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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 19. Mai 2012

Die Obsessionen des Jean Sorel

A Rather Complicated Girl (Una ragazza piuttosto complicata)
I 1969
R.: Damiano Damiani


Worum geht's?:  Alberto (Jean Sorel) ist von seinem Leben gelangweilt. Als er zufällig an einem Telefonapparat ein Gespräch zwischen zwei bisexuellen Frauen mithört, entspringt eine Obsession, die ihm die so sehr ersehnte Ablenkung vom zähen Dasein bescheren soll.
Als er auf die junge Claudia (Catherine Spaak) trifft, verfällt er praktisch sofort der frechen, kessen Dame, welche neben Alberto noch einen weiteren, hörigen Liebhaber namens Pietro (Gigi Proiretti) am Strick und eine Pistole in der Handtasche hat.
Immer weiter lässt sich Alberto auf Claudias Launen ein; an einem Sommermittag quälen sie zum Beispiel ein junges Mädchen nur so zum Spass, bis junge Männer eintreffen und dem Spuk ein Ende bereiten.
Claudia erzählt Alberto von einer weiteren Bindung in ihrem Leben: Greta (Florinda Bolkan), die andere Stimme des früher belauschten Gesprächs, die mit Erpressungen und Abhängigkeiten Claudia davon Abhalten will mit Alberto allein glücklich zu werden.
In Gretas Villa spinnen die beiden - scheinbar erneut nur zum Zeitvertreib - einen Plan zur Beseitigung aller Hindernisse und Alberto gerät dabei in eine teuflische Gedankenspirale...

Wie fand ich's?: Damiano Damiani hat in allen großen Genres des italienischen Kinos gearbeitet; mit diesem fast gänzlich in Vergessenheit geratenen, kleinen Film, der der Einfachheit halber dem Subgenre des Giallo zugeschrieben wird, gelang ihm ein weiterer sehr solider und ebenso niveauvoller Beitrag zur heimischen Filmwirtschaft.
Damiani gibt der Geschichte viel Zeit sich zu Entwickeln (vielleicht jedoch etwa 10 Minuten zu viel...) und schafft so ein Gefühl für seine Figuren, wie es in der heutigen fast obsolet erscheint. Alberto ist ein angeöderter Beau, der durch einen Sterbenden in seiner Verwandtschaft nur weiter heruntergezogen wird. Er ist jedoch ein leidenschaftlicher Voyeur, so leidenschaftlich, dass er sonst praktisch impotent ist.
Ähnlich wie in Antonionis Meisterwerk Blow-Up (I 1966) führt Langeweile zu gedanklichen Irrungen und Verwirrungen. Wie in Lucio Fulcis im gleichen Jahr entstandenen Una Sull'altra (I 1969 dt.: Nackt Über Leichen) ist Jean Sorel das Opfer und nicht der Täter; ein von seinen Trieben am Ende zerstörtes, armes Würstchen, dass sich vielleicht nur durch einen bloßen Zufall aus seinen Verstrickungen befreien kann.
Una ragazza piuttosto complicata ist somit vielleicht zunächst eher Drama als Thriller und besitzt neben dem Thema Perversion und der Verschwörung zum Mord kaum weitere Giallo-Topoi.
Trotzdem, oder gerade deswegen, ist dieser Film einer Neuentdeckung unbedingt wert!

Fazit: Zu Unrecht vergessene Perle des italienischen Psychothrillers, allerdings mit einigen kleineren Längen.

Punktwertung: 7,25 von 10 Punkten