Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Dienstag, 8. Mai 2012

Spanische Verzückung

Arrebato
SP 1980
R.: Iván Zulueta

Worum geht's?: José (Eusebio Poncela) ist ein desillusionierter, spanischer Regisseur, der Entspannung und Zuflucht nur noch im Heroinrausch findet. Als er eines Abends, gelangweilt nach der Arbeit an seinem Zweitwerk, in sein Apartment zurückkehrt, bekommt er im Flur vom Portier ein Paket in die Hand gedrückt. In seiner Wohnung angekommen findet er sehr zu seinem Unmut seine auf dem Bett weggetretene Freundin Ana (Cecilia Roth) vor. Angeödet öffnet er das Paket und findet darin ohne Kommentar eine Filmspule, einen Schlüssel sowie eine Audiokassette.
Wie er durch eine krächzende Stimme vom Band erfährt ist der Absender des Bandes Pedro P. (Will More), ein sonderbarer, scheuer Super8-Filmfreak, den José einige Zeit zuvor in dessen Landhaus getroffen hatte. Pedro ist dem Filmen vollkommen verfallen und auch Drogen nicht abgeneigt - eine wunderbare Vorraussetzung für eine sonderbare Freundschaft zwischen den beiden sonst ungleichen Männern.
Als José immer weiter Pedros Stimme vom Band lauscht, erfährt er von einer neuen Obsession des infantilen Sonderlings: beim Filmen seiner eigenen, schlafenden Person taucht immer länger ein roter Fleck auf dem Filmstreifen auf; und Pedro scheint zugleich das Leben ausgesaugt zu werden...

Wie fand ich's?: Iván Zulueta hat in seinem Leben nur zwei Spielfilme gedreht; der zweite und leider auch letzte ist Arrebato, dessen Titel mit Anfall, Verzückung, Koller oder Schwärmerei übersetzt werden kann. Tatsächlich würde sich wohl kaum ein treffendender Titel für Zuluetas Kultfilm finden, sind doch dessen zentrale Themen Eskapismus, Sucht, Obsession und Entrücktheit.
Zulueta erzählt seine Geschichte in einem auf bizarre Weise sehr stimmigen Mix aus Arthouse-, Experimental- und Horrorfilm; eine Mixtur die tatsächlich nur sehr selten pretentiös daher kommt.
Dies mag auch an dem extrem autobiographischen Ansatz Zuluetas liegen, welcher selbst während der Dreharbeiten dem Heroin verfallen war - eine Sucht, die ihm in den nächsten Jahren praktisch seine Karriere als aufstrebender Regisseur, der bislang fast nur Kurzfilme gedreht hatte, kosten sollte. Es dauerte nach der Fertigstellung von Arrebato fast ganze 10 Jahre bis er nach einem langwierigen Entzug wieder Arbeit beim spanischen Fernsehen fand.
Nach dem Ansehen Zuluetas letzten Langfilms beschleicht den Zuschauer auch tatsächlich das Gefühl, dass der Regisseur hier sein gesamtes Herzblut einfliessen gelassen hat. Manche Kritiker warfen ihm gar die Verherrlichung des Drogenkonsums vor; ein Vorwurf, der sich eigentlich kaum halten lässt, sind die Protagonisten doch kaum lebensfähige, der Welt entrückte Menschen, die keine Zukunft in diesem Leben besitzen. So läuft der Film auch auf das einzig mögliche Ende hinaus, welches ich hier freilich nicht verraten möchte...
In seiner spanischen Heimat gelangte Arrebato, nicht zuletzt durch seinen Umgang mit dem Tabuthema Sucht und seiner Obskurität (der Film wurde nie auf Video veröffentlicht und kaum im Fernsehen gezeigt), zum Prädikat des Kultfilms. Auch große und bekannte spanische Regisseure wie Pedro Almodóvar (für den Zulueta Poster und Plakate entwarf) und Álex de la Iglesia würdigen bis heute immer wieder diesen Film und seinen Regisseur.  

Fazit: Ein großes Filmkunstwerk, weitab vom Mainstream und sicher nicht jedermanns Sache - aber auf jeden Fall einer Wiederentdeckung absolut wert!

Punktewertung: 9,5 von 10