Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 26. Dezember 2014

The Twilight Blog #12 - Was man so braucht...

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 12
What You Need (dt.: Der Hausierer)
B.: Rod Serling nach einer Geschichte von Lewis Padgett
R.: Alvin Ganzer
US-Erstausstrahlung: 25. Dezember 1959 (BRD: ?)


Die Story: Der freundliche Straßenhändler Pedott (Ernest Truex) zieht unglücklicherweise das Interesse des Kleinkriminellen Renard (Steve Cochran) in einer Bar auf sich, als der abgebrannte Renard verblüfft erkennt, dass der Hausierer die Bedürfnisse anderer Leute vorhersieht, noch bevor diese ihrer selbst gewahr werden. Schon bald bahnt sich eine tödliche Situation zwischen den beiden, ungleichen Männern an.


Das Zwielicht durchbrochen: Bei dieser Episode verschmilzt eine überdurchschnittlich gute Story (aus der Feder des Ehepaars Kuttner und Moore unter ihrem gemeinsamen Pseudonym Lewis Padgett) mit einer überdurchschnittlichen schauspielerischen Gesamtleistung, was diese Episode insgesamt aus dem Gros der Folgen heraushebt.
Ist es in der Kurzgeschichte noch eine Maschine, welche die Bedürfnisse der Leute erkennt, so scheint auch hier Serlings Liebe für die kleinen Leute durch, und wie in One for the Angels (S.1/E.2) steht ein grundsympathischer Hausierer im Mittelpunkt der Story, der hier zwar nicht vom Deiwel in Person bedrängt wird, aber es immerhin mit einem wahrlich bedrohlich aufspielenden Steve Cochran zu tun bekommt.
Cochran (*1917; †1965) war Zeit seiner Karriere so etwas wie der ewige Nebendarsteller, den man besonders als Fan von Western und Gangsterfilmen der 40er und 50er Jahre in zahlreichen Filmen wahrgenommen haben kann, dessen bekannteste Rolle aber die des Big Ed in Raoul Walshs Meisterwerk White Heat (USA 1949 dt.: Maschinenpistolen) war. Cochran verstarb 1965 an einer verschleppten Lungenentzündung auf seiner Jacht vor der Küste Guatemalas, wo seine Leiche in Gesellschaft dreier, weiblicher Assistenten über eine Woche lang dahinsegelte, weil keine der Damen wusste, wie man ein Segelboot navigiert. Manchmal kommt die Realität der Twilight Zone halt erschreckend nahe...


Episodenwertung: ***,75/5

Freitag, 19. Dezember 2014

Ich Boss - Du nix!

Boss Nigger
USA 1975
R.: Jack Arnold


Worum geht's?: Der Wilde Westen.
Die zwei schwarzen Kopfgeldjäger Boss (Fred Williamson) und Amos (D'Urville Martin) stolpern auf der Suche nach einem lukrativen Fang in ein weißes Städtchen, welches nicht nur einen Sheriff sucht, sondern auch vom berüchtigten Ganoven Jed Clayton (William Smith) und dessen räudiger Gang belagert wird.
Die Situation schnell ergreifend, ernennen sich Boss und Amos kurzerhand zu Sheriff und Deputy, sehr zum Unwillen des durchtriebenen Bürgermeisters (R.G. Armstrong), der mit Clayton ein zu seinen Kosten gehendes Waffenstillstandsabkommen getroffen hat.
Von wenigen Ausnahmen, wie der lebenslustigen Lehrerin Miss Pruitt (Barbara Leigh), abgesehen, machen sich die neuen Gesetzeshüter keine Freunde in dem kleinen Kaff, besonders als sie beginnen ihre eigenen Gesetze aufzustellen. So steht bald nicht nur die Benutzung des rassistischen N-Words unter Strafe, Boss beginnt auch noch die ausgegrenzte, mexikanische Bevölkerung aus den Reserven des Städtchens zu ernähren.
Die Spannungen wachsen, und als der Bandit Clayton seine Finger nach der, zuvor von Boss und Amos bei einem Banditenüberfall geretteten, Clara Mae (Carmen Hayward) ausstreckt, setzt dieses vollends Feuer an ein Dynamitfass aus Rassismus, Brutalität und Vorurteilen...


Wie fand ich's?: Schon der Titel ist pure Provakation und so unkommerziell, dass vor einigen Jahren eine US-DVD unter dem kürzeren Alternativtitel Boss veröffentlicht wurde.
Boss Nigger beginnt als eine sarkastische Parodie auf Filme wie High Plains Drifter (USA 1973 R.: Clint Eastwood dt.: Ein Fremder ohne Namen) und endet als fast realitätsnahes Drama ohne wahre Gewinner.
Regie führte Jack Arnold (*1916; †1992), der heute wohl der breiten Schicht lediglich als Meister solcher Creature Features wie Tarantula (USA 1955) oder Creature from the Black Lagoon (USA 1954 dt.: Der Schrecken vom Amazonas) im Gedächtnis ist. Dabei schuf Arnold auch knuffige Komödien, harte Western und viel TV. Sein zynischer Thriller The Swiss Conspiracy fand bereits zuvor in diesem Blog Beachtung, ein Film, der ein ebenso düsteres Ende wie Boss Nigger besitzt und der nur wenig später in die Lichtspielhäuser kommen sollte.
Das Drehbuch zu Boss Nigger verfasste Hauptdarsteller Fred Williamson persönlich. Williamson, dessen American Football Karriere ihm den Spitznamen "The Hammer" eingebracht hatte, war durch seine Rolle als Black Caesar (USA 1973 R.: Larry Cohen dt.: Der Pate von Harlem) zu einem Star des Blaxploitation-Kinos geworden und versuchte nun mit dem, von ihm auch produzierten, Film einen Western für ein schwarzes Publikum zu schaffen. Dazu nahm er bekannte Versatzstücke des Genres, stellte aber die schwarzen Protagonisten als geistig wie körperlich klar überlegen dar.
Wie Eastwood trägt auch Williamson ein Zigarillo im Mundwinkel, ein Zeichen seiner dominanten Männlichkeit, die Frauen reihenweise in die Knie zwingt.
Als Sidekick wählte man D'Urville Martin aus, der bereits viele Male mit Williamson vor der Kamera gestanden hatte und der sich mit ihm im Film ständige Wortgefechte liefert.
Da Williamson zu viel Mann für nur eine Frau ist, mussten direkt zwei Love interests her: Barbara Leigh und Carmen Hayward durften schmachten und dem Herrn zu Füßen liegen.
Angereichert mit etwas christlicher Symbolik (gerade im Italowestern immer wieder gern verwendet) entstand so ein äußerst gelungenes Spätwerk, welches den Vergleich mit Arnolds früherem Westernklassiker No Name on the Bullet (USA 1959 dt.: Auf der Kugel stand kein Name) kaum scheuen muss.


Fazit: Hinter dem provokanten Titel versteckt sich sowohl für Freunde des Westerns, wie auch für Fans des Blaxploitationfilms ein wahres Fest.



Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Sonntag, 23. November 2014

Köpfchen muß man haben!

Head
USA 1968
R.: Bob Rafelson


Worum geht's?: Dies ist ein Film über den Befreiungsversuch vier junger Männer, namentlich Peter (Tork), Davy (Jones), Micky (Dolenz) und Michael (Nesmith), ihr Image als kinderzimmertaugliche, zusammengecastete Plastikpopband hinter sich zu lassen und der allmächtigen Industrie zu entfliehen, welche der Einfachheit halber gleich durch einen riesenhaften Victor Mature dargestellt wird.
Nebenher gibt es Musik (besser als man denken könnte), es werden mehrere Filmgenres wahllos parodiert (Krieg, Western, Fantasy) und ein gewisser Lord High 'n Low (Timothy Carey) verfolgt die Band mit großer Hartnäckigkeit.


Wie fand ich's?: Wenn man Drehbuchautor Jack Nicholson Glauben schenken mag, entstand das Script zu diesem abgefahrenen Scheiß durch einen gemeinschaftlichen Brainstorm der Band mit Regisseur Bob Rafelson und Autor Nicholson - unterstützt von einer Unzahl dicker Joints. Hatte Onkel Jack erst mal alle Ideen auf einem Notizblock versammelt, soll er sich mit (einem gefühlten, halben Liter) LSD ins stille Kämmerchen begeben haben und dort das Ganze in finale Form gebracht haben.
Will man Head mit anderen Filmen seiner Zeit vergleichen, so kommen einen schnell so obskure Kultwerke wie Otto Premingers Skidoo oder Roger Cormans The Trip (USA 1967) in den hoffentlich noch ungetrübten Sinn. Zu Letzterem hatte ebenfalls Jack Nicholson das Script verfasst und sich wohl auf diese Weise bei den Monkees als Autor für ihren endgültigen Befreiungsschlag vom Nette-Jungs-Image empfohlen.
Die Monkees waren zunächst eine Kopfgeburt u. a. Bob Rafelsons, der zusammen mit anderen Fernsehschaffenden die vier Boys 1965 für eine Fernsehserie mit ebenjenem Titel, The Monkees (USA 1966-1968 dt.: Die Monkees), castete und direkt an Don Kirshner, seines Zeichens Musikproduzent und wohl direkter Vorfahre Dieter Bohlens, übergab, der die Neulinge erst mal studiotauglich machte und eine Langspielplatte (Sie erinnern sich?) zur direkten Weitervermarktung aufnehmen ließ. Tatsächlich kam allerdings zunächst nur der Gesang von den Monkees selbst, der Sound wurde von einer Studioband eingespielt.
Unterstützt durch eine teure Werbekampagne wurden sowohl Band wie TV-Serie schnell ein Hit, doch hing den Monkees immer ein starker Plastikgeruch an, den auch Hits wie I'm A Believer (geschrieben von Neil Diamond) oder verliehene Bravo Ottos nicht überdecken konnten.
So sollte Head gleichermaßen Befreiungsschlag oder Suizidversuch in einem werden - die schlechten Einspielergebnisse (die IMDb spricht von schlappen 16,111 $) und Kritiken machten es eher zu Letzterem - und die Band zusammen mit Enfants terribles wie Frank Zappa und Timothy Carey zeigen, um von deren Kultstatus zu profitieren und selbst eine neue Art von Credibility zu erlangen.
Die erklärte Zielgruppe waren also die Hippies und Hipster, denen LSD und THC keine Fremdworte waren, für die jedoch die Monkees nach wie vor ein rotes Tuch waren - man denke an Alexander Klaws, der plötzlich mit den Einstürzenden Neubauten eine Platte aufnimmt...
Heutzutage hat Head eine kleine, aber feine Kultgemeinde um sich geschart; auf der Rotten Tomatoes Website bekommt der Film immerhin einen Metascore von 75% und selbst Leute wie Roger Ebert und Kim Newman fanden nette Worte...
Schaue ich mir Head an, so habe ich das Gefühl vier Künstlern beim kalkulierten, öffentlichen Selbstmord zuzuschauen und ich bin mir nie ganz sicher, ob der Faktor der Kalkulation nun gerade das Tolle oder das Abgeschmackte an diesem Werk darstellt. Nun, im Zweifel wohl für den Angeklagten!
Waren die Monkees es leid, sich zum Affen zu machen, so schufen sie mit Head einen wild tanzenden, benebelten King Kong, dem es mehrfach gelingt, sein verblüfftes Publikum aufs Neue zu überraschen - und wer steht nicht auf manisch schwofende Primaten?


Fazit: Bunt, schrill, schräg, aber trotzdem stets irgendwie sehr geschmackvoll und wohl durchdacht - ein interessantes Unikum voller großer Momente und großer Charaktere (Carey, Zappa, Hopper, Nicholson, Rafelson, Sonny Liston und ein letztes Mal Tor 'Plan 9' Johnson).


Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Sonntag, 16. November 2014

Wo der Reis kocht...

Koroshi no rakuin bzw. 殺しの烙印 (eng.: Branded to Kill/dt.: Beruf: Mörder)
J 1967
R.: Seijun Suzuki


Worum geht's?: Er ist die Nummer 3: Gorô Hanada (Jô Shishodo), ein Killer mit einer Vorliebe für den Geruch von kochendem Reis und einem Faible für schöne Frauen - wie seine Gattin Mami (Mariko Ogawa), die er mehr schlecht als recht behandelt.
Als er die geheimnisvolle Misako (Annu Mari) trifft, wendet sich jedoch das Glück des abgeklärten, coolen Killers. Bei einem von Misako erteilten Mordauftrag setzt sich ein Schmetterling auf das Visier seiner Waffe, sodass sein Schuss einen Unbeteiligten trifft.
Von nun an wird Gorô von der geheimnisvollen Nummer 1 (Kôji Nanbara) heimgesucht, dem es mit teuflischem Psychoterror gelingt, den Widersacher an den Rand seines Verstandes zu bringen.


Wie fand ich's?: Nur einen weiteren Yakuzastreifen hatten die Nikkatsu Studios von Regisseur Seijun Suzuki gefordert, dieser hatte jedoch höhere Ziele, als nur ein weiteres Fließbandprodukt in die Lichtspielhäuser zu hieven, wo dieses in einem Double-Feature in Dauerrotation laufen sollte, bis es von einem ähnlich gestrickten Werk ersetzt worden wäre.
Dabei hatte das Studio den Regisseur erst nach Ansicht des Drehbuchs in letzter Minute auf den Plan gerufen, um dem bereits zur Produktion angesetzten Film von Suzuki umschreiben zu lassen, da man wohl bereits zu diesem Zeitpunkt am kommerziellen Charakter des Scripts zweifelte. Tatsächlich entwickelte Suzuki die meisten Ideen für Branded to Kill jeweils erst in der Nacht vor dem nächsten Drehtag.
So schuf Suzuki einen stylishen Film voller poetischer Bildsymbolik, der sowohl das Massenware gewohnte Publikum wie das Studio überforderte und an den Kassen scheiterte, was Nikkatsu dazu bewog, ihren angestellten Regisseur praktisch über Nacht zu feuern. Dies führte zu einem komplizierten Rechtsstreit zwischen Suzuki und Nikkatsu, welches für beide in einem vorläufigen Niedergang endete. Das finanziell bereits zuvor angeschlagene Studio brach zusammen und Suzuki wurde von anderen Studios mittlerweile ebenfalls als Risiko angesehen, was darin resultierte, dass er erst fast eine Dekade später wieder in der Lage war, Arbeit zu finden.
Heute wird Branded to Kill ebenso wie der ein Jahr zuvor entstandene Tôkyô nagaremono (J 1966 int.: Tokyo Drifter; dt.: Abrechnung in Tokio) als Suzukis Meisterwerk angesehen - ein gelungener Spagat zwischen Kunst- und Unterhaltungsfilm, der sich den Mitteln des amerikanischen Film noir ebenso bedient wie der französischen Nouvelle Vague, welche bereits ebenfalls vom Film noir beeinflusst worden war. So findet man in Branded to Kill gleich zwei Femmes fatales und ein kunstvolles Spiel mit Licht und Schatten neben einer immer wahnwitziger werdenden Story, welche die durch Dr. No (GB 1962 R.: Terence Young) begründete James-Bond-Welle aufgreift und ad absurdum führt, in dem der Protagonist ein neurotischer, an kochendem Reis schnüffelnder, Egomane ist, der durch die Psychospielchen seiner Nemesis immer paranoider wird und letztendlich scheinbar gar vollkommen den Verstand verliert. Wenn Nummer 3 einen sinisteren Augenarzt in dessen Praxis durch den Abfluss seines Waschbeckens erschießt, tritt diese parodistische Ebene klar zutage - was Branded-to-Kill-Fan Jim Jarmusch nicht abhielt, diese Szene in seinem Ghost Dog: The Way of the Samurai (USA/F/BRD/J 1999) zu kopieren.
Die gerade neu erschienene, deutsche Blu Ray von RapidEyeMovies bietet ein wunderbares Bild, satten Ton und einige Interviews mit Cast und Crew. Was will man mehr?


Fazit: Stylisher, nihilistischer Killer-Wahnsinn in Schwarz-weiß. Poetisch und doch kalt - irgendwo zwischen Bond und Godard.


Punktewertung: 9,75 von 10 Punkten

Sonntag, 9. November 2014

Geräusche vom Dachboden

Anima Persa
I/F 1977
R.: Dino Risi


Worum geht's?: Zum Studium der Malerei kommt der achtzehnjährige Tino (Danilo Mattei) zu seiner Tante und seinem Onkel ins ergreifende Venedig.
Während seine Tante Sofia (Catherine Deneuve) eine herzliche aber nervöse und stets blässlich wirkende Frau ihn warmherzig empfängt, ist sein Onkel (Vittorio Gassman) ein herrischer, abweisender  Intellektueller, der seinen Haushalt allein durch seine bloße Präsenz unter der Knute hält.
Schon kurz nach seiner Ankunft fallen Tino seltsame Geräusche vom Dachboden auf, zu dem eine Treppenflucht hinter einer ihm zuvor von der Tante verbotenen Tür führt.
Entschlossen sucht der junge Student nach dem Ursprung der sonderbaren Laute und stößt dabei nach und nach auf ein tragisches Familiengeheimnis, welches besser für immer im Dunkel des Dachbodens geblieben wäre...


Wie fand ich's?: Ist Regisseur Dino Risi (*1916; †2008) eher als Großmeister der Comedia all'italiana und für Filme wie Profumo di donna (I 1974 dt.: Der Duft der Frauen) bekannt, so schuf er mit Anima Persa 1977 einen leider etwas vergessenen Psychothriller, der teilweise das Genre des Giallo streift, und schon aufgrund seines Casts zu begeistern weiß.
Catherine Deneuve und Vittorio Gassman sind (bzw. waren) absolute Größen ihrer Zunft und brillieren auch hier mit außergewöhnlicher Handwerkskunst, wobei man sagen muss, dass auch der Rest der Besetzung und besonders der hier debütierende Danilo Mattei grandiose Leistungen zeigen. Mattei, der seit 1998 keinen Film mehr gedreht hat und seit einiger Zeit offenbar als Immobilienmakler tätig ist, fand sich bereits wenig später unter der Leitung Umberto Lenzis in Cannibal ferox (I 1981 dt.: Die Rache der Kannibalen) und La guerra del ferro: Ironmaster (I/F 1983 dt.: Er - Stärker als Feuer und Eisen) wieder und bekam danach nur noch kleinere Nebenrollen angeboten.
Anima Persa beginnt wie ein klassisches Haunted House Movie oder eine weitere Variation von Whales The Old Dark House (USA 1932 dt.: Das Haus des Grauens) mit leichten Anklängen des Giallos, nur um sich dann immer mehr zu einem garstigen Psychodrama zu mausern. Damit hebt sich Risis langsam entwickelnder Film wohlig von der sonst mitunter etwas formelhaft daherkommenden, italienischen Genrekost ab und stellt sich in eine Reihe mit Werken wie z. B. Piero Schivazappas meisterhaften Femina ridens (I 1969 USA: The Laughing Woman) der ebenfalls das Genre um interessante Aspekte bereicherte und erweiterte.
Dazu wartet man noch mit einem finalen Twist auf, den selbst mancher genreerfahrener Zuschauer nicht absehen kann und der doch vollkommen logisch und schlüssig daherkommt - was Anima Persa nur weiter aus dem Gros seiner Mitbewerber heraushebt.
Die literarische Vorlage stammt übrigens von Giovanni Arpino, dessen Bücher auch schon zu solchen Meisterwerken wie dem bereits oben erwähnten Profumo di donna oder Pietro Germis Divorzio all'italiana (I 1961 dt.: Scheidung auf italienisch) adaptiert wurden.


Fazit: Toll gespielt, toll inszeniert - Tollwut auf'm Speicher. Viel toller geht's gar nicht...


Punktewertung: 9,25 von 10 Punkten

Sonntag, 26. Oktober 2014

Spiel ohne Grenzen

I Declare War
CA 2012
R.: Jason Lapeyre, Robert Wilson


Worum geht's?: In einem großen, kanadischen Waldgebiet spielen Kinder Krieg. Ziel des Spiels ist es, die gegnerische Flagge aus der versteckten Basis des Feindes zu erobern.
Führer der rivalisierenden Gruppen sind der bedachte, strategisch denkende P.K. (Gage Munroe) und der blonde, nicht viel weniger intelligente Schönling Quinn (Aidan Gouveia).
Beide glauben in den Kopf ihres jeweiligen Gegners sehen zu können, doch setzt sich kurzerhand der sadistische Skinner (Michael Friend) durch einen Putsch auf Quinns Führungsplatz.
Zu P.K.'s Beunruhigung gelingt es dem zornigen, leicht übergewichtigen Skinner zudem seinen besten Freund Kwon (Siam Yu) gefangen zu nehmen.
Während Skinner den ihm körperlich unterlegenen Jungen mit einem Brett und schweren Steinen zu quälen beginnt, zieht P.K. alle Register, um seinen treuen Gefährten zu befreien - doch schon bald muss der kleine Hobbystratege erkennen, dass Skinner auch vor dem Übertreten der bei den Kindern heiligen Regeln des Kriegsspiels nicht haltmacht...


Wie fand ich's?: Kinder beim Kriegsspiel. Ihre Vorstellungskraft lässt die aus Ästen und Klebeband zusammengefügten Holzgewehre zu realen Präzisionswaffen werden; ein entrindeter Baumstamm wird direkt zur schusskräftigen Bazooka.
Ihr (Kriegs-)Spiel hat strikte Regeln, die von ihnen vollkommen verinnerlicht wurden. Nur wer von einer Granate (einer mit roter Farbe gefüllten Wasserbombe) getroffen wird, ist tot und muss den schmachvollen Nachhauseweg antreten.
Ego-Shooter und einschlägige Filme haben das uralte Spiel längst verändert, die Kinder hören während der Scharmützel in Wald und Wiese heutzutage das unheilvolle Geräusch eines vorbeifliegenden Kampfhubschraubers und der Schrei "Medic!" scheint einem getroffenen Mitspieler vollkommen normal aus dem Munde zu kommen.
Klar, I Declare War ist auch eine Allegorie auf die Erwachsenenwelt, doch zeigt der Film auch, wie der Einfluss der Medien ein harmloses Räuber-und-Gendarm-Spiel "modernisiert" hat, sodass es in den Köpfen der Kinder bereits verblüffend einem Level aus Call Of Duty gleicht.
Vergleichen einige Kritiker diesen Film direkt mit William Goldings Herr der Fliegen, nur um dann auf die Schwächen von I Declare War gegenüber der Größe von Goldings Werk hinweisen zu können, so möchte ich hier ohnehin etwas tiefer stapeln.
I Declare War erzählt zunächst eine ganze Reihe an Geschichten über Freundschaften und über die Konflikte, die entstehen, wenn diese gestört werden oder gleich ganz zerbrechen. So läuft die Hauptstory um P.K. und seine Nemesis Skinner letztendlich auch auf einen schönen Twist zu, der die Figuren in ein neues Licht rückt und den Ansatz des Films zu einem leicht düsteren Coming-of-Age-Drama nur weiter unterstreicht. Ein schönes Detail in dieser Hinsicht ist auch der Umstand, dass P.K. mehrfach seine Liebe zur historischen Figur George S. Pattons und Franklin J. Schaffners Biopic Patton (USA 1970 dt.: Patton - Rebell in Uniform) im Besonderen andeutet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass I Declare War ein unterhaltsamer Film ist, der seine Aussagen weit einfacher und deutlicher trifft als die (über-)großen Klassiker, mit denen er mithin verglichen wird. Die schauspielerischen Leistungen der sehr jungen Darsteller sind durch die Bank als gut zu bezeichnen und auch auf technischer wie auf handwerklicher Seite gibt es kaum was Größeres zu bemängeln.
Die deutsche Veröffentlichungen (DVD/Blu Ray) vom noch jungen, aber engagierten Label OFDb Filmworks bieten ein hervorragendes Bild und einige nette Extras, sodass ich hier eine klare Kaufempfehlung geben möchte.


Fazit: Erreicht zwar weder den Stellenwert von La guerre des Boutons oder Lord of the Flies - bietet jedoch alle Voraussetzungen für einen gelungenen Filmabend.


Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten

Sonntag, 19. Oktober 2014

Tot in Berlin

The Quiller Memorandum (Das Quiller Memorandum: Gefahr aus dem Dunkel)
GB/USA 1966
R.: Michael Anderson


Worum geht's?: Berlin irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der britische Geheimdienst hat auf der Suche nach dem Versteck einer Bande von Neonazis bereits zwei Agenten verloren. Nun schickt der smarte Bereichsleiter Pol (Alec Guinness) mit Quiller (George Segal) ein neues Gesicht in den Kampf.
Schnell wird Quiller bewusst, das auch er nur ein Bauer in einem Schachspiel mit dem gewieften Boss der Gegenseite namens Oktober (Max von Sydow) darstellt, der genauso interessiert daran ist den Sitz der Briten in der geteilten Stadt zu ermitteln.
Gemeinsam mit der schönen Schullehrerin Inge Lindt (Senta Berger) findet sich Quiller schon bald in einem undurchsichtigen Schlagaustausch wieder, in dem Freund und Feind mitunter kaum voneinander zu unterscheiden sind.
 

Wie fand ich's?: Durch den riesigen Erfolg des James-Bond-Franchises zu Beginn der 60er Jahre wurden international zahlreiche Versuche ins Leben gerufen, sich ebenfalls ein Stück vom großen Kuchen, Eurospy-Genre genannt, abzuschneiden. Versuchten einige es mit direkten Kopien wie z. B. Se tutte le donne del mondo (I 1966 R.: Levin/Maiuiri dt.: Unser Mann in Rio), andere mit Parodien wie OK Connery, so gab es auch noch solche, die es mit einem absoluten Gegenentwurf zur Kunstfigur James Bond probierten. Filme wie The Ipcress File (GB 1965 R.: Sidney J. Furie dt.: IPCRESS - Top Secret), dem ersten Teil einer Serie um den britischen Agenten Harry Palmer (basierend auf Vorlagen von Len Deighton und gespielt von Michael Caine), begründeten schon bald den Trend zu sogenannten "Anti-Bonds".
The Quiller Memorandum basiert auf einer preisgekrönten Vorlage des unter zahlreichen Pseudonymen tätigen Briten Elleston Trevor (*1920; †1995; eigentl. Trevor Dudley-Smith, hier als Adam Hall genannt), welche von dem später mit einem Literaturnobelpreis geehrten Harold Pinter zum Drehbuch gemacht wurde. Wie Deightons Harry Palmer war auch Quiller der Held einer ganzen Reihe von Romanen, jedoch ist The Quiller Memorandum bislang der einzige Einsatz unseres Helden auf der Kinoleinwand, lediglich im Jahr 1975 brachte die BBC eine TV-Serie unter dem einfachen Titel Quiller ins Fernsehen, welche jedoch nur eine Staffel mit 13 Folgen lang ausgestrahlt wurde und mittlerweile fast vollkommen vergessen ist, zumal die BBC die Serie bisher weder wiederholt hat, noch sie anderweitig zugänglich machte.
Wie Harry Palmer ist auch Quiller nicht der übermächtige Superagent, wie es Bond ist, sondern nur ein kleines Rad in einer viel größeren Maschine, welche ständig droht es einfach durch ein anderes zu ersetzen. Hier brilliert der immer großartige Alec Guinness als snobistischer Vorgesetzter, der keinen Zweifel an der Stellung seines Untergebenen lässt.
Max von Sydow gefällt in der Rolle des latent sadistischen Kopfes einer Bande von Neonazis zu denen im übrigen auch der gern gesehene Herbert Fux gehört.
Senta Berger bezaubert als undurchsichtiges Love Interest Quillers und auch Günter Meisner - der ja leider im Kino immer nur der ewige Nazi war - darf den Zuschauer verwirren.
Zuletzt noch ein Wort zum trickreichen Ende, welches durchaus interessanter als in ähnlichen Produktionen des Genres daher kommt. Tatsächlich wartet The Quiller Memorandum mit einem unerwartet düsteren Schluss auf, der so gar nicht den feucht-fröhlichen Enden eines James Bond entspricht, sondern das Publikum etwas unsanft in die Realität entlässt. Scheinbar frustrierte und überforderte der Film das an weit unintelligentere Plots gewöhnte Publikum so sehr, das der ganz große Erfolg leider ausblieb und Quiller wieder in der Versenkung verschwinden musste. Schade, hätte ich doch gerne noch mehr von diesem Mann gesehen...


Fazit: Ein gelungener, zumeist jedoch leider eher unterbewerteter, Beitrag zum Eurospy-Genre. Ein großartiger Cast agiert in einer spannenden Story.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Dienstag, 30. September 2014

Freiheit oder Tod!

Mr. Freedom
F 1969
R.: William Klein


Worum geht's?: Wir schreiben das Jahr 1969 und die USA haben einen neuen Superhelden: Mr. Freedom (John Abbey).
Dieser wird von seinem Vorgesetzten Dr. Freedom (Donald Pleasence) ins ferne Frankreich entsandt, um dort eine drohende kommunistische Revolution zu verhindern und den Tod seines Freundes Capitaine Formidable (Yves Montand) zu rächen.
Tatsächlich trifft Freedom dort schnell auf seine gefürchtetsten Erzgegner: den jovialen, russischen Moujik Man (Philippe Noiret) und den Red China Man - einen gigantischen, aufgeblasenen Drachen.
Zusammen mit Formidables früherer Gehilfin Marie-Madeleine (Delphine Seyrig) und deren Truppe (u.a. Serge Gainsbourg und Rufus) nimmt es der Rassist und Maulheld gegen die Bedrohung aus dem Osten auf.
Und sollte alles versagen, gibt es ja immer noch den Big One, die absolute Waffe im Taschenformat...


Wie fand ich's?: Man stelle sich einen als zynische, starbesetzte Comicverfilmung getarnten, bissigen anti-amerikanischen Propagandafilm vor - geschaffen von einem 1928 in Amerika geborenen Wahlfranzosen, der es zur #25 auf einer Liste der hundert einflussreichsten Fotografen brachte und mit seinen unorthodoxen Aufnahmen einen stilbildenden Einfluss auf die Szene ausübte.
Genau dieses ist Mr. Freedom von William Klein, nur dass es kein Comic gibt, auf welchem der Film basiert. Stattdessen nutzt der Film seine comichaft überzeichnenden Elemente zur Unterstützung des zynischen, antiamerikanischen Tons, der die USA als imperialistische Kriegstreiber zeigt, welche sich auch befreundete Staaten voll und ganz Untertan machen wollen und auch vor der Auslöschung ganzer Staaten nicht halt machen.
Man muss Klein anerkennen, dass er auch die kommunistischen Widersacher der Vereinigten Staaten kaum in einem besseren Licht erscheinen lässt. Philippe Noiret ist in seiner Rolle als Moujik Man ein jovialer, aufgeblasener Möchtegern-Stalin, der sämtliche Drohung plump verbal verdoppelt und tatsächlich mittels einer terroristischen Vereinigung Frankreich unter seine Kontrolle bringen will. China hingegen wird durch einen riesigen, kälteschnaubenden Gummidrachen dargestellt, welcher mich etwas an eine Hüpfburg für Kinder erinnerte, der jedoch noch rigoroser die sofortige Vernichtung seiner Gegner fordert.
Kleins Anliegen war also eher Schelte am Gebaren imperialistischer Weltmächte im Allgemeinen, wobei sein Hauptaugenmerk allerdings schon auf seiner alten, amerikanischen Heimat lag, deren Pariser Botschaft hier ein mit Cheerleadern bevölkerter Supermarkt ist, dessen Hauptexportgut grimmig grinsende Soldaten sind.
Leider verschießt der Film sein bestes Material bereits in den ersten 45 Minuten, sodass die zweite Hälfte deutlich an Ideen nachlässt und man zudem feststellen muss, dass Klein kein richtig befriedigendes Ende für seine Satire gefunden hat. Dies schmälert leider den Gesamteindruck eines ansonsten in seiner Art außergewöhnlichen Films, der genau wie sein Regisseur unverdienterweise in Vergessenheit geraten ist.
Neben Mr. Freedom schuf Klein (*1928), der wie oben bereits erwähnt eher als Fotograf für Aufsehen sorgte, mehrere Dokumentationen über Personen, die er bewundert, wie z. B. zwei über Muhammad Ali und eine über Little Richard. Einigermaßen bekannter ist da noch Qui êtes-vous, Polly Maggoo (F 1966 dt.: Wer sind Sie, Polly Magoo) seine schwarz-weiße Satire über die Modewelt, deren Star Dorothy McGowan leider genauso schnell aus der Öffentlichkeit verschwand wie der Film aus dem Verleih.


Fazit: Ein grelles, lautes Kind seiner Zeit - leider hat es an inhaltlicher Aktualität bis heute nicht an Bedeutung verloren.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Sonntag, 21. September 2014

Das Summen der Dunkelheit

Nuit noire (Nuit noire - Die schwarze Nacht)
B 2005
R.: Olivier Smolders


Worum geht's?: Ein junger Mann (Fabrice Rodriguez) in der Schwärze einer ewig währenden Sonnenfinsternis. Erinnerungen an eine traumatische Kindheit. Ein blutiges Mal an der Schläfe. Ein Job im Museum des Vaters. Insekten, von Nadeln erdolcht. Eine schwarze Frau (Yves-Marie Gnahoua), schwitzend im Bett. Vater mit Flinte im Urwald. Ein Wolfmensch (Jean-Philippe Altenloh) und das Geheul des Rudels auf den laternenbeleuchteten Wegen durch die beinah leere Stadt.
Schuld, Vergänglichkeit, Liebe, Ekel, Tod und Metamorphose.


Wie fand ich's?: Vor einiger Zeit äußerte ich mich in diesem Blog darüber, dass Belgien m. E. für die meisten Kinogänger eher ein nur marginal wahrgenommenes Phänomen darstellt. Ich nannte C'est arrivé près de chez vous (B 1992 R.: Belvaux, Bonzel, Pooelvorde dt.: Mann beißt Hund) und Ex Drummer (B/F/I 2007 R.: Koen Mortier) als wohlgefallene Ausnahmen dieser Annahme und richtete dann mein Augenmerk auf den unglaublichen Malpertuis vom genialen Harry Kümel.
Zu diesem Zeitpunkt war mir unbekannt, dass sich längst seit geraumer Zeit ein weiteres Meisterwerk aus dem Land der Flamen und Wallonen auf dem ständig wachsenden Stapel meiner Neuanschaffungen befand, wo dieses auch noch mehr als ein Jahr liegen bleiben und etwas weiteren Staub ansetzen sollte.
Nach über zwei Jahren nach ihrer Anschaffung fand ich es nun, im einsetzenden Herbst, angebracht den Film endlich seiner Bestimmung und meinem Abspielgerät zuzuführen und siehe da - ich wurde von der Wucht der Bilder binnen Sekunden überwältigt.
Was der sonst nur als Kurz- und Dokumentarfilmer in Erscheinung getretene Olivier Smolders hier aufbietet ist ein verfilmter Albtraum - fragmentarisch, düster und von großer Schönheit. Irgendwo zwischen Lynch (die roten Vorhänge der Theaterbühne, die beiden grinsenden Alten, der Antiheld in seinem Sessel neben dem Heizkörper), Cronenberg (die Metamorphose des Frauenkörpers), Kafka (Gregor Samsa grinst und krabbelt davon, ein Rollenname bezieht sich direkt auf Der Prozess) und den Brothers Quay (vibrierende, zerfallende, erdige Traumwelten) findet Smolders einen eigenen Stil, seine persönlichen Phobien, Traumata und Phantasmen darzustellen.
Dass es ihm dabei nicht wirklich gelingt, eine kohärente Geschichte im herkömmlichen (Mainstream-)Sinn zu erzählen, scheinen ihm einige Zuschauer recht übel genommen zu haben, doch ist es gerade diese erzählerische Konsequenz, die Nuit noire fast auf den Level seiner o. g. Vorbilder hievt.
Wenn man Smolders schon unbedingt etwas negativ ankreiden will, dann eventuell die beinah erdrückende Vielzahl seiner Ideen. Von der Klitterung der eigenen Kindheit, dem Geheul der (Wer-) wölfe, den finsteren Zeiten der belgischen Kolonialzeit (Smolders wurde 1956 im damaligen Belgisch-Kongo geboren), Film als Realität dokumentierendes Medium und der Dunkelheit der gepeinigten Seele erzählt dieser Film; wiederkehrende Motive sind Zwillinge (Doppelgänger/Dopplungen), Insekten (zwischen Ästhetik und Ekel) und der Wechsel zwischen Schwarz und Weiß (oder hell und dunkel). Aus all dem muss sich der Zuschauer zuletzt selbst einen Reim machen, eine offensichtliche Interpretationshilfe in Form einer (doch noch alles) erklärenden Schlussszene gibt es nicht. Smolders hat uns seine Nachtmahre gezeigt und dies reicht ihm scheinbar zur Therapie, er lässt sein Buch der freudschen Traumdeutung wie sein Kollege Lynch doch lieber im Schrank.
Nuit noire ist bislang der einzige Langfilm Smolders, der sich weiterhin vor allem dem Kurzfilm verschreibt und auch 2014 mit La part l'ombre (F 2014 dt.: Tiefe Schatten) diesem Genre einen weiteren Beitrag zufügte.
Die deutsche DVD von I-on New Media ist, wenn man einmal von der eher mittelprächtigen Synchronisation absieht, sehr gelungen und bietet neben einem scharfen Bild noch zahlreiche, interessante Extras.


Fazit: Schön verstörend und verstörend schön - eine surreale, belgische Praline mit dem herbstlichen Aroma feuchter Erde.


Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten

Sonntag, 14. September 2014

Der Jo-Jo-Effekt

Sukeban deka bzw. スケバン刑事
J 1987
R.: Hideo Tanaka


Worum geht's?: An einer, von ihren Insassen schlicht nur Höllenburg genannten, Privatschule plant der sinistere Schulmeister Hattori (Masatô Ibu) den Staatsstreich.
Als jedoch einem Schüler die Flucht gelingt, setzt man die Schülerin Saki (Yōko Minamino), einen Girl Cop in Schuluniform mit tödlichem Jo-Jo und ihre Kolleginnen auf den Fall an.
Ein verzweifelter Kampf beginnt, bei dem die junge Megumi (Ayako Kobayashi) zudem hofft, ihren Bruder Kikuo (Tetta Sugimoto) aus den Fängen der teuflischen Erziehungsanstalt befreien zu können.


Wie fand ich's?: Nach einem viele Millionen Male verkauften Manga, einer erfolgreichen Fernsehserie, die in drei Staffeln jeweils eine neue Heldin etablierte, und einem 72-minütigen Fernsehspezial, war der dritte Schritt klar: Ein Kinofilm musste her. Unter der Leitung Hideo Tanakas (*1933; †2011), der schon bei Folgen der Fernsehserie Regie führte, entstanden in schneller Folge gleich zwei Filme für die japanischen Lichtspielhäuser - dieser und das Sequel Sukeban deka: Kazama san-shimai no gyakushû (J 1988 R.: Hideo Tanaka). Während der hier besprochene erste Teil auf die zweite Staffel der Fernsehserie Bezug nimmt, bezieht sich das Sequel auf die dritte Staffel und weist so eine andere Heldin und Hauptdarstellerin auf. Stil, Atmosphäre und Inszenierung des Kinofilms unterscheiden sich kaum von der Fernsehserie, sodass ich hier jedem dem dieser Film gefällt auch die TV-Reihe ans Herz legen darf.
Hier wie dort muss sich ein zwangsrekrutiertes Schulmädchen gegen finstre Typen durchsetzen, die das japanische Schulsystem unterwandern. Bewaffnet ist die junge Dame mit einem, aus einer besonders harten Polymer-Legierung geformten, Jo-Jo, in dessen Inneren sich zudem eine versteckte Polizeimarke versteckt.
Sukeban deka ist ebenso bunt, wie dreckig und düster. Heftige Feuergefechte und meterhohe Explosionen wechseln sich mit süßlichem J-Pop ab - da wundert es nicht, dass Hauptdarstellerin Yōko Minamino nicht nur Fotomodell, sondern genau wie ihre Kollegin Yui Asaka aus der dritten Staffel (hier im ersten Kinofilm in einer Nebenrolle zu sehen) auch eine gefeierte Popsängerin und ein großes Jugendidol war.
Das Sukeban deka ursprünglich auf einem Manga basiert, es sich hier also im westlichen Sinn um eine Comicverfilmung handelt, ist jederzeit am überbordenden Mix aus Schuldrama, Polizeithriller und Sci-Fi erkennbar, wobei man sagen muss, dass Hideo Tanaka weitgehend vollkommen auf eine aus Musikvideos bekannte Ästhetik verzichtete, sondern (budgetbedingt?) den meisten Szenen einen schmutzigen, fast realistischen Touch verlieh.
Nach den beiden Kinofilmen riss der Erfolg des Franchise nicht ab. Es folgten 1991 eine Animeserie und zuletzt 2006 eine neue Realfilmauflage namens Sukeban deka: Kôdo nêmu = Asamiya Saki (J 2006 R.: Kenta Fukasaku dt.: Yo-Yo Girl Cop).


Fazit: Ebenso urjapanisch wie unterhaltsam - ein "triviales Action-Epos" (so das Lexikon des internationalen Film) mit dem Charme der 80er, abgeschmeckt mit einem Hauch von Wasabi und Sojasoße...


Punktebewertung: 7,5 von 10 Punkten

Freitag, 12. September 2014

The Twilight Blog #11 - Wie weggezaubert!

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 11
And When the Sky Was Opened (dt.: Testflug)
B.: Rod Serling, basierend auf einer Kurzgeschichte von Richard Matheson
R.: Douglas Heyes
US-Erstaustrahlung: 11. Dezember 1959 (BRD: 5. Juni 1971 beim BR unter dem Serientitel: Geschichten, die nicht zu erklären sind)


Die Story: Drei US-Testpiloten verschwinden mit ihrer experimentellen Flugmaschine beim Eintritt ins All kurzzeitig vom Radar, bevor sie nach einem Crash in der Mojavewüste zunächst ins Krankenhaus eingeliefert werden. Während Major Gart (Jim Hutton) mit einem Bruch das Bett hüten muss, werden seine Kollegen Forbes (Rod Taylor) und Harrington (Charles Aidman) umgehend entlassen. Als jedoch Harrington in einer Bar, die er zusammen mit Forbes besucht, sich plötzlich unter seltsamen Umständen buchstäblich in Luft auflöst, wird klar, dass man in dieser Welt nicht nur spurlos vom Radar verschwinden kann...


Das Zwielicht durchbrochen: Rod Taylor erreicht seine Final Destination in dieser Episode der Twilight Zone. Taylor (*11.01.1930), der schon mit der Zeitmaschine reiste, sich einer tödlichen Schar Vögel gegenübersah und zuletzt für Tarantino Winston Churchill als unrühmlichen Bastard zum Besten gab, verliert in dieser Episode auf so wundervolle Art die Nerven, dass er die Episode praktisch im Alleingang über die Ziellinie trägt.
Die Story basiert auf einer Kurzgeschichte des schon bald zum festen Schreiberensemble der Twilight Zone gehörenden Richard Matheson (*1926; †2013), der später noch Scripts für solche legendären Episoden wie Nightmare at 20,000 Feet und Steel nachliefern sollte und dessen Romane I Am Legend und The Shrinking Man allein zahlreiche Genreklassiker beeinflussten. Die dieser Folge lose zugrunde liegende Short Story Disappering Act erreicht zwar nicht die Größe dieser Vorlagen, doch ist eine durchschnittliche Geschichte Mathesons oft bei Weitem besser als die vieler seiner Kollegen.
Tatsächlich nahm Serling nur Mathesons Grundidee einer Person, deren Menschen im Umfeld einer nach dem anderen spurlos verschwinden, und ergänzte sie um einen Science-Fiction-Aspekt. Leider wirkt gerade dieses Element heute etwas obsolet, hat doch der bemannte Raumflug längst praktisch jeglichen Schrecken verloren und sind uns allen Bilder und Aufnahmen des Weltalls durchaus geläufig. So nimmt Serlings Adaption von Mathesons Story zwar fast schon die Grundidee des Final Destination Franchise (USA/CAN 2000-2011) vorweg, lässt den Zuschauer jedoch nach dem Ende vielleicht etwas unbefriedigt zurück.
Trotzdem ist And When the Sky Was Opened ein (kleines) Highlight der ersten Staffel und eine (wohl nicht nur) von mir immer wieder gern gesehene Episode.


Episodenbewertung: ****/5

Samstag, 30. August 2014

Der schüchterne Drache

O drakos bzw. Ο Δράκος (Der Unhold von Athen)
GR 1956
R.: Nikos Koundouros


Worum geht's?: Der schüchterne Bankangestellte Thomas (Dinos Iliopoulos) gleicht nach einem Zeitungsfoto dem gesuchten Schwerkriminellen "Der Drache" aufs Haar. Da wundert es weniger, dass er in der Neujahrsnacht in einer Bar auf eine Bande Krimineller trifft, welche ihn auf der Stelle zu ihrem Anführer machen. Zwar gefällt dem zurückhaltenden Thomas der Plan, eine zerlegte Säule aus einem alten Tempel an einen reichen Amerikaner zu verhökern, gar nicht, doch gefällt ihm dafür seine unverhoffte Reputation in der Unterwelt und sein plötzlich gewonnener Schlag bei Frauen. "Besser der Drache als ein Niemand", wird bald zu seinem Credo, welches letztendlich zu seinem Untergang führt.


Wie fand ich's?: Schon wieder eine Groteske!
Fast jeder Film, den ich in letzter Zeit aus Griechenland gesehen habe, enthielt deutlich groteske Elemente, egal ob der von mir wenig geliebte Singapore sling: O anthropos pou agapise ena ptoma (GR 1990 R.: Nikos Nikolaidis), das Meisterwerk Kynodontas (GR 2009 R.: Giorgos Lanthimos dt.: Dogtooth) oder dessen Nachfolger Alpeis (GR/F/CAN/USA 2011 R.: Giorgos Lanthimos dt.: Alpen), alle diese Filme tragen deutlich groteske Züge oder können gleich als Farce betrachtet werden - Filmkritiker erschufen nicht umsonst in den letzten Jahren den Begriff der Greek Weird Wave.
Tatsächlich scheint der hier besprochene O drakos, ein Film, der mir in einer Liste der 10 vermeintlich besten griechischen Kinowerke bis dato auffiel, und der dort als später Versuch eines Film Noir bezeichnet wurde, diesen Trend bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert kurz vorweggenommen zu haben.
Fängt die Geschichte um den unscheinbaren Banker noch sehr im Stil eines Film Noir an und erinnert eine Szene, in der Thomas auf einen Bahnhofswächter trifft, gar an das Frühwerk eines Fritz Lang, so begibt man sich spätestens dann in groteske Gefilde, wenn unser Held in einer Bar auf einen überagierenden, Augen rollenden, tanzenden Gangster trifft, der auf die eintretenden Cops reagiert, welche wie eine Mischung aus den Blues Brothers und Schulze und Schulze aus den Tim und Struppi Comics erscheinen. Auch der glorreiche Plan eine Marmorsäule scheibchenweise, heimlich außer Landes zu bringen, unterstreicht den absurden Ton der Geschichte, welche sich dann im überaus gelungenen Finale noch zur Tragödie mausert.
Leider nehmen zu viele Tanz- und Gesangsszenen dauernd das Tempo aus dem Film, sodass er in der Mitte doch teilweise merkliche Längen aufweist und mitunter schlecht gealtert wirkt.
Was bleibt, ist ein sonderbarer, leiser Mix aus Drama, Krimi und Tragikkomödie, der recht eigenständig, wenn auch nicht in Gänze gelungen, daherkommt.


Fazit: Ein interessanter Beitrag zur Schwarzen Serie aus dem Land der Hellenen, der jedoch etwas hinter seinem Ruf zurückbleibt.


Punktewertung: 7 von 10 Punkten

Samstag, 23. August 2014

Märtyrer der Gewalt

Tian zhu ding bzw. 天注定 (A Touch of Sin) 
CHN/J/F 2013
R.: Jia Zhangke


Worum geht's?: Vier Episoden aus dem zeitgenössischen China:
Der gestandene Arbeiter Dahai (Wu Jiang) nimmt Rache an den Leuten, die sein Dorf und seine Arbeitsstätte ausbluten.
Ein Wanderarbeiter (Baoqiang Wang) verheimlicht seiner Familie die wahre, schreckliche Herkunft des Geldes, das er nach Hause bringt.
Eine Saunaangestellte (Tao Zhao) erwehrt sich den Nachstellungen reicher Kunden.
Ein junger Mann (Lanshan Luo) verzweifelt am Versuch sich und seine Mutter zu ernähren.


Wie fand ich's?: Schon der Beginn verheißt nichts Angenehmes. Ein Motorradfahrer wird auf staubiger Landstraße von drei bewaffneten Gestalten angehalten. Doch anstelle, dass ihm von den Straßenräubern sein Geld abgenommen wird, schießt er routiniert und gezielt alle drei nieder und nimmt ungerührt seine Reise weiter auf.
Das in diesem Film anhand von vier Geschichten abgebildete China ist vielleicht tatsächlich die hierzulande so oft beschriene dominante Wirtschaftsmacht von morgen, doch in erster Linie ein Hort von Gewalt, Dekadenz und sozialer Ungerechtigkeit und jede, der auf einer wahren Begebenheit basierenden Episoden, zeigt eine Person, die durch die neuen Strukturen des Haifischkapitalismus über den Rand der Vernunft gedrückt wird.
Bezieht sich der Titel des Films direkt auf King Hus Meisterwerk Xia nü (TWN 1971 dt.: Ein Hauch von Zen) sind es hier nicht die glorreichen (Märchen-)Helden des Wuxia, die den Film bestimmen, sondern realistische, tragische Gestalten, die nur durch eine zynische, abgeklärte Weltsicht ritterlich erscheinen dürften. All diese Figuren kämpfen auf ihre ganz eigene, moralisch falsche bzw. wie der Titel andeutet sündhafte Weise gegen das inhumane System, dessen einziger Gott der schnöde Mammon ist.
Die Wirkung des Films auf ein europäisches Publikum mag sich schon allein aufgrund der Tatsache unterscheiden, dass dieses, anders als ein asiatisches, kaum von den hier aufgezeigten wahren Begebenheiten weiß. So schlugen sowohl die sogenannten Foxconn-Selbstmorde (eine auffällige Zahl von Angestellten eines Elektrokonzerns nahmen sich 2010 das Leben) oder die Festnahme der mancherorts zur Nationalheldin erkorenen Deng Yujiao, auf deren Taten die dritte Episode beruht, hierzulande kaum mit solcher Wucht in den Medien ein, wie dies in Asien auch die blutigen Raubmorde des Zhou Kehua taten.
Jia Zhangkes (Haus-)Kameramann Nelson Yu Lik-wai, der mit dem Regisseur auch an dessen großen Erfolgen Shijie (CHN/J/F 2004) und Sanxia haoren (CHN/HK 2006 dt.: Still Life) mitgearbeitet hatte, kleidet diesen Reigen der Gewalt in teilweise äußerst beeindruckende Bilder, die dem inhaltlichen Realismus der Erzählungen eine zusätzliche kunstvolle, visuelle Ebene verleihen. 
Leider gibt es aber auch einige Kleinigkeiten an diesem eindrucksvollen Werk zu bemängeln, wobei besonders die Laufzeit bzw. die Reihenfolge der einzelnen Episoden mir etwas negativ auffiel. So ist die letzte, zu diesem Zeitpunkt vielleicht bereits langatmig erscheinende Geschichte m. E. nach am falschen Platz im Film untergebracht, da dieses menschliche Schicksal mehr Konzentration vom Zuschauer verlangt, als es z. B. die zweite Episode tut. Somit wäre dieses ganze Segment besser zu einem früheren Zeitpunkt im Film aufgehoben gewesen.
Die deutsche DVD-Veröffentlichung vom Kölner Rapid Eye Movies Label kommt in gewohnt hochwertiger (Bild-)Qualität daher, wenngleich man aber bis auf einen Trailer und einem (nur der Erstauflage beiliegenden) Booklet leider jegliche weiteren Extras missen muss.


Fazit: Ein wichtiger Kommentar zur Lage seiner Nation, eine finstere Lektion in Sachen Armut und der von ihr erzeugten Gegengewalt.



Punktbewertung: 8,25 von 10 Punkten

Mittwoch, 20. August 2014

The Twilight Blog #10 - Treffer, versenkt!

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 10
Judgment Night (dt.: Das Geisterschiff)
B.: Rod Serling
R.: John Brahm
US-Erstausstrahlung: 04. Dezember 1959 (BRD: ?)


Die Story: Der Zweite Weltkrieg. Ein britisches Passagierschiff bahnt sich seinen Weg durch die neblige Nacht.
An Bord auch eine nervöse Person (Nehemiah Persoff), der die von deutschen U-Booten verseuchten Gewässer unheimlich bekannt vorkommen - doch dessen Warnungen niemand hören will. Stattdessen wundert sich die Mannschaft, wer dieser verwirrte Mann mit ausländischem Akzent nur ist, und woher er die detaillierte Kenntnisse über die unter dem Wasser lauernde Bedrohung besitzt.


Das Zwielicht durchbrochen: Nach einem kurzen Intermezzo Charles Beaumonts kehrte Rod Serling als Drehbuchautor zurück und jagte eine Geschichte von Schuld, Vergeltung und Kriegsverbrechen durch die heimischen Kathodenstrahlröhren.
Judgment Night sollte als erste Episode ein Setting zu Kriegszeiten aufweisen, und es sollte nur neun Folgen dauern bis The Purple Testament (ebenfalls von Serling) uns erneut die Schrecken des Krieges vor Augen hielt.
Regie führte hier erstmals der deutschstämmige John Brahm (die bereits zuvor ausgestrahlte Kultepisode Time Enough at Last wurde etwas später produziert) und die Hauptrolle übernahm der in Jerusalem geborene Nehemiah Persoff, ein bis zur Jahrtausendwende viel beschäftigter Fernsehdarsteller. Persoffs (*1919; andere Quellen: 1920) bekannteste Kinofilmrolle mag die des Little Bonaparte in Wilders Meisterwerk Some Like It Hot (USA 1959 dt.: Manche mögen's heiß) sein, sein Wikipediaeintrag gibt sogar an, er sei die einzige heute noch lebende Person unter den im Abspann erwähnten Darstellern.
Hierzulande bekannter als Persoff, dürfte der durch seine Rolle des John Steed in der britischen Kultserie The Avengers (GB 1961-1969 dt.: Mit Schirm, Charme und Melone) auch in Deutschland zu enormer (mittlerweile allerdings wohl wieder verblasster) Popularität gelangte Patrick Macnee sein, der in einer Nebenrolle als Crewmitglied McLeod nur wenig Talent zeigen darf.
Inhaltlich erinnert diese überdurchschnittliche Folge ein wenig an die antifaschistischen Propagandafilme der USA, nur dass hier natürlich die obligatorischen Mysteryelemente der Twilight Zone und Serlings Moralempfinden zusätzlich in den Mix gelangten.


Episodenbewertung: ****/5

Montag, 18. August 2014

The Twilight Blog #9 - Vorsicht: Traumfrau!

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 9
Perchance to Dream (dt.: Die Macht der Träume)
B.: Charles Beaumont
R.: Robert Florey
US-Erstaustrahlung: 27. November 1959 (BRD: 27.11.1991 - also exakt 32 Jahre später...)


Die Story: Edward Hall (Richard Conte) hat nicht nur ein schwaches Herz, sondern auch prekäre Träume. So erzählt er dem Psychiater Dr. Rathman (John Larch), dass er in seinen Träumen seit einiger Zeit von einer animalischen Schönheit (Suzanne Lloyd) verfolgt wird und Hall davon ausgeht, dass sein nächstes Entschlafen endgültig sein könnte...


Das Zwielicht durchbrochen: Dies ist die erste Folge, deren Drehbuch nicht von Rod Serling verfasst wurde, und es fällt dem geneigten Zuschauer vermutlich zunächst nicht einmal auf.
Perchance to Dream basiert auf der exzellenten Idee die Hauptfigur den eigenen und natürlich irgendwann unumgänglichen Schlaf fürchten zu lassen; eine Idee die auch das über Jahrzehnte erfolgreich Nightmare on Elm Street Franchise verwendet, wenngleich Wes Craven angab, nicht von Charles Beaumonts Story beeinflusst worden zu sein.
Eben jener Charles Beaumont (*1929; †1967) sollte nach dieser Episode nicht nur mehr als ein Dutzend weitere Storys für The Twilight Zone abliefern, darunter auch einer der Höhepunkte der zweiten Staffel mit dem schönen Titel The Howling Man, weiterhin war er zu dieser Zeit auch maßgeblich an Drehbüchern zu Filmklassikern wie 7 Faces of Dr. Lao (USA 1964 R.: George Pal dt.: Der mysteriöse Dr. Lao) oder dem hier bereits zuvor besprochenen Night of the Eagle beteiligt, um nur zwei zu nennen.
Beaumont verstarb leider früh (mit nur 38) an einer "seltsamen Hirnerkrankung", hat aber in seinen wenigen Lebensjahren ein recht eindrucksvolles Gesamtwerk hinterlassen. Dazu gehört auch das Script zur hier besprochenen neunten Folge der Twilight Zone, welches auf einer gleich betitelten Kurzgeschichte Beaumonts basiert, die 1958 im Playboy abgedruckt worden war.
Richard Conte brilliert als nervliches Wrack, das sich von einer wahrlich animalischen Suzanne Lloyd in seinen Träumen gestalked sieht. Regie führte routiniert Robert Florey (*1900; †1979), der im zarten Alter von 29 Jahren den allerersten Film der Marx Brothers, The Cocoanuts (USA 1929 R.: Florey/Joseph Santley), aus der Taufe gehoben hatte.
Insgesamt ist diese Folge also ein erfolgreiches, erstes Zeichen dafür, dass The Twilight Zone nicht notwendigerweise die schreiberischen Talente Rod Serlings benötigte. Ob man Beaumonts Geschichte als Flucht eines Mannes vor seiner eigenen Sexualität oder Suzanne Lloyds Figur als Succubus ansieht: Perchance to Dream trifft sein Publikum mit traumwandlerischer Leichtigkeit.


Episodenbewertung: ****/5

Montag, 11. August 2014

Ein infantiler Mitternachtssnack

Midnight Madness (Wahnsinnsjagd um Mitternacht)
USA 1980
R.: Michael Nankin/David Wechter


Worum geht's?: Leon (Alan Solomon), ein scheinbar gleichermaßen verspieltes wie kreatives, leptosomes Genie, hat sich für seine Mitschüler am College etwas ganz großes einfallen lassen: The Great All-Nighter!
Diese eine ganz Nacht andauernde Schnitzeljagd soll fünf Teams durch ganz L.A. führen, wo sie an verschiedenen Orten nach verschlüsselten Hinweisen suchen müssen.
Adam (David Naughton) führt das sympathische gelbe Team an, welches sich gegen ein Team aus nervösen "Nerds" (deren Anführer: Eddie Deezen), einer Gruppe "Jocks", dem ständig mogelnden blauen Team unter der Leitung des arroganten Snobs Harold (Stephen Furst) und dem rein weiblichen roten Team behaupten muss.
Die Jagd führt die verrückten Typen von einem Observatorium zu einem Klaviermuseum, von einer betriebsamen Großbrauerei über ein klassisches Diner zu einem Minigolfplatz im Dunkel.
Und da hat die Nacht erst gerade begonnen!


Wie fand ich's?: Manchmal stoße ich auf Filme, die bereits in den ersten Minuten mein Herz gewinnen.
Midnight Madness mag objektiv betrachtet für manche vielleicht lediglich ein etwas schlecht gealtertes Relikt der beginnenden 80er Jahre sein, vollgestopft mit biederer Americana, doch ich hatte recht unvermutet eine wunderbare Filmerfahrung gemacht.
Hätte ich diesen Film zur Zeit seiner Erstauswertung gesehen, wäre er mir vermutlich nicht sonderlich aufgefallen, dazu kommt er eigentlich viel zu normal daher. Midnight Madness erfüllt alle Klischees einer College-Komödie ohne bereits in die frivoleren Gefilde der sogenannten Gross-Out Filme zu gelangen, die in den USA mit Bob Clarks Porky's (USA 1982) zwei Jahre nach Midnight Madness an den Kinokassen hoch erfolgreich waren und ihr Setting ebenfalls im Hochschulmilieu fanden. Stattdessen gilt es wieder am ewigen Kampf zwischen Jocks und Nerds teilzuhaben, was ein ebenso häufiges Motiv in dieser Art von Film darstellt, bei dem die schwächlichen Eierköpfe oft genauso schlecht wegkommen, wie die aggressiven, unterbelichteten Sportskanonen.
Midnight Madness darf sich rühmen nach The Black Hole (USA 1979 R.: Gary Nelson dt.: Das schwarze Loch) der zweite Film aus dem Hause Disney gewesen zu sein, der ein PG-Rating bekommen hatte - soll heißen: Eltern wurde empfohlen ihre unter zwölf Jahre alten Kinder ins Kino zu begleiten, um hier ihnen an bestimmten, freimütigen Szenen ggf. Augen und/oder Ohren zuhalten zu können. Diese Einstufung dürfte ein heutiges, abgeklärtes Publikum etwas verwundern, wird doch in lediglich einer Szene angedeutet, dass ein Minderjähriger einer jungen Damen beim Entkleiden zusieht (ohne allerdings tatsächlich die Nackte zu zeigen) und fällt in einer anderen Szene ein dumpfer Jock ins Bierbecken der Pabst Brauerei, aus dem er wenig später voll aber glücklich von seinen Kumpanen gerettet wird.
Noch viel erstaunlicher ist, dass zudem die Biersorte Pabst Blue Ribbon im Film mehrfach explizit genannt wird und wir es hier ganz klar mit einem ersten Fall von deutlichem Product Placement in einem Disneyfilm zu tun haben, der somit vielleicht tatsächlich (wie auch ein Jahr zuvor The Black Hole) auf ein etwas älteres Publikum abzielen sollte.
Wer nun jedoch nach erwachsenen Inhalten suchen will, kann dies direkt vergessen. Midnight Madness ist pure (wenn natürlich auch sehr gesittete - Disney, remember?) 80er Lebensfreude, in der nebenher ein sehr junger Michael J. Fox sein Leinwanddebüt haben durfte. Dass ausgerechnet der in diesem Film als fast einziger etwas blass und langweilig aufspielende Fox später die größte Karriere aller Darsteller des Streifens hinlegen sollte, ist hier noch kaum abzusehen.
Der Charme von Midnight Madness mag sich vielen jüngeren Lesern nicht erschließen, entsprießt er bei mir persönlich doch aus einem Keim der Nostalgie und dem Gefühl, dass ein solcher Film heute nicht mehr möglich wäre, ohne sich wirklich plattester Zoten zu bedienen.
Andere hat dieser Film dazu verleitet der Idee des Films eine reale Entsprechung zu geben, und so fanden zumindest in den USA mehrfach nächtliche Schnitzeljagden nach dem Vorbild des Films statt. Leons Erbe lebt!


Fazit: Für einen nostalgischen Sonntagvormittag bestens geeignet. Eine verrückte Reise durch eine seit mehr als dreißig Jahren vergangene Nacht - let's take a trip down memory lane...



Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Samstag, 9. August 2014

The Twilight Blog #8 - Wenn geschliffenes Glas bricht...

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 8
Time Enough at Last (dt.: Alle Zeit der Welt)
B.: Rod Serling, basierend auf einer Kurzgeschichte von Lyn(n) Venable
R.: John Brahm
US-Erstausstrahlung: 20. November 1959 (BRD: 20.11.1991)


Die Story: Henry Bemis (Burgess Meredith) ist ein scheuer Bücherwurm, der selbst an seiner Arbeitsstelle, einem Bankschalter, nur für Sekunden den Blick von den Seiten seiner Bücher nehmen kann. Gerade im Tresorraum in einem Dickens vertieft wird er unversehens der vielleicht letzte Mensch auf Erden, und während die Welt um ihn herum schon zerbrochen ist, zerbricht die Seine, als zerbricht, was nun nicht mehr zu ersetzen scheint.


Das Zwielicht durchbrochen: Dies ist vermutlich eine der international populärsten Folgen der Twilight Zone, welche es regelmäßig gleichermaßen in die Bestenlisten von Fans und Kritikern schafft. Das mag zum einen an der einprägsamen, simplen Pointe der Geschichte liegen, zum anderen liefert Hauptdarsteller Burgess Meredith eine eindrucksvolle Darbietung als ebenso liebenswerter wie verschrobener Büchernarr ab, der sich ständig beim Lesen den Ablenkungen des Alltags erwähren muss, die täglich in den Formen von Chef, Kunden und Ehefrau daherkommen.
Serlings Drehbuch basiert hier zum ersten Mal nicht auf einer eigenen Idee, sondern auf der sehr kurzen Short Story gleichen Titels aus der Feder einer Literatin namens Marylin Venable, deren (androgyner) Künstlername Lynn mal mit einem, mal mit zwei "n" geschrieben wird. Venable behauptet in einem Interview mit den San Jose Mercury News aus dem Jahr 2012, dass Serling ihre Geschichte Ende der 50er Jahre für $500 kaufte, sie aber nie Serling persönlich traf oder gar irgendwelche spätere Tantiemen für ihr berühmtes Werk erhalten hat. Ihre wenigen weiteren Geschichten sind mehr oder minder dem völligen Vergessen anheimgefallen und die sich selber als hemmungslose Leserin bezeichnende Venable freut sich im Rückblick allein über die Tatsache, dass Serling ihre Story absolut getreu adaptierte.
Regie führte John Brahm (*1893; †1982), ein bereits zu Zeiten des Film Noir viel beschäftigter, deutscher Immigrant, dessen Vornamen eigentlich Hans und Julius waren und der 1933 zusammen mit seiner Gattin vor den Nazis über Frankreich und England schließlich ins vermeintliche Land der unbegrenzten Möglichkeiten geflüchtet war. Brahm sollte in den 50er und 60er Jahren praktisch unablässig fürs US-TV arbeiten und so auch genau bei einem Dutzend Folgen von The Twilight Zone den Regiestuhl besetzen.
Ich für meinen Teil, weiß Time Enough at Last als Fan der Serie natürlich durchaus zu schätzen, doch möchte ich nur vier von fünf möglichen Punkten vergeben, da ich dieser Episode aufgrund ihrer Einfachheit über die Zeit hinweg doch etwas überdrüssig geworden bin. Darum meine eher verhaltene Wertung - Neulingen der Serie möchte ich diesen legendären Klassiker aber trotzdem ans Herz legen.


Episodenwertung: ****/5

The Twilight Blog #7 - Frust und Lust im Asteoritenknast

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 7
The Lonely (dt.: Gefangen in der Einsamkeit)
B.: Rod Serling
R.: Jack Smight
US-Erstausstrahlung: 13. November 1959 (BRD: keine TV-Ausstrahlung)


Die Story: James A. Corry (Jack Warden) muss wohl für eine besonders schwere Untat büßen, hat man ihn doch gleich für ein halbes Jahrhundert allein auf einem Asteroiden ausgesetzt. Hin und wieder bringt ein Versorgungsraumschiff unter der Leitung des freundlichen Captain Allenby (John Dehner) dem Häftling das Nötigste und eines Tages sogar einen weiblichen Roboter (Jean Marsh), um Corry vor dem drohenden Wahnsinn zu bewahren. Was Allenby jedoch nicht ahnt: Die Illusion einer menschlichen Partnerin kann ganz neue Probleme aufwerfen!


Das Zwielicht durchbrochen: Vollkommen allein gelassen kann der Mensch schnell an seine geistigen Grenzen gelangen - zu dieser Erkenntnis kam bereits die allererste Episode der Twilight Zone mit dem bezeichnenden Titel Where Is Everybody?, und zu dieser Einsicht gelangt auch die hier besprochene siebte Folge der ersten Staffel. Tatsächlich wurde diese Episode direkt nach dem Pilotfilm abgedreht und wohl aufgrund der inhaltlichen Gleichheit erst einige Folgen später ausgestrahlt.
Leider muss ich aber sowohl The Lonely wie auch schon der Pilotfolge zuvor eine etwas unschöne Alterung bescheinigen. The Lonely wurde, was die Außenaufnahmen betrifft, strapaziös im Death-Valley-Nationalpark gedreht und die Mojavewüste soll auch diesmal ihren Gästen nichts geschenkt haben. Leider liegt hier aber auch einer der Schwachpunkte der Episode: Neben Sand und Steinen oder dem spartanischen Inneren von Corrys Wellblechhütte gibt es ausser den Darstellern keine weiteren Schauwerte, was umso mehr ins Gewicht fällt, ist die Story von The Lonely doch in Teilen noch um einiges vorhersehbarer als die von Where Is Everybody? und wirkt insgesamt ein wenig unspektakulär.
Trotzdem ist es schön Charakterkopf Jack Warden (*1920; †2006) jede Szene an sich reißen zu sehen, da hat auch die schöne Jean Marsh (die hier etwas Yvonne De Carlo ähnelt) nur wenige Chancen einmal glänzen zu können.
Erstaunlicherweise wurde diese Folge nie im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, ein Schicksal, welches sie mit der gesamten vierten Staffel und einigen weiteren, späteren Episoden teilt.


Episodenbewertung: ***/5

Montag, 4. August 2014

The Twilight Blog #6 - Alle Schlupflöcher gut verstopft...

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 6
Escape Clause (dt.: Die Rücktrittsklausel)
B.: Rod Serling
R.: Mitchell Leisen
US-Erstaustrahlung: 06. November 1959 (BRD: 09.02.1996)


Die Story: Der leidenschaftliche Hypochonder Walter (David Wayne) erbittet in einem Anflug von tiefer Larmoyanz bei seinem Schöpfer das Geschenk der Unsterblichkeit. Als ihm ausgerechnet der diabolische Herr Cadwallader (Thomas Gomez) einen teuflischen Vertrag anbietet, bedenkt Walter leider nicht alle Eventualitäten...


Das Zwielicht durchbrochen: Mit Folge Numero 6 gelangt endlich das Element der makabren Pointe in die Twilight Zone.
Wie in The Sixteen-Millimeter Shrine ist die Hauptperson nur wenig sympathisch und mit einem starken Hang zum Größenwahn gesegnet. Wo Ida Lupino jedoch noch Rückzug in ihre alten Filme nehmen konnte, bleibt Walter Bedeker nichts anderes übrig, als sein eigenes Ende zu akzeptieren. Sicher erscheint dieser Twist moralisch akzeptabel (wir reden hier immerhin von einem Deal mit dem Deibel persönlich - das kann ja gar nicht gut enden...), doch hatte man gerade nach dem sehr versöhnlichen Schluss der vorangegangen Episode Walking Distance wohl doch noch auf ein Happy End gehofft...
Pustekuchen! Serling benutzt das komödiantische Talent seines Hauptdarstellers David Wayne (*1914; †1995), der hierzulande einigen wohl lediglich aus The Andromeda Strain (USA 1971 R.: Robert Wise dt.: Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All) bekannt sein dürfte, um einerseits beim Zuschauer Sympathien für den von Wayne verkörperten Schuft zu wecken und so andererseits der zynischen Schlusspointe noch mehr Schlagkraft verleihen zu können.
Insgesamt ist Escape Clause somit ein erster, gelungener Vorstoß in die etwas garstigeren Gefilde der Twilight Zone, in die wir uns schon bald erneut in diesem Blog begeben werden.



Episodenbewertung: ****/5

Donnerstag, 31. Juli 2014

The Twilight Blog #5 - Wege in eine bessere Vergangenheit

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 5
Walking Distance (dt.: Vielleicht in einer Sommernacht)
B.: Rod Serling
R.: Robert Stevens
US-Erstaustrahlung: 30. Oktober 1959 (BRD: 02.02.1996)


Die Story: Durch Zufall an einer Tankstelle nahe seiner Heimatstadt angelangt, beschließt der vom Leben ermattete Geschäftsmann Martin Sloane (Gig Young) dieser einen Besuch abzustatten. Was Martin Sloane nicht ahnt: Ein kurzer Fußmarsch wird zur Reise in seine eigene Vergangenheit.


Das Zwielicht durchbrochen: Nach nur fünf Folgen kommt es nun zur ersten Vergabe der Höchstpunktzahl. Walking Distance ist aber nicht allein eine meiner ganz persönlichen Lieblingsepisoden, sie fand auch Aufnahme auf einer kürzlich zum 55. Geburtstag in den USA veröffentlichten Doppel-DVD-Edition mit dem bezeichnenden Titel The Twilight Zone - Essential Episodes.
Wie auch in fast allen der vier vorangegangenen Folgen ist der Ton stark sentimental und nostalgisch geprägt, ja, man kann sogar sagen, dass dieser Trend in Walking Distance seinen Höhepunkt erreicht, bevor man sich danach (endlich) auch anderen Themen zuwendete. Insoweit ist Walking Distance der filmgewordene Beweis dafür, dass Serling nach fünf Storys nun seinen eigenen Stil perfektioniert hatte und es auch eigentlich längst nicht mehr nötig hatte die Ideen anderer zu plagiieren (wie direkt zuvor noch in The Sixteen-Millimeter Shrine).
Serlings Geschichte ist eine wunderbar melancholische Warnung für all jene unter uns, die lieber in der eigenen Vergangenheit als in der Gegenwart leben würden, und zeigt elegant wie man ein recht schweres Thema in nur fünfundzwanzig Minuten Laufzeit gekonnt auf den Punkt bringen kann.
Der später für seine Rolle in They Shoot Horses, Don't They? (USA 1969 R.: Sydney Pollack dt.: Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß) mit dem Oscar ausgezeichnete Gig Young (*1913; †1978) verkörpert den disillusionierten Businessmann perfekt und sein späteres, persönliches Schicksal (Young, 1978 schon lange von Trunksucht und Depressionen heimgesucht, tötete sich und seine vierunddreißig Jahre jüngere, fünfte Gattin nach dreiwöchentlicher Ehe mit einer Schusswaffe) verstärkt heute im Rückblick nur noch mehr den tragischen Ton der Geschichte.
In einer Kinderrolle ist ein damals fünfjährige Ron Howard zu sehen, der heute große Erfolge als Regisseur, Produzent und hin und wieder immer noch als Gelegenheitsschauspieler feiert.


Episodenbewertung: *****/5

Montag, 28. Juli 2014

Wenn alles in Trümmern liegt...

Threads
GB/AUS/USA 1984
R.: Mick Jackson


Worum geht's?: Großbritannien - Mitte der 80er Jahre.
Ruth (Karen Meagher) und Jimmy (Reece Dinsdale) sind ein junges Liebespaar im nordenglischen Sheffield, deren Leben sich zu ändern beginnt, als Ruth sehr zum Unmut ihrer Eltern von Jimmy plötzlich schwanger wird und die beiden heiraten wollen.
Während Jimmy auf Wohnungssuche geht, gerät jedoch in Vorderasien langsam der Weltfrieden aus den Fugen, denn ein Konflikt der USA mit sowjetischen Streitkräften im Iran bestimmt die Nachrichten. Zwar ist die Bevölkerung verunsichert, doch geht das Leben in Nordengland für den Großteil der Leute schlicht weiter, während nur wenige Personen wie der Bürgermeister ihre Notfallpläne aus der Schublade kramen.
Als jedoch ein US-Ultimatum gegenüber den Sowjets abläuft, der Konflikt vollends zu eskalieren scheint und letztendlich der Notstand ausgerufen wird, kommt es schnell zu Unruhen und Streiks.
Bald werden Tankstellen geschlossen, Krankenhäuser geräumt und Kunstwerke aus den Museen entfernt, während die Ordnungskräfte schonmal prophylaktisch "Subversive" verhaften.
Am 26. Mai kommt es schließlich zum nuklearen Kräftemessen, was beide Seiten nur gleichermaßen verlieren können. Die Folgen sind verheerend und kommen praktisch einer andauernden Apokalypse gleich.
Schwanger und unter andauerndem Schock wandert Ruth durch die Trümmer ihrer Stadt, auf der Suche nach ihrem Jimmy, während der Bürgermeister, eingeschlossen in seinem unterirdischen Bunker, mit seinem Krisenstab versucht den Schäden auch nur im kleinsten Ansatz Herr zu werden.


Wie fand ich's?: Zum Thema Atomkrieg gibt es drei (TV-)Filme, welche das Thema ebenso realistisch wie schockierend abbilden. Zum einen den sehr bekannten, amerikanischen The Day After (USA 1983 R.: Nicholas Meyer dt.: Der Tag danach), dann den frühen, britischen The War Game (GB 1965 R.: Peter Watkins dt.: Kriegsspiel) und in der Popularität zuletzt wohl den hier besprochenen, ebenfalls britischen Threads. Während The Day After sich von allen drei Beispielen am stärksten um einen klassischen Erzählstil bemüht, ist der 1967 als bester Dokumentarfilm oscarprämierte The War Game mit seinen 48 Minuten der deutlich kürzeste Beitrag, welcher ebenso wie Threads schnell einen mehr dokumentarischen Ton anschlägt.
In der Darstellung der Folgen eines Atomkriegs auf die Bevölkerung der betroffenen Staaten, schenken sich die drei Filme nur wenig, aber man kann Threads meines Erachtens die größte (wichtige) Schockwirkung zusprechen. So zeigt dieser Film eindringlich, wie der bisherige Alltag und Lebensstil von einer Sekunde auf die nächste vollkommen zu existieren aufhört und durch eine endlose Serie von Tod, Schmerz und Entbehrung ersetzt wird. Wo The Day After nur einige Wochen nach den Nuklearschlägen bereits endet, zeigt Regisseur Mick Jackson zudem die Auswirkungen dieser gar über Jahre und Generationen, und verdeutlich überaus schockierend, was es heißt, praktisch direkt ins Mittelalter zurückgebombt zu werden. Dieser Umstand und die vollkommen ungeschönten Bilder verleihen Threads eine Schlagkraft, welche seine Zuschauer erzittern lässt und wohl große Teile direkt zum Pazifismus bekehrt.
Das man sich hier nicht nur auf Mutmaßungen verließ zeigt die lange Liste von wissenschaftlichen Beratern im Abspann, unter denen sich auch der bekannte amerikanische Gelehrte und Schriftsteller Carl Sagan befindet.
Als positive Nebenwirkung erfuhr der aufgrund seiner (auch politischen) Wirkung zunächst von der BBC zurückgehaltene The War Game mit der Ausstrahlung von Threads ganze zwanzig Jahre nach seiner Entstehung eine erneute, breitere Veröffentlichung.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Filme, die man (gottseidank) auch dem Genre der Science-Fiction zurechnen kann, bei den richtigen Leuten einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Mich haben sie jedenfalls direkt ins Mark getroffen!


Fazit: Ebenso verstörend, wie Augen öffnend. Ein wichtiger Film über ein leider immer noch aktuelles Thema.


Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten

Donnerstag, 24. Juli 2014

The Twilight Blog #4 - Stars zum vergessen

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 4
The Sixteen-Millimeter Shrine (dt.: 16 mm Traumwelt)
B.: Rod Serling
R.: Mitchell Leisen
US-Erstausstrahlung: 23.10.1959 (BRD: 26.01.1996)


Die Story: Die Glanzzeiten der Hollywooddiva Barbara Trenton (Ida Lupino) sind schon lang vorbei, ihr Ruhm ist längst verblasst. Ihre Zeit verbringt sie mit dem Anschauen ihrer alten Filme, ihre einzigen Kontakte zur Außenwelt sind das Hausmädchen und ihr Agent Danny Weiss (Martin Balsam), welche jedoch auch nicht den vergessenen Star vom ultimativen Rückzug ins Reich der Erinnerungen abhalten können.


Das Zwielicht durchbrochen: Seufz. Ich würde diese Episode wirklich gern besser besprechen, doch leider ist sie für mich der erste wahre Tiefpunkt der Serie, welche jedoch (soviel sei hier vorweg verraten) schon mit der nächsten Episode einen wahren, ersten Klassiker bietet.
Ida Lupino, eine der großen Damen des Film Noir, stand während ihrer Karriere des Öfteren nicht nur vor, sondern als Regisseurin auch mehrfach hinter der Kamera und so sollte auch ihr der Ruhm zuteilwerden, die einzige Person zu sein, welche nicht nur in einer Episode der Twilight Zone als Darsteller mitwirkte, sondern auch die Regie bei einer anderen übernahm. Dies sollte zwar erst zum Ende der Serie bei der 25. Episode der fünften Staffel mit dem Titel The Masks der Fall sein, doch sollte diese dafür inhaltlich um einiges spannender sein, als diese trotz ihrer Laufzeit von nur 25 Minuten immer noch langatmige Version von Wilders Meisterwerk Sunset Blvd. (USA 1950 dt.: Boulevard der Dämmerung), welche man um ein recht vorhersehbares, übernatürliches "Überraschungsende" aufgewertet hat.
Dass ich kein Freund von Remakes bin, mag sich unter den Lesern dieses Blogs bereits herumgesprochen haben, und ich kann mir auch bei The Sixteen-Millimeter Shrine nicht helfen - das riecht verdammt nach Kopie... Ein Vorfall, der innerhalb dieser Serie besonders sonderbar wirkt, kommen wir doch schon bald zu Folgen, welche mehr oder weniger eindeutig spätere Film- und Fernsehproduktionen beeinflusst zu haben scheinen.
Trotz des äußerst schwachen Inhalts stimmt zumindest die handwerkliche Seite. Darstellerisch hingegen würde ich mir wünschen Frau Lupino (*1918; †1995) hätte doch noch ein bisschen mehr bei Gloria Swanson abgekupfert und würde ihrem Affen etwas mehr Zucker geben...
Insgesamt also eine sehr schwache Episode, welche die folgende dafür aber nur umso mehr herausragen lässt. Man darf also gespannt sein!


Episodenbewertung: **/5

Dienstag, 22. Juli 2014

The Twilight Blog #3 - Der Revolverheld und das Schicksal

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 3
Mr. Denton on Doomsday (dt.: Mr. Dentons zweite Chance)
B.: Rod Serling
R.: Allen Reisner
US-Erstausstrahlung: 16.10.1959 (BRD: 19.01.1996)


Die Story: Der Wilde Westen. Al Denton (Dan Duryea) war noch vor Jahren ein bekannter Revolverheld; heute hat der Dämon Alkohol von ihm vollends Besitz genommen. Doch nun ist das personifizierte Schicksal in Form des reisenden Händlers Henry J. Fate (Malcolm Atterbury) in die Stadt gekommen und gewährt Mr. Denton eine letzte Chance.


Das Zwielicht durchbrochen: Willkommen zur ersten Episode der Twilight Zone, die nicht in der Gegenwart (also Ende der 50er Jahre) spielt, sondern die Handlung stattdessen in die staubigen Zeiten des Wilden Westens verlegt. Dies sollte im Laufe der Serie noch öfters stattfinden (u. a. in der recht bekannten Folge A Hundred Yards Over the Rim in der nächsten, zweiten Staffel), und dies meist mit einem interessanteren Ergebnis als hier.
Tatsächlich kann ich nicht mal genau sagen, was mir an Mr. Denton on Doomsday missfällt und diese Episode in die Mitte meiner Wertungsskala rücken lässt. Die Inszenierung ist durchaus als sehr solide zu bezeichnen, ebenso die darstellerischen Leistungen. Besonders hinweisen möchte ich hier auf einen jungen Martin Landau in einer Rolle als unsympathischen Rüpel und auf einen Auftritt Doug McClures, der nicht nur der kultigen Figur des Troy McClure in der Serie The Simpsons ihren Nachnamen gab, sondern auch dessen Äußeres mitprägte.
Was ist es also, was mir an dieser Folge nicht so recht gefällt? Vielleicht ist es die bis zu ihrem finalen Plottwist doch vollkommen vorhersehbare Story. Vielleicht ist es auch Malcolm Atterbury, der mich in der Rolle des fleischgewordenen Schicksals einfach nicht genug beeindrucken kann.
In der Tat reden verschiedene Quellen davon, dass Serlings Drehbuch ursprünglich klarer als Komödie konzipiert war und die Hauptfigur in dieser Version ein schwächlicher Schullehrer gewesen sein soll. Ob dies der eher schwachen Story besser getan hätte, lasse ich hier einmal dahingestellt.
Egal, Mr. Denton on Doomsday ist sicher keine schlechte Episode und stellt lediglich einen (ersten) leichten Tiefpunkt innerhalb einer bald schon beginnenden Serie von allesamt sehr imposanten Folgen dar. Allerdings müssen wir um zu diesen zu gelangen erst noch an der nächsten Episode vorbei...
Mr. Denton on Doomsday wurde am 16. Oktober 1959 in den USA erstausgestrahlt. Die deutsche Fernseherstauswertung geschah am 19. Januar 1996 durch TV München. Dies ist außerdem eine von insgesamt nur drei Episoden, welche einen nachträglich abgeänderten Titelvorspann mit einem großen, geschminkten, weiblichen Auge aufweisen.


Episodenbewertung: ***/5

Montag, 21. Juli 2014

The Twilight Blog #2 - Zeit zu gehen...

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 2
One for the Angels (dt.: Das Geschäft mit dem Tod)
B.: Rod Serling
R.: Robert Parrish
US-Erstausstrahlung: 09.10.1959 (BRD: 13.11.1991)


Die Story: Sommer. Die Gegenwart. Der nette Straßenhändler Lou Bookman (Ed Wynn) bekommt einen unangenehmen neuen Kunden: den Tod (Murray Hamilton)!


Das Zwililicht durchbrochen: Bereits die zweite Folge der Serie stellt einen ersten, kleineren Höhepunkt dar, stimmen hier doch Story, Inszenierung und Schauspielleistung bereits auf hohem Niveau überein.
Das von Serling selbst verfasste Drehbuch ist zugleich komisch, tragisch, spannend und zuletzt wunderbar sentimental und Regisseur Robert Parrish (der auch neben anderen an der bizarren Bondparodie Casino Royale aus dem Jahr 1967 mitgearbeitet hatte) liefert wundervolle Bilder von den stimmungsvollen (MGM-)Studiosets.
Ed Wynn (*1886; †1966) stellt sich als wahre Traumbesetzung für die Rolle des kinderlieben Straßenhändlers heraus und Murray Hamilton schafft gar das Kunststück, seiner zunächst bürokratisch-bedrohlichen Figur doch noch eine menschlich-sympathische Nuance zu verleihen.
Bereits in One for the Angels wird Serlings philanthropische, wenn nicht gar christlich-karitative Weltsicht stark deutlich, der Hauptcharakter ist ein umgänglicher Kinderfreund, der bereit ist für das durch ihn aus rein menschlichem Handeln entstandene Dilemma, unverzüglich Konsequenzen zu ziehen. Zwar erscheint mir die Lösung etwas zu einfach (was mich auch letztendlich zu meiner verhaltenen Schlussbewertung bewog), doch gelingt hier bereits ein ansonsten vollkommen rundes Einzelteil einer Serie, die damit bereits früh zu Topform aufläuft.
One for the Angels wurde am 9. Oktober 1959 von CBS in den USA ausgestrahlt; hierzulande musste man sich bis zum 13. November 1991 gedulden, bis Pro7 sie als erste Episode einer neuen Reihe von Unwahrscheinlichen Geschichten endlich auch einem deutschen Publikum zeigte.


Episodenbewertung: ****/5

Sonntag, 20. Juli 2014

The Twilight Blog #1 - So allein...

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 1
Where is Everybody? (dt.: Die leere Stadt)
Buch: Rod Serling
R.: Robert Stevens 
US-Erstausstrahlung: 02.10.1959 (BRD: 25.10.1961 in der ARD)


Die Story: Ein junger Mann (Earl Holliman) findet sich unvermittelt in einer vollkommen verlassenen, staubigen US-Kleinstadt wieder. Kann er einen Weg aus diesem Albtraum finden?



Das Zwielicht durchbrochen: Dieser Pilotfilm war nicht ursprünglich als solcher vorgesehen, sollte doch eigentlich zunächst an seiner Stelle ein Script namens The Time Element (USA 1958 R.: Allen Reisner) benutzt werden, mit dem Serling bereits einige Zeit hausieren war. Dieses Drehbuch sah bereits einige Trademarks der später realisierten Twilight Zone vor, wurde jedoch nach dem Kauf vom Sender CBS erst einmal zur Seite gelegt und am 24. November 1958 schließlich als sechste Folge der Reihe Westinghouse Desilu Playhouse (USA 1958-1960) ausgestrahlt, etwa ein Jahr bevor Serlings eigene Serie The Twilight Zone mit Where is Everybody? doch noch auf Sendung gehen durfte, ein Umstand den er nicht zuletzt auch der Qualität seines Drehbuchs zu The Time Element zu verdanken hatte, in welchem es ein Psychiater (Martin Balsam) mit einem scheinbar in der Zeit gefangenen Patienten (William Bendix) zu tun bekommt.
Neben dem Script zu The Time Element hatte Serling noch eine weitere seiner eigenen Storys als möglichen Serienauftakt vorgesehen. Diese hatte den Titel The Happy Place und sollte eine Dystopie im Mittelpunkt haben, in der jede Person in einem Alter von über 60 Jahren im allgemeinen Interesse der Gesellschaft getötet wird. Diese interessante Idee wurde vom Sender jedoch als zu düster abgetan, was man vielleicht später mit Blick auf den Erfolg des ähnlich gelagerten Logan's Run (USA 1976 R.: Michael Anderson dt.: Flucht ins 23. Jahrhundert) als großen Fehler ansehen durfte.
Stattdessen entschied man sich also am 2. Oktober 1959 Where is Everybody? über die Mattscheiben flimmern zu lassen, ein Pilotfilm, dessen finale Auflösung meines Erachtens stärker ist, als die simple und etwas langatmig erzählte Handlung zu Beginn des Films. In dieser läuft der in Deutschland nicht allzu bekannte Earl Holliman durch eine verlassene US-Kleinstadt, während er zunehmend mit Paranoia und Einsamkeit zu kämpfen hat. Holliman (*1928), der in seiner langen Karriere hauptsächlich in Nebenrolle glänzen durfte, gelingt das Kunststück, durch sein Spiel allein das Publikum bei der Stange zu halten, bis der obligatorische (und heute vielleicht technisch obsolete) Plottwist die Zuschauer zum Schluss immer noch zu überraschen weiß. Hier kommt bereits Serlings Hang zum Sentimentalen zu Vorschein, eine Tendenz, welche sich noch wesentlich stärker in Folgen wie Walking Distance (Staffel 1, Episode 5 dt.: Vielleicht in einer Sommernacht) zeigen sollte.
Diese erste Folge der Twilight Zone wurde im deutschen Fernsehen erstmals am 25. Oktober 1961 unter dem Titel Unglaubliche Geschichten in der ARD ausgestrahlt. Es blieb die einzige Episode, die auf diesem Sender gezeigt werden sollte. Erst sechs Jahre später sollten neue Folgen im ZDF laufen. Doch dazu bald mehr...



Episodenbewertung: ***/5

Samstag, 19. Juli 2014

The Twilight Blog #0 - Die bloßen Fakten...

The Twilight Zone (Unwahrscheinliche Geschichten / Unglaubliche Geschichten / Geschichten, die nicht zu erklären sind)
USA 1959 bis 1964 (Sechs Staffeln, insg. 156 Episoden)
erdacht und produziert von Rod Serling
diverse Regisseure


Die vom sechsmaligen Emmypreisträger Rod Serling (*1924; †1975) erschaffene Serie The Twilight Zone stellt für mich ein zeitlos schönes Stück US-Fernsehen da, welches vollkommen zu Recht über die Jahrzehnte zu einem internationalen Kultphänomen wurde.
Dies liegt zum einen an den überaus liebevollen Inszenierungen der einzelnen Episoden, zum anderen an den wirklich gelungenen Drehbüchern (über die Hälfte davon stammten von Serling selbst), welche teilweise bereits wahre Klassiker ihres Genres darstellen und von Größen wie u. a. Ray Bradbury oder Richard Matheson verfasst wurden. Die Themen reichen dabei mitunter vom düsteren Mysterythriller bis zur leichtfüßigen Science-Fiction, vom psychologisch abgründigen, urbanen Horror hin zur Dystopie in postapokalyptischer Einöde. Ist der Ton mancher Folgen sentimental bis melancholisch, so enden andere Episoden manchmal mit satirisch, ironischen Pointen, teilweise sogar mit stark makabren Untertönen.
Daneben gibt es innerhalb fast jeder Episode ein oder zwei bekannte Gesichter aus Hollywood wiederzuerkennen, was Filmfans ein ständiges "Ach, sieh mal..." entringen dürfte. Namedropping gefällig? Freuen Sie sich auf James Coburn, Jack Klugman, Peter Falk, Buster Keaton, Charles Bronson, Dennis Hopper oder William Shatner, um nur einige sehr Wenige zu nennen.


Insgesamt brachte es die Serie im Zeitraum von 1959 bis 1964 auf 156 Folgen in fünf Staffeln. Die Laufzeit der einzelnen Episoden betrug netto (also ohne TV-Werbeblöcke) in der Regel ca. 24 Minuten, eine Ausnahme bildete hier die vierte Season, deren Folgen etwa doppelt so lang waren.
Nach dem (in seiner Gestaltung schon in den einzelnen Staffeln öfters wechselnden) Vorspann, führte Rod Serling mit einem kurzen Text in die jeweilige Episode ein und moderierte auf gleiche Art am Ende der Folge diese ebenfalls kurz ab. Diese Idee wurde ebenso zum Markenzeichen der Serie, wie die ab der zweiten Staffel erklingende, berühmte Titelmelodie der Serie, welche vom französischen Komponisten Marius Constant geschrieben wurde.
Serling und die von ihm geschaffene Serie wurde bereits in den frühen 60ern für zahlreiche Preise nominiert, wovon man auch eine ganze Reihe verliehen bekam, darunter einige Emmys (der bedeutendste Fernsehpreis der USA) und zwei Hugo Awards for Best Dramatic Presentation (einer der wichtigsten Preise für Science-Fiction und Fantasy in Kino und TV).
Welchen Einfluss The Twilight Zone bis heute auf Fernsehen und Popkultur hat, zeigt sich zum einen an Serien wie The Outer Limits (USA 1963-1965) oder Beyond Belief: Fact or Fiction (USA 1997-2002 dt.: X-Factor - Das Unfassbare), welche Inhalte und den Anthologiefilmcharakter des Vorbilds übernahmen, zum anderen an den zahlreichen Zitaten, Persiflagen und Hommagen, welche über die Zeit u. a. in populären TV-Serien wie The Simpsons (USA 1989-) oder auch in Literatur, Comics und Musik Einzug hielten.
 

Eine gute Idee ist meist nur schwer totzukriegen, und so stieg auch The Twilight Zone bislang ganze zwei weitere Male wie der Phönix aus der Asche auf: erstmals zehn Jahre nach Serlings Tod von 1985 bis 1989; dann erneut von 2002 bis 2003.
1983 entstand außerdem unter dem Titel Twilight Zone: The Movie (USA 1983 dt.: Unheimliche Schattenlichter) ein recht kontrovers aufgenommener Kinofilm, bei dem sich die Herren Dante, Miller, Spielberg und Landis gemeinsam als Regisseure betätigten und bei dessen Dreharbeiten es zu einem tragischen Unfall kam, der drei Menschenleben kostete.
1994 erschien mit Twilight Zone: Rod Serling's Lost Classics (USA 1994 R.: Robert Markowitz dt.: Schrecken aus dem Jenseits) zusätzlich ein Fernsehfilm, der zwei zuvor unverfilmte Ideen Serlings mit wenig Erfolg auf die Mattscheibe brachte.
In wieweit ich auf all diese Ableger der Originalserie im Verlauf dieses Blogspecials eingehe, kann ich zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen - Fakt ist jedoch, dass es nun endlich nach und nach mit den Episoden der ersten Staffel losgeht.
Viel Spaß!
That's the signpost up ahead - your next stop, The Twilight Zone!

Freitag, 11. Juli 2014






In Kürze:

Es gibt eine fünfte Dimension jenseits dieses Blogs – einen Blog, so gewaltig wie der Weltraum und so zeitlos wie die Ewigkeit. Er ist das Zwischenreich, wo Licht in Schatten übergeht, Wissenschaft auf Aberglaube trifft. Er liegt zwischen den Fallgruben unserer Furcht und den lichten Gipfeln unseres Wissens. Dies ist der Blog der Fantasie, das Reich der Dämmerung – 
Der Twilight Blog.


Sonntag, 6. Juli 2014

Wenig Blut im schönen Leib

Et mourir de plaisir (...und vor Lust zu sterben)
F/I 1960
R.: Roger Vadim


Worum geht's?: Ein Anwesen in der Nähe von Rom.
Der Adlige Leopoldo De Karnstein (Mel Ferrer) schmeißt zu Ehren seiner Verlobten, Georgia (Elsa Martinelli), ein Fest, bei dem auch ein Feuerwerk über und auf dem alten Friedhof des großflächigen Anwesens stattfindet.
Mit dabei: Carmilla (Annette Stroyberg), die Cousine des Hausherrn, welche nicht nur ihren Cousin insgeheim anhimmelt, sondern auch verblüffende Ähnlichkeit mit der Darstellung einer Vorfahrin auf einem Gemälde im Herrenhaus der De Karnsteins aufweist. Diese Ahnin, mit dem seltsam bekannt klingenden Namen Millarca, ist der Sage nach in einem geheimen Grab auf dem nahen Knochenhügel begraben worden und soll eine Vampirin gewesen sein, die auch ihre eigene Sippe heimgesucht hat.
Als durch das Feuerwerk ausgelöst einige Minen aus dem letzten Krieg unter dem Friedhof in die Luft gehen, findet Carmilla dort tatsächlich des Nachts wie in Trance eine lange verborgene Gruft mit einem verschlossenen Steinsarkophag, der den Namen Millarcas trägt.
Von nun an zeigt sich Carmilla recht verändert, Tiere haben Angst vor ihr und ein junges Mädchen, dem sie am Abend begegnete, wird am nächsten Morgen mit Bisswunden am Hals tot aufgefunden.
Doch ist Carmilla tatsächlich von der Blutsaugerin aus dem Grab besessen, oder tritt hier nur der Wahn einer emotional gepeinigten Frau zutage?


Wie fand ich's?: Mit Et Dieu... créa la femme (F 1956 dt.: ...und immer lockt das Weib) hatte Roger Vadim vier Jahre zuvor seine damalige Gattin Brigitte Bardot zur Sexikone gemacht.
Doch leider hielt die kinderlose Ehe nur kurz (von 1952 bis 1957) und Vadim musste sich nach einer neuen Ehefrau und Muse umsehen. Ersatz fand er in der dänischen Schönheit Annette Stroyberg (*1936; †2005), welche erstmals für Vadim in Les liaisons dangereuses (I/F 1959 dt.: Gefährliche Liebschaften) vor der Kamera stand, jedoch im großartigen Cast des Films (u. a. Jeanne Morau und Jean-Louis Trintignant) etwas unterging.
Zunächst gescheitert im Versuch, seine neue Gattin ebenfalls bei erster Gelegenheit in den Olymp der Filmschönheiten zu befördern, musste ein Stoff her, der genug Möglichkeiten schaffen sollte, die junge Aktrice ebenso sexy wie anspruchsvoll agierend abzubilden.
In der Novelle Carmilla des Iren Sheridan Le Fanu, einem Klassiker der Gruselliteratur und Vorläufer von Bram Stokers Dracula, schien man ein geeignetes Motiv gefunden zu haben. Ein lesbischer Vampir sucht ein junges Mädchen vor aufwendiger Kulisse heim, was wollte man mehr?
In der Tat lieferte dann auch Vadims Kameramann Claude Renoir großartige Bilder ab (man bestaune das nächtliche Feuerwerk über dem Gottesacker in feinstem Technicolor oder die künstlichen Schwarz-Weiß-Traumszenen, in denen plötzlich blutrote Details auftauchen) und Frau Stroyberg glich der Bardot dank ähnlicher Frisur fast wortwörtlich bis aufs Haar; nur leider wirkt der Film auf mich ebenso blutleer wie andere Werke Vadims.
Wer Vadims Segment Metzengerstein aus dem acht Jahre später entstandenen Episodenfilm Histoires extraordinaires (F/I 1968 R.: Vadim/Louis Malle/Federico Fellini dt.: Außergewöhnliche Geschichten) kennt, weiß, wovon ich spreche. Hier wie dort lag der Hauptgesichtspunkt mehr auf den hübschen Bildern als auf der Geschichte, hier wie dort kommt keinerlei Spannung auf, egal ob man Frau Stroyberg oder deren Nachfolgerin Jane Fonda (Ehe mit Vadim von 1965 bis 1973, eine Tochter) zuschaut. Apropos Jane Fonda: Vadims Kultfilm Barbarella (F/I 1968) machte diese wirklich übernacht zum Star (ebenso wie zuvor die B.B., welche im o. g. Histoires extraordinaires statt in Vadims Episode in der seines Kollegen Louis Malle zu sehen ist), ein Vorzug, welcher der heute in Vergessenheit geratenen Annette Stroyberg versagt blieb.
Gerüchte besagen zudem, dass die Rolle des Grafen de Karnstein ursprünglich von Christopher Lee statt von Mel Ferrer gespielt werden sollte; was sicher ein guter Versuch gewesen wäre auf den Erfolg des Hammer Dracula (GB 1958) von Terence Fisher aufzuspringen, zumal Lee 1964 in der italienisch-spanischen Coproduktion La crypta e l'incubo (I/E 1964 R.: Camillo Mastrocinque dt.: Ein Toter hing am Glockenseil) den Grafen Ludwig Karnstein zum Besten gab. Tatsächlich sollte sich dieser Film wesentlich mehr als Vadims an der starken literarischen Vorlage orientieren, ebenso wie die erste von drei Hammer Produktionen (der sogenannten Karnstein-Trilogie) The Vampire Lovers (GB/USA 1970 dt.: Gruft der Vampire) von Roy Ward Baker mit Ingrid Pitt in der Rolle der Vampirin, doch sollten die beiden weiteren Teile dieser Trilogie Jimmy Sangsters Lust for a Vampire (GB 1971 dt.: Nur Vampire küssen blutig) und John Houghs Twins of Evil (GB 1971 dt.: Draculas Hexenjagd) erneut wieder weiter davon abrücken.
Et mourir de plaisir kommt wesentlich zurückhaltender und ich möchte fast sagen französischer daher. Vadims Film ist zum einen klar auf seine visuellen Werte ausgerichtet, erscheint andererseits aber hin und wieder etwas zu geschwätzig und dialoglastig für sein Sujet. Zwar kommt man im letzten Akt was Tempo und Spannung betrifft noch einmal in Fahrt, doch überwog bei mir der Eindruck einer langatmigen Mitte, welche etwas mehr Drive und Spannung benötigt hätte.
Auch wird mir in Vadims Adaption das Motiv des lesbischen Vampirs zu stark an den Rand gekehrt, ist dieses Element doch selbst in der Novelle von 1872 nur wenig verschlüsselt und wird in praktisch allen anderen Filmversionen zumeist als ausgefallenes Hauptelement der Handlung benutzt und als (vermeintliches) Alleinstellungsmerkmal innerhalb des Vampirfilm Subgenres beworben.
Insgesamt ist Et mourir de plaisir ein schöner Bilderreigen in den wundervoll prallen Farben des Technicolor, in der sich aber der Regisseur leider nur selten traut mal so richtig auf den Busch zu klopfen.
Wer eine gediegene, romantische Abwechslung zum britischen Horrorfilm dieser Zeit sucht, mag hier aber durchaus richtig sein.
Die deutsche DVD (Filmclub Edition #11) kommt mit einem fantastischen Bild daher, weißt jedoch auch eine nicht geringe Zahl von fehlenden Frames auf. Zudem wird die Laufzeit auf dem Backcover mit ca. 85 Minuten angegeben, der Film läuft aber real nur 79:03 Minuten.
Interessanterweise scheint es außerdem einige Unterschiede zwischen der (auf der Filmclub DVD enthaltenen) europäischen Fassung des Films und der im englischsprachigen Raum unter dem Titel Blood and Roses vertriebenen Fassung zu geben - die IMDb spricht zusammen mit anderen Quellen sogar von einer Laufzeit von 87 Minuten. Leider war es mir zurzeit nicht möglich diesem Umstand genauer nachzugehen, da mir nur die europäische Schnittfassung vorliegt.


Fazit: Schön anzusehen, aber irgendwie nicht recht befriedigend. Trotzdem für Genrefans sicher durchaus interessant.



Punktewertung: 6 von 10 Punkten