Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 16. August 2013

Die Nummer 100: Ein gravierender Fall von Tollwut

Los violadores (Mad Foxes - Feuer auf Räder aka. Stingray 2)
CH/E 1981
R.: Paul Grau


Worum geht's?: Hal (José Gras - hier unter dem schnittigen Pseudonym Robert O' Neal), ein Sportwagen fahrender Playboy und Bonvivant, hat gerade noch in einer Disco den 18. Geburtstag seiner jungfräulichen Freundin Babsy (Sally Sullivan, die natürlich bürgerlich Andrea Albani heißt...) gefeiert, da werden die beiden Turteltauben das Opfer einer typischen Bande von spanischen Nazirockern, wie es sie in den 80ern in jeder iberischen Großstadt gab.
Während Hal brutal zusammengeschlagen wird, vergewaltigt ein Bandenmitglied die junge Unschuld, was Hal natürlich umgehend blutige Rache schwören lässt.
Ein Telefonanruf und die Kampfsportschule eines guten Freundes und ausgewiesenen Karatemeisters rückt vollzählig in einem Amphitheater an, wo die Bösewichte im Fackelschein gerade einen der ihren beerdigen. Ruck zuck sind die Nasen blutig und der Anführer der Hobbyfaschisten wird noch schnell mit einem Springmesser entmannt.
Zufrieden macht sich unser Held auf, seine Eltern auf dem Lande zu besuchen, unwissend, dass die Schufte ihm auf ihren Feuerstühlen längst auf der Spur sind.
Unterwegs greift Hal eine attraktive Anhalterin auf und vernascht diese wenige Minuten später, bei einem Waldspaziergang schießt der Lebemann von Welt spielerisch mit einer Flinte auf ein daherfliegendes Passagierflugzeug und muss später doch bei der Heimkehr zu seiner Überraschung nicht nur den gemeuchelten Gärtner mit dessen Heckenschere im Schlund vorfinden, sondern auch über die Leichen der Haushälterin, seines Vaters und seiner gehbehinderten Mutter stolpern.
Nun bleibt ihm nur noch eine Option übrig: Rache!
Gott sei's gelobt weiß natürlich jeder Tankwart in der Gegend, wo die Lumpenbande ihr hakenkreuzgeschmücktes Hauptquartier hat.
Mit haufenweise Wut im Bauch und genug Munition im Gepäck wirft Hal seinen Stingray an, um die Sache ein für alle Mal zu beenden.


Wie fand ich's?: Dies ist ein Jubiläums-Post und das hundertste Review meines Blogs soll natürlich einem ganz besonderen Film gewidmet sein. Einem Film, der einzigartig in seiner Machart und Wirkung ist; einem Film, der sich dem Zuschauer für alle Ewigkeit auf die Hirnrinde brennt.
Mad Foxes ist so ein Film.
Der lebenden Produzentenlegende Erwin C. Dietrich soll zweimal in seiner Karriere bei Ansicht eines von ihm in Auftrag gegebenen Werkes der Unterkiefer vor Unglauben ob des Gezeigten nach unten geklappt sein.
Das erste Mal soll dies bei Begutachtung von Jess Francos Frauengefängnis (CH 1976) passiert sein, das zweite Mal bei Ansicht des hier besprochenen Werks von Regisseur Paul Grau.
Grau ist heute der CEO des Schweizer Privatsenders Star TV, vor seiner Karriere beim Fernsehen hatte Grau neben Mad Foxes noch bei ein oder zwei Sexploitationstreifen regiegeführt (die OFDb listet tatsächlich ein Titel mehr als die IMDb) und bei einigen weiteren Dietrich-Produktionen als Production Manager fungiert.
1980 bestellte Dietrich bei dem somit nicht übermäßig erfahrenen Grau einen Kassenhit (oder eine weitere schnelle Möglichkeit Steuern abzuschreiben), dieser hatte die Idee zu einem Actionfilm, der zwar wohl erst dessen zweite Regiearbeit zu diesem Zeitpunkt werden sollte, der aber dafür alles enthalten würde, was ein großer Actionhit braucht.
Rocker? Ja klar! Aber nicht nur einfache Rocker - Nazirocker! Diese tragen natürlich Hakenkreuzarmbinden, allerdings verschwindet bei jeder Außenszene die Swastika, sodass man nur eine rote Binde mit großem, weißen Punkt am Oberarm trägt. Vermutlich wollte man in Spanien (wo der Film preisgünstig heruntergekurbelt wurde, und was man im betrunkenen Kopf ja auch gut mit dem sonnigen Kalifornien verwechseln könnte) nicht die Einheimischen verunsichern, oder gar tatsächlich Schwierigkeiten mit den Behörden provozieren.
Einen Helden mit Bums bei Frauen? Sicher, allerdings ist dessen Interesse eine soeben volljährig gewordene Jungfrau schnellst möglich mit Fusel aus dessen persönlichem, in einem Schließfach aufbewahrten, Vorrat abzufüllen, moralisch höchst fragwürdig; erst recht, wenn er wenige Stunden später bereits fröhlich eine Anhalterin flachlegt.
Erotik? Aber hallo! Man wartet hier nicht nur mit unbekleideten Damen auf, sondern zeigt auch bei jeder (un-)passenden Gelegenheit männliche Genitalien, auch gern in Nahaufnahme. Anscheinend wollte man hier wirklich JEDE Zielgruppe zufriedenstellen...
Blutige Action? Jede Menge! Da wird mehr kastriert als in der Kleintiersprechstunde eines ortsansässigen Veterinärs und ein Bösewicht wird gleich gänzlich mit einer in die Kloschüssel geworfenen Handgranate von der Keramik gesprengt...
Martial Arts? Kannste drauf wetten! Grau tritt gleich selbst als Karatemeister vor die Kamera und es kommt zu einer Massenkeilerei - nur beherrscht leider keiner der Kämpfer sichtbar auch nur annähernd den Sport, wenngleich hier und da zu lesen ist, dass Eric Falk, behaarter Darsteller in zahlreichen Sexfilmen der 70er und 80er, es Mal zu Weltmeisterwürden gebracht haben soll. So rotiert Bruce Lee im Grab, während erwachsene Männer ungelenk Arme und Beine hochreißen...
Wahres Drama? Och... Na gut, der Held bricht über seiner toten Mutter weinend zusammen und schwört mehr als einmal hingebungsvoll Rache in die Kamera; jedoch ist seine Schauspielkunst ebenso limitiert, wie die seiner Mitdarsteller. Kurz vor Mad Foxes hatte José Gras jedenfalls auch unter Pseudonym (dort nannte er sich noch Robert O'Neil mit i) in Bruno Matteis Zombieheuler Virus (I/E 1980 dt.: Die Hölle der lebenden Toten) mitgespielt, einige Zeit später tauchte er noch u. a. in Fulcis seltsamer Fantasygurke Conquest (I/E/MEX 1983) auf, bevor er Mitte der 80er auch schon wieder von der Bildfläche verschwand.
Ein überraschendes Ende mit Knalleffekt? Absolut! Das wird hier natürlich nicht verraten, doch soll mir keiner sagen, der den Film gesehen hat, er hätte dies so kommen gesehen! Da hätte selbst M. Night Shyamalan seine helle Freude dran. Echt wahr...
Alles in allem also ein beispielloses Feuerwerk der tollen Ideen, welches so seinesgleichen sucht.
Lautet der spanische Originaltitel noch Los violadores (dt.: die Vergewaltiger), so benannte man ihn für die internationale Auswertung sowohl in Mad Foxes (wohl der etwas unbeholfene Versuch an Mad Max erinnern zu wollen), wie auch in Stingray 2 um. Mit letzterem Titel wollte man sich scheinbar an den (vermutlich auch nur leidlichen) Erfolg der US-Actionkomödie Stingray (USA 1978 R.: Richard Taylor) dranhängen, welcher damals auch in Deutschland von Produzent Erwin C. Dietrich verliehen wurde. Dieser ist nach eigenen Angaben bis heute nicht in der Lage, sich dieses Machwerk in Gänze anzuschauen, doch hat Mad Foxes mittlerweile den wohlverdienten Ruf eines kleinen Kultfilms erlangt, was zumindest etwas durch DVD-Verkäufe auf dem Konto des Herrn wieder gutmachen sollte.
Die Musik stammt übrigens von der schweizerischen Antwort auf die Scorpions (andere sprechen von AC/DC): Krokus. Für jene soll Paul Grau schon in den 70ern Musikvideos gedreht haben, eindeutige Belege sind darüber allerdings in meinen Quellen leider nicht zu finden gewesen. Fakt ist jedoch, dass der Titeltrack zu Mad Foxes Easy Rocker ein verdammter Ohrwurm ist, noch das eindeutig qualitativ Hochwertigste im Film darstellt und sich auch heute noch ständig im Liveset von Krokus wiederfindet.
Nach diesem "Meisterwerk" beendete Grau seine Regiekarriere mit der Sexkomödie Sechs Schwedinnen auf der Alm (BRD 1983), in der auch das oben bereits erwähnte Sexploitation-Urgestein Eric Falk ein letztes Mal (unbekleidet) vor der Kamera stand und damit nach fast einer Dekade sündigen Treibens auf der Leinwand das (sicher durchnässte) Handtuch warf.


Fazit: Unglaublich. Eine echte Offenbahrung für ganz abgebrühte Trash-Connaisseure und ein unverfälschtes Magnum-Opus des schlechten Geschmacks.

Punktewertung: Die Arthousegemeinde dürfte 1 von 10 Punkten vergeben, wer hingegen Troll 2 (I/USA 1990 R.: Claudio Fragrasso O.: Trolli) bereits oft genug mit Vergnügen bestaunt hat, dürfte auch hier voll auf seine Kosten kommen.
Ich persönlich vergebe einfach Mal ebenso subjektive wie diplomatische 5 von 10 Punkten.