Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 1. September 2012

Wenn der Seewolf Geiseln nimmt...

Blutiger Freitag
BRD/I 1972
R.: Rolf Olsen







Worum geht's?: Heinz Klett (Raimund Harmstorf) entkommt bei seiner Vorführung im Münchener Gerichtsgebäude mithilfe zweier Komplizen aus dem Polizeigewahrsam.
Während sein Komplize Stevo (Totò Mignone) bei der Befreiungsaktion festgenommen wird, gelingt dem absolut gewaltbereiten Klett die Flucht zu einem in einer Großgarage geparkten Wohnwagen.
Hier plant der schwere Junge bereits seinen nächsten Coup: einen Überfall mit Geiselnahme auf die Deutsche Finanzbank.
Unterstützt wird er von dem Italiener Luigi (Gianni Macchia) und dessen Freundin Heidi (Christine Böhm), die von Luigi wein Kind erwartet.
Zum Team stößt unerwartet Heidis Bruder Christian (Amadeus August), welcher zuvor vom Wehrdienst desertiert ist und sich nun ebenfalls auf der Flucht vor der Polizei befindet.
Bevor man jedoch die Bank überfällt, besorgen sich die Gangster durch das Abfangen eines amerikanischen Militärtransporters automatische Waffen und Handgranaten.
Schwer bewaffnet und zu allem bereit stürmen die Männer nun die auserkorene Bank und nehmen eine ganze Reihe von Geiseln, darunter auch zwei Kinder und die Tochter des Kaufhauskönigs Walter Lortzmann (Walter Buschhoff), Marie Lortzmann (Gila von Weitershausen).
Schon bald fängt jedoch Einiges an recht schnell aus dem Ruder zu laufen und Klett kennt auf alle Probleme nur eine Lösung: Gewalt!


Wie fand ich's?: Raimund Harmstorf hat in seinem Leben mindestens zwei Rollen gespielt, die seinen Zuschauern lebendig im Geiste geblieben sind: zum einen den Seewolf (BRD/FR/RO/AT 1971 R.: Croitoru/Nicolaescu/Staudte), zum anderen die des Heinz Klett.
Als Seewolf Wolf Larsen durfte er eine (vorgekochte) Kartoffel mit der bloßen Hand zerdrücken, als Heinz Klett durfte er zum Lederoutfit Sonnenbrille, Maschinenpistole und stets einen zynischen Spruch auf den Lippen tragen.
Leider verlief Harmstorfs Leben später aufgrund von Geldproblemen und einer Parkinsonerkrankung so tragisch, dass es 1998 sogar im Suizid endete - doch werden weder der Schauspieler noch seine Rollen wohl so schnell vergessen werden.
Blutiger Freitag kann als der Versuch gewertet werden das italienische Genre des harten Polizeifilms Poliziottesco auch in Deutschland nachzubilden.
Rolf Olsen, ein in Deutschland arbeitender Österreicher, der in vielen Genres, zum Ende seiner Laufbahn allerdings vermehrt im Exploitationbereich, gearbeitet hat, drehte kurz zuvor den ebenfalls bemerkenswerten Film Das Stundenhotel von St.Pauli (s. h. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/08/stundenweiser-einsatz-aufm-kiez.html), welcher sich bereits inhaltlich durch das Aufgreifen der Gewalt gegen die Studentenbewegung auf aktuelle politische Probleme bezog.
In Blutiger Freitag sprach man nun den in der Öffentlichkeit viel diskutierten Überfall auf eine Münchener Filiale der Deutschen Bank vom 04. August 1971 an.
Damals waren ein Bankräuber samt Geisel Todesopfer einer vorschnellen Polizeiaktion geworden und der Vorfall schlug ähnliche Wellen wie die Geiselnahme von Gladbeck 1988.
Tatsächlich zeigt der Film eine Polizeiführung, die die am 04. August 1971 gemachten Fehler nicht wiederholen möchte und darauf bedacht ist die ständig zu eskalieren drohende Gesamtsituation unter Kontrolle zu halten.
Harmstorf gibt als Klett das Tier, er beherrscht jede Szene, in der er spielt, und würde den Film auch praktisch alleine tragen, würden seine Mitspieler nicht ebenso grandiose Leistungen abliefern.
Ernst H. Hilbich z. B., der mir noch gut durch seine Auftritte im Musikantenstadl-Vorgänger Zum Blauen Bock mit Heinz Schenk (...nicht Klett) in Erinnerung ist und hier ein armes Würstchen gibt, der sich den Gangstern gegenüber anbiedert, um aus seiner eigenen Lebensrealität entfliehen zu können.
Gila von Weitershausen, die zuvor in Jess Francos X312 - Flug zur Hölle (BRD/E 1971) mitgewirkt hatte, bietet ebenso gutes Handwerk, wie der 1992 an AIDS verstorbene Amadeus August oder der italienische Kollege Gianni Macchia in der Rolle des Luigi.
Mit Blutiger Freitag gelingt es Olsen einen, wenn nicht den wohl härtesten deutschen Gangsterfilm der 70er abzuliefern, der zum einen kontroversen, sozialpolitisch relevanten Subtext transportiert, zum anderen alle würzigen Genrezutaten mitbringt und dabei auch vor einer hässlichen Vergewaltigungsszene am Schluss zurückschreckt.
Hier zeigt Olsen die Gedankenwelten beider sich auf einem Bett windenden Personen, und während das Opfer sich eine Sexszene zwischen zwei Frauen suggeriert, sieht man hinter Kletts innerem Auge bewegte Bilder aus einem Schlachthaus...


Fazit: Kompromisslos dreckig und schonungslos gut. Ein oft etwas übersehener Klassiker des deutschsprachigen Films.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten