Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 26. Mai 2013

Das ist doch wirklich keine Hexerei!

Night of the Eagle (Hypno)
UK 1962
R.: Sydney Hayers


Worum geht's?: Norman Taylor (Peter Wyngarde) unterrichtet Psychologie an der Uni und hält flammende Vorlesungen gegen Aberglaube und Geisterfurcht. Der kühle Rationalist schreibt solche spiritistischen Umtriebe stets einer zugrunde liegenden Neurose zu und erklärt somit alle Anhänger dieser Praktiken für schlicht geisteskrank.
So kann man seine persönliche Erschütterung sehr gut nachvollziehen, als er eines Abends durch Zufall bemerkt, dass seine ihn liebende Frau Tansy (Janet Blair) seit geraumer Zeit eine Hexe ist, welche durch allerlei Schutzzauber versucht die Existenz ihres geliebten Gatten vor dem bösen Einfluss Dritter zu retten.
Außer sich vor Enttäuschung verbrennt Norman alle Talismane und Medaillons; sehr zum Schrecken seiner Frau, welche ihren Gatten nun schutzlos sieht und das, wo Tansy doch sogar ihr Leben für Norman opfern würde.
Tatsächlich tut sich schon am nächsten Tag unter den Füßen des ungläubigen Akademikers im übertragenen Sinne der Boden auf, als er von einer Studentin des Missbrauchs angeklagt wird, deren Freund ihn daraufhin in seinem Büro bedroht und des Abends eine teuflische Präsenz mit Gewalt durch die Haustür der Taylors zu brechen versucht.
Doch selbst als Tansy daraufhin für ihren Norman buchstäblich ins Wasser gehen will, sieht der Skeptiker kaum die Zeit zum Umdenken gekommen.
Werden dunkle Mächte das Leben des Paares zerstören können, nur weil Normans säkulare Weltanschauung seinen Blick auf die wahre Bedrohung verklärt?


Wie fand ich's?: Fritz Leibers Roman Conjure Wife (dt.: Spielball der Hexen bzw. Hexenvolk) aus dem Jahr 1943 zählt zu den großen Klassikern der amerikanischen Horrorliteratur und findet in dem hier besprochenem Night of the Eagle (der in den USA unter dem Alternativtitel Burn, Witch, Burn in die Kinos kam) seine zweite und vielleicht beste, offizielle Verfilmung.
Bereits ein Jahr nach Veröffentlichung der Geschichte als Fortsetzungsroman im Magazin Unknown Worlds erschien mit Weird Woman (USA 1944 R.: Reginald Le Borg) eine etwas losere Adaption innerhalb der sechsteiligen Inner-Sanctum-mystery-Filmreihe. Diese Serie von preiswert produzierten Filmen, in denen Lon Chaney, jr. die jeweiligen Hauptrollen übernahm, bezog sich auf die dazumal populäre Radioshow gleichen Titels, welche von 1941 bis 1952 on-air war.
Tatsächlich wirkt Weird Woman im direkten Vergleich heute extrem angestaubt und schwerfällig, zudem das Ende hier eher an einen klassischen Whodunit erinnert und jegliche Horror- und Mystery-Elemente infolge fast auf ein Minimum reduziert wurden.
Anders als diese erste Verfilmung sollte sich Sidney Hayers Night of the Eagle schon näher an Leibers Vorlage halten und in ihren besten Momenten an die Werke eines Jacques Tourneur erinnern, der in ähnlicher Art und Weise ein Meister der feinen Töne und des subtilen Grauens war. Wie bei Tourneur (ich denke hier besonders an Cat People [USA 1942 dt.: Katzenmenschen] und I Walked with a Zombie [USA 1943 dt.: Ich folgte einem Zombie]) wird das Thema Okkultismus und Hexerei ohne große Spezialeffekte elegant und erwachsen dargestellt; und wie bei Tourneur entwickelt sich der Horror eher im Kopf des Zuschauers, als dass man sich auf das Zeigen von Filmblut oder Gummimonstern verließe.
Stattdessen schafft man eine wunderbar düstere, unheilvolle Atmosphäre, wobei man das Publikum möglichst lange im Unklaren hält, ob nun tatsächlich dämonische Kräfte am Werk sind oder man die Vorgänge rational erklären bzw. dem Zufall zuschreiben sollte.
Hier liegt dann auch der größte Unterschied zwischen Weird Woman und Night of the Eagle, denn wo Ersterer mit einer relativ unspektakulären (und vorhersehbaren) Auflösung aufwartet, konkretisiert Hayers Film die übersinnliche Bedrohung doch noch zum Ende des Films und setzt durch einen simplen Spezialeffekt (es handelt sich hier laut IMDb in der Tat schlicht um eine Handpuppe) einen riesigen Adler in Szene, der den Helden durch die Flure der Hochschule jagt. Anders als in Weird Woman muss der Held hier ohnmächtig erkennen, dass seine Ungläubigkeit tatsächlich zu seinem Untergang führen wird, und es doch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als seine Schulweisheit ihn träumen lässt.
Sidney Hayers hatte vor diesem Film bereits mit Circus of Horrors (UK 1960 dt.: Der rote Schatten) sein Händchen für Horrorfilme bewiesen, sollte aber bereits zehn Jahre später fast ausschließlich bei zahlreichen Fernsehserien die Regie übernehmen, darunter auch für einige der besten Folgen der vielleicht ultimativen, britischen Kultserie The Avengers (UK 1961-1969 dt.: Mit Schirm, Charme und Melone).
Auch Peter Wyngarde, der die Hauptrolle lediglich aufgrund einer Erkrankung der Erstbesetzung verdankte, sollte nach einer Unzahl von Auftritten in TV-Serien seine ganz eigene Fernsehserie als Privatdetektiv Jason King (UK 1971-1972) bekommen, nachdem er den suaven Frauenhelden und bereits erfolgreich in der Serie Department S (UK 1969-1970) verkörpert hatte. Als er jedoch 1975 das erste Mal wegen erregen öffentlichen Ärgernisses auf einer Herrentoilette (nicht nur George Michael kann sich die näheren Umstände ausmalen...) verhaftet wurde, war seine Karriere bis auf einige Nebenrolle praktisch beendet und Mitte der 90er Jahre zog sich Wyngarde, der in der Homosexuellenszene offenbar den putzigen Spitznamen "Petunia Winegum" trug, ganz aus der Öffentlichkeit zurück.
Das sehr gelungene Drehbuch von Night of the Eagle wurde u. a. von Richard Matheson mitverfasst, der in seiner Eigenschaft als Sci-Fi-Autor bereits für die Scripts einiger Edgar Allen Poe-Verfilmungen Roger Cormans herangezogen worden war, und bis heute den Genrefilm unzählige Male durch seine Arbeiten bereichert hat.
1980 wurde Conjure Wife zum dritten Mal unter dem Titel Witches' Brew (USA R.: Richard Schorr/Herbert L. Strock) verfilmt. Das Interessanteste an dieser eintönigen Horrorkomödie ist der Umstand, dass die große Lana Turner hier ihren wenig glamourösen Abschied vom Filmbusiness nahm.


Fazit: Hierzulande leider selten gesehener, kleiner Klassiker des britischen Schwarz/weiß-Grusels. Atmosphärisch dicht und erwachsen erzählt, gut gespielt und wohl inszeniert - für Fans des gediegenen, britischen Schauerstücks sehr empfehlenswert!

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Freitag, 17. Mai 2013

Geheimnisse, die leider keine sind...

Il dolce corpo di Deborah (Der schöne Körper der Deborah)
I/F 1968
R.: Roberto Guerrieri
 
Worum geht's?: Das frischverheiratete Paar Deborah (Carroll Baker) und Marcel (Jean Sorel) verbringen die Flitterwochen u. a. auch in Genf, der Stadt, in der Marcel eine lange Zeit seines Lebens verbracht hat.
Dort treffen die beiden in einem Klub scheinbar zufällig auf Philip (Luigi Pistilli), einen alten Bekannten Marcels, der diesem in aggressivem Ton vorwirft, seine Exfrau Suzanne in mörderischer Absicht zum Selbstmord getrieben zu haben.
Das Pärchen ist schockiert über diese Neuigkeiten und begibt sich zur verlassenen Villa Suzannes, nur um dort einem geisterhaften Stück klassischer Musik aus unerklärlicher Quelle zu lauschen und eine noch glimmende, lippenstiftverschmierte Zigarette im Aschenbecher vorzufinden.
Als Deborah einen Telefonanruf entgegen nimmt und vom Anrufer mit dem Leben bedroht wird, verlassen beide schnell das leere Landhaus und begeben sich bald darauf von Genf nach Nizza, wo man sich ein Häuschen nimmt und zunächst alles wieder beim Alten zu sein scheint.
Doch ein zwielichtiger Nachbar (George Hilton) und sonderbare Vorfälle, welche alle an die tote Suzanne erinnern, holen schnell das Grauen ins Leben des jungen Glücks zurück...

Wie fand ich's?: Es gibt Filme, die kann man sich einfach nicht schönsehen.
So muss ich, selbst als knallharter, langjähriger Fan des Genres, mir (und Ihnen) eingestehen, dass ich dem schönen Körper der Deborah, trotz aller guten Rezensionen anderer Orten, leider kaum etwas Positives abgewinnen kann.
Sicher, Carroll Baker hatte einen schönen Körper, was sie auch in zahlreichen Filmen durchaus immer wieder bewies, und klar, Jean Sorel, der auf mich immer etwas wie ein Alain Delon für Arme wirkt, hat in einigen bedeutenden Klassikern (nicht nur) des Giallo mitgespielt...
Doch was der eh nicht übermässig bekannte Romolo Guerrieri aus der Story Ernesto Gastaldis hier macht, ist einfach nur extrem langweilig und vorhersehbar.
Gastaldi war bis zum Ende der 90er Jahre einer der meistbeschäftigten Drehbuchautoren italienischer Genre(fein-)kost und hat solche Kaliber wie Lo strano vizio della Signora Wardh (I/E 1971 R.: Sergio Martino dt.: Der Killer von Wien) oder La corta notte delle bambole di vetro (I/BRD/YU 1971 R.: Aldo Lado dt.: Malastrana) herausgehauen, doch leider ist sein Il dolce corpo di Deborah nur eine lang gezogene Ansammlung von Motiven, welche man so bereits in Hitchcocks Rebecca (USA 1940) und einem anderen britischen Klassiker der 40er Jahre findet, wobei letzterer bereits vier Jahre nach seiner Veröffentlichung ein noch bekannteres und erfolgreicheres Remake in den USA nach sich zog (da ich Spoiler hasse, überlasse ich es dem Leser NACH der Ansicht des Filmes sich selbst Gedanken über die Titel zu machen).
Dann gibt es da noch einen oft gezeigten Hollywoodfilm aus dem Jahr 1960, der ebenfalls die gleiche Grundidee aufweist...
Nicht, dass man gute Ideen nicht auch mehrfach verwenden könnte, doch ist die Auflösung hier so offensichtlich, dass sich bei mir nur umsomehr Langeweile breit machte, je mehr ich meine Annahme bestätigt sah.
Denn leider bietet nicht nur das Drehbuch nichts Neues, nein, auch aufseiten der Regie kann man nur von einer soliden Leistung sprechen, die sich nur sehr selten mit guten Einfällen hervortut.
Wer im schönen Körper der Deborah also einen stylishen, frühen Giallo sehen möchte, wird mitunter schwer enttäuscht, zumal die ganz klassischen Genreelemente des Giallo (Frauenmörder in Hut und Mantel, tötet Damen mit Hieb- oder Stichwaffe und wird von der Polizei oder einem Außenstehenden zur Strecke gebracht) hier ebenfalls fehlen.
Der Film nimmt erst in seinen letzten dreißig Minuten an Fahrt auf, doch nur um sich dann noch einige Logiklücken zu erlauben (warum wartet man z. B. solange mit dem Mordversuch, wenn man das gleiche, halb gare Ergebnis bereits hätte viel früher haben können??) und um auf das hier wenig spektakuläre, bekannte Ende zu zulaufen.
Gut, das Genre war nie ein Ort für die alles hinterfragenden Freunde von Folgerichtigkeit, Logik und Vernunft, wenn man aber seinem Film fast siebzig Minuten Anlauf nur für ein solches Resultat einräumt, sollte man sich schon einwenig einfallen lassen...
Der bereits frühere Spaghettiwestern- und spätere Gialloveteran George Hilton wirkt in seiner kleinen Rolle etwas unterfordert, aber es macht ja immer Spaß dem Herrn bei der Arbeit zuzusehen und seine Anwesenheit ist einer der wenigen Einträge auf der Habenseite des Films.
Überhaupt ist der hochwertige Cast noch das Beste an Guerrieris Film, dessen allerletzte Schlusspointe viel zu aufgesetzt wirkt, um beim Zuschauer Eindruck zu hinterlassen.
Dann lieber das großartige Ende in Lo strano vizio della Signora Wardh, welches mir ebenso im Gedächtnis blieb wie das des bereits ebenfalls oben genannten La corta notte delle bambole di vetro.
Genreneulinge sind mit diesen beiden Filmen m. E. auf jeden Fall zunächst weit besser beraten, als mit Il dolce corpo di Deborah, der für mich ganz klar zu den enttäuschenderen Produktionen aus der Feder Ernesto Gastaldis und aus dem Hause Lucino Martinos zählt, und Lucianos Bruder Sergio sehr viel sehenswertere Filme ablieferte.


Fazit: Wahrlich keine Perle seines Genres, schleppt sich der schöne Körper der Deborah vieeel zu spät über die Ziellinie! Für Fans der Besetzung aber wohl noch erträglich...

Punktewertung: 4,5 von 10 Punkten

Sonntag, 12. Mai 2013

Gefährliche Landpartie

La Traque (Ein wildes Wochenende)
F/I 1975
R.: Serge Leroy

Worum geht's?: Die junge Engländerin Helen (Mimsy Farmer) verbringt einige Tage in der idyllischen, französischen Provinz, auf der Suche nach einem gemütlichen Ferienhaus für die Wochenenden.
Auf dem Weg zu einem infrage kommenden Objekts, lässt sie sich von dem freundlichen Philippe (Jean-Luc Bideau) mitnehmen, der gerade noch ein Schäferstündchen mit seiner Geliebten verbracht hat und nun auf dem Weg zu einer angesetzten Wildschweinjagd ist.
Während der Fahrt treffen sie auf der Landstraße die beiden ungesitteten Brüder Danville, welche spaßeshalber versuchen Philippes Auto von der Straße abzudrängen und Helen, an deren Zielort angekommen, mit allerlei Anzüglichkeiten in Verlegenheit bringen.
Tatsächlich gehören die beiden ungehobelten Männer zur gleichen Jagdgesellschaft wie Philippe, welche nach einem kurzen Umtrunk mit Imbiss in die angrenzenden Wälder loszieht und zu der noch der Exsoldat Nimier (Michel Constantin), der unterwürfige Intellektuelle Rollin (Paul Crauchet), der simpel gestrickte Chamond (Michel Robin) sowie der sich besonders bei Nimier anbiedernder Dienstbote Maurois (Gérard Darrieu) und der macht- und einflusshungrige Politiker Sutter (Michael Lonsdale) gehören.
Durch einen Zufall läuft die ebenfalls durchs Grüne streifende Helen erneut den beiden angetrunkenen Danvilles, nun in Begleitung des einfältigen Chamond, in die Arme, nur um von Albert Danville mit Gewalt auf den Boden gehalten zu werden, während sein Bruder die junge Frau vergewaltigt und Chamond ungläubig danebensteht und in Folge sein Gewehr am Schauplatz des Verbrechens zurücklässt.
Als Paul nach dem ersten, schnellen Verschwinden der Dreien doch wieder zum Ort der Tat zurückkehrt, um die vergessene Flinte zu holen, wird er von der verängstigten Helen mit einem Bauchschuss niedergestreckt.
Wollte man zunächst die Tat vor den anderen Mitgliedern der Jagdgesellschaft verheimlichen, so gibt es nun einen um sein Leben ringenden Schwerverwundeten und ein ortsunkundiges Opfer eines Kapitalverbrechens, welches auf der Suche nach Hilfe durch die Wälder irrt, zu verzeichnen.
Die Herren einigen sich nur zu schnell darauf, den Schaden möglichst gering halten zu wollen, haben einige von ihnen doch (gerade in Zeiten von Wahlen...) einen Ruf zu verlieren und die Danvilles genug Wissen um die sprichwörtlichen Leichen im Keller der zunächst unschuldigen Beteiligten.
Helen wird zum neuen Jagdobjekt der Männer, welche mit allen Mitteln versuchen, die Spuren der Untat für alle Ewigkeit unter den Teppich zu kehren.

Wie fand ich's?: Die vor Kurzem verstorbene Filmkritikerlegende Roger Ebert war stets ein ausgewiesener Gegner des Rape/Revenge- bzw. des Woman-in-danger-Genres, wie er es nannte, und wies oft auf die für ihn untragbare Misogynie und Gewaltpornografie in solchen Filmen wie Last House On The Left (USA 1972 R.: Wes Craven dt.: Das letzte Haus links) oder Day of the Woman/I Spit On Your Grave (USA 1978 R.: Meir Zarchi) hin. 
Auch La Traque lässt sich durchaus diesem verrufenen Genre zuordnen, wobei ich mich schon bei Ansicht des Films fragte, was wohl Ebert von diesem Beitrag gehalten habe. 
Während andere Filme dieser Kategorie nämlich ihr Hauptaugenmerk voyeuristisch auf das Verbrechen an sich legen, so wird der Terror der Untat bei Leroy fast allein durch die großartige schauspielerische Leistung Mimsy Farmers auf den Zuschauer übertragen, welcher während der Vergewaltigung lediglich das Gesicht des Opfers und den Haarschopf des Täters sowie dessen angespannten Bruder zu sehen bekommt.
Mehr als auf explizite Gewaltdarstellung legt man hier den Fokus auf die verhängnisvolle Gruppendynamik, durch die eigentlich unbescholtene Bürger zu Monstern mutieren, die notfalls auch über Leichen gehen, nur um ihre weiße Westen zu behalten.
Da sind die Politiker, die keinen Skandal wollen, die unterwürfigen Mitläufer, der sich um sich selbst sorgende Mitschuldige und der Exsoldat, welcher mitmacht, weil man sich halt nicht gegen die Gruppe stellt.
Dieser Blick auf das französische Bürgertum erinnert in seinem Ansatz stark an die Werke Claude Chabrols (vgl. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/06/leicht-perlend-stark-im-abgang.html), der ebenfalls ständig versuchte, mit spitzem Werkzeug an der bröckligen Fassade der Bourgeoisie zu kratzen.
Leroy, der in Deutschland nie zu großer Bekanntheit gelangte, griff bei der Wahl seines Kameramanns auf den erfahrenen Claude Renoir zurück, Neffe des großen Meisterregisseurs Jean Renoir und Sohn des Schauspielers Pierre Renoir, dem es gelingt das Landleben mit all seiner Idylle, aber auch mit seinen schmutzigen, grauen Regentagen einzufangen.
Die Darsteller sind durch die Bank handverlesen. Mimsy Farmer machte in kaum einem ihrer Filme eine schlechte Figur (man denke nur an ihre Leistung in Francesco Barillis Meisterwerk Il profumo della Signora in nero [I 1974]), aber auch die Herren, wie z. B. die Weltstars Michael Lonsdale (Hugo Drax aus dem Bond-Space-Adventure Moonraker [UK/F 1979 R.: Lewis Gilbert dt.: James Bond 007 - Moonraker - Streng geheim]) und Michel Constantin machen ihre Sache hervorragend.
Insgesamt also ein ungewöhnlicher Beitrag zum Rape and revenge film, der wesentlich geschmackvoller daher kommt als seine Kollegen, aber nicht weniger hart direkt in die Magengrube trifft.
Erstaunlicherweise scheint der deutsche Verleih diesen Film seinerzeit als Komödie vermarktet zu haben, worauf auch der sonderlich anmutende deutsche Titel hinweist. 
Sachen gibt's...



Fazit: Ein Blick in menschliche Abgründe, welche sich auch in der Provinz auftun. Ebenso erschreckend, wie realitätsnah.

Punktwertung: 7,75 von 10 Punkten

Dienstag, 7. Mai 2013

Diese egoistische Gier nach Blut

Ganja & Hess
USA 1973
R.: Bill Gunn

Worum geht's?: George (Regisseur Bill Gunn), der neue Assistent des wortkargen Anthropologen Dr. Hess Green (Duane Jones), ist ein selbstmordgefährdeter und psychisch extrem labiler Neurotiker erster Couleur, der seinen gerade noch friedlich schlafenden Arbeitgeber in dessen Schlafzimmer mit einem verfluchten Knochendolch niedersticht, nur um ihn dadurch unwissentlich zu einem getriebenen, nach Blut dürstenden, unsterblichen Wesen werden zu lassen.
Eine Kugel aus dem eigenen Revolver befördert George aus seinem Leben, während Dr. Hess nun ständig im Blutrausch die Stammesgesänge der Myrthia hört.
Als sich Georges Frau Ganja (Marlene Clark) telefonisch ankündigt, um nach ihrem Gemahl zu sehen, tischt ihr Hess nach der Ankunft eine Geschichte vom plötzlichen Verschwinden ihres Gatten auf.
Die selbstsüchtige und arrogante Ganja nimmt die Nachricht äußerst gelassen auf, und verfällt mehr und mehr dem melancholischen Akademiker, der einerseits immer stärker nach einem Ausweg aus seinem Dasein forscht, andererseits mit dem Gedanken spielt, Ganja ebenfalls mit seinem Fluch zu belegen, sodass er seine Unsterblichkeit mit jemandem teilen kann.
Doch Ganja, nun ebenfalls ein unsterbliches Opfer des afrikanischen Fluchs, schläft mit einem Anderen, den sie in Liebeswahn und Blutrausch tötet, in Plane wickelt und mit Hess auf einem Feld einfach ablädt.
Während eines Gottesdienstes offenbart sich dem guten Doktor dann doch noch plötzlich ein scheinbarer Ausweg aus seinem verfuschten Leben.
Doch können Vampire wirklich Gottes Gnade im Tod finden?

Wie fand ich's?: Manche Filme werden allein schon durch den Sachverhalt ihrer puren Andersartigkeit für den Cinephilen interessant.
Die Unkonventionalität von Ganja & Hess verunsicherte jedoch nicht nur das breite Publikum, nein, es verunsicherte auch die Produzenten, welche in erster Linie einen kommerziellen Blaxploitationstreifen in der Richtung eines Blacula (USA 1972 R.: William Crain) oder dessen Sequels Scream, Blacula, Scream! (USA 1973 R.: Bob Kelljan dt.: Der Schrei des Todes) erwartet hatten und sich stattdessen mit einem, seine merkwürdige Geschichte sehr langsam entwickelnden, Kunstfilm konfrontiert sahen, dessen Laufzeit zudem an die zwei Stunden Marke kratzte.
Nun, was tun Produzenten gewöhnlich in so einem Fall? Richtig, sie holten sich die Hilfe des sogenannten "Filmdoktors" Fima Noveck (ein Russe, der als Cutter und Schauspieler tätig war) und schnitten die Originalfassung auf einen 76-minütigen Torso herunter.
Diese, nun Blood Couple betitelte, Fassung versagte allerdings ebenfalls an den Kinokassen, was dazu führte, dass man den Cut unter zahlreichen Alternativtiteln (Double Possession, Black Evil, Black Vampire, Vampires of Harlem oder gar Blackout: The Moment of Terror) an den Mann bringen wollte, jedoch stets vergeblich, sodass der Film bis zu seiner Wiederveröffentlichung im Director's Cut, das Dasein eines wenig beachteten, verstümmelten Kultfilms fristete, der immerhin nach seiner Aufführung in Cannes im Erscheinungsjahr von den Kritikern noch als einer der 10 besten amerikanischen Filme des Jahrzehnts bezeichnet wurde und mit stehenden Ovationen geehrt wurde.
Dabei macht es Gunn dem Zuschauer zunächst nicht einfach, sich in den ungewöhnlichen Rhythmus seines Filmes einzufinden, der in drei ungleich große Teile gegliedert ist (Part One: Victim und Part Two: Survival bilden praktisch zusammen den 35-minütigen Prolog zum fast zwei stündigen Hauptsegment Part Three: Letting go) und größtenteils auf künstliches Licht verzichtet und somit gesteigerten Wert auf eine realitätsnahe Inszenierung legt.
Für die Titelrollen besetzte man die schöne Marlene Clark (welche in diesem Blog schon hier: http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/09/wer-ist-wer-und-wer-ist-wolf.html auftauchte) und Duane Jones, der als einziger (wenn auch nicht lang) Romeros Night of the Living Dead (USA 1968 dt.: Die Nacht der lebenden Toten) überlebte und hier seine zweite und letzte Hauptrolle ablieferte.
Was die Handlung betrifft, so ist zunächst deren subtiler Bezug auf Drogenkonsum und Suchtkrankheit interessant, was schon beim Titel Ganja & Hess anfängt: Ganja ist ein indischer Begriff für Marihuana, hinzu kommt das armselig, siffige Hinterhofsmilieu, in dem der sonst so distinguierte Hess seine Opfer, welche wohl zumeist Prostituierte sind, sucht.
Damit stellt sich Gunns Film bereits wie ein früher Vorläufer zu Abel Ferraras The Addiction (USA 1995) dar, in dem auch Bezüge zwischen Vampirismus und Drogensucht gezogen werden und das Blut wie in Ganja & Hess auch mal aus einem Glas getrunken wird und trotzdem das Wort Vampir in beiden Filmen keine Verwendung findet.
Eine weitere Parallele zwischen diesen beiden Filmen zeigt sich, hier wie dort, in der spirituellen Suche nach Vergebung und Absolution, beide Male im direkten Zusammenhang mit der katholischen Kirche.
Bei Gunn wirkt der Katholizismus der schwarzen Bevölkerung wie das einzige probate Mittel der Protagonisten sich von ihren Süchten und Trieben zu befreien; ein noch interessanter werdendes Motiv, bemerkt man doch schon durch die im Blutrausch erklingenden, unheimlichen Stammesgesänge einen Zusammenhang zwischen den afrikanischen Wurzeln der beiden Hauptfiguren und dem Fluch, der sie verbindet und unsterblich macht.
Vielleicht verstellen sich einige Interpretationsmöglichkeiten des Films einem heutigen, weißen Publikum; Fakt ist jedoch, das Gunns Film offenkundig auf ein denkendes, schwarzes Bildungsbürgertum ausgerichtet war, und nicht wie Blacula lediglich reine Zerstreuung bieten wollte.
Wer also eines der überstrapaziertesten Subgenres des Horrorfilms mal in einem vollkommen anderen Licht betrachten möchte, bekommt hiermit vielleicht eine durchaus veritable Sehempfehlung geliefert.

Fazit: Ein tragischer Nouvelle Vague-Blutsauger für ein schwarzes Publikum. Ein spiritueller Trip, ganz ohne spitze Fänge, schwarze Umhänge und piepsende Fledermäuse.

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Donnerstag, 2. Mai 2013

Mond über der Gosse

Man of Violence aka. Moon (Männer der Gewalt)
UK 1971
R.: Pete Walker


Worum geht's?: Der suave Kleinkriminelle Moon (Michael Latimer) wird von dem schmierigen Nixon (Derek Aylward) angeheuert, seinem umtriebigen Chef Bryant (Derek Francis), eine Bande von Schutzgelderpressern vom Leib zu halten.
Was Nixon nicht weiß: Moon wurde bereits zuvor vom Chef dieser vermeintlichen Gang, Charles Grayson (Maurice Kaufman), beauftragt ein Auge auf die Unternehmungen Bryants zu werfen, da Grayson, zudem ein früherer Partner Bryants, ein großes Geschäft wittert, bei dem er mit absahnen möchte.
Moon steht somit auf den Gehaltslisten zweier rivalisierender Parteien und Moon wäre nicht Moon, würde er nicht versuchen daraus den maximalen Profit zu erzielen.
Mithilfe der von den Gangstern abgelegten Angel (Luane Peters), schafft es der ehrgeizige Gauner hinter Bryants Waffengeschäfte mit dem Regime des undemokratischen Landes Mentobar zu kommen - der Wert dieser Transaktion: 30 Millionen in Goldbarren!
Zwischen den Fronten verfolgen Moon und Angel die Spur des Edelmetalls, ständig unter dem wachen Blick eines Mannes mit Pfeife, der die beiden auch bis ferne Wüstenlande verfolgt...

