Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 10. Juni 2012

Die Wissenschafft, die Wissen schafft

Das blaue Palais (TV-Miniserie)
BRD 1974/-76
R.: Rainer Erler


Worum geht's?: Im blauen Palais arbeiten Wissenschaftler (u. a. Peter Fricke, Dieter Laser etc.) ungestört von der Außenwelt unter der Leitung des umsichtigen Louis Palm (Silvano Tranquilli) an Projekten, die in ihren Auswirkungen die Zukunft der Menschheit verändern könnten.
Dabei stoßen die Forscher in fünf Folgen der Serie immer wieder an die Grenzen von Moral, Ethik, Sitte und Verantwortung.
  1. Das Genie: Ein Forscher kann anderer Menschen Talente und Erfahrungen nach deren Tod in sich aufnehmen. 
  2. Der Verräter: Ein Laserforscher gerät in den gefährlichen Einflussbereich der Rüstungsmafia, welche sein teures Forschungsprojekt ohne Wissen seiner Kollegen sponsert.
  3. Das Medium: Ein junges Mädchen kann in die Zukunft sehen. Zeit für die Forscher vom blauen Palais, sich mit Themen der Parapsychologie auseinanderzusetzen.
  4. Unsterblichkeit: Einem schottischen Kollegen gelingt es, unsterbliche Taufliegen zu züchten. Doch welche Risiken birgt der Wunsch nach dem Stoppen des Alterungsprozesses (auch für den Menschen)?
  5. Der Gigant: Als ein Mitglied des Palais aus Umweltschutzgründen die Massenherstellung eines von ihm entwickelten Synthetikstoffes aufhalten will, besiegelt er unwissentlich das Ende der Forschungseinrichtung. 

Wie fand ich's?: Rainer Erler ist so was wie eine lebende Legende des deutschen Fernsehfilms, der mit seinem selbst als Science-Thriller betitelten Genre, einen neuen Ansatz für Science-Fiction im deutschen TV schuf.
Fernsehfilme wie Plutonium (BRD 1977), Fleisch (BRD 1978) oder Zucker (BRD 1989) oder der 1977 erschienene, mit Preisen überhäufte, Kinofilm Operation Ganymed gelten heute als Klassiker des Science-Fiction-Genres und betonierten Erlers Ruf als Autor, Regisseur und Produzent.
Dabei verbindet Erler in seinen Filmen stets (zur Zeit ihrer Entstehung) neue Erkenntnisse der Forschung mit profunder Sozial- und Kapitalismuskritik.
Dabei zeigt besonders, die auch nach mehr als dreißig Jahren anhaltende Aktualität von Erlers Themen, dessen Talent, wichtige Probleme und Fragen bereits frühzeitig erkannt und aufgezeigt zu haben.
In der fünfteiligen, vom ZDF ausgestrahlten, TV-Serie Das blaue Palais führte Erler seine internationale Besetzung (darunter u. a. der Italiener Silvano Tranquilli, die Rumänin Loumi Iacobesco und der Ungar András Fricsay) auch nach Asien, Schottland, Mexiko und der USA um die Folgen zusätzlich aufzuwerten und neben den grandiosen Geschichten, dem Publikum auch zusätzliche Schauwerte zu bieten.
Die Spannung bezieht die Serie aus, den in allen Folgen mehr (Folge 2 - Der Verräter) oder weniger (Folge 4 - Unsterblichkeit) stark existenten, Thrillerelementen, was die Drehbücher davon abhält, einen dozierenden Ton zu entwickeln und die Geschichten dadurch wesentlich aufgelockert und so auch für ein breites Mainstreampublikum konsumierbar werden.
Stars gibt's ebenfalls zu Genüge zu betrachten - Dieter Laser ist seit Human Centipede in aller Munde, Eva Renzi in jungen Jahren zu sehen ist ein Traum und der vor Kurzem leider verstorbene Günter Kaufmann durfte 1974 die dritte Folge durch sein Spiel ungemein aufwerten.
Es verwundert mich auch hier mal wieder, dass es nach einer VHS-Auswertung bisher keinen erneuten Versuch gab, die Serie wiederzuveröffentlichen.
Nachtrag: Im Oktober 2012 wurde endlich eine DVD-Box mit allen fünf Teilen von EuroVideo veröffentlicht! Mein Dank dafür!


Fazit: Wegweisende TV-Serie - in dieser Weise leider bis heute praktisch einzigartig!

Punktewertung: 9 von 10 Punkten