Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Montag, 25. März 2013

Auch Hasen schlagen Haken

Treibjagd (La course du lièvre à travers les champs)
F/I 1972
R.: René Clément



Worum geht's?: Tony (Jean-Louis Trintignant) flieht verletzt vor einer Zigeunersippe von Frankreich bis nach Kanada.
Dort gerät er zufällig in eine Schießerei zwischen Gaunern und der Polizei und wird infolge von den Bösewichten zu deren väterlichem Boss Charley (Robert Ryan) gebracht, zumal Tony nun einen fetten Umschlag mit Dollars versteckt hält, der eigentlich dem Gangsterboss gehört.
Da Tony einen der Entführer auf der Fahrt zu einer leer stehenden Kneipe, in der Charley zusammen mit seinen fünf Kumpanen haust, lebensgefährlich verletzt hat, ist sein Leben dort eigentlich keinen Pfifferling wert, allerdings ist er nun mal der Einzige, der weiß, wo er die 15.000 $ versteckt hat und die schnelle Lüge ein flüchtiger Polizistenmörder zu sein, verschafft ihm bei der Truppe zusätzliches Prestige.
Charleys Liebchen, die fesche Sugar (Lea Massari), hat derweil bereits ein Auge auf den melancholischen Franzosen geworfen, den Charley und seine Handlanger Rizzio (Jean Gaven) und Matteo (Aldo Ray) nur "Froggy" rufen und der ständig um sein Leben bangen muss.
Denn neben den beiden loyalen Handlangern gibt's da noch die junge und schießwütige Pepper (Tisa Farrow), welche die Schwester des verletzten Gauners ist und dem Neuankömmling zunächst mit äußerstem Argwohn entgegen tritt, zumal man sie über die waren Umstände, die zur Verletzung ihres Bruders führten, schlicht belogen hat und sie damit eine zusätzliche Bedrohung für den Franzosen darstellt.
Die Lage spitzt sich für den im Unterschlupf der Gangster gefangenen Tony zusehend zu, als die ihn verfolgenden Zigeuner sich nach und nach dem Häuschen nähern und Peppers Bruder tatsächlich seinen Verletzungen erliegt.
Doch Tony ist smart genug, sich Charley rechtzeitig als Ersatzmann für den Toten anzudienen und dem ältlichen Gangster doch noch das Versteck des Geldes zu nennen.
Nun ein Teil der Bande wird er von Charley in dessen Plan für ein letztes, wagemutiges Unternehmen einbezogen.
Und dieser Plan hat es in sich... 

Wie fand ich's?: Dies ist der vorletzte Film des französischen Meisters René Clément (*1913 - 1996), der uns zuvor solche Meisterwerke wie Le passenger de la pluie (F/I 1970 dt.: Der aus dem Regen kam) mit Charles Bronson und Marlène Jobert bescherte und zweimal mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde (1951 für Au-delà des grilles [F 1950 dt.: Die Mauern von Malapenga] und zwei Jahre später für Jeux interdits [F 1952 dt.: Verbotene Spiele]).
Oberflächlich betrachtet ist La course du lièvre à travers les champs ein grimmiger Thriller im Stile amerikanischer Pulp-Magazine oder eines Jim Thompson, doch schon die dem Film vorangestellte Szene, in der der Anführer einer Gruppe von Kindern (darunter eine junge Emmanuelle Béart) einem Neuankömmling dessen Sack Murmeln zerschneidet, zeigt, dass Clément dem Film eine weitere Ebene geben wollte.
Am Ende dieses Prologs steht ein Zitat:
"We are but older children dear,
who fret to find our bedtime near."
- in der deutschen Übersetzung:
"Wie Kinder sind wir nicht bereit,
zu hören, es sei Schlafenszeit."
Dieses Zitat stammt aus dem Prologgedicht zu Lewis Carrolls Through the Looking-Glass, and What Alice Found There, der Fortsetzung der bekannteren Erzählung Alice's Adventures in Wonderland, und in den Zeilen zuvor heißt es tatsächlich:
"Come, hearken then, ere voice of dread,
With bitter tidings laden,
Shall summon to unwelcome bed,
A melancholy maiden!" 
- in der deutschen Übersetzung:
"Komm, lausche, und die Zeit bleibt stehn;
Denn drehn sich ihre Rädchen,
In unwillkommenes Bett soll gehn
Ein melancholisch Mädchen!"
Ist Cléments Film also eine Parabel über die Unabwendbarkeit des eigenen Schicksals, des eigenen Todes?
Ja, es ist aber auch ein spannendes Stück Film, das ständig seinen Figuren neue Facetten verleiht und den Zuschauer mit überraschenden Wendungen, trotz der hohen Laufzeit von 125 Minuten bei der Stange hält.
Was ist in Frankreich passiert, das Tony eine solche extravagante Flucht unternimmt?
Kann er der lasziven Sugar wirklich trauen und was wenn Charley, genial verkörpert vom alten Recken Robert Ryan, Wind von der Affaire bekommt?
Sind die Kinder aus dem Prolog wirklich Tony und Charley samt Konsorten?
Viele dieser Fragen beantwortet der Film nur in Andeutungen und am Ende wird nicht nur wieder Bezug auf den Prolog und den französischen Originaltitel (der sich mit "Das Laufen des Hasen über die Felder" übersetzen lässt), genommen, nein, man bekommt sogar noch kurz die berühmte Grinsekatze aus Lewis Carrolls Werken zu sehen, und das Publikum darf sich fragen, ob unsere Antihelden genauso plötzlich verschwinden können wie diese und nur ihr Grinsen noch lange zu sehen sein wird.
Bereits Cléments oben genannter Le passenger de la pluie begann mit einem Zitat aus Alice's Adventures in Wonderland und zeigt die Liebe des Regisseurs für das Werk des britischen Literaten.
Das Drehbuch zu Treibjagd (so der etwas nüchterne deutsche Titel) basiert auf dem Roman Black Friday von Pulp-Autor David Goodis, der in Frankreich dessen Buch Down There von Françoise Truffaut für seine lakonische Film-noir-Hommage Tirez sur le pianiste (F 1960 dt.: Schießen Sie auf den Pianisten) adaptierte.

Eine Hommage an einen ganz anderen Filmklassiker findet man gleich am Anfang von La course du lièvre à travers les champs. Wenn die Zigeuner Tony am Bahnsteig erwarten, greift Clément die berühmte Bahnhofsszene aus C'era una volta il West (I/USA 1968 dt.: Spiel mir das Lied vom Tod) auf und verbeugt sich damit vor einem weiteren Regiegenie: Sergio Leone.

Fazit: Großes, schwermütiges Genrekino von einem der etwas übersehenen Altmeister des europäischen Films.

Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten

Montag, 18. März 2013

Was zum Teufel...

Blood Puzzle (Skullduggery)
USA 1983
R.: Ota Richter


Worum geht's?: Unvorteilhafterweise sind Adams (Thom Haverstock) royale Vorfahren im Jahre 1283 in ihrer britischen Feste im schönen Canterbury von einem mächtigen Hexer (David Calderisi) über alle Generationen verflucht worden.
So muss Adam nun 600 Jahre später, verhext einem Job in einem Kostümverleih in Toronto, Kanada nachgehen und des Abends mit seiner Kollegin Barbara (Wendy Crewson), die einen bösen, juckenden Ausschlag am Bein hat, und anderen Nerds an einem Rollenspiel im Hinterzimmer des Ladens teilnehmen.
In letzter Zeit fühlt Adam jedoch seinen Realitätssinn schwinden und tötet bei einer Unifete mit Talentabend sein erstes Opfer.
Schnell fordert der Adam auferlegte Fluch weitere Tote, dieser sucht derweil Hilfe bei einer Wahrsagerin und landet schließlich auf dem frivolen Maskenball des unheimlichen Dr. Evel (nein, kein Schreibfehler...), wo sich nun niemand mehr sicher fühlen kann.
Die Polizei steht währenddessen vor einem Rätsel, denn jedes von Adams Opfern scheint an Herzversagen gestorben zu sein...

Wie fand ich's?: So...
Was soll ich sagen? 
Skullduggery ist wohl einer der bizarrste Slasher, die je das Licht des Filmprojektors gesehen haben.
Das Drehbuch (sollte eines bei der Produktion dieses Werkes tatsächlich vorhanden gewesen sein) scheint unter immensem Drogeneinfluss geschrieben worden zu sein. Fröhlich mischt man hier Okkultismus, Fantasy, Rollenspiel a la Dungeons & Dragons, homoerotische Symbole und allerlei bizarre Episoden (ein Arzt im Gorillakostüm (!) macht sich Zigarre rauchend (!) über eine Krankenschwester her; auf dem Rücken eines Hausmeisters findet über die gesamte Laufzeit ein Tic Tac Toe Spiel statt; in einer Kirche spielt Liberace des Nachts auf einem Spinett Orgel etc.) mit den Elementen des 80er Jahre Slashers, s. h.: junger Mann tötet fröhlich junge Damen.
Wer auch immer auf die Idee gekommen sein muss, einen solchen Film kommerziell erfolgreich veröffentlichen zu können, muss ebenso verwirrt gewesen sein, wie der Protagonist des Streifens. So soll Skullduggery nach seiner Fertigstellung Ende der 70er Jahre noch einige Jahre auf dem Regal der Produzenten gelegen haben, bevor man sich doch noch entschloss, das Ungetüm auf die Menschheit loszulassen.
Zeitweise glaubt man, den bunten Fiebertraum eines betrunkenen John Waters zu erleben, der gerade vor dem Fernseher eingeschlafen ist, auf dem immer noch David Lynchs Mullholland Drive (USA/F 2001) läuft. Waters hatte zuvor an einem Rollenspielabend teilgenommen, fühlte sich aber gar nicht gut und hätte die Anwesenden am liebsten gleich umgebracht...
Tatsächlich stammt die Story von einem gewissen Peter Wittman, der selbst bei zwei obskuren Genrefilmen anfang der 80er Regie führte und in hier auch noch besagten Hausmeister mit Spielfläche auf dem Kittelrücken gab.
Wie Wittman verschwand auch Regisseur Ota Richter bereits einige wenige Jahre nach Veröffentlichung von Skullduggery wieder von der Bildfläche. Die IMDb listet für Richter mit Oklahoma Smugglers (USA 1987) noch eine weitere Regiearbeit, welche allerdings zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen noch keine fünf Bewertungen erhalten hatte, danach verlieren sich die Spuren beider.
Was von beiden bleibt, ist dieser kuriose Film, der irgendwo zwischen (unfreiwilliger) Komödie und (relativ unblutigem) Slasher pendelt, trotzdem besonders für Jäger verlorenen Trashs eine lohnenswerte Entdeckung! 

Fazit: Wer glaubt, ein Slasher könnte ihm nichts Neues mehr bieten - versuchen Sie's mal hier mit! Dieser Film ist praktisch ein einziger 95-minütiger What-the-fuck-Moment!

Punktewertung: 6,25 von 10 Punkten (wer jedoch einen nachvollziehbaren, klassischen Slasher erwartet, darf ca. 3 bis 5 Punkte abziehen...)

Samstag, 2. März 2013

Ein Bett im Mohnfeld

Mohn ist auch eine Blume (The Poppy Is Also a Flower)
F/AU/USA 1966
R.: Terence Young


Worum geht's?: Die Mohnfelder blühen im iranisch-afghanischen Grenzgebiet und die UN hält es für an der Zeit, den weltweiten Handel mit Rohopium endlich zu unterbinden.
Man entsendet seinen besten Mann, Specialagent Benson (Stephen Boyd), der prompt tot aus einem Hafenbecken gefischt wird.
Nun sollen die beiden alten Hasen Lincoln (Trevor Howard) und Jones (E.G. Marshall) die Situation in den Griff bekommen und Ruhe schaffen.
Der Plan ist, die nächste Warenladung Opium an ihrer Quelle mit einer radioaktiven Substanz zu versehen, sodass man die Lieferung vom Herkunftsort in der iranischen Wüste leicht zum Endabnehmer weiterverfolgen kann.
Mithilfe der örtlichen Behörden (und Stars wie Yul Brynner und Omar Sharif), gelingt es die Droge zu markieren, doch verschwindet der Stoff spurlos, trotz aller Bemühungen den Transport nahtlos zu überwachen.

Heiße Spuren führen die beiden Ermittler nach Neapel, wo sie u. a. auf Inspektor Mosca (Marcello Mastroianni) treffen, von dort weiter ins dekadente Monte Carlo und zuletzt in einen Nachtzug auf den Weg nach Paris.
Immer wieder treffen die beiden auf eine Frau (Angie Dickinson), welche sich als Witwe des toten UN-Ermittlers Benson ausgibt und den beiden ständig einen Schritt voraus zu sein scheint.
Letztendlich gerät man an den ebenso mondän wie zwielichtig auftretenden Serge Marko (Gilbert Roland), bei dem alle Fäden zusammenlaufen.
Doch wächst nicht jeder, einer Hydra abgeschlagene, Kopf, einfach wieder nach?

Wie fand ich's?: Als einer von 6 geplanten TV-Werbefilmen für die UNO, finanziert mit Geldern des Großkonzerns Xerox und vor und hinter der Kamera besetzt mit einem Aufsehn erregenden Personal, ist dies wohl einer der legendärsten Rohrkrepierer der (TV-)Filmgeschichte (nun ja, eigentlich nix im Vergleich zu Heaven's Gate [USA 1980 R.: Michael Cimino dt.: Das Tor zum Himmel] - aber was soll's?)
Die Idee fürs Drehbuch stammte von Mr. Ian Fleming persönlich, der diese in den letzten Monaten seines Lebens (*1908; 1964) zu Papier brachte.
Regie sollte folgerichtig Terence Young führen, der zuvor bei Dreien der vier ersten Bondfilmen den Job innehatte und mit Fleming somit bereits mehrfach in Kontakt stand.
Young war klar, dass man einen teuren, Prestige bringenden Propagandafilm von ihm erwartete, und kündigte direkt eine ganze Reihe von internationalen Stars an, in seinem nächsten Werk eine Rolle zu übernehmen, darunter Claudia Cardinale, Kim Novak, Romy Schneider, Sidney Poitier, Richard Widmark und sogar Mr. Bond persönlich, Sean Connery.
Die Einleitung der TV-Fassung sprach dann auch direkt die Fürstin von Monaco, Gracia Patricia (Filmfans noch besser bekannt als Grace Kelly), höchstselbst; leider ist diese in der Kinofassung nicht mehr enthalten; dafür erweiterte man die etwa 80-minütige Fernsehfassung für die Lichtspielhäuser um zehn weitere Minuten.
Wann Connery und die anderen Stars von Youngs Projekt absprangen ist heute unklar, Fakt ist jedoch das der Film immer noch ein gewaltiges Aufgebot an zugkräftigen Namen liefert: Senta Berger, Omar Sharif, Yul Brynner, Marcello Mastroiani und Rita Hayworth.

War ursprünglich vorgesehen, dass jeder Akteur seine Rolle für den symbolischen Betrag von 100 $ spielen sollte, so wurde Young schnell klar, dass er bereits vor Drehbeginn sein Budget überzogen hatte - schließlich spielte das gesamte Ensemble für eine jeweilige Kopfpauschale von einem läppischen US-Dollar.
Wer allerdings auf die etwas dumme Idee gekommen ist, die beiden Hauptrollen mit den gestandenen Herren Howard und Marshall zu besetzen, entzieht sich meiner Kenntnis, kann man hier doch praktisch von einer doppelten Fehlbesetzung sprechen.
Zwei ältere, bereits graue Herren, die ihre Aufgabenverteilung durch Schnick, Schnack, Schnuck Spiele regeln, sind wohl nicht unbedingt das, was man sich in der Öffentlichkeit als UN-Drogenfahnder vorstellt.
Überhaupt, kommt die Story nach einem vielversprechenden Auftakt (Yul Brynner trifft auf Eli Wallach) genau dann ins Straucheln, wenn sich der Fokus auf die beiden putzigen, in die Jahre gekommenen Gentlemen verlagert.
Apropos Story, diese wartet zwar nach zwei Dritteln der Laufzeit doch noch mit einer gelungenen Überraschung auf, doch besonders spannend ist das Ganze eigentlich doch nicht. So setzt man z. B. lieber auf die Schauwerte eines La Bamba performenden Trini López, als auf eine, zu diesem Zeitpunkt weit mehr ersehnte, Actionszene.
So kam es, wie es kommen musste - das groß angelegte Magnum Opus des Terence Young geriet zu einer kleinen Enttäuschung. Jedoch kann man hier nicht von einer totalen Katastrophe sprechen, dafür ist Young zu diesem Zeitpunkt handwerklich in diesem Genre schon viel zu versiert gewesen; aber wird sich das Publikum dieses Films immer mehr an dem unglaublichen Staraufgebot, als an der zu Weilen etwas seichten Handlung ergötzen...

Fazit: Ein Bondfilm ohne Bond, stattdessen ein (gescheiterter) Propagandafilm für die gute Sache.

Punktewertung: 6,5 von 10 Punkten