Wie fand ich's?: Pete Walker hatte sich vor seiner Karriere als Regisseur sehr britischer Horrorfilme vermehrt im Bereich der Sexploitation umgetan, wohin er auch noch mal für die Sexkomödie Tiffany Jones (UK 1975) zurückkehrte, nachdem er mit dem Proto-Slasher The Flesh and Blood Show (UK 1972 dt.: Im Rampenlicht des Bösen) erste Erfahrungen im Horrorgenre gemacht hatte.
Später folgten Klassiker wie Frightmare (UK 1974) oder House of Whipcord (UK 1974 dt.: Haus der Peitschen), bevor Walker sich nach dem etwas mittelmäßigen Starvehikel House of Long Shadows (UK 1983 dt.: Das Haus der langen Schatten), einer soliden Gruselkomödie mit den Recken Lee, Cushing und Price, auf sein Altenteil zurückzog.
1971 jedoch versuchte Walker sich an zwei Thrillern: Man of Violence und Die Screaming, Marianne (UK 1971 dt.: Schrei nach Leben). Letzterer ist ein etwas zäher Psychothriller mit der bezaubernden Susan George, die ihre wohl beste Momente im selben Jahr in Sam Peckinpahs Straw Dogs (USA/UK 1971 dt.: Wer Gewalt sät) hatte. George spielt in Die Screaming, Marianne die von ihrem Vater (Leo Genn) und ihrer Schwester bedrängte Titelgestalt und muss sich in London und dem sonnigen Portugal ständig ihres Lebens erwehren. Leider schafft Walker es hier nur selten so etwas wie Spannung oder Suspense zu schaffen, stattdessen zieht sich der Film wie Kaugummi und kommt nie wirklich in Fahrt.
Man of Violence, der im Jahr 1969 zunächst unter dem Arbeitstitel Moon gedreht wurde, ist da schon wesentlich interessanter und ungewöhnlicher.
Wie der Titelheld verfängt sich Moon zwischen allen Stühlen. Sichtlich beeinflusst vom Erfolg der ersten Bondfilme, geht der Film nach einem im Londoner Gangstermilieu angesiedelten Start dazu über seine Handlung nach Nordafrika zu verlegen, um so dem Film ein zusätzliches Eurospy-Feeling zu verleihen.
Wo Bond den mondänen Macho, dem die Frauen nur so zu Füssen liegen, darstellt, da geht Moon noch einen Schritt weiter, und scheut auch nicht davor zurück zur Informationsbeschaffung mit einem Mann ins Bett zu steigen.
Wer Walkers Horrorfilme kennt, der weiß: Happy-Ends gibt es nur in Ausnahmefällen. Ähnlich wie in Frightmare oder bedingt  The Comeback (UK 1978 dt.: Zeuge des Wahnsinns) ließ Walker schon hier am Ende seinem Pessimismus freien Lauf und schließt mit einer Schlussszene, welche man in diesem Genre so noch nicht gesehen hat.
Moon mag kein vollkommen gelungener Film sein (man kann sich fragen, ob der Walker je gelang), bietet aber trotzdem genug interessante Einfälle und Details, um von einem geneigten Publikum wiederentdeckt zu werden.
Die bei BFI Flipside erschienene Blu Ray in der sogenannten Dual Format Edition bietet nicht nur einen HD-Transfer vom originalen Negativ mit formidablem Bild, sondern reicht zusätzlich auch noch Walkers Regiedebüt und Sexploitationwerk The Big Switch (UK 1968 dt.: Die Sexparty) in zwei verschiedenen Schnittfassungen bei.

Fazit: Ein britischer Thriller mit ordentlichem Zeitkolorit. Das interessante Frühwerk eines hierzulande stets übersehenen Handwerkers mit eigener Handschrift.

Punktewertung: 6,25 von 10 Punkten