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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Mittwoch, 3. Juli 2013

Der Schmetterling der Unschuld

Gwendoline aka. The Perils of Gwendoline in the Land of the Yik-Yak
F 1984
R.: Just Jaeckin


Worum geht's?: Die brave Klosterschülerin Gwendoline (Tawney Kitaen) schifft sich mit ihrer Gefährtin Beth (Zabou Breitman) in einer Frachtkiste nach China ein. Die ebenso attraktive, wie naive, junge Frau ist auf der Suche nach ihrem Vater, welcher auf der Jagd nach einem seltenen Schmetterling spurlos in der Wildnis Asiens verschwunden ist.
Bevor sich jedoch die beiden weiblichen Langnasen auf die strapaziöse Suche nach Vati machen können, werden sie erst einmal von einigen bösen Triaden entführt, nur um prompt vom feschen Abenteurer Willard (Brent Huff) aus der misslichen Situation gerettet zu werden.
Zwar erfährt Gwendoline schon bald darauf vom kürzlichen Hinscheiden ihres Papas, doch will sie ihre Jagd auf den seltenen Schmetterling, den ihr Vater gesucht hatte, trotzdem nicht aufgeben, um so sein Andenken zu ehren. 
Nicht ganz auf den Kopf gefallen, nötigen Gwendoline und Beth den in allerlei schmutzige Geschäfte verwickelten Schmuggler ihnen bei ihrer Suche zu helfen und zusammen macht man sich schließlich in das sagenumwobene Land der Yik-Yak auf, wo Gwendolines Vater das letzte Mal gesichtet wurde und die Drei prompt in die Hände der Kiops fallen, eines Eingeborenenstammes, der männliche Eindringlinge als Opfer für einen ebenso geheimnisvollen wie tödlichen Wüstenwind auserkoren hat, welcher von Zeit zu Zeit aus einer Spalte im Wüstenboden dringt.
Auch diesen Gefahren entgangen, findet das Trio zwar endlich ein lebendes Exemplar des gesuchten Falters, landet aber prompt im Schoße einer im Verborgenen lebenden Gesellschaft von in Leder und Eisen gekleideten Wüstenamazonen, deren größenwahnsinnige Königin (Bernadette Lafont) zusammen mit ihrem Mad Scientist D'Arcy (Jean Rougerie) auf einem Berg Diamanten hockt und dringend einen Kerl mit Steherqualitäten zur Fortpflanzung ihres Stammes benötigt.
Da kommt ihr der Vollzeitmacho Willard gerade recht, doch hat der kurz zuvor sein Herz an die noch jungfräuliche Gwendoline verloren und denkt gar nicht daran, die martialisch gewandeten Amazonen zu schwängern.
Wird es unseren Helden gelingen, sich den Nötigungen der verrückten, selbst ernannten Monarchin und ihrem gefügigen Gehilfen D'Arcy zu erwähren und einen Weg aus diesem Wahnsinn zu finden?



Wie fand ich's?: Eines direkt vorweg: Wer sich in diesem verregneten Sommer nach schwülen Abenteuern in exotischen Kulissen sehnt, der findet hier vielleicht zumindest in filmischer Hinsicht sein Glück.
Regisseur Just Jaeckin hatte bereits 1974 mit Emmanuelle (F 1974 dt.: Emanuela) die leider im letzten Jahr verstorbene Belgierin Sylvia Kristel zum Star gemacht, einen Klassiker des Erotikfilms geschaffen und den Grundstein für eine sechsteilige Filmreihe gelegt. In den nachfolgenden zehn Jahren führte er sechs weitere Male bei einem Kinofilm Regie, darunter u. a. der Anthologiefilm Collections privées (F/J 1979 int.: Private Collections), für den Jaeckin neben seinen Kollegen Walerian Borowczyk und Shûji Terajama bei einer der drei Episoden die Regie übernahm.
Anfang der 80er Jahre wurde Jaeckin mit dem Drehbuch zu Gwendoline die Verfilmung der Comics des Fetischfotografen und Bondagekünstlers John Willie (eigentl. John Alexander Scott Coutts [*1902, †1962]) um die Figur der Sweet Gwendoline angeboten, wobei man spätestens jetzt anmerken sollte, dass die Comicvorlage hier eigentlich lediglich ein äußerst dünnes Grundgerüst für eine frivole Persiflage auf das zur selben Zeit immens an den Kinokassen einschlagende Indiana-Jones-Franchise bildet, dessen zweiter Teil Indiana Jones and the Temple of Doom (USA 1984 R.: Steven Spielberg dt.: Indiana Jones und der Tempel des Todes) ebenfalls 1984 in die Lichtspielhäuser gebracht wurde.
So findet sich in diesem Film, der sich im Titel ja explizit auf Willies Comics bezieht, tatsächlich wenig Bondage- und S/M-Zauber, dafür umsomehr Abenteuer und Exotikflair. Der Erotikgehalt hält sich auf dem Level einiger nackter Brüste bzw. Hinterteilen und sehr weniger Softcoreeinlagen und ist insgesamt als sehr ästhetisch und selten platt zu bezeichnen. Wie schon bei Jaeckins anderen Werken scheint auch hier stark dessen Arbeit als Modefotograf durch, was sich weniger durch Einsatz von Weichzeichnern à la David Hamilton zeigt, als durch schöne Sets und ein gutes Gespür für tolle Bilder.
Die prachtvolle Fotografie macht dann vielleicht auch die etwas dahingebogene Story und deren Plotlöcher wett, wobei man den Film theoretisch recht einfach in vier Episoden aufteilen kann (nennen wir sie mal: Gestrandet in China, Der beschauliche Weg zum Ziel, Bei den wilden Wilden und Die Lusthöhle der Amazonen).
Das ist alles nicht viiieeel schlechter gemacht als in anderen der besseren Indy-Ripoffs (wie z. B. dem wiederum zeitgleich gedrehten Romancing the Stone [USA 1984 dt.: Die Jagd nach dem grünen Diamanten] von Robert Zemeckis) und gewinnt durch die Erotikfilmelemente ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal.
Somit wird Gwendoline zu einem interessanten Filmkuriosum, welches allerdings international einigen verschiedenen Schnittfassungen existiert. Vorrang ist hier eindeutig dem etwa 100-minütigen Unrated Director's Cut zu geben, der den nie langweilig werdenden Film endlich in voller Länge präsentiert.


Fazit: Leichtfüßiges Indy-Ripoff mit etwas nackter Haut und schönen Bildern. Ideales Sommerkino für schwüle Abende vor der Kathodenstrahlröhre.

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten