Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 25. November 2012

Bitte lächeln!

Der unheimliche Sardonicus (Mr. Sardonicus)
USA 1961
R.: William Castle

Worum geht's?: William Castle tritt im nebligen London vor die Kamera, um dem Zuschauer die Geschichte eines Ghuls anzukündigen.
Der leidenschaftliche Arzt Sir Robert Cargrave (Ronald Lewis) ist eine wahre Koryphäe auf dem Gebiet der Muskelentspannung bei Lähmungserscheinungen.
Als ihn ein dringender Brief seiner alten Liebe Maude (Audrey Dalton) aus dem (fiktiven) Balkanländchen Gorslava erreicht, eilt der gute Doktor natürlich sofort los, seiner Flamme zur Hilfe zu eilen.
Tatsächlich trifft er Maude in den unheilvollen Fängen des sinisteren Barons Sardonicus (Guy Rolfe) vor, einem Edelmann, der sein Gesicht hinter einer starren Gesichtsmaske verbirgt und sein Essen laut schlürfend zu sich nimmt.
Zusammen mit seinem einäugigen Faktotum Krull (Oskar Homolka), droht der Baron der holden Maude etwas anzutun, sollte Sir Robert sich weigern, jedes legale und illegale Mittel zu ergreifen, ihn von dem Leiden zu befreien, das ihn zwingt, diese verdammte Maske tragen zu tragen.
Und dann erzählt der Baron seine Geschichte, die wahrlich jedem das Grinsen im Gesicht erstarren lassen könnte...

Wie fand ich's?: Castle, der eigentlich Schloss hieß, war der König der Gimmicks. Zu jedem seiner Filme ließ er sich einen zusätzlichen Anreiz einfallen, der werbewirksam die Zuschauer in die Lichtspielhäuser locken sollte.
Bei Mr. Sardonicus war dies die sogenannte Punishment Poll, eine Umfrage unter den
Zuschauern, wie der Film enden soll - solle man Gnade mit dem unmenschlichen Mr. Sardonicus walten lassen, oder solle es für ihn ganz dicke kommen?
Zu diesem Zweck wurden vor der Vorstellung Karten mit fluoreszierenden, aufgedruckten Daumen verteilt, welche man am Ende des Films für den, von der Leinwand direkt zum Publikum sprechenden, Herrn Castle bitte hochhalten sollte. Daumen hoch - lasst den Schuft leben. Daumen runter - wäre ja noch schöner...
Die Legende besagt nun, es habe nie ein Publikum für die Titelfigur gestimmt, so das man immer nur das böse Ende gezeigt habe.
Fakt wird sein: es hat nie ein anderes Ende existiert; denn zum einen entspricht dieses Ende der zugrunde liegenden Kurzgeschichte Sardonicus von Drehbuchautor Ray Russell, zum anderen wurde nie ein Happy End in den Archiven gefunden.
In bester Tradition eines Lon Chaney sen. ließ Sardonicus-Darsteller Guy Rolfe sich von fünf formenden Hilfsmitteln im Gesicht malträtieren, um so den Risus sardonicus zu imitieren, der der Titelfigur den Namen gibt.
Risus was? Sie wissen nicht, wovon zum Teufel ich spreche? Um so besser. Ich wünsche viel Vergnügen beim Entdecken einer gern übersehenen Horrorikone!

Fazit: Atmosphärische, gothische Gruselmär, die den Kenner strahlen lässt - zwei Daumen hoch!

Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Sonntag, 18. November 2012

Freundschaft mit dem Tod

Macario
MEX 1960
R.: Roberto Gavaldón


Worum geht's?: Der arme mexikanische Holzfäller Macario (Ignazio López Tarso) kann mit Müh und Not seine Familie ernähren und hungert sich von Tag zu Tag.
Eines Tages schwört er erzürnt über seine Armut und den Reichtum Anderer, solange nichts mehr zu essen, bis er einen ganzen, gebratenen Truthahn für sich allein hätte.
Seine ihn liebende Frau (Pina Pellicer) erfüllt ihm schließlich den Wunsch und stielt ein Tier bei ihren reichen Arbeitgebern.
Erfreut stürmt Macario mit dem Festschmaus in den Wald, wo er sonst seinem beschwerlichen Tagwerk nachgeht.
Hier trifft er zunächst auf den Teufel persönlich (José Gálvez), dann auf den lieben Gott (José Luis Jiménez), welche beide ein Stück Truthahn von ihm fordern, wobei der Teufel Macario sogar seine Silbersporen und Goldknöpfe im Tausch anbietet.
Doch der Holzfäller bleibt hart, erst die magere, traurige Gestalt des Tods (Enrique Lucero) bewegt ihn dazu, doch noch sein Mahl zu teilen.
Zum Dank lässt der Tod Macario seine Flasche mit einer wundertätigen Flüssigkeit füllen, mit der er von nun an jeden Totkranken auf dem Sterbebett heilen kann - solange der Knochenmann am Fußende steht und nicht am Kopfende, denn dann ist der Sterbende unausweichlich zum Tode bestimmt.
Als Macario daraufhin tatsächlich seinen eigenen, in einen Brunnen gefallenen, Sohn vor dem schnellen Ableben rettet, verbreitet sich die Kunde vom wundertätigen Hexendoktor schlagartig im nahen Städtchen und der ehemalige Holzfäller wird schnell zum reichen Mann.
Doch Erfolg zieht Neider an, und die schrecken auch nicht davor zurück, die Heilige Inquisition auf den Plan zu rufen...


Wie fand ich's?: Roberto Galvadóns Adaption von B. Travens preisgekrönter Novelle The Healer, war der erste mexikanische Film, der für den Oscar nominiert wurde.
Traven, dessen wahre Identität der Literaturwissenschaft seit langer Zeit Rätsel aufgibt, bediente sich großzügig beim Grundgerüst des bekannten Märchens Der Gevatter Tod der Gebrüder Grimm, reicherte jedoch das Märchen um den für ihn üblichen sozialkritischen Subtext an, und schuf so ein flammendes Plädoyer für die verarmten, mexikanischen Bauern und Tagelöhner, die der nach Mexiko ausgewanderte Traven selbst kennenlernte.
So beginnt auch Galvadóns Verfilmung des Stoffes wie ein Sozial- und Milieudrama, bevor sie nach etwa 25 Minuten urplötzlich eine unerwartete Wendung ins Reich der Phantasie nimmt und von da an tatsächlich stark an ein deutsches Volksmärchen vor lateinamerikanischer Kulisse erinnert.
Ignacio López Tarso, der für Macario den Golden Gate Award des San Francisco International Film Festival als bester Schauspieler 1960 gewann, wandelt mit scheinbarer Leichtigkeit durch den Film und wirkt selbst ständig erstaunt über die Ereignisse, welche ab einem bestimmten Zeitpunkt unumgänglich ihren Lauf nehmen.
Gegenüber Travens Novelle veränderte Galvadón das Ende vom Happy End zur bösen Lektion über das menschliche Schicksal und gewinnt dadurch noch zusätzlich an erwachsenem Subtext.
Für Pina Pellicer, die hier als sorgenvolle Ehefrau des Titelhelden brillierte, nahm das Leben ebenfalls ein trauriges Ende. Sie nahm sich aufgrund von Depressionen im Alter von nur 30 Jahren das Leben.


Fazit: Einer der besten mexikanischen Filme bis dato... Wundervolles, warmherziges Kino mit Anspruch und Botschaft!

Punktewertung: 9 von 10 Punkten

Freitag, 16. November 2012

Let's twist again...

The Fourth Victim (La última señora Anderson)
E/I 1971
R.: Eugenio Martin


Worum geht's?: Als auch die dritte Gattin eines seltsamen Todes stirbt, landet der distinguierte Herr Anderson (Michael Craig) auf Veranlassung der zum dritten Mal geschröpften Versicherungsgesellschaft prompt wegen mutmaßlichen Mordes vor Gericht.
Nur dank einer Aussage seiner getreuen Haushälterin (Miranda Campa) wandert Anderson doch nicht hinter schwedische Gardinen und kehrt stattdessen in seine schmucke Villa zurück.
Bald schon tritt die schöne Julie (Carroll Baker) in sein Leben und wird nach einigem Geturtel sogar gegen alle Vernunft die vierte Mrs. Anderson.
Doch Julie verschweigt scheinbar ihrem Gatten so manches und Anderson erfährt zu seiner Überraschung, dass seine neue Ehefrau ihren früheren Gatten ebenfalls auf dem Gewissen haben soll.
Wem kann ein mutmaßlicher dreifacher Blaubart jetzt noch trauen?
Wer ist die verdächtige, blonde Frau, welche des Nachts Julies Anwesen heimsucht?
Was weiß Inspektor Dunphy (José Luis López Vázquez), der ein ständiges Auge auf Anderson hat?
Fragen über Fragen...


Wie fand ich's?: Hollywoodbeauty und Giallo-Veteranin Carroll Baker in einem spanischen Thriller von Eugenio Martin, dessen bester Film wohl der starbesetzte Horror Express (E/GB 1972) ist.
Was diesen schwer zu findenden Film so besonders macht ist zum einen seine wunderbare altmodische, ja, man möchte fast sagen hitchcocksche Machart, zum Anderen, besticht das Drehbuch durch eine Unzahl an tollen Twists, die den geneigten Rezipienten ständig bei bester Laune halten.
Dass für einen Genrefilm dieser Zeit kaum Blut fließt, ist zu verschmerzen, dafür macht Martin sein Können bereits in der Gerichtsszene zu Anfang des Films offenkundig - Billy Wilders Witness for the Prosecution (USA 1957 dt.: Zeugin der Anklage) lässt fast grüßen!
Das spanische Gialli nicht zwingend hinter den italienischen Originalen herhinken müssen, ist spätestens mit Titeln wie El techo de christal (s. h.:  http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/09/fenster-zum-schweinestall.html) belegt worden und der hier besprochene Streifen unterstützt die These nur umso mehr.
Leider liegt diese schöne Rarität nur auf einem griechischen VHS-Tape aus den glorreichen 80ern vor, was eine vernünftige, digitale Veröffentlichung wünschenswert macht.


Fazit: Oldschool Thrill für Feinschmecker europäischer Krimikost!

Punktewertung: 7 von 10 Punkten 


Dienstag, 13. November 2012

Initiation in die Traumwelt

Walkabout
GB 1971
R.: Nicolas Roeg

 
Worum geht's?: "In Australia when an Aborigine man-child reaches sixteen, he is sent out into the land. For months he must live from it. Sleep on it. Eat of its fruit and flesh. Stay alive. Even if it means killing his fellow creatures. The Aborigines call it the Walkabout. This is the story of a Walkabout."
Vater (John Meillon) nimmt seine beiden Kinder, ein etwa 14-jähriges Mädchen (Jenny Agutter) und ihren etwa halb so alten Bruder (Luc Roeg - Sohn des Regisseurs), mit ins australische Outback.
Doch aus dem vorgeblichen Wunsch nach einem friedlichen Picknick wird ein grausames Drama, als Vater plötzlich auf die Kinder schießt, den Familienwagen in Brand steckt und schließlich selbst tot im roten Wüstensand liegt.
Nun irren die Kinder, unter Führung des Mädchens, durch die wundersame Landschaft, stetig auf der Suche nach Wasser und Nahrung.
Als alles verloren scheint, taucht plötzlich ein junger Aborigine (David Gulpilil) am Horizont auf. Der Junge befindet sich auf seinem Walkabout und nimmt die beiden in der Hitze Gestrandeten mit sich, auf seiner Reise über die Songlines, die Traumpfade der Ureinwohner.
Entlang des Weges finden die Reisenden neue Erfahrungen, Erkenntnisse, Emotionen, aber auch zerbrochene Träume, Schmerz und sogar den Tod.


Wie fand ich's?: Roeg kann man getrost zu den großen Ausnametalenten des britischen Films gerechnet werden.
Er begann seine Karriere als Kameramann am Set von Meisterwerken wie David Leans Lawrence Of Arabia (GB/USA 1962 dt.: Lawrence von Arabien) oder Truffauts Fahrenheit 451 (F 1966), bevor er an der Seite von Donald Camell beim surrealen Kultthriller Performance (GB 1970) mit Mick Jagger, James Fox und Anita Pallenberg das erste Mal Regieführen sollte.
Bei Walkabout nahm Roeg bereits ein Jahr später allein auf dem Regiestuhl Platz und schuf einen Film, der in oft assoziativen Schnittcollagen die Gegensätze von Natur, Ureinwohnern, deren Traditionen und dem was wir gemeinhin Zivilisation nennen, aufzeigt.
Vieles in Roegs Film ist tatsächlich improvisiert und dem Zufall geschuldet, umfasste das Drehbuch doch nur die lächerliche Anzahl von 14 Seiten.
Roeg arbeitet in Walkabout ständig mit dem Aufzeigen von Dualismen, bedient sich dabei einer fast instinktgesteuerten Montage und schafft so am Ende ein kunstvoll, verschlungenes Drama mit glaubwürdigen, menschlichen Charakteren und wunderschönen Naturbildern.
Dass die sogenannte Zivilisation der weißen Männer dabei praktisch ständig als Negativbeispiel herhalten muss, steht wohl von vornherein außer Frage.
Unterstrichen wird das Ganze von einem fabelhaften Score John Barrys, der der Mehrheit wohl in erster Linie für seine Kompositionen innerhalb der James-Bond-Reihe bekannt sein wird. Weiterhin werden Teile der Hymnen Karlheinz Stockhausens verwendet, in denen sich ebenfalls collagenartig Töne, Worte und Klänge zu einem weltmusikalischen Gesamtbild zusammensetzen.
Neben Roegs Sohn Luc (in den Credits als Lucien John gelistet), welcher in späteren Jahren als Produzent ins Filmbusiness zurückkehren sollte und dessen bisher einziger Filmauftritt vor der Kamera in Walkabout stattfinden sollte, debütierte ebenfalls David Gulpilil in der Rolle des jungen Aborigines, ein seither viel beschäftigter australischer Schauspieler, der aufgrund seiner Abstammung fast immer die gleichen Rollen bekommt und auch Peter Weirs wundersamen The Last Wave (AUS 1977 dt.: Die letzte Flut) weiter aufwertete - dies ist auch ein kleiner Tipp für ein unterhaltsam verstrahltes Doublefeature. 
In letzter Zeit macht Gulpilil traurigerweise mehr durch häusliche Gewalt und Alkoholprobleme von sich reden...
Der ursprüngliche Star des Films ist aber eigentlich Jenny Agutter, deren ästhetische Nacktszenen in Walkabout noch heute in den Foren der iMDb zu regen Diskussionen führen. Tatsächlich wurde der Film aber wegen dieser full-frontal nudity ursprünglich mit einem R-Rating (d. h.: Jugendliche unter 17 Jahren dürfen den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen sehen) versehen, aufgrund eines Antrages wurde aber später die Bewertung auf ein PG-Rating (die Begleitung durch einen Erwachsenen ist hier lediglich eine gut gemeinte Empfehlung...) heruntergestuft.
Agutter war beim Dreh des Films, genau wie David Gulpilil, an der Schwelle zur Volljährigkeit und warnte ihre Eltern vor Besuch des Films schon mal vorsichtshalber vor, doch sollte sie später nie angeben, die Szenen jemals bereut zu haben.
Einer der Päpste der amerikanischen Filmkritik, Roger Ebert, nannte Walkabout "one of the great Films" und sagte weiter: "no one who saw Walkabout has ever forgotten it". 
Stimmt.


Fazit: Traumwandlerisch schön und traumhaft verträumt. Das etwas andere Coming-of-Age-Drama!

Punktewertung: 9,75 von 10 Punkten


Samstag, 10. November 2012

Blowin' in the wind

Even the Wind Is Afraid (Hasta el viento tiene miedo)
MEX 1968
R.: Carlos Enrique Taboada


Worum geht's?: Claudia (Alicia Bonet), ihres Zeichens Schülerin eines Mädcheninternats im Grünen, hat in letzter Zeit grausame Albträume.
In ihnen wird sie von einer unbekannten Frau in den alten Turm auf dem Schulgelände gerufen, nur um am Ende einer langen, knarzenden Treppe, auf einen erhängten Frauenkörper zu stoßen.
Während die herrische Schulleiterin Bernada (Marga López), die von den Schülern nur "die Hexe" genannt wird, die Träume kurzerhand als puren Unfug abtut, erkennt die einfühlsame Lehrerin Lucia (Maricruz Olivier) Verbindungen zur Vergangenheit.
Damals hatte sich nämlich eine Schülerin vor Trauer und Hass auf die Schulleitung in dem Turm erhängt, und ihr Geist scheint nun nach Claudia zu greifen.
Eines Nachts schlafwandelt Claudia, wieder von der unheimlichen Stimme in die Nacht gerufen, zum Turm, nur um dort von der Treppe zu stürzen und etwas später auf dem Totenbett wundersam zu genesen.
Doch ist das wirklich Claudia, die da wieder erwacht ist - oder ist der unruhige Geist Andreas (Pamela Susan Hall) aus dem Jenseits wiedergekommen, um Rache zu nehmen?


Wie fand ich's?: Wenn man meint, man hätte alle sehenswerten Klassiker des Horrorfilms gesehen, dann kommt eine Obskurität wie diese daher.
Hasta el viento tiene miedo ist ein Film der alten Schule, ganz ohne Gore und Gekröse, dafür mit viel Herz, Humor und Charme inszeniert.
Hier wird sich noch bemüht, jeder Figur einen unverwechselbaren Charakter zu geben und manchmal wird man fast schon an eine Mädchen-Version von Das fliegende Klassenzimmer (BRD 1973 R.: Werner Jacobs) erinnert, was ja nichts Schlechtes ist.
Atmosphärisch wird zu den altbekannten, aber erprobten Mitteln gegriffen, inklusive Standards wie Käuzchenruf, Gewittergrollen und Blitze zucken bei Nacht.
Die Sets sind nicht atemberaubend aber zweckmäßig, insgesamt sieht die Produktion jedoch nach einem etwas höheren Budget als bei ähnlichen mexikanischen Low-Budget-Streifen aus.
Die Darsteller machen ihre Sache allesamt sehr ordentlich; inhaltlich lassen sich leichte Parallelen zu Guillermo del Toros späterem Meisterwerk El espinazo del diablo (E/MEX 2001 int.: The Devil's Backbone) ausmachen.
Ein offizielles Remake unter der Regie Gustavo Mohenos kam 2007 unter dem gleichen Titel in die mexikanischen Kinos und verlegt die Handlung (ganz zeitgemäß) von der Mädchenschule direkt in die Psychiatrie...


Fazit: Altmodischer Internatsgrusel aus dem Land der Tortilla. Ein hierzulande unbekannter Klassiker des internationalen Gruselfilms.

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Samstag, 3. November 2012

Gib Gummi!

Rubber
F/AO 2010
R.: Quentin Dupieux

Worum geht's?: Robert ist ein Killerreifen mit telekinetischen Fähigkeiten. Denn, jedes Mal wenn Robert sich in seinem Dasein als herumstreunender Autoreifen gestört fühlt, lässt er einfach so Köpfe platzen, wie es ihm gefällt.
Auf seiner scheinbar ziellosen Tour durch eine amerikanische Wüstenlandschaft wird er von einer Gruppe mit Ferngläsern bewaffneten Leuten (darunter u. a. Movie-Veteran Wings Hauser) begafft, welche unter freiem Himmel campieren müssen für dieses Vergnügen scheinbar auch noch bezahlen.
Ein zwielichtiger Buchhalter (Jack Plotnick) versorgt das Grüppchen mit dem Nötigsten und als Robert sich in eine durchreisende Schönheit (Roxane Mesquida) verguckt, bekommt man sogar noch, was Neues für sein Geld geboten.
Bald sieht sich die Polizei unter der Leitung von Lt. Chad (Stephen Spinella) gezwungen in die Szenerie einzugreifen.
Doch kann man einen Reifen wirklich töten?
Und kann er wirklich lieben?
Welche Rolle spielen die Zuschauer, die natürlich ganz eigene Vorstellungen von einer guten Show haben?
Und ist alles am Ende tatsächlich nur reine Willkür?

Wie fand ich's?: Am Anfang des Films spricht Lt. Chad scheinbar direkt zum Zuschauer und hält eine kurze Rede über das für ihn auffälligste Element im modernen Film: reine Willkür.
Warum ist E. T. braun, warum ist dies ein Film über einen soziopathischen Gummireifen? Reine Willkür!
Bereits zum Beginn des Streifens macht Quentin Dupieux, der manchen vielleicht unter seinem Musikerpseudonym Mr. Oizo besser bekannt sein wird, klar, dass man das Folgende unter genau diesem Aspekt sehen sollte.
Rubber ist somit nicht (nur) kurzweiliger Trash mit etwas Splatter, der an Cronenbergs Scanners (CAN 1981) erinnert, nein, Rubber will sein Publikum auch zur Reflexion über seine eigenen Seherwartungen und Vorstellungen ermuntern.
Diese Metaebene wurde allerdings scheinbar nicht von jedermann begriffen und führte mitunter zu teilweise vollkommen unberechtigten Verrissen des mit 79 Minuten ohnehin recht kurz geratenen Trip ins Absurde.
Als Mr. Oizo verkaufte Dupieux zur Jahrtausendwende mehr als 3 Millionen Kopien seines Flat Beats, auch durch das knuffige Ding namens Flat Eric, der im Video auf einem Wienerwürstchen herumpafft.
Dupieux spielte schon länger in Interviews mit den Medien und gab zwischen den Zeilen unumwunden zu, dass er im Grunde schlicht ein findiger Dilettant sei, dessen Kompositionen eher auf Faulheit und Zufall basieren und natürlich steuerte Dupieux Alter Ego Mr. Oizo auch gleich Teile des Soundtracks bei.
Dilettantismus findet man in Rubber hingegen kaum, der kleine Film weiß auch durch schöne Bilder und gute Darsteller zu gefallen
Und so schafft es am Ende des Films ein wiedergeborener Reifen namens Robert sogar noch bis nach Hollywood, in die Zentrale des Filmmainstreams schlechthin, doch dem Zuschauer ist in dieser Szene eigentlich sofort klar, dass Robert nicht gekommen ist, um hier Karriere zu machen - er ist gekommen, um zu töten!

Fazit: Skurriler, selbstreflexiver Trash mit Arthouse-Desert-Splatter-Attitüde

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten