Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 30. März 2014

Karten auf den Tisch

A Big Hand for the Little Lady (Höchster Einsatz in Laredo)
USA 1966
R.: Fielder Cook





Worum geht's?: Einmal im Jahr treffen sich die fünf reichsten Männer der Gegend in Laredo, um von der Öffentlichkeit abgeschlossen im Speisezimmer eines Saloons um höchste Einsätze zu pokern.
Nichts kann diese Männer vom Spieltisch fernhalten, weder ein laufendes Gerichtsverfahren noch die Hochzeit der eigenen Tochter.
Da ist der Frauen hassende Bestatter Tropp (Charles Bickford), der abgewichste Rinderbaron Drummond (Jason Robards), der sympathische Rechtsanwalt Otto Habershaw (Kevin McCarthy) sowie der feiste Dennis Wilcox (Robert Middleton) und der zurückhaltende Buford (John Qualen).
Doch dieses Jahr trifft Habershaw in einer Spielpause im Schankraum auf den Durchreisenden Meredith (Henry Fonda), der mit Gattin (Joanne Woodward) und Sohn (Jean-Michel Michenaud) in Laredo haltmacht.
Kaum lässt dessen Gattin beim Dorfschmied ein Wagenrad reparieren, lässt der spielsüchtige Familienvater seine Reiseersparnisse vom Wirt in Chips eintauschen und steigt mit zitternden Händen in die Pokerrunde ein.
Nach einigen verlorenen Spielen glaubt Meredith dann plötzlich das Blatt seines Lebens auf der Hand zu haben - ein Blatt so unschlagbar, dass es ihn wortwörtlich vom Stuhl haut, als seine Mitspieler versuchen ihn mit einem fiesen Trick aus dem Spiel zu halten.
Der Arzt (Burgess Meredith) wird gerufen und als dieser den japsenden Herrn im Nebenzimmer behandelt, muss seine resolute aber im Poker vollkommen ahnungslose Gattin notgedrungen in die Partie einsteigen, um die dringend benötigte Haushaltskasse zu retten.
Doch ist es ein großes Blatt für eine kleine Dame und ihre Mitspieler sind ganz durchtriebene Kerle!



Wie fand ich's?: Eigentlich bin ich ja eher ein Freund des dreckigen Spaghettiwesterns, doch hin und wieder kommt ein US-Western daher, der mich daran erinnert, wo das Genre ursprünglich geboren wurde.
Bei A Big Hand for the Little Lady trifft eine großartige Besetzung auf ein überaus gelungenes Drehbuch, dessen letzten Dreh man vielleicht schon von Anfang an kommen sieht, was aber durch die Güte des restlichen Films sofort ausgebügelt wird.
Fonda, der sowohl in US- wie auch Spaghettiwestern zu sehen war, glänzt hier zunächst als nervöses Spielerwrack, bis er den Bildmittelpunkt an Joanne Woodward übergibt. Zwei Oscarpreisträger also in den Hauptrollen, daneben ein Cast, der sich ebenfalls sehen lassen kann. Auf Jason Robards sollte Fonda zwei Jahre später wieder ebenfalls sehr gewinnbringend in C'era una volta il West (I/USA 1968 R.: Sergio Leone dt.: Spiel mir das Lied vom Tod) treffen, mit Kevin McCarthy hatte er zwei Jahre zuvor bereits für The Best Man (USA 1964 R.: Franklin J. Schaffer dt.: Der Kandidat) vor der Kamera gestanden.
Regisseur Fielder Cook war in erster Linie fürs US-Fernsehen tätig und sollte eher nebenher auch fürs Kino arbeiten. Auch A Big Hand for the Little Lady war von ihm bereits 1962 im Rahmen der The DuPont Show of the Week unter dem Titel Big Deal in Laredo (USA 1962) mit Walther Matthau als Meredith und Teresa Wright als Mary verfilmt worden. Das Drehbuch für beide Adaptionen stammte aus der Feder von Sidney Carroll, ebenfalls einem lebenslangen TV-Veteranen, der nebenbei obendrein die Drehbücher bzw. Storys zu solch Kinoknallern wie The Hustler (USA 1961 R.: Robert Rossen dt.: Haie der Großstadt) oder Gambit (USA 1966 R.: Ronald Neame dt.: Das Mädchen aus der Cherry-Bar) ablieferte.
So bietet A Big Hand for the Little Lady alles, was man von einer familientauglichen Westernkomödie erwartet. Auf Shootouts auf staubigen Gassen muss der Genrefan zwar verzichten, dafür erwarten den Zuschauer liebenswerte Antihelden, wunderbare Sets und fantastische Dialoge.
Leider harrt diese Preziose noch einer deutschen Veröffentlichung kann aber von Importwilligen mit regionalcodefreiem Equipment aus den US of A für wenig Geld bezogen werden.



Fazit: Die Nummer 117 dieses Blogs wird endlich ein Western - und was für einer! Lustig, dramatisch, toll besetzt und großartig gespielt. Hier kann der Zuschauer nur gewinnen!



Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Samstag, 22. März 2014

Lebloser Vogel auf kaltem Asphalt

Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße / Dead Pigeon On Beethoven Street
BRD 1973
R.: Samuel Fuller


Worum geht's?: Ein Amerikaner namens Johnson wird in der Bonner Beethovenstraße erschossen, der Täter befindet sich daraufhin in Polizeigewahrsam. Da man die Tat mit internationalem Rauschgiftschmuggel in Verbindung bringt, wird der gleichermaßen gewiefte wie leichtlebige Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp) mit der Aufklärung des Falls beauftragt.
Im Leichenschauhaus trifft dieser auf Johnsons Partner, den sympathischen Privatdetektiv Sandy (Glenn Corbet), der Kressin über einen international agierenden Erpresserring in Kenntnis setzt, welche Johnsons und Sandys Auftraggeber, einen aufstrebenden, linken US-Politiker (Samuel Fuller höchstselbst), mit ebenso erotischen wie kompromittierenden Fotos zu hohen, monatlichen Geldzahlungen nötigt.
Gemeinsam macht man sich auf den Weg, den im Krankenhaus befindlichen Mörder Johnsons, Charlie Umlaut (Eric P. Caspar), befragen zu wollen, doch kann dieser kurz zuvor seinen Bewachern entfliehen und schießt auf der Flucht seinem Verfolger Kressin gleich noch eine Kugel in die Schulter.
Nun ans Krankenbett gefesselt, lässt Kressin notgedrungen den findigen Amerikaner allein ihrer einzigen Spur nachgehen, dem Aufenthaltsort einer hübschen Erpresserin (Christa Lang) mit einem erdbeerförmigen Muttermal auf dem schlanken Oberschenkel, das auf den Erpressungsfotos stets gut zu erkennen ist.
Mithilfe eines Fotografen (Hans-Christoph Blumenberg) gelingt es Sandy, sich nach und nach in die Erpresserorganisation einzuschleichen, doch ist deren Kopf Mensur (Anton Diffring) ein kriminelles Mastermind mit vorzüglichen Fechtkenntnissen, dass man nicht so leicht mit einer schlichten Finte hinters Licht führen kann.


Wie fand ich's?: Allein die Figur des Zolloberinspektors Kressin wäre interessant genug ihr einen Blogeintrag zu widmen. In nur sieben Folgen und drei Gastauftritten (von 1971-1973) durfte der Österreicher Sieghardt Rupp als hauptermittelnder Zollfahnder in Deutschland und Umland so manchen Stein umdrehen, stets auf der Suche nach dem von Ivan Desny gespielten, distinguierten Überganoven Sievers, der ihm doch noch immer in letzter Sekunde entrinnen kann. Dieses Element sowie sein leichter Lebenswandel (Alkohol und Zigaretten galore) und der Hang jedem Rock nachzulaufen (in der Debütfolge Kressin und der tote Mann im Fleet [BRD 1971 R.: Peter Beauvais] nistet er sich gleich bei zwei verheirateten, jungen Damen, gespielt von Eva Renzi und Sabine Sinjen, ein), mag an James Bond erinnern, seine antiautoritäre Haltung seinen Vorgesetzten gegenüber und die Bereitschaft auch mal die Fäuste sprechen zu lassen nimmt bereits eine Dekade zuvor die Attitüde von Götz Georges Ruhrpott-Rambo Horst Schimanski vorweg.
Doch bildet die Tatortfolge Tote Taube in der Beethovenstraße eine gravierende Ausnahme in der gesamten Fernsehreihe und ist eher als interessantes Experiment zu sehen.
Für die 25. Folge der Serie, also praktisch zum Jubiläum, holte man sich den Amerikaner Samuel Fuller auf den Regiestuhl, der auch gleich eigenhändig das Drehbuch schrieb. So wurde die Figur Kressins zum Alibicharakter degradiert, der Fullers Script halbherzig mit der Serie verbindet, allerdings tatsächlich nur eine sehr geringe Screentime innehat. Der wirkliche Hauptdarsteller sollte der aus Western bekannte Glenn Corbett (*1933; †1993; eigtl.: Glenn Rothenburg) werden, der Fuller schon sein Kinodebüt in The Crimson Kimono (USA 1959) zu verdanken hatte.
Für den musikalischen Score versicherte man sich der Krautrocklegende Can (im Abspann als The Can gelistet, obwohl die Band den Artikel im Namen bereits einige Zeit zuvor abgelegt hatte).
In der Rolle der Femme fatale Christa ist die zweite Ehefrau Fullers, Christa Lang, zu sehen, welche in mehreren von Fullers Filmen der 80er Jahre mitspielte und auch 1967 in Chabrols Le scandale (s. h. Le scandale) mitwirkte.
Tatsächlich lässt das zynische Ende Tote Taube in der Beethovenstraße starke Bezüge zum Film Noir erkennen, ebenso wie die Figur des Übergangsters Mensur an den Megabösewicht Ernst Stavro Blofeld aus den James Bond Filmen erinnert, besonders wenn dieser in einer Szene eine Videokonferenz mit seinen weltweit agierenden Untertanen abhält. Es wäre interessant zu erfahren, ob sich Fuller hier an der o . g. Figur des snobistischen Bandenchefs Sievers aus den anderen Tatortfolgen mit Kressin orientierte, oder ob diese Figur bereits im Vorhinein von ihm selbst stammte.
Das Publikum reagierte verstört auf Fullers Film. Zu konfus und an den Sehgewohnheiten vorbei soll dieser ausgefallen sein, dabei wirkt die längere Fassung des Regisseurs, welche in den USA auch unter dem Titel Dead Pigeon On Beeehenthoven Street in die Kinos kam, gar noch verspielter und zerfahrener, als die Schnittfassung für das deutsche Fernsehen.
Beide Fassungen leben letztendlich von Fullers sarkastischem, ja, im Ende gar zynischen, Humor, seinem Experimentierwillen und der Bereitschaft eine kohärente Geschichte zugunsten einer gedrückten Atmosphäre zu opfern. So wird ausgerechnet ein rheinischer Karnevalsumzug zum Ort einer gewaltsamen Rache, was sich in der Mache als schwerer als gedacht herausstellte, da Fuller sich den für den Dreh nachgestellten Event umständlich erbetteln musste. Erst eine Spende in Höhe von 5000,- DM erweichte das Herz der Karnevalsgesellschaft "Kuniberts Ritter" und ja, das war damals viel Geld...
Der damalige Misserfolg scheint die Tatortmacher bis heute davon abzuhalten erneut im Ausland nach außergewöhnlichen Regisseuren zu suchen, die der seit über 40 Jahren laufenden Serie neue Impulse, Aspekte und Ideen schenken könnten - was nun wirklich schade ist.


Fazit: Eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung in über 40 Jahren Tatort. Nicht perfekt, aber aufgrund seiner Originalität hoch interessant.


Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Samstag, 15. März 2014

Manche haben sich totgelacht...

Tutti defunti... tranne i morti (Neun Leichen hat die Woche)
I 1977
R.: Pupi Avati


Worum geht's?: Zur Beerdigung des Patriarchen trifft sich eine Gruppe Exzentriker im uralten Familiensitz. Mittendrin: der geschäftstüchtige Hausierer Dante (Carlo Delle Piane), der in der Gegend ein Buch über Legenden der ortsansässigen Familien verhökern möchte.
Komischerweise verguckt sich die junge Ilaria (Francesca Marciano) sofort in den kleinen Schnauzbartträger mit der krummen, gebrochenen Nase, der nun gezwungen wird, sich mit der lumpigen, adligen Bagage abzugeben, unter denen sich auch ein kleinwüchsiges Exwunderkind, ein debiler, krankhafter Mastubierer samt sexy Pflegekraft und ein texanischer Cowboy befinden.
Als sich plötzlich die Leichen neben Vati auf dem Totenbett stapeln, ruft man den abgebrühten Privatschnüffler Martini (Gianni Cavina) zur Hilfe.
Leider verfügen jedoch dessen zwei Deutsche Schäferhunde einzeln bereits über einen höheren IQ als ihr Herrchen und so fallen die illustren Gäste bald einer nach dem anderen dem Killer im schwarzen Cape zum Opfer.


Wie fand ich's?: Pupi Avati mag dem Freund italienischer Filmkost zunächst aufgrund seiner beiden Meisterstücke La casa dalle finestre che ridono (I 1976 dt.: Das Haus der lachenden Fenster) und Zeder (I 1983 dt.: Zeder - Denn Tote kehren wieder) ein Begriff sein.
Tutti defunti... tranne i morte sollte direkt nach dem Erstgenannten entstehen und anders als dessen düsteren und morbiden Ton eine leichtere, heiterere Note anschlagen. So wurde Tutti defunti... zu einer beschwingten Krimikomödie, welche natürlich auch in Ansätzen von den zur gleichen Zeit in Bella Italia sehr erfolgreich laufenden Erotikkomödien beeinflusst wurde. Das zeigt sich in einer ganzen Reihe von frivolen Witzen ebenso wie in der Figur des pathologischen Mastubierers Donald, dessen begehrenswerte Pflegerin seine Probleme nur verstärkt und der sein Ende durch eine bizarre, elektrisch betriebene Anti-Onanie-Maschine findet.
Eine weitere starke Anregung mag die starbesetzte US-Krimikomödie Murder by Death (USA 1976 R.: Robert Moore dt.: Eine Leiche zum Dessert) gewesen sein, welche fast eine Dekade später wohl auch die sich des Cluedo-Franchises bedienende, schöne Krimiposse Clue (USA 1985 R.: Jonathan Lynn dt.: Alle Mörder sind schon da) stark prägte. All diese Filme lassen sich hingegen wiederum auf Paul Lenis Stummfilmmeisterwerk The Cat and the Canary (USA 1927 dt.: Spuk im Schloss) zurückführen. In allen Filmen trifft eine bunte Gruppe von Personen in einem abgelegenen und bald isolierten Landhaus auf einen geheimnisvollen Bösewicht, der über Leichen geht.
Avati addiert zu diesen Elementen zusätzlich die Figur des schwarz gekleideten, vermummten Killers mit Cape und Schlapphut, wie man ihn aus zahlreichen Gialli kennt. Bedient sich dieser bei Bava und Konsorten zumeist einer Kollektion von Hieb- und Stichwaffen, gern auch mal eines Rasiermessers, so erweitert man hier das Arsenal um einen mit scharfer Munition geladenen Föhn, der einem wahrlich das ganze Haupt wegblasen kann!
Alles in allem also eine schöne Abwechslung für Fans des italienischen Krimis, wenngleich der Film hier und da leider auch einige Schwächen aufweist, einige Gags nicht zünden und die Laufzeit von über 100 Minuten schlicht zu lang ist. Zudem ist dies neben I vizi morbosi di una governante (I 1977 R.: Fillipo Walter Ratti int.: Crazy Desires of a Murderer) der zweite Giallo, den ich in letzter Zeit gesehen habe, der die Auflösung unnötigerweise praktisch bereits im Originaltitel trägt.


Fazit: Ein großer Spaß für alle Giallofans und Freunde deftiger Krimikomödien. Eine deutsche Veröffentlichung tut not!


Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten

Sonntag, 9. März 2014

Entschuldigung, aber da ist eine Fledermaus in meinem Taco!

El vampiro (Vampiro)
MEX 1957
R.: Fernando Méndez


Worum geht's?: Von der Nachricht über den schlechten Gesundheitszustand ihrer Tante verunsichert, kommt die junge Mexikanerin Marta (Ariadna Welter) auf dem abgelegenen Bahnhof ihres Geburtsorts an und sucht vergeblich nach einer Möglichkeit zur Weiterreise.
Scheinbar gestrandet, macht sie schnell Bekanntschaft mit einem sympathischen Herrn namens Enrique (Abel Salazar), der ebenfalls auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit ist und praktisch das gleiche Reiseziel hat.
Glücklich nimmt man da die Ankunft einer Kutsche auf, die eine sonderbare Kiste aus dem fernen Ungarn auflädt und deren mürrischer Kutscher sich tatsächlich breitschlagen lässt die beiden Reisenden ein Stück des Weges mitzunehmen, sie jedoch wenig später recht unvermittelt im nebligen Wald stehen lässt.
Zu Fuß gelangt man endlich an die Tore der Hazienda, muss jedoch erkennen, dass Tantchen schon in der Familiengruft beigesetzt sein soll. Ein schwaches Herz und die paranoide Angst vor Vampiren habe sie in ein frühes Grab gebracht, so weiß der besonnene Onkel Emilio (José Luis Jiménez), während Tante Eloisa (Carmen Montejo), die auch des Nachts gern mal durch die wabernden Nebel wandert, das im Verfall begriffene Anwesen verkaufen möchte.
Dazu infrage käme der lichtscheue Nachbar Duval (Germán Robles), ein Nachtmensch im Cape, der auch der Empfänger der seltsamen Kiste und Arbeitgeber des grimmigen Kutschers ist.
Marta wie Enrique dämmert schon bald, dass die gute Tante allen Grund zum Verfolgungswahn hatte und sich hier der schöne Spruch erfüllt: "Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind!"


Wie fand ich's?: Holla, ist dies tatsächlich der erste Vampirfilm, in dem Freunde des internationalen Blutsaugerstreifens die berühmten Fangzähne zu sehen bekommen, wie es der amerikanische Wikipediaeintrag und diverse Blogs wissen wollen?
Nein! Denn wer hat's erfunden? Richtig - die Türken! Wo Bela Lugosi in Tod Brownings Dracula (USA 1931) noch ein perfektes Gebiss ohne Auffälligkeiten sein Eigen nannte, da hatte sein osmanisches Alter Ego in Drakula Istanbul'da (TK 1953 R.: Mehmet Muhtar) bereits den heute ikonografische Reißzahnkiefer, wenn die Hauer dort allerdings noch etwas schief standen... Wenn man ganz genau sein möchte, kann man natürlich bereits Max Schreck in Murnaus stummen Meisterwerk Nosferatu -  Eine Symphonie des Grauens (D 1922) den Innovationspreis zuschustern, jedoch saßen dort die Beißer ja eher mittig... Egal, die im Internet kursierende Legende sei somit im Zusammenhang mit Mexikos frühem Beitrag zum Vampirgenre jedenfalls zunächst erst mal doppelt widerlegt.
Trotzdem bietet El Vampiro neben hündischen Eckzähnen noch jede Menge anderer Schauwerte. Nebelverhangene Landschaften, alte Haziendas voller antiker Spinnweben, gespenstische Tanten mit langen Haaren und Kruzifixen - hach, schön.
Und dies alles immerhin schon drei Jahre bevor Mario Bava mit seinem La maschera del demonio (I 1960 dt.: Die Stunde wenn Drakula kommt) die Messlatte für Gothic Horrorfilme verdammt hoch hing. An diesen reicht Fernando Méndez Werk in meinen Augen zwar nicht ganz heran, es punktet aber trotzdem in den Bereichen Atmosphäre und eigenständiger Charme.
Méndez bedient sich als Grundgerüst seiner Handlung anfangs bei der zweiten Hälfte des Tod Browning Klassikers von 1931, in welcher der Vampir sein Domizil in der Nachbarschaft der Protagonisten gefunden hat, welches Méndez kurzerhand einfach von London in die mexikanische Sierra Negra verlegt.
Doch nicht nur das Script wurde von Brownings Film beeinflusst, auch das Outfit des Vampirs wurde bei Lugosi abgeguckt.
Hier enden dann aber auch die Gemeinsamkeiten mit dem Universal-Klassiker und El Vampiro kommt mit einigen interessanten eigenen, wenn auch vielleicht etwas befremdlichen, Ideen um die Ecke. Da wird eine Person lebendig begraben, die Vampire betätigen sich als Giftmischer und ein Blutsauger wird bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt. Anders als in den kurz nach El Vampiro entstandenen Hammer Produktionen verzichtete man hier fast gänzlich auf den Einsatz von Kunstblut und nähert sich somit doch wieder der 31er Verfilmung an.
Es gibt also viel Schönes in diesem Kleinod aus dem Land der Luchadores zu entdecken. Trotzdem wurde Méndez Beitrag von den eben bereits angesprochenen Hammer Filmen in der internationalen Wahrnehmung fast gänzlich verdrängt. Wo die Streifen mit Christopher Lee und Peter Cushing Farbe, Grand Guignol und (später) Erotik boten, hatte Vampiro lediglich eine abgewandelte und modernisierte Interpretation des 30er Jahre Bühnenstücks von Hamilton Deane und John L. Balderston zu bieten, auf das Tod Browning seinen Film aufbaute.
So kann man El Vampiro und Drakula Istanbul'da durchaus als oft ignorierte Verbindungsstücke zwischen den Vampirfilmen von Universal und Hammer ansehen, wobei beiden Werken damit in meinen Augen nicht wirklich Genüge getan wird.
Da Vampiro wohl zumindest in seiner Heimat etwas kommerzieller Erfolg beschieden war, haute Regisseur Fernando Méndez bereits ein Jahr später ein eilig heruntergekurbeltes Sequel namens El ataúd del Vampiro (MEX 1958 dt.: Der Sarg des Vampiro) raus, in dem Germán Robles nach seinem Filmdebüt im ersten Teil ein zweites Mal vor der Kamera stand und ihn in die gleiche Schublade wie seinen britischen Kollegen Christopher Lee beförderte, bis er u. a. als Synchronsprecher Michael Knights Wunderauto KITT in der lateinamerikanischen Sprachfassung von Knight Rider (USA 1982-1986) seine sonore Stimme leihen durfte und später in unzähligen Telenovelas auftauchte - dies freilich ohne Fänge im Gesicht....


Fazit: Auch in Mittelamerika wird kraftvoll zugebissen: dank Fernando Méndez, der hier einen in unseren Breiten viel zu wenig bekannten Klassiker des Gruselfilms schuf.

Punktewertung: 8 von 10 Punkte

Samstag, 1. März 2014

So einer hat 'ne zweite Chance verdient...

Never Give a Sucker an Even Break (Gib keinem Trottel eine Chance)
USA 1941
R.: Edward F. Cline




Worum geht's?: Der "große Mann" (W. C. Fields als er selbst) ist auf dem Weg in die Esoteric Studios, um dort sein neustes Drehbuch anzudienen und bei dieser Gelegenheit dort seine junge, ihm ergebene Nichte Gloria Jean (eben jene) zu treffen, welche als Schauspielerin und Sängerin gerade mitten in den Vorbereitungen zu einem Musikfilm steckt.
Auf dem Weg in die Filmfabrik bekommt der liebe Uncle Billie allerdings erst mal etwas auf den roten Säuferzinken, da er einer feschen Dame nachstellt und prompt mit deren Galan unliebsame Bekanntschaft macht.
In einem Diner rasselt er mit der feisten Bedienung zusammen, die ihm Eiswasser in die Hose kippt und sich beharrlich weigert ihm mehr als eine Handvoll Zigarren zu verkaufen.
Endlich beim fachkundigen Produzenten (Franklin Pangborn) angekommen, muss Fields feststellen, dass sein abenteuerliches Skript für diesen und dessen Gattin als unverfilmbar gilt.
Dabei hat seine Story alles, was einen großen Film ausmacht: einen ungebremsten Fall vom Sonnendeck (!) eines Passagierflugzeugs, eine holde Unschuld auf einem hohen Berg, einen Gorilla als deren Türsteher, Ziegenmilch mit höherer Oktanzahl als Strohrum und einer heiratswilligen, schwerreichen Witwe (Margaret Dumont) namens Mrs. Hemogloben.



Wie fand ich's?: Es gibt immer wieder Filme, die mich selbst nach dem jahrzehntelangen Konsum von allerlei absonderlicher Filmkost doch noch kalt erwischen und geradezu baff zurücklassen. Gottseidank.
Kannte ich zuvor lediglich Fields Meisterwerk The Bank Dick (USA 1940 R.: Edward F. Cline dt.: Der Bankdetektiv), in dem Fields erneut seine Paraderolle als geplagter Familienvater, der unter dem Pantoffel seiner dominanten Gattin steht, gab, so erwischte mich Never Give a Sucker an Even Break vollkommen unvorbereitet.
Dieser sollte der letzte Film sein, in dem Fields die Hauptrolle spielte und die Legende besagt, dass Universal Pictures ihrem dahinscheidenden Star für seinen Abschied völlige Kontrolle über sein nächstes Projekt geben wollte - bis die Produzenten sahen, was Fields ablieferte und den Film daraufhin mit einer zusätzlichen Musikszene "bereicherten", ihn umschnitten und dann zunächst den Film und wenig später Fields mehr sang- und klanglos ihrem weiteren Schicksal überließen.
Fields, der eigentlich William Claude Dukenfield hieß, war 1941 61 Jahre alt und der Suff hatte seine Leibesfülle anwachsen und seine Reflexe bereits erlahmen lassen. Anders als viele Entertainer, die den Trinker nur spielten, hatte er privat wie am Set ständig einen Flachmann mit gemixten Martinis bei sich. Wenn jemand fragte, was er denn da tränke antwortete Fields: Ananassaft. Als einmal ein Techniker unbemerkt tatsächlich Fields Flachmann mit Ananassaft füllte, soll er gerufen haben: "Wer hat Ananassaft in meinen Ananassaft gefüllt?"
Die Scripts zu seinen Filmen schrieb Fields oft selbst, meist unter absurden Pseudonymen wie Mahatma Kane Jeeves, Charles Bogle oder wie hier: Otis Criblecoblis. Wie viele seiner Kollegen improvisierte er aber auch gern und ließ das Drehbuch links liegen.
In Never Give a Sucker an Even Break spielt Fields sich selbst, ebenso wie der damalige Kinderstar Gloria Jean, die seine ihn liebende Nichte spielt. Es soll Fields persönlicher Wunsch gewesen sein, einmal eine ihn wirklich liebende Person in einen seiner Filme hineinschreiben zu können und tatsächlich ist der letzte Satz des Films, gesprochen von Gloria Jean: "My Uncle Bill... but still I love him!"
Never Give a Sucker an Even Break beginnt mit Szenen um und in fiktionalen Filmstudios, driftet dann unvermittelt ins vollkommen Absurde, wenn das zur damaligen Zeit relativ unbekannte Motiv des Films im Film zum Tragen kommt. Dieses hatte praktisch nur Buster Keaton 1924 in seiner genialen Stummfilmkomödie Sherlock Jr. (USA 1924) zuvor umgesetzt; dort steigt der träumende Protagonist während einer Filmvorführung durch die Leinwand in den laufenden Film. Bei Fields wird zwar lediglich während einer Drehbuchlesung die Handlung des Scripts bildlich dargestellt, doch geizt man auch hier nicht mit für die 40er-Jahre tollen Trickeffekten. So fällt Fields während des Flugs aus einem Flugzeug, landet mehrfach erneut hochschnellend auf einem Bett, rast etwas später Hunderte Meter in einem offenen Aufzugkorb an einer Bergwand hinunter und ein Gorilla trifft an eben jener auf einen zuvor noch sorglosen Klettermaxen.
Fields lässt seiner Erfindungskraft freien Lauf, der Wachhund mit den übergroßen Vampirfängen ist ebenso bemerkenswert, wie die rasante Autofahrt zum Ende des Films, in der man erkennen kann, dass Regisseur Edward F. Cline seine Karriere bei Mack Sennets Keystone Cops begonnen hatte.
Ebenfalls außergewöhnlich für die Zeit ist eine Szene in einem Eiscafé, in der Fields kurz seine Rolle verlässt und das Publikum mit einem direkten Blick in die Kamera unmittelbar anspricht. "This scene's supposed to be in a saloon but the censor cut it out.", beschwert sich Fields und lässt erahnen, dass man dem "großen Mann" doch nicht völlig Carte blanche gegeben hatte. Die bereits erwähnte Gesangsszene, welche zu Beginn des Films diesen fast wieder vollkommen ausbremst, ist ein weiteres Indiz für Interventionen des Studios.
Trotzdem hat Fields mit Never Give a Sucker an Even Break ein Werk für seine Fans geschaffen, welches zum Teil vollkommen an den damaligen Seherfahrungen vorbei geht, aber mit tollen Gags und Einfällen aufwartet. "This script is an insult to a man's intelligence. Even mine.", blökt Franklin Pangborn als fiktionaler Produzent in der Mitte Films.
Die folgenden Jahre sollten für Fields einen weiteren Abbau seiner Kräfte bedeuten und ihn nur noch in kurzen Cameos auf die Leinwände bringen.
Am 15. März 1941, einige Monate bevor Never Give a Sucker an Even Break in die Kinos kam, war Christopher, der zweijährige Sohn Anthony Quinns, welcher mit seiner Frau Katherine DeMille ein direkter Nachbar von Fields in L.A. war, in einem Springbrunnen vor Fields Haus ertrunken; ein ebenso trauriger wie tragischer Unfall, der natürlich aufgrund von Fields Reputation als eingefleischter Kinderhasser (der er allerdings im Privatleben keineswegs war) hohe Wellen schlug.
Von Gram zerfressen neigt man vielleicht noch eher dazu dem Alkohol zuzusprechen und zu Jahresbeginn 1946 wurde bei Fields, der bereits mehrfach an einem Delirium tremens gelitten hatte, schließlich eine Leberzirrhose im Endstadium festgestellt.
Fields verstarb am ersten Weihnachtstag 1946 im Alter von 66 Jahren.



Fazit: Ein letztes Mal der große Mann sein. Alles auf eine Karte gesetzt und den Flachmann immer griffbereit. W. C. Fields - was für ein Mann...

Punktewertung: 8 von 10 Punkten