Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Dienstag, 30. September 2014

Freiheit oder Tod!

Mr. Freedom
F 1969
R.: William Klein


Worum geht's?: Wir schreiben das Jahr 1969 und die USA haben einen neuen Superhelden: Mr. Freedom (John Abbey).
Dieser wird von seinem Vorgesetzten Dr. Freedom (Donald Pleasence) ins ferne Frankreich entsandt, um dort eine drohende kommunistische Revolution zu verhindern und den Tod seines Freundes Capitaine Formidable (Yves Montand) zu rächen.
Tatsächlich trifft Freedom dort schnell auf seine gefürchtetsten Erzgegner: den jovialen, russischen Moujik Man (Philippe Noiret) und den Red China Man - einen gigantischen, aufgeblasenen Drachen.
Zusammen mit Formidables früherer Gehilfin Marie-Madeleine (Delphine Seyrig) und deren Truppe (u.a. Serge Gainsbourg und Rufus) nimmt es der Rassist und Maulheld gegen die Bedrohung aus dem Osten auf.
Und sollte alles versagen, gibt es ja immer noch den Big One, die absolute Waffe im Taschenformat...


Wie fand ich's?: Man stelle sich einen als zynische, starbesetzte Comicverfilmung getarnten, bissigen anti-amerikanischen Propagandafilm vor - geschaffen von einem 1928 in Amerika geborenen Wahlfranzosen, der es zur #25 auf einer Liste der hundert einflussreichsten Fotografen brachte und mit seinen unorthodoxen Aufnahmen einen stilbildenden Einfluss auf die Szene ausübte.
Genau dieses ist Mr. Freedom von William Klein, nur dass es kein Comic gibt, auf welchem der Film basiert. Stattdessen nutzt der Film seine comichaft überzeichnenden Elemente zur Unterstützung des zynischen, antiamerikanischen Tons, der die USA als imperialistische Kriegstreiber zeigt, welche sich auch befreundete Staaten voll und ganz Untertan machen wollen und auch vor der Auslöschung ganzer Staaten nicht halt machen.
Man muss Klein anerkennen, dass er auch die kommunistischen Widersacher der Vereinigten Staaten kaum in einem besseren Licht erscheinen lässt. Philippe Noiret ist in seiner Rolle als Moujik Man ein jovialer, aufgeblasener Möchtegern-Stalin, der sämtliche Drohung plump verbal verdoppelt und tatsächlich mittels einer terroristischen Vereinigung Frankreich unter seine Kontrolle bringen will. China hingegen wird durch einen riesigen, kälteschnaubenden Gummidrachen dargestellt, welcher mich etwas an eine Hüpfburg für Kinder erinnerte, der jedoch noch rigoroser die sofortige Vernichtung seiner Gegner fordert.
Kleins Anliegen war also eher Schelte am Gebaren imperialistischer Weltmächte im Allgemeinen, wobei sein Hauptaugenmerk allerdings schon auf seiner alten, amerikanischen Heimat lag, deren Pariser Botschaft hier ein mit Cheerleadern bevölkerter Supermarkt ist, dessen Hauptexportgut grimmig grinsende Soldaten sind.
Leider verschießt der Film sein bestes Material bereits in den ersten 45 Minuten, sodass die zweite Hälfte deutlich an Ideen nachlässt und man zudem feststellen muss, dass Klein kein richtig befriedigendes Ende für seine Satire gefunden hat. Dies schmälert leider den Gesamteindruck eines ansonsten in seiner Art außergewöhnlichen Films, der genau wie sein Regisseur unverdienterweise in Vergessenheit geraten ist.
Neben Mr. Freedom schuf Klein (*1928), der wie oben bereits erwähnt eher als Fotograf für Aufsehen sorgte, mehrere Dokumentationen über Personen, die er bewundert, wie z. B. zwei über Muhammad Ali und eine über Little Richard. Einigermaßen bekannter ist da noch Qui êtes-vous, Polly Maggoo (F 1966 dt.: Wer sind Sie, Polly Magoo) seine schwarz-weiße Satire über die Modewelt, deren Star Dorothy McGowan leider genauso schnell aus der Öffentlichkeit verschwand wie der Film aus dem Verleih.


Fazit: Ein grelles, lautes Kind seiner Zeit - leider hat es an inhaltlicher Aktualität bis heute nicht an Bedeutung verloren.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Sonntag, 21. September 2014

Das Summen der Dunkelheit

Nuit noire (Nuit noire - Die schwarze Nacht)
B 2005
R.: Olivier Smolders


Worum geht's?: Ein junger Mann (Fabrice Rodriguez) in der Schwärze einer ewig währenden Sonnenfinsternis. Erinnerungen an eine traumatische Kindheit. Ein blutiges Mal an der Schläfe. Ein Job im Museum des Vaters. Insekten, von Nadeln erdolcht. Eine schwarze Frau (Yves-Marie Gnahoua), schwitzend im Bett. Vater mit Flinte im Urwald. Ein Wolfmensch (Jean-Philippe Altenloh) und das Geheul des Rudels auf den laternenbeleuchteten Wegen durch die beinah leere Stadt.
Schuld, Vergänglichkeit, Liebe, Ekel, Tod und Metamorphose.


Wie fand ich's?: Vor einiger Zeit äußerte ich mich in diesem Blog darüber, dass Belgien m. E. für die meisten Kinogänger eher ein nur marginal wahrgenommenes Phänomen darstellt. Ich nannte C'est arrivé près de chez vous (B 1992 R.: Belvaux, Bonzel, Pooelvorde dt.: Mann beißt Hund) und Ex Drummer (B/F/I 2007 R.: Koen Mortier) als wohlgefallene Ausnahmen dieser Annahme und richtete dann mein Augenmerk auf den unglaublichen Malpertuis vom genialen Harry Kümel.
Zu diesem Zeitpunkt war mir unbekannt, dass sich längst seit geraumer Zeit ein weiteres Meisterwerk aus dem Land der Flamen und Wallonen auf dem ständig wachsenden Stapel meiner Neuanschaffungen befand, wo dieses auch noch mehr als ein Jahr liegen bleiben und etwas weiteren Staub ansetzen sollte.
Nach über zwei Jahren nach ihrer