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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Montag, 11. Februar 2013

Unter dem Deckmantel des Glaubens

Die Teufel (The Devils)
GB 1971
R.: Ken Russell


Worum geht's?: Der machtgierige Kardinal Richelieu (Christopher Logue) greift nach Südfrankreich um mithilfe des dekadenten Königs Louis XIII (Graham Armitage) sein Einflussgebiet zu vergrößern.
In der strategisch wichtigen Stadt Loudun, welche ohnehin gerade mit der Bedrohung der Beulenpest kämpft, hat der charismatische Pater Grandier (Oliver Reed) sowohl Katholiken wie Protestanten hinter sich gescharrt.
Dem Kardinal ist bewusst, dass Grandier ihm im Weg steht und greift zu seinem mächtigsten Wergzeug: der heiligen Inquisition.
Da Grandier kein Kind von Traurigkeit ist und die Nonnen des Klosters von Loudon sich eh ständig am Rande der Hysterie befinden, finden sich schnell Ansatzpunkte für den diabolischen Inquisitor Barre (Michael Gothard), der sich zunächst der buckligen Oberin Schwester Jeanne (Vanessa Redgrave) annimmt, welche sich seit langer Zeit nach dem maskulinen Grandier verzehrt.
Mit der weiteren Hilfe des reichen Herrn Trincant (John Woodvine), dessen Tochter glaubt von Grandier geschwängert worden zu sein, spinnt man ein immer engeres Netz um die einzigen Personen in Loudon, welche kein bigotter Heuchler ist.
Wird es Grandier gelingen, aus den skrupellosen Fängen der kirchlichen Teufel zu entkommen?

Wie fand ich's?: Oliver Reed war nie besser als in The Devils. Punkt.
Ken Russel hat nie einen besseren Film gedreht als diesen und es ist eine Schande, was in seinen letzten Lebensjahren aus seiner Karriere geworden war. Punkt.
Michael Gothard, den einige Leser vermutlich als Killer Locque aus dem Bondfilm For Your Eyes Only (UK 1981 R.: John Glen dt.: James Bond 007 - In tödlicher Mission) kennen, spielt den Gift und Galle spuckenden Inquisitor mit solchem Verve, das dahinter erst mal alle anderen Darsteller verblassen. Punkt.
Warner Bros. hat sich lange bitten lassen, dieses Skandalwerk aus seinem Giftschrank zu befreien und es einer breiteren Öffentlichkeit zukommen zu lassen.
2010 warf man dann ausgerechnet in Spanien eine gekürzte DVD auf den Markt, welche neben der berüchtigten Rape-of-Christ-Szene noch einige weitere Schnitte aufzuweisen hatte und scheinbar sonderbar schnell out-of-print ging.
Im März 2012 wagte es sich dann endlich das British Film Institute die britische Kinofassung innerhalb einer tollen DVD-Edition zu veröffentlichen. Diese Fassung stellt die englische X-rated-Fassung des Films dar, welche eine längere Lauflänge als die spanische Fassung hat, aber die Rape-of-Christ-Szene fehlt noch immer, eben jene provokante Szene in der Nonnen eine Jesusstatue bei einer Orgie missbrauchen.
Der Film gewinnt weitere Wucht durch den Umstand, dass der Film auf historische Tatsachen basiert und die hier gezeigten Gräuel tatsächlich stattgefunden haben. Dabei bedient sich Russells Drehbuch des Romans The Devils of Loudoun von Aldous Huxley sowie dessen Bühnenadaption von John Whiting als Vorlagen.
Natürlich finden sich außerdem in The Devils alle Markenzeichen, die Ken Russell als Filmemacher ausmachten. Da ist die symbolhafte Bildsprache, die unkonventionelle Beleuchtung und die gekonnte Verquickung von Bild und Ton, wobei man gerade auch Peter Maxwell Davies großartigen Score beachten sollte, der Mann gilt nicht umsonst als einer der bedeutendsten, lebenden, britischen Komponisten.
Für das extravagante Setdesign war der Künstler und Filmregisseur Derek Jarman verantwortlich, der die futuristisch anmutenden Bauten entwarf und mit Russell ein Jahr später auch an dessen Biopic Savage Messiah (GB 1972) über den französischen Bildhauer Henri Gaudier-Brzeska mitarbeitete. Jarman setzte sich zeit seines Lebens aktiv für die Rechte Homosexueller ein und verstarb 1994 an AIDS.
Oliver Reed, der ewige Macho vom Dienst, hatte bereits 1969 mit Ken Russell Women in Love (GB 1969 dt.: Liebende Frauen) gedreht (in dem er mit Alan Bates nackt vor einem Kaminfeuer ringt) und sollte später von seiner Rolle als Urbain Grandier in The Devils sagen, dass dies die wohl beste "Performance" seiner Karriere gewesen sei.

Fazit: Eine inhaltlich ebenso wie visuell beeindruckende Abrechnung mit Aberglaube, Frömmelei und Bigotterie. Ein garstiges Monster von einem Film.

Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten