersehener Klassiker des deutschsprachigen Films.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten