Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Dienstag, 24. Juli 2012

Wer baggert da so spät noch am Baggerloch?

My Dear Killer (Mio caro assassino)
I/E 1972
R.: Tonino Valerii


 Worum geht's?: Ein Ex-Versicherungsagent wird an einem Baggerloch von einer Baggerschaufel enthauptet, eine junge Lehrerin in ihrer Wohnung mit einer Kreissäge getötet.
Alles, was Inspektor Peretti (George Hilton) weiß, ist, dass diese Morde irgendwie mit einer vor Jahren tragisch verlaufenen Kindesentführung zusammenhängen.
Damals wurde die kleine Stefania entführt und später verhungert in einem Gebäude bei dem oben erwähnten Baggerloch aufgefunden, neben ihr: ihr Vater, der ebenfalls ein Opfer der Entführer wurde.
Scheinbar hat nun, nach Jahren, der findige, aber nun kopflose, Versicherungsagent einen Hinweis auf den Täter erhalten, welcher nun alle aus dem Weg räumt, die ihm jetzt wieder gefährlich werden könnten.
Bei seinen Untersuchungen trifft der Inspektor auf einen sinisteren Schmuggler (William Berger), einen ein-armigen Schwager und auf einen Künstler mit offenbar pädophilen Neigungen.
Doch wer ist der Mörder und welche Rolle spielt der Müllsammler Mattia, der in einem Haus in Nähe des Tatorts wohnt?


Wie fand ich's?: George Hilton kann mit Fug und Recht behaupten, zur Hochzeit des Genres, in einigen der unbestreitbaren besten Gialli mitgewirkt zu haben. Oft stand er dabei an der Seite der schönen Edwige Fenech vor der Kamera, wie z. B. in dem ganz formidablen Lo strano vizio della Signora Wardh (I/E 1971 R.: Sergio Martino dt.: Der Killer von Wien).
Hilton, der eigentlich den schönen Namen Jorge Hill Acosta y Lara trägt und 1933 in Uruguay geboren wurde, spielte sowohl den psychopathischen Bösewicht wie auch den abgeklärten Helden.
Den Helden gab er auch in Tonino Valeriis Mio caro assassino einem Giallo der klassischen Machart, ausgestattet mit allem, was das Genre so besonders macht: einem schwarzgekeideten Killer, seltsamen Personen, die alle Dreck am Stecken haben, schönen Frauen in Gefahr etc.
Was Mio caro assassino jedoch von anderen Beiträgen des Genres abhebt, ist, dass der Schwerpunkt hier mehr bei der Darstellung der kriminalistischen Arbeit der Polizei liegt, als bei der stylishen Zurschaustellung der Morde.
Sicher, zwei nach Aufmerksamkeit heischende Morde gibt es auch hier zu sehen, doch hat man als Kenner des Genres das Gefühl, das man gerade die ersten beiden Morde so grafisch gestaltet hat (s. h. Synopsis), um das Thema damit abhaken zu können und sich in bester Derrick-Manier dann der Story und dem Personal widmen zu können.
Besonders erwähnenswert finde ich hier den pädophilen Künstler, dessen Neigung nie verbal angesprochen, dem Zuschauer aber auf subtile Art dennoch plötzlich eindeutig klar wird.
Der Schock liegt hier in der Marginalität und man muss sich selbst vor Augen führen, dass ein solch wenig aufgeregter Umgang mit diesem Thema in einem Unterhaltungsfilm heute wohl nicht mehr denkbar ist.
Natürlich stellt sich das abartige Verhalten dieser Person als Red Herring heraus, wovon es in diesem Film einige gibt, was den Film noch mehr in die Richtung eines klassischen Kriminalfilms rückt und tatsächlich in einer Verdächtigen-Konfrontations-Szene a la Hercules Poirot kulminiert.
Die Auflösung ist dann wieder in ihrer schlichten Einfachheit ganz dem Giallo-Genre zuzuordnen und der Film endet mit einem Standbild des eindeutigen Hinweises auf den Killer, der wunderbar in der Tradition früher Argentowerke steht.
Der Score von Maestro Ennio Morricone bedient sich teilweise einmal mehr bei Krzystof Komedas berühmter Lullaby Komposition für Polanskis Rosemary`s Baby (USA 1968), was nicht weiter stört, aber auch nicht besonders positiv auffällt.
Abschließend möchte ich aber noch dem Fan den Mund feucht werden lassen, in dem ich Namen wie Helga Liné, Marilù Tolo nenne, welche jedem Italofilmfreund ein wohlwollendes Lächeln abringen sollten und auch in diesem Beitrag hübsch anzuschauen sind.


Fazit: Etwas unterbewerteter Giallo mit starker Krimischlagseite und Agatha-Christie-Gedächtnis-Auflösung.

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten