Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 30. September 2012

Fenster zum Schweinestall

The Glass Ceiling (El techo de cristal)
E 1971
R.: Eloy de la Iglesia

Worum geht's?: Da sich ihr Mann auf Geschäftsreise befindet, hat Marta (Carmen Sevilla) des Abends nichts Besseres zu tun, als mit ihrem Kater Pedro im Bett zu liegen und den Schritten aus der Wohnung ihrer Nachbarin Julia (Patty Shepard) zu lauschen.
Diese stammen, der Schwere nach zu urteilen, von einem Mann, und als Marta Julia fragt, ob es ihrem Gatten Victor gut ginge, entgegnet Julia, dass Victor sich ebenfalls auf Geschäftsreise befinde.
Doch auch am nächsten Abend vernimmt Marta wieder Schritte aus dem Appartment über ihr und erfährt, dass Victor sich nicht mit dem Bus den Ort verlassen haben kann, da dieser an jenem Tag gar nicht fuhr.
Dann nimmt Martas Vermieter, der ungemein männliche Skulpteur Ricardo (Dean Selmier) in seinem Hinterhofatelier den Geruch von Verwesung aus einem Reisighaufen war.
Tatsächlich erkennt Marta in dem zum Befeuern des Brennofens genutztem Holz einen einzelnen Männerschuh, und als dann noch Ricardos Hunde das Essen verweigern und friedlich im Zwinger neben dem Schweinestall herumsitzen, verdichtet sich ein Verdacht für Marta zur Gewissheit.
Hat Julia tatsächlich ihren Mann umgebracht?
Warum gibt sie vor, dass ihr Kühlschrank nicht mehr funktioniere und sie deshalb ihr Fleisch in Martas deponieren müsse?
All diese Fragen werden vom ständigen Klicken eines Kameraverschlusses begleitet. Denn jemand macht heimlich Aufnahmen von den attraktiven Damen...

Wie fand ich's?: Die Fußschritte von der Zimmerdecke aus The Lodger: A Story of the London Fog (GB 1927 dt.: Der Mieter), der Verdacht und die Kamera aus Rear Window (USA 1954 dt.: Das Fenster zum Hof), ein Glas Saft wird inszeniert wie das berühmte Glas Milch in Suspicion (USA 1941 dt.: Verdacht) -  ja, hier hat jemand seine Hitchcockklassiker gut studiert!
Laaaangsam, gaaanz laaangsam entwickelt sich die Geschichte in El techo de cristal, was sicher ganz im Sinne des Altmeisters Sir Alfred war, um sich dann in einem fulminanten Finale mit Knalleffekt plötzlich aufzulösen.
Das Budget war sicherlich äußerst gering, doch macht Regisseur de Inglesia das Beste aus seinen begrenzten finanziellen Mitteln. So sehen die Wohnungen der Protagonisten zwar nach sozialem Wohnungsbau aus und Schweinestall und Hundezwinger im dreckigen Hinterhof geben dem Film ebenfalls kein Hochglanzambiente, aber gerade das macht die Handlung umso authentischer.
Gerade hier zeigt sich mal wieder, dass man auch mit einem äußerst geringen finanziellen Einsatz einen tollen Genrefilm zaubern kann, dies aber (besonders in Hinsicht auf einheimische TV-Produktionen) fast niemand mehr versteht.
In Zeiten von CGI und digitaler Videoästhetik ist dies hier noch herrlich Old School und daher umso reizvoller!

Fazit: Spanischer Giallo mit Charme und Flair - Spannung in Zeitlupe, dann aber richtig!

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Dienstag, 25. September 2012

Mann im Mond

Spuren auf dem Mond (Le Orme)
I 1975
R.: Luigi Bazzoni/Mario Fanelli

Worum geht's?: Die sensible Alice (Florinda Bolkan) arbeitet als Dolmetscherin bei einer Raumfahrttagung und leidet zudem an seltsamen Albträumen, in denen auf die Veranlassung des sinisteren Professors Blackmann (Klaus Kinski) ein Astronaut auf dem Mond zurückgelassen wird.
Sie verliert jedoch ihren Job, als ihre Chefin ihr anscheinend zu Recht vorhält, in den letzten Tagen nicht zum Dienst erschienen zu sein.
Tatsächlich hat die Gute keine Erinnerungen mehr an die letzten drei Tage und in ihrem Schrank hängt ein ihr unbekanntes gelbes Sommerkleid, auf dem sich ein Blutfleck befindet.
Als sie eine zerrissene Postkarte, welche ein Hotel mit prächtiger Fassade zeigt, findet, beschließt sie kurzerhand dorthin zu fliegen, zumal sich der Name der Ortschaft, Garma, auf der Rückseite der Karte befindet.
In Garma, einer (türkischen) Touristenstadt außerhalb der Saison, findet sie ein kleines Mädchen (Nicoletta Elmi), dass sie unter dem Namen Nicole zu kennen scheint, und den sympathischen Harry (Peter McEnery) vor, der ebenfalls ihre Nähe zu suchen scheint.
Nach und nach findet Alice Spuren dafür, schon einmal in Garma gewesen zu sein und langsam verwischen Realität und Wahn...

Wie fand ich's?: Le Orme wird gewöhnlich in der Genreschublade des Giallos abgelegt, doch gehört er dort nur äußerst bedingt hinein.
Einen, mit einer Stichwaffe bewaffneten unheimlichen Killer, der vorzugsweise ebenfalls Kunde eines Handschuhmachers ist, findet man hier nämlich nicht; dafür bekommt man eine unglaublich atmosphärische Story gezeigt, welche sich langsam entwickelt (slow-burn nennt man im englischen Sprachraum so was), aber dafür in einer unvergesslichen Abschlussszene mündet.
Somit lässt sich Le Orme eher mit dem gleichermaßen sehr bizarrem, aber wundervollem, Il profumo della signora in nero (I 1974 R.: Francesco Barilli) vergleichen, der auch die unheilvolle Reise einer Frau in den Wahnsinn (dort: Mimsy Farmer) zeigt und ebenfalls mit einer ebenso skurrilen, wie verstörenden Szene endet, als mit einem klassischen Giallo wie z. B. Bavas Sei donne per l'assassino (I/F/MC 1964 dt.: Blutige Seide).
Floranda Bolkan spielt die langsam in den Wahnsinn rutschende Frau mit Bravour und Nicolette Elmi ist sicherlich jedes Giallofans liebster Kinderstar, war die Kleine doch auch in solch Knallern wie Argentos Profondo Rosso (I 1975 dt.: Rosso - Die Farbe des Todes) oder Aldo Lados Chi l'ha vista moire? (I/BRD 1972 dt.: The Child - Die Stadt wird zum Albtraum) zu sehen, bevor sie in den 80ern der Schauspielerei den Rücken kehrte und seitdem als Logopädin arbeitet.
Dass unser aller Lieblingswahnsinniger Klaus Kinski hier auftaucht, kann man aufgrund der Kürze seiner etwa vier Szenen, zwar eher als Promotiongag abhaken; doch gelingt es Kläuschen auch hier einmal mehr, beim Zuschauer in Sekunden Eindruck zu schinden und aus der kleinen Rolle noch einen großen Auftritt herauszuschlagen.

Fazit: Wer auf der Suche nach einem subtilen Horrortrip ist, und zwar auf Blut, aber nicht auf Atmosphäre verzichten kann: Bingo!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Samstag, 22. September 2012

Rote Lippen soll man küssen...

Rote Lippen, Sadisterotica (El Caso de Las Dos Bellezas)
BRD/E 1969
R.: Jess Franco (eigentl.: Jesús Franco Manera)


Worum geht's?: Diana (Janine Reynaud) und Regina (Rosanna Yani) sind die berüchtigten "Roten Lippen" ein Zwei-Mann (oder besser Zwei-Frau...) Detektivbüro, welches international agiert und den zwei jungen Dingern erlaubt, ihre unbändige Lebenslust leicht bekleidet mitunter in den feinsten Hotels auszuleben.
Ihr neuster Auftrag: sie sollen für den galanten Mr. Radek (Adrian Hoven - der Produzent in persona) dessen verschwundene Geliebte, das Model Lida (Maria Antonia Redondo), aufspüren.
Doch die junge Frau ist nur eine unter vielen, die in letzter Zeit verschwunden sind und die einzige Spur führt zum Künstler Klaus Tiller, dessen Bilder und Skulpturen die toten Mädchen in Qual und Todespein darstellen.
Als Diana und Regina Tiller folgen, geraten sie schnell in Gefahr, denn des Künstlers ebenso behaarter wie wahnsinniger Gehilfe Morpho (Michel Lemoine) macht wie sein Meister vor nichts halt.
Nur gut, dass Interpols bester Mann, Francis McClune (ausgerechnet: Chris Howland), ein Auge auf die beiden geworfen hat...


Wie fand ich's?: Dies ist der Mittelteil der sogenannten Aquila-Trilogie, benannt nach der Produktionsfirma des Produzenten Adrian Hoven, der dem Usain Bolt des Eurotrash (keiner drehte so viel, so schnell...), Jess Franco, einige Peseten in die Hand drückte, um sein Werk gleich dreimal in Folge zu verrichten.
Dass ausgerechnet Hoven, der zur Zeit der 50er noch so etwas wie der Rudolfo Valentino des Heimatfilms war, sich ab Ende der 60er auf die Produktion harscher Bahnhofskinostreifen (z. B. Michael Armstrongs Hexen bis aufs Blut gequält von 1970) verlegte, konnte wohl zuvor keiner ahnen, der den schönen Adrian noch aus Filmen wie Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren (BRD 1952 R.: Ernst Neubach) kannte. 
Entlockte der, ebenfalls mit Janine Reynaud in der Hauptrolle besetzte, surreale S/M-Trip Necronomicon - Geträumte Sünden (BRD 1968) selbst Fritz Lang noch lobende Worte, so gerieten die nachfolgenden beiden schlüpfrig angehauchten Krimikomödien Rote Lippen, Sadisterotica und Bésame Monstruo (BRD/E 1969 dt.: Küss mich, Monster) doch noch weit mehr in die Richtung der klassischen Euro-Exploitation.
Etwas nackte Haut trifft auf Sonne, Sand und Frauenmord; gespickt wird dies mit frivolen Witzchen und trotteligem Humor (hier kommt Chris Howland ins Spiel...) - zack - fertig ist der freche Kinoerfolg der Saison.
Ausgerichtet auf möglichst hohen Einsatz an den Kinokassen, sollten diese beiden Filme vor allem ein kurzweiliger Spaß sein - Trivialfilm in seiner Essenz, wenn man so will - und tatsächlich ist der durchaus vorhandene Unterhaltungswert noch fast das Einzige, was die beiden Filme heute sehenswert erscheinen lässt. Wenn man von Rossana Yanis kaum verhülltem Körper mal absieht...
Logik, Suspense oder auch nur so etwas wie eine gut durchdachte Story darf man von Franco mal wieder kaum erwarten; vielmehr erfreut sich der Trashfreund am grellen Swinging-Sixties-Ambiente oder dem nach Minimaljazz klingendem Easy-Listening-Score.
Sicher, man hat vom guten Jess schon des Öfteren weit Unansehnlicheres delektiert und als schwüler Zeitvertreib taugt dieser Streifen alle mal.
Das Sequel Bésame Monstruo setzt, nebenbeibemerkt, dem knuffigen Wahnsinn noch die Krone auf und kommt mit Lendenschurz tragenden Übermenschen und geheimnisvollen Windmühlen daher!
Na dann: Prost!


Fazit: Grell, bunt, sleazy und aufgekratzt wie Micky Krause auf Speed! Der Vergleich gilt allerdings leider auch für die Substanz und das Niveau des Filmes...

Punktewertung: 5,25 von 10 Punkten

Dienstag, 18. September 2012

Kaltes Huhn? Warum nicht...

Poultrygeist: Night of the Chicken Dead
USA 2006
R.: Lloyd Kaufman


Worum geht's?: Auf dem früheren Friedhofsgelände des Tromahawkstamms steht nun eine Filiale der Fast-Food-Kette American Chicken Bunker, vor dessen geschlossenen Türen schon vor der offiziellen Neueröffnung sich einige Demonstranten die Füße platt stehen.
Im Inneren der Hühnerbraterei hat soeben der junge Arbie (Jason Yachanin) einen Job als Thekenbedienung ergattert, um es seiner Exfreundin Wendy (Kate Graham) zu zeigen, welche nun Seite an Seite mit ihrer neuen Freundin und deren militante Lesbenbewegung C.L.A.M draußen lautstark mitdemonstriert.
Doch kaum sind die Fritteusen auf Betriebstemperatur gebracht, beginnen sondebare Eier, angefüllt mit grünem Schleim, die Kunden zu vergiften und in gefährliche Hühnerzombies zu verwandeln.
So nehmen Arbie und Kollegen den Kampf gegen die untoten Federviecher auf und rammen auch schon mal Besenstiele in Därme um das Böse aufzuhalten.


Wie fand ich's?: Dass es eine dumme Idee ist, auf einem Indianerfriedhof einen Neubau zu errichten, wissen wir spätestens seit Stephen Spielbergs, tschuldigung, Tobe Hoopers Meisterwerk Poltergeist (USA 1982), bei dem sich Tromachef Lloyd Kaufman auch mal kurz beim Titel bedient hat.
Hier enden aber auch bereits die Ähnlichkeiten beider Filme und stat einem stringenten Horrorfilm bekommt man bei Poultrygeist einen krassen Mix aus Splatter, Komödie, Coming-of-Age-Drama, Konsumkritik, Erotikfilm und Musical geliefert.
Musical? Ja, gesungen und getanzt wird hier auch noch, gleich mehrfach, und wer glaubt, dass man das alles kaum unter einen Hut bekommt, sieht sich getäuscht.
Lloyd Kaufman, Mitbegründer der US-Trashschmiede #1 namens Troma, gab bereits 1984 mit seinem Kultwerk The Toxic Avenger (USA dt.: Atomic Hero) die grobe Marschrichtung vor, und mit Poultrygeist wird diese auch nach mehr als 20 Jahren noch stringent weiterverfolgt.
So ist auch Poultrygeist ein infantiler Spaß, welcher seine Gags besonders aus seiner political incorrectness (Witze über Homosexuelle, Moslems, Juden und Christen, über Billiglöhner und Fettsüchtige sind halt nicht jedermanns Sache...) und zahlreichen Geschmacklosigkeiten (wobei man auch vor extremen Fäkalhumor nicht halt macht) generiert.
Ob einem diese Form von Humor gefällt, bleibt am Ende natürlich jedem selbst überlassen und nichts ist mitunter so individuell wie das eigene Spaßzentrum.
Kaufman legt bei seinen Büchern wenig Wert auf Subtilität und arbeitet im übertragenen Sinn eher mit Brechstange und Schrotflinte - doch wie bei einer Ladung Schrot üblich: eine Kugel trifft meist immer doch das Ziel...
Handwerklich ist der Film, wie auch praktisch alle anderen Troma Produktionen, als recht solide zu bezeichnen, wenn man auch das geringe Budget an jeder Ecke deutlich durchscheinen lässt.
Troma hat halt schon immer seinen ganz eigenen Charme gehabt - also ich hab' sehr gelacht...


Fazit: Witzischkeit kennt keine Grenzen - und bei Troma schon mal gar nicht! Wer andere Werke der bekloppten Amis mag und kennt, macht auch hier nix verkehrt.

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten

Donnerstag, 13. September 2012

Tödliche Machtprobe

Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger (Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto)
I 1970
R.: Elio Petri

***

Worum geht's?: Ein Mann (Gian Maria Volonté) tötet seine Geliebte (Florinda Bolkan).
Nach der Tat beginnt er in fast jedem Raum Spuren zu hinterlassen; so reißt er absichtlich einen Faden aus seiner blauen Seidenkrawatte, stiehlt den Schmuck der Frau, lässt aber eine größere Summe Bargeld liegen und macht sich dabei keinerlei Gedanken über die von ihm überall vorhandenen Fingerabdrücke.
Sodann informiert er gelassen die Polizei von der Tat und spaziert langsam aus dem Haus, jedoch nicht ohne einen Nachbarn, den jungen, studentischen Revolutionär Antonio (Sergio Tramonti), noch ebenfalls auf sich aufmerksam zu machen.
Nun fährt er gelassen zu seiner Arbeitsstelle, wo man bereits Feierlichkeiten für seine Beförderung vorbereitet hat.
Der Mann ist "Il Dottore", der Chef des Morddezernats, welcher aufgrund seiner Leistungen nun zur inneren Sicherheitsabteilung befördert wird und damit noch mehr Macht erlangt.
Eine gefährliche Stellung für einen Soziopathen, der einen Mord begeht, nur weil er sich sicher ist, aufgrund seines Standes mit der Tat davonzukommen. 
Immer obsessiver hinterlässt er Hinweise auf seine Täterschaft, bis hin zum wörtlichen Geständnis - doch niemand scheint seinen Spuren nachgehen zu wollen.
Er ist halt ein über jeden Verdacht erhabener Bürger...

Wie fand ich's?: Elio Petri war Regiegenie und Kommunist.
Mit diesem Film begründete er seine politische Trilogie der Neurosen, welche mit La classe operaia va in paradiso (I 1971 dt.: Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies) und La proprietà non è più un furto (I 1973) fortgesetzt wurde.
So ist Indagine... neben einer Abrechnung mit den immer noch in Italien herrschenden Faschisten, auch eine böse Satire über Standesdünkel, Leistungsgesellschaften und eben die Neurosen der Gesellschaft.
Gian Maria Volonté brilliert als ebenso unheimlich böser, wie unglaublich widerlich neurotischer Machtmensch, der ständig sein Amt und seine Mitmenschen missbraucht, nur um zu sehen, dass er es kann.
Dabei ist er nicht nur völlig unfähig eine Person zu lieben und obendrein sexuell impotent, er verlangt auch anstelle von Sex ständig das Nachstellen bizarrer Leichenfunde von seiner Geliebten.
Petri zeigt einen pervertierten Machtapparat, der sich gegenseitig stützt und in dem das Wort "Rechtsstaat" längst zur Lüge verkommen ist.
Am Ende des Films treibt Petri die Story durch einen kleinen Kunstgriff vollkommen auf die Spitze und das Publikum darf sich fragen, ob es diesen Trick wirklich hat kommen sehen, oder ob es dieses Handeln der Vorgesetzten und Kollegen des "Dottore" tatsächlich als real ansehen würde.
Der Film lässt die letzte Konsequenz für den Antihelden offen, und überlässt es dem Zuschauer, sein eigenes Weltbild ans Ende der Handlung zu projizieren.
Neben der grandiosen Story bietet der Film zusätzlich wunderbar komponierte Bilder, große Schauspielkunst und einen eingängigen Score von Maestro Ennio Morricone, der im Ohr bleibt und, einmal gehört, nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen ist (und über JAhre der Klingelton meines Smartphones war).
Florinda Bolkan, die hier die weibliche Hauptrolle besetzt, ist Kennern des italienischen Films sicher nicht unbekannt, und dürfte regelmäßigen Lesern dieses Blogs bereits hier untergekommen sein: http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/05/die-obsessionen-des-jean-sorel.html.

Fazit: Böses Meisterwerk mit ätzendem Humor - handwerklich perfektes Politkino, dass lange nachwirkt.

Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten

Samstag, 8. September 2012

Wer ist wer und wer ist Wolf?

Mondblut (The Beast Must Die)
UK 1974
R.: Paul Annett


Worum geht's?: Tom Newcliff (Calvin Lockhart) ist reich, gut aussehend, schwarz und passionierter Jäger.
Nachdem er jeden Meter seines Hauses und Grundstücks von einem Experten (Anton Diffring) mit Kameras und Mikrofonen bestücken lassen hat, lädt er fünf Gäste ein, die zusammen mit ihm und seiner Frau Caroline (Marlene Clark) dort die nächsten Tage verbringen sollen.
Doch Tom gibt seinen Gästen schon früh seine wahren Absichten bekannt. Er glaubt nämlich, dass sich hinter einer Person in ihrer Mitte tatsächlich ein Werwolf verbirgt.
Jeder seiner Besucher kommt dafür infrage, sind doch in ihrer Nähe immer wieder Leute auf seltsame Weise umgekommen.
Neben dem distinguierten Werwolfexperten Dr. Lundgren (Peter Cushing), dem ebenso gemütlichen wie schnell aufgebrachten Diplomaten Bennington (Charles Gray), der attraktiven Davina (Ciaran Madden) und deren Beschützer Jan (Michael Gambon), fällt das Augenmerk aller zunächst besonders auf den extrem behaarten Maler Paul (Tom Chadbon).
Doch ist die Identität der Bestie wirklich so offensichtlich?
Jede Jagd fordert ihren Preis und ein Wolf hat scharfe Zähne...


Wie fand ich's?: Amicus Production war der härteste Konkurrent für die zur gleichen Wirkungszeit extrem erfolgreiche, britische Horrorfilmschmiede Hammer Film.
Genau wie Hammer hat auch Amicus es nur einmal im Genre des Werwolffilms wissen wollen - Hammers Versuch war der sehr klassisch inszenierte The Curse of the Werewolf (UK 1961 R.: Terence Fisher dt.: Der Fluch von Siniestro) mit einem jungen Oliver Reed in der Hauptrolle, Amicus' Versuch war der moderne The Beast Must Die.
Basierend auf der Geschichte There Shall Be No Darkness des amerikanischen Autors James Blish, versucht man hier jedoch das Thema Lykantropie mehr von der Seite des Kriminalfilms zu betrachten.
So stellt eine Stimme bereits nach den Titeln fest, dass es sich hier um einen Whodunit handelt, und dass der Zuschauer bis zum Werewolf Break nun Zeit hat, die Identität des Werwolfs selbst zu erraten.
Tatsächlich wird nach etwa 75 Minuten der Film gestoppt und eine für 30 Sekunden eine Stoppuhr eingeblendet, während dem Publikum noch mal alle Verdächtigen kurz vorgestellt werden.
Dieses Gimmick ist eigentlich nicht wirklich neu, erfand doch William Castle, der König des B-Films (bevor Roger Corman ihm die Krone klaute...) und der schrägen Verkaufsidee, für seinen Film Homicidal (USA 1961 dt.: Mörderisch), in dem der Film ebenfalls kurz vor dem Finale stoppte und den Schreckhaften unter den Versammelten während einer sogenannten Fright Break 45 Sekunden Zeit ließ, seiner Angst nachzugeben und sich in die Lobby zum ausgeschilderten Coward's Corner (zu deutsch also zur Ecke der Feiglinge) zubegeben, um sich dann das Ende des gar schauerlichen Films besser von anderen nachträglich erzählen zu lassen.
Natürlich wertet solch ein Gimmick einen Film in der Regel nur unwesentlich auf, allerdings kann sich The Beast Must Die neben dieser Spielerei auch auf eine durchaus spannende Story und vor allem auf den sehr guten Cast verlassen.
Neben den beiden altgedienten Brit-Haudegen Cusching und Gray, ist es besonders der äußerst suave Calvin Lockhart, der den Film trägt.
Dabei war Lockhart nur zweite Wahl, wollte das Studio ursprünglich lieber den viel beschäftigten, weißen Robert Quarry. Doch aufgrund des zurzeit an den amerikanischen Kinokassen grassierenden Blaxploitationhypes, griff man dann auf Calvin Lockhart zurück. Witzigerweise berichten manche Quellen tatsächlich von Problemen beim Ausleuchten schwarzer Darsteller in Nachtszenen, ebenso wie vom gescheiterten Versuch die durch ihre Interpretation von James-Bond-Titelliedern bekannte Shirley Bassey in der Rolle von Newcliffs Gattin zu besetzen.
Da der Produktion ein nicht allzu hohes Budget zur Verfügung stand, besetzte man hingegen in der Rolle des Werwolfs in Tiergestalt kurzerhand einen Deutschen Schäferhund...
Überhaupt greift die Story die seit George Waggners The Wolf Man (USA 1941 dt.: Der Wolfsmensch) grundsätzlich statuierten Werwolfmythen auf, lässt aber (wie in der literarischen Vorlage) Peter Cushings Charakter zusätzlich eine medizinische Erklärung (ich sag nur Hormone...) für das Werwolfphänomen liefern.
Insgesamt ist mit The Beast Must Die ein Film entstanden, der klassische Gruselfilmelemente mit modernen gekonnt verbindet, einen leichten Blaxploitationvibe mitbringt und einfach nur Spaß macht, auch wenn man sich eine (selbst alberne) Transformationsszene zusätzlich wünschen würde...


Fazit: Meine persönlich liebste Amicus Produktion. Spannend, kurzweilig, toll gespielt und mit Gimmick!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Mittwoch, 5. September 2012

Douglas und der Antichrist

Inferno 2000 (Holocaust 2000)
I/UK 1977
R.: Alberto De Martino

 
Worum geht's?: Robert Caine (Kirk Douglas) will der Welt eine neue, preisgünstige Energiequelle schenken und plant, unterstützt von seinem erwachsenen Sohn Angel (Simon Ward), im Mittleren Osten ein Kernkraftwerk zu bauen.
In sieben Türmen sollen Laserstrahlen auf Atome treffen, um diese zu spalten; auf diese Weise soll bald praktisch die ganze Welt ihren Strom erzeugen.
Doch dann wird Caines Frau Eva (Virginia McKenna), welche die Aktienmehrheit am Familienunternehmen hält und den Bau des Kraftwerks stoppen will, bei einem Sektempfang von einem Attentäter erstochen, welcher nach seiner Einlieferung in Dr. Kerouacs (Adolfo Celi) Irrenhaus plötzlich scheinbar prophetische Worte spricht und Caine nicht nur bezichtigt mit seiner "Saat" das Böse in die Welt zu bringen, sondern ihn auch für eine drohende Apokalypse verantwortlich macht.
Tatsächlich häufen sich bald seltsame Ereignisse, wie sonderbare Todesfälle und als Caines junge Freundin Sara (Agostina Belli) schwanger wird, glaubt der Großindustrielle nun den Antichristen in die Welt gesetzt zu haben.
Zusammen mit einem hilfsbereiten Monsignore (Romolo Valli), den er zuvor zufällig bei einer Geschäftsreise im Flugzeug kennengelernt hatte, bereitet Caine alles vor, um seine böse Saat noch im Bauch der Mutter auszulöschen...

Wie fand ich's?: Dies ist tatsächlich bereits der dritte Film Alberto De Martinos, der in diesem Blog besprochen wird, und nach einem netten Giallo (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/06/kein-schwein-ruft-mich.html) und einer pfiffigen James-Bond-Parodie (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/08/operation-schnell-absahnen.html), kommt nun noch ein Horrorfilm-Rip-Off dazu.
Plagiiert wird hier in erster Linie Richard Donners Hit The Omen (USA 1976 dt.: Das Omen), der ein Jahr zuvor an den Kinokassen eingeschlagen war und zusammen mit William Friedkins The Exorcist (USA 1973 dt.: Der Exorzist) zu den erfolgreichsten Horrorfilmen der 70er Jahre gezählt werden muss.
Dabei denkt das Drehbuch von Holocaust 2000 erstaunlicherweise die Story konsequenter zu Ende, als es der erste Teil der Omen-Reihen tut, und nimmt damit bereits einige Plotelemente späterer The Omen-Sequels Jahre zuvor vorweg.
Andererseits möchte De Martino gar keinen Hehl daraus machen, wo er hier abkupfert und fügt sogar eine unmotivierte Szene ein, in der Caines mit seinem Kind schwangere Partnerin sich vehement weigert eine Kirche zu betreten, ganz wie Damien im Original, allerdings zeigt sich in Holocaust 2000 später, dass diese Szene nicht nur scheinbar grundlos, sondern auch durch einen Plottwist jenseits aller Logik des Films existiert.
Was den Film jedoch jenseits seiner besonders inhaltlichen Mängel für (Italo-)Horrorfans absolut sehenswert macht, sind die sehr guten schauspielerischen Leistungen und die Tatsache, dass das Ensemble das, was es spielt zu jeder Zeit absolut ernst nimmt und niemals durch unangebrachtes Overacting in eine Parodie abzurutschen droht.
Wie bei The Omen wirken die wenigen Goreszenen besonders aufgrund ihrer Kürze nie so selbstzweckhaft, wie es bereits wenige Jahre später in den meisten Italo-Streifen der Fall sein sollte.
Zuletzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass Holocaust 2000 in mindestens drei verschiedenen Schnittfassungen existiert, und man je nach dem, mal mehr mal weniger, Blut sieht, und die amerikanische Fassung dazu noch ein längeres Ende bietet, welches die Geschichte sinnvoll zu Ende bringt, wohingegen die deutsche und italienische Fassung sehr offen enden.


Fazit: Ein Höhepunkt des Plagiatskinos, denn: wenn schon klauen, dann von den Besten! Mission erfolgreich abgeschlossen...

Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Montag, 3. September 2012

Der Sinn hinterm Wahn

Curtains - Wahn ohne Ende (Curtains)
CND 1983
R.: Richard Ciupka/Peter Simpson

 
Worum geht's?: Um sich für ihre nächste Rolle vorzubereiten, begibt sich die gestandene Diva Samantha Sherwood (Samantha Eggar) freiwillig in eine geschlossene Anstalt.
Eingeliefert wird sie dort vom Regisseur des Projekts, Jonathan Stryker (John Vernon), dessen Plan allerdings von Anfang an vorsieht, die gute Sam endgültig loszuwerden und die Titelrolle in "Audra" mit einer jüngeren, unbekannteren Schauspielerin zu besetzen.
Doch dem alten Bühnenhasen gelingt die Flucht aus der Klapsmühle, und als Stryker tatsächlich in einer abgelegenen Villa ein großes Vorsprechen abhält taucht auch seine alte Muse mit unverhohlener Wut auf.
Unter den vorsprechenden Aktricen befinden sich auch die erfahrene, ältere Brooke (Linda Thorson), sowie die nervöse Stand-up-Comedian Patti O'Connor (Lynne Griffin).
Unwissend, dass bereits zwei Kolleginnen bereits zuvor einem Killer mit Hexenmaske zum Opfer gefallen sind, beginnen die Frauen sich dem Auswahlverwahren und Strykers entnervende Psychospielchen zu stellen.
Nachdem die Jüngste der Schar (Lesleh Donaldson) beim Eislaufen vom Hexen-Killer mit einer Sense enthauptet wurde und auch der sexy Hausboy Matthew (Michael Wincott) nirgendswo mehr zu finden ist, leert sich langsam das Herrenhaus und der Vorhang hebt sich für einen blutigen letzten Akt.
Es werden auftreten: zwei Damen mit definitiven Tötungsabsichten, ein klassisches Final-Girl auf der Flucht durch den Requisitenfundus und ein Kopf in Linda Thorsons Toilettenschüssel!
Was will man mehr?


Wie fand ich's?: Wenn eine Filmproduktion so viele Probleme wie in diesem Fall in sich vereint, kann das Ergebnis in der Regel meist wenig begeistern.
Nachdem Regisseur Richard Ciupka 1980 seine Version des Films fertiggestellt hatte, und dies obwohl er bereits die ursprünglich für die Rolle der Brooke vorgesehene Céline Lomez durch Linda Thorson ersetzen musste, welche man heute vielleicht noch als Emma Peels wenig glückliche Nachfolgerin Tara King im Hinterkopf hat. Lomez erzählte mehrfach, dass sie das Handtuch wegen einer geforderten Nacktszene geworfen hätte - eine Aussage, die der Produzent des Films Peter Simpson vehement verneint und Lomez' Ausscheiden ihrem mangelnden Talent zuschreibt.
Doch dann schmiss der Belgier Ciupka selbst hin, da er mit der geforderten Ausrichtung des Films nicht zufrieden war.
Ciupka schwebte ein künstlerisch wertvoller Psychothriller für ein erwachsenes Publikum vor; sein Produzent Simpson bestand jedoch auf einen weit kommerzielleren Ansatz und wünschte sich einen eher klassische Slasher, welcher auch eine junge Zuschauerklientel in die Lichtspielhäuser locken sollte.
Nach Ciupkas vorzeitigem Abgang stand Simpson als Produzent nun mit einem etwa zu 50 Prozent fertiggestellten Film da, und es blieb ihm nichts weiter übrig, als selbst Szenen nachzudrehen, um das Produkt einerseits endlich fertigzustellen, andererseits dem Streifen das von ihm favorisierte Slasherfeeling doch noch aufzudrücken.
Nachträglich muss man den Erfolg und kleinen Kultstatus des Films, den er bei Fans des Genres durchaus besitzt, der erstklassigen Arbeit des im Schneideraum tätig gewesenen Michael MacLaverty zurechnen, der aus einem regelrechten Chaos ein unterhaltsames Ganzes zusammenschnitt und dem Film nach fast drei Jahren  doch noch ein Release im Jahre 1983 bescherte.
So kann man den Film trotz seiner Mängel, insbesondere was die zum Teil etwas wirsch erzählte Story und deren konfuse Logik betrifft, doch noch sehr gut ansehen; ja, der Film gewinnt gerade durch seinen sehr erwachsenen Ton besonders im Reich des Slashers ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht von der Hand zuweisen ist.
Wer also die ständig kichernden Teenies in den sonstigen Produktionen der 80er satthat und nicht rein auf Blood 'n Gore aus ist, sollte hier durchaus einen Blick riskieren!


Fazit: Ein übersehenes Slasherhighlight, das endlich eine vernünftige DVD-Veröffentlichung (auch im Ausland) verdient!

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Samstag, 1. September 2012

Wenn der Seewolf Geiseln nimmt...

Blutiger Freitag
BRD/I 1972
R.: Rolf Olsen







Worum geht's?: Heinz Klett (Raimund Harmstorf) entkommt bei seiner Vorführung im Münchener Gerichtsgebäude mithilfe zweier Komplizen aus dem Polizeigewahrsam.
Während sein Komplize Stevo (Totò Mignone) bei der Befreiungsaktion festgenommen wird, gelingt dem absolut gewaltbereiten Klett die Flucht zu einem in einer Großgarage geparkten Wohnwagen.
Hier plant der schwere Junge bereits seinen nächsten Coup: einen Überfall mit Geiselnahme auf die Deutsche Finanzbank.
Unterstützt wird er von dem Italiener Luigi (Gianni Macchia) und dessen Freundin Heidi (Christine Böhm), die von Luigi wein Kind erwartet.
Zum Team stößt unerwartet Heidis Bruder Christian (Amadeus August), welcher zuvor vom Wehrdienst desertiert ist und sich nun ebenfalls auf der Flucht vor der Polizei befindet.
Bevor man jedoch die Bank überfällt, besorgen sich die Gangster durch das Abfangen eines amerikanischen Militärtransporters automatische Waffen und Handgranaten.
Schwer bewaffnet und zu allem bereit stürmen die Männer nun die auserkorene Bank und nehmen eine ganze Reihe von Geiseln, darunter auch zwei Kinder und die Tochter des Kaufhauskönigs Walter Lortzmann (Walter Buschhoff), Marie Lortzmann (Gila von Weitershausen).
Schon bald fängt jedoch Einiges an recht schnell aus dem Ruder zu laufen und Klett kennt auf alle Probleme nur eine Lösung: Gewalt!


Wie fand ich's?: Raimund Harmstorf hat in seinem Leben mindestens zwei Rollen gespielt, die seinen Zuschauern lebendig im Geiste geblieben sind: zum einen den Seewolf (BRD/FR/RO/AT 1971 R.: Croitoru/Nicolaescu/Staudte), zum anderen die des Heinz Klett.
Als Seewolf Wolf Larsen durfte er eine (vorgekochte) Kartoffel mit der bloßen Hand zerdrücken, als Heinz Klett durfte er zum Lederoutfit Sonnenbrille, Maschinenpistole und stets einen zynischen Spruch auf den Lippen tragen.
Leider verlief Harmstorfs Leben später aufgrund von Geldproblemen und einer Parkinsonerkrankung so tragisch, dass es 1998 sogar im Suizid endete - doch werden weder der Schauspieler noch seine Rollen wohl so schnell vergessen werden.
Blutiger Freitag kann als der Versuch gewertet werden das italienische Genre des harten Polizeifilms Poliziottesco auch in Deutschland nachzubilden.
Rolf Olsen, ein in Deutschland arbeitender Österreicher, der in vielen Genres, zum Ende seiner Laufbahn allerdings vermehrt im Exploitationbereich, gearbeitet hat, drehte kurz zuvor den ebenfalls bemerkenswerten Film Das Stundenhotel von St.Pauli (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/08/stundenweiser-einsatz-aufm-kiez.html), welcher sich bereits inhaltlich durch das Aufgreifen der Gewalt gegen die Studentenbewegung auf aktuelle politische Probleme bezog.
In Blutiger Freitag sprach man nun den in der Öffentlichkeit viel diskutierten Überfall auf eine Münchener Filiale der Deutschen Bank vom 04. August 1971 an.
Damals waren ein Bankräuber samt Geisel Todesopfer einer vorschnellen Polizeiaktion geworden und der Vorfall schlug ähnliche Wellen wie die Geiselnahme von Gladbeck 1988.
Tatsächlich zeigt der Film eine Polizeiführung, die die am 04. August 1971 gemachten Fehler nicht wiederholen möchte und darauf bedacht ist die ständig zu eskalieren drohende Gesamtsituation unter Kontrolle zu halten.
Harmstorf gibt als Klett das Tier, er beherrscht jede Szene, in der er spielt, und würde den Film auch praktisch alleine tragen, würden seine Mitspieler nicht ebenso grandiose Leistungen abliefern.
Ernst H. Hilbich z. B., der mir noch gut durch seine Auftritte im Musikantenstadl-Vorgänger Zum Blauen Bock mit Heinz Schenk (...nicht Klett) in Erinnerung ist und hier ein armes Würstchen gibt, der sich den Gangstern gegenüber anbiedert, um aus seiner eigenen Lebensrealität entfliehen zu können.
Gila von Weitershausen, die zuvor in Jess Francos X312 - Flug zur Hölle (BRD/E 1971) mitgewirkt hatte, bietet ebenso gutes Handwerk, wie der 1992 an AIDS verstorbene Amadeus August oder der italienische Kollege Gianni Macchia in der Rolle des Luigi.
Mit Blutiger Freitag gelingt es Olsen einen, wenn nicht den wohl härtesten deutschen Gangsterfilm der 70er abzuliefern, der zum einen kontroversen, sozialpolitisch relevanten Subtext transportiert, zum anderen alle würzigen Genrezutaten mitbringt und dabei auch vor einer hässlichen Vergewaltigungsszene am Schluss zurückschreckt.
Hier zeigt Olsen die Gedankenwelten beider sich auf einem Bett windenden Personen, und während das Opfer sich eine Sexszene zwischen zwei Frauen suggeriert, sieht man hinter Kletts innerem Auge bewegte Bilder aus einem Schlachthaus...


Fazit: Kompromisslos dreckig und schonungslos gut. Ein oft etwas übersehener Klassiker des deutschsprachigen Films.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten