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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Mittwoch, 27. November 2013

Einmal rasieren, bitte!

Bluebeard (Blaubart)
F/I/BRD 1972
R.: Edward Dmytryk


Worum geht's?: Baron Kurt von Sepper (Richard Burton) kehrt als Held aus dem Ersten Weltkrieg zurück, hat aber nach einem Flugzeugabsturz so starke Verletzungen im Gesicht erlitten, dass sich sein Kinnbart blau gefärbt hat.
Dieses auffällige Merkmal schmälert aber kaum seinen ungemeinen Schlag bei den Frauen, welche ihm reihenweise zu Füssen fallen.
So auch die schöne Greta (Karin Schubert), welche aber durch einen Jagdunfall ein vorzeitiges Ende in grüner Natur findet.
Die nächste Eroberung des mittlerweile in nationalsozialistischer Uniform auftreten Adeligen ist die junge, amerikanische Varietétänzerin Anne (Joey Heatherton), deren guter Freund Sergio (Edward Meeks) schon früh Vorbehalte gegen den neuen Galan hat, seine Kollegin aber nicht daran hindern will und kann, in das fürstliche Herrenhaus der von Seppers zu ziehen.
Dort stößt sie zwar nicht nur schon bald auf die gut gepflegte Mumie von Kurtis Mutter, sondern auch allen Verboten zum Trotz auf einen Geheimheimraum voller tiefgekühlter Frauenleichen.
Schon muss die Schönheit aus den Staaten um ihr Leben bangen, erzählt ihr doch ihr Gemahl ganz freimütig, wie und vor allem warum er die weiblichen Nervensägen im wahrsten Sinne des Wortes kaltgestellt hat.
Mitwisser müssen sterben, dass weiß Anne genauso gut wie der Blaubart, mit dem allerdings jemand ganz anderes noch eine alte Rechnung zu begleichen hat...


Wie fand ich's?: "Burton is 'Bluebeard'" tönt es vom Plakat zu Edward Dmytryks Film und der Grund für diese Besetzung liegt auf der Hand: Burton hatte den Look, die maskuline Eleganz und vor allem den Ruf als echter "Ladykiller".
Allerdings waren Burtons beste Zeiten eigentlich längst vorbei und der fünfmalige Ehemann (davon bekanntermaßen gleich zweimal mit Diva Liz Taylor), brauchte dringend Geld um seinem, nun, hedonistischen Lebensstil auch weiterhin frönen zu können. Burton trank zu diesem Zeitpunkt bereits exzessiv und rauchte etwa hundert Zigaretten am Tag und war wenig anspruchsvoll in der Auswahl seiner Drehbücher.
So landete er wohl auch in diesem Machwerk des sich ebenfalls auf dem absteigenden Ast befindlichen Edward Dmytryk, der mal in den 40ern für seine Beiträge Murder, My Sweet (USA 1944 dt.: Mord, mein Liebling) und Crossfire (USA 1947 dt.: Kreuzfeuer) zur "Schwarzen Serie" beachtet wurde (für Ersteren wurde er sogar für den Oscar als bester Regisseur nominiert) und während der McCathy-Ära als Mitglied der sogenannten  "Hollywood Ten" auf der Schwarzen Liste der paranoiden Kommunistenjäger stand und in den 50ern zahlreiche Kollegen denunzierte, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dmytryk hatte zwar in den 60ern noch den sehr schönen Thriller Mirage (USA 1965 dt.: Die 27. Etage) mit Peck und Matthau in die Lichtspielhäuser gebracht, doch befand sich seine Karriere zu Zeiten von Bluebeard mehr oder weniger am Ende und es sollten nur noch zwei weitere, wenig erfolgreiche Kinofilme auf diesen folgen.
Bluebeard sollte eine europäische Produktion werden und es wundert nicht, dass diese sich an zu dieser Zeit erfolgreichen mitteleuropäischen B-Filmelementen orientiert, soll heißen: Sleaze und Gore waren wohl durchaus erwünscht.
Ob es nun allein Dmytryk zuzuschreiben ist, dass Bluebeard ein einerseits viel zu zahmer, andererseits dramaturgisch vollkommen zerfahrener Film geworden ist, bleibt sicherlich strittig.
Ich hatte jedoch mehrfach den Eindruck, dass zumindest Burton sein Unbehagen an dieser Unternehmung durchaus anzumerken ist und er sich sichtlich ein großes Glas mit hochgeistigem Inhalt herbeiwünscht.
Dabei bietet der Film in den ersten etwa fünfundvierzig Minuten recht solide Kost, bis die von ihrer Rolle eh' scheinbar leicht überforderte Joey Heatherton (ein Ex-Kinderstar, der eigentlich zur Tänzerin geboren war) das versteckte Zimmer findet und das Drehbuch sich genötigt sieht, Blaubart nun von allen seinen Opfern berichten zu lassen. Von nun an driftet der Streifen urplötzlich in die übelsten Bereiche der Schmierenkomödie ab und selbst aus den Auftritten solcher Damen wie Nathalie Delon, Raquel Welch, Sybill Danning und Marilù Tolo lediglich peinliche Lachnummern werden lässt.
Anscheinend war man sich nämlich unsicher, ob das Publikum Burton tatsächlich in der finsteren Rolle des sadistischen Frauenmörders sehen wolle, und reicherte so alle Flashbacks des Barons mit extrem überzeichneten Frauenfiguren an, sodass man als Zuschauer nur allzu gut versteht, dass der Adlige dieser Nervensägen überdrüssig wurde. Da gibt es die unmoralische Nonne (Welch), die unreife Infantile (Delon), die selbstverliebte Prostituierte (Danning) und die masochistische Kommunistin (Tolo), welche alle dermaßen an den Nerven des Zuschauers zerren, dass er geradezu betet, Burton möge diese möglichst schnell ins Jenseits befördern.
Noch übler wirken diese (unfreiwillig?) komischen Szenen im Kontext des restlichen Films, betrachtet man die eher marginale Rahmenhandlung um des Barons Karriere als Nazilakai (das Naziploitationgenre war ja gerade in Form von Lee Frosts Love Camp 7 [USA 1969] frisch aus dem Ei gesprungen) und die kurze Szene, in der dieser ein jüdisches Getto niederbrennen lässt. Weil man hier offenbar seinem eigenen, pseudodokumentarischen Anspruch misstraute (oder rechtliche Einschränkungen von den deutschen Produzenten befürchtete), zeigen die Flaggen, Uniformen und Armbinden der Faschisten allerdings keine Swastika, sondern Fantasiekreuze (s. h. Foto).
So bleibt vom aufwendig angedachten Blaubart mit seiner eigentlich beachtlichen Besetzung und seinen ansehnlichen Sets nur eine dröge Nummernrevue mit schalem Nachgeschmack, die nichts aus nur einer ihrer Ideen macht. Für einen Thriller nicht spannend genug, für eine Komödie zu nervig und witzlos, für eine Farce zu gewöhnlich, für ein Drama zu oberflächlich.
Was hingegen gelang, ist der (wie immer) tolle Score von Maestro Ennio Morricone, dessen Titelmelodie lange im Ohr bleibt.
Na ja, das ist dann doch noch wenigstens etwas...


Fazit: Der Bart ist ab - dieser Baron verfehlt sein Ziel auf praktisch allen Ebenen! Zwei Stunden seines Lebens kann man besser verbringen.

Punktewertung: 3,75 von 10 Punkten