Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 26. April 2014

Männerschweiss tropft in Mailands Unterwelt

La mala ordina (Der Mafiaboss - Sie töten wie Schakale)
I 1972
R.: Fernando Di Leo


Worum geht's?: Der kleine Mailänder Zuhälter Luca Canali (Mario Adorf) steht unverhofft auf der Todesliste der Mafia.
Man entsendet sogar extra zwei Killer (Henry Silva und Woody Strode) aus den Vereinigten Staaten, um über den Kopf des örtlichen Mobbosses Tressoldi (Adolfo Celi) hinweg, ein blutiges Exempel an Canali zu statuieren und um bei der Gelegenheit gleich noch das Verschwinden einer ganzen Ladung Heroin genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ging Canali gerade noch seinem Tagesgeschäft zwischen Straßenstrich und billiger Absteige nach, so werden die Gassen Mailands bald zu einem viel zu heißen Pflaster für ihn. Denn nicht nur, dass die beiden abgebrühten Profis aus Amerika ihm längst auf der Spur sind, auch Mafiachef Tressoldi entsendet seine Leute, um sich lieb Kind bei seinen Vorgesetzten zu machen.
Eine blutige Verfolgungsjagd in den Straßen und Winkeln der Großstadt nimmt ihren Anfang und Canali wird schnell klar, dass wahre Freunde genauso schwer zu finden sind, wie Schutz vor umher schwirrenden Kugeln im gnadenlosen Kreuzfeuer.



Wie fand ich's?: Der zweite Teil der sogenannten Milieu-Trilogie, welche mit Milano calibro 9 (I 1972 dt.: Milano Kaliber 9) ihren Anfang nahm und in Il boss (I 1973 dt.: Der Teufel führt Regie) ihr Ende fand, lässt einen schwitzenden Mario Adorf im sonnigen Mailand um sein Leben rennen. Hatte Adorf in Milano calibro 9 bereits eine Nebenrolle besetzt, wurde er nun zum Hauptdarsteller, Henry Silva dagegen, hier in der Rolle eines der gedungenen Auftragsmörder zu sehen, sollte diese Ehre ein Jahr später in Il Boss zuteil und er endgültig zum Kultstar werden. Quentin Tarantino machte nie einen Hehl daraus, dass er Di Leos Filme vergöttert, und es liegt mitunter auf der Hand, dass Silva und Strode wohl als grobe Vorbilder für die Charaktere der beiden Killer Vincent und Jules in seinem Meisterwerk Pulp Fiction (USA 1994) dienten.
Silva und Adorf sieht man in diesem Film wie allen Anderen ihre Spielfreude förmlich an und beide waren offenkundig bereit literweise Schweiß auf den Sets zu vergießen und dem Affen mal so richtig Zucker zu geben.
Di Leos Mileu-Trilogie führt den Zuschauer in die dreckigen Welten der italienischen Syndikate und es gibt in Di Leos Filmen oft nur zwei Typen von Charakteren: sympathische und unsympathische Gangster. Beide kämpfen quasi ständig ums eigene Überleben, nur das die Bösen dabei schneller über Leichen gehen als die Guten.
Di Leos Unterwelt geht die Eleganz des Milieus eines Francis Ford Coppola z. B. vollkommen ab; während in dessen Godfather-Trilogie (USA 1972-1990 dt.: Der Pate I-III) das organisierte Verbrechen einen Charme oder eine Eleganz des Verdorbenen mit einer ganz eigenen Form von morbider Romantik besitzt, sind die Gangster bei Di Leo durch die Bank Straßenköter, deren Stand innerhalb der Organisation man höchstens ihren Behausungen oder der Anzahl ihrer Gefolgsleute entnehmen kann.
Di Leos Cast passt hier im wahrsten Sinne des Wortes erstklassig ins Bild und selbst der sonst eher zurückhaltende Adolfo Celi, welcher in Thunderball (GB 1965 R.: Terence Young dt.: James Bond 007 - Feuerball) immerhin einen der uncharismatischsten Bondbösewichte der Frühphase der Serie ablieferte, dreht zum Ende nochmal so richtig auf.
La mala ordina bietet Action und markige Sprüche satt und gehört sicher mit zum Besten, was das Euro-Crime-Genre zu bieten hat und kann innerhalb der Gattung der Poliziotteschi als Klassiker angesehen werden.
Bei Fans knackiger Italo-Action hat er eh schon lange Kultstatus, genau wie sein Regisseur und seine Stars.



Fazit: Ein Fest für Fans deftig, öliger Italo-Action der 70er. Vielleicht Di Leos bester Streifen, mit einem großartigen Cast.



Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Freitag, 18. April 2014

Die Unfähigkeit loszulassen

Le tue mani sul mio corpo (Deine Hände auf meinen Körper)
I 1970
R.: Brunello Rondi


Worum geht's?: Andrea (Lino Capolicchio), der erwachsene Sohn eines reichen, italienischen Verlegers, driftet gelangweilt durch sein Leben.
Als Kind musste er miterleben, wie man seine Mutter tot aus dem Meer fischte, nun ist Vati mit der lasziven Schönheit Mireille (Erna Schurer) zusammen, der Andrea, genau wie die Hausangestellte Clara (Pier Paola Bucchi), mehr aus Frustration als aus wahrer Lust nachstellt.
Seine wahre Liebe ist jedoch die junge Carole (Colette Descombes), diese ist nur leider längst vergeben, was Andreas Unzufriedenheit nur weiter verstärkt.
Während er seine Familie mit bösen Scherzen tyrannisiert, beginnt er die Objekte seiner Begierden zu stalken.
Doch kann Andrea die ihn umklammernde Erinnerung an seine tote Mutter endlich loslassen und sich einer neuen Liebe hingeben?



Wie fand ich's?: Dies ist wieder einer jener Streifen, zu dessen Handlung ich eigentlich nur möglichst wenige Worte verlieren will und stattdessen den geneigten Zuschauer am liebsten komplett ahnungslos dem Genuss dieses kleinen Films überlassen möchte. Mich jedenfalls hatte das etwas sehr plakative Poster auf eine falsche Fährte gelockt, doch war ich dafür nach etwas mehr als 80 Minuten nur umso positiver von der langanhaltenden Wirkung und ungewöhnlichen Machart des Films überrascht.
Le tue mani sul mio corpo ist ein unspektakulär inszenierter Film, dessen Regisseur mehr an Gesten und an Blicken als an stilistischen Spielereien oder dem Einsatz von Kunstblut interessiert ist. Wo andere seiner Zeitgenossen aus den Ingredienzien Impotenz, Todessehnsucht und Kindheitstrauma einen grellen, blutroten Reigen aus zuckenden Körpern herausdestilliert hätten, will Rondi seine Figuren und Themen durchaus ernst genommen wissen.
So ist Deine Hände auf meinen Körper ein eher zurückhaltender, erwachsener Film, der sich langsam entwickelt und deshalb auf manche Zuschauer langatmig, wenn nicht sogar langweilig wirken mag. Der englische Wikipediaeintrag und die IMDb wollen den Film zudem klar im Genre des Giallo verorten, doch tue ich mich hier etwas schwer diesem uneingeschränkt zuzustimmen. Wer Gialli schlicht als erotische Psychothriller Italiens definiert, mag der Kategorisierung zustimmen, wer ganz klassisch auf die von Bava und Argento etablierten Elemente wartet, bekommt jedoch keine schwarzgekleideten Frauenmörder mit Rasiermessern zu sehen. Freunde des Genres wird es allerdings vielleicht noch interessieren, dass Sergio Martinos im letzten Jahr verstorbener Bruder Luciano mit Rondi an der Story werkelte.
Rondi machte sich selbst zunächst als Drehbuchautor für Federico Fellini (zweimal oscarnominiert für La dolce vita [I/F 1960 dt.: Das süße Leben] und 8½ [I/F 1963]) einen Namen, stand aber auch bereits seit Anfang der 60er Jahre selbst als Regisseur hinter der Kamera.
Lino Capolicchio hatte bereits 1970 in Vittorio De Sicas viel verehrtem, antifaschistischen Drama Il giardino dei Finzi Contini (I/BRD 1970 dt.: Der Garten der Finzi Cortini) die Hauptrolle gespielt und stand einige Jahre nach Rondis Film für Pupi Avatis meisterhaftem Giallo La casa dalle finestre che ridono (I 1976 dt.: Das Haus der lachenden Fenster) vor der Kamera. 2010 sollte Capolicchio (*21.08.1943) bisher zum letzten Mal vor der Kamera stehen, erneut für Avati im Drama Una sconfinata giovinezza (I 2010), in dem er aber nur in einer Nebenrolle zu sehen ist.
In Le tue mani sul mio corpo gelingt es Capolicchio (der eigentlich Angelo heißt) den Zuschauer zuweilen allein durch sein Schauspiel bei der Stange zu halten. Brillant verkörpert er einen innerlich zerrissenen jungen Mann, der mit leerem Blick seine Umwelt heimsucht und trotzdem irgendwie sympathisch wirkt. Ein weniger begabter Darsteller hätte hier den Film vollkommen zunichte machen können.
Freunden klassischer Gialli, die auch gern Randerscheinungen wie Damianis famosem Una ragazza piuttosto complicata (s. h.: A Rather Complicated Girl) eine Chance geben, sei also auch dieser obskure, kleine Film empfohlen.



Fazit: Ein reizvolles Drama irgendwo zwischen Giallo und Psychostudie, welches sehr lange Anlauf nimmt, dafür aber umso wirkungsvoller zutritt.



Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Samstag, 12. April 2014

Handkantenrocker vs. Motoradninjas

Miami Connection (American Streetfighter)
USA 1987
R.: Woo-sang Park/Y. K. Kim



Worum geht's?: Die Rockgruppe Dragon Sound besteht aus fünf kampfsportverrückten Freunden, die zusammen ein Häuschen in Orlando, Florida besitzen und des Abends die Klubs der Stadt mit ihren Hits wie "Against the Ninja" rocken.
Allerdings macht man sich als gefragte Newcomer im Nachtleben der City leider nicht nur Freunde, besonders, wenn man die aggressiven Mitglieder einer anderen Band aus ihrem Job verdrängt.
Diese finden ausgerechnet Hilfe bei Jeff (William Ergle), dem bärtige Anführer einer Bande von kriminellen Bodybuildern und Bruder der hübschen Jane (Kathie Collier), die neuerdings bei Dragon Sound singt und gegen Jeffs Willen mit deren Bassisten John (Vincent Hirsch) schmust.
Doch selbst eine angedrohte fiese Tracht Prügel, gezückte Messer oder geschwungene Äxte können Dragon Sound nichts anhaben, denn Taekwondo-Meister Mark (Y. K. Kim) trainiert täglich mit seinen Spezis, die wie er alle Waisenkinder waren.
Die Ereignisse überschlagen sich vollends, als Jim (Maurice Smith) plötzlich von seinem noch lebenden Vater erfährt, Jeff nach einem missglückten Versuch ein Mitglied der Band zu kidnappen getötet wird und sich eine ganze Horde Ninjas, angeführt vom sinisteren Rockerfreund Yashito (Si Y Jo), den fünf Freunden fürs Leben entgegenstellt.



Wie fand ich's?: Kennen Sie Y. K. Kim? Nein? Nun, vor dem Genuss seines einzigen Filmwerks Miami Connection, welches in Deutschland auch unter dem schönen Titel Schwarze Ninja greifen an im TV gezeigt wurde, hatte ich auch noch keine Kenntnis von der Existenz des heute 57 Jährigen, der mit 13 in seiner koreanischen Heimat bereits einen schwarzen Gürtel im Taekwondo erlangte, 1977 in den Big Apple zog und einige Jahre später eine kleine Berühmtheit als erfolgreicher Besitzer einer Kette von Kampfkunstschulen erlangte.
Berühmtheit genug, um durch einen Fernsehauftritt in einer koreanischen Talkshow den eher wenig bekannten Regisseur Woo-sang Park auf sich und sein Vorhaben aufmerksam zu machen, einen Film über Kims Liebe zum Taekwondo zu drehen. Park versuchte unter dem Pseudonym Richard Park bereits seit einigen Jahren in den USA Fuß zu fassen und hatte dort bereits 1985 den erfolglosen Actioner Los Angeles Streetfighter (USA/KOR 1985 dt.: Die gelben Teufel von Los Angeles) heruntergekurbelt, den man auch unter seinem Alternativtitel Ninja Turf kennen könnte.
Hätte Y. K. Kim sich dieses Machwerk vor seiner Zusage die Produktionskosten zu Miami Connection zum größten Teil mitzufinanzieren einmal angesehen, so wäre ihm aufgefallen, dass Park vielleicht so eben sein Handwerk verstand, er aber scheinbar kein Wort Englisch sprach und so schwere Probleme hatte halbwegs vernünftige Dialoge zu schreiben und auf die Tonspur zu bannen.
Dabei sollte doch inhaltlich diesmal richtig geklotzt statt gekleckert werden. Kim schwebte ein Film über Freundschaft, Taekwondo und eine Welt ohne Gewalt vor - das fertige Script addierte jedoch noch einige weitere Elemente...
So schmiss man alles in den Mix, was momentan im Actionkino angesagt war und was man irgendwie einbinden konnte: leise Ninjas und laute Rockmusik, tödliche Drogendeals und pimpelige, erwachsene Waisenkinder, schwere Bodybuilder und harte Motorradgangs, Weiberaufreißen am Strand, eine mit Zwietracht beäugte Romanze, latente (?) Homoerotik unter männlichen WG-Genossen und natürlich Taekwondo.
Viel hilft viel, war hier offenkundig die Devise, und dass man einen simplen Actionfilm mit zu viel Drumherum leicht auch überfrachten kann, auf diese Idee kam keiner. So wirkt der Subplot um den wiedergefundenen Vater pathetisch (aber auch irgendwie charmant), die Motivationen der Badguys wenig nachvollziehbar, die Musikszenen absolut peinlich.
Was Miami Connection aber aus dem Gros anderer gescheiterter Actionfilme der 80er heraushebt, ist das spürbare Herzblut und der klare Wille alles richtig zu machen. Wie bei Ed Woods Plan 9 from Outer Space (USA 1959) sind alle Zutaten eigentlich vorhanden einen netten, zeitgemäßen Genrefilm abzuliefern, doch leider scheiterte dies am einvernehmlichen Unvermögen aller Beteiligten. Miami Connection ist unfreiwilliger Trash mit absolutem Kultpotenzial, eben weil stets so putzig versucht, es allen recht zu machen.
Irgendwie schaffte es der Film 1987 sogar nach Cannes, scheiterte jedoch gigantisch an den wenigen Kinokassen, die er erreichte. Y. K. Kim verlor als Produzent des Films eine Unmenge Geld (manche Quellen sprechen von einigen Millionen), schnitt ohne seinen Regisseur neue Szenen in den fertigen Film und verpasste dem Werk nachträglich ein Happy End - alles umsonst. Niemand wollte den Film zeigen, sein Produzent, Star, Autor und unfreiwilliger Co-Regisseur war ruiniert.
Miami Connection war bis zu seiner Wiederentdeckung durch einen texanischen Kinokettenbesitzer im Jahr 2009 vergessen, erlebte dann aber sehr zur Überraschung Kims seine zweite Auferstehung in vollen Kinosälen und auf heimischen Fernsehgeräten.
Young Kun Kim tourt neben seiner Tätigkeit als Martial Arts Lehrer mittlerweile sehr bezeichnend auch als Motivationstrainer und erwähnt den Film nun auch wieder mit Stolz auf seiner Webseite.
Man könnte glauben, jemand hätte dieses Happy End auch schnell mal nachgedreht.



Fazit: Wie eine fast perfekte Pizza mit zu viel Belag und extra Käse: Im Prinzip leckeres Fast Food - kann jedoch auch schnell auf den Magen schlagen.



Punktewertung: Fans von feinem Actiontrash geben 7,75 von 10 Punkten - andere wenden sich mit Grausen ab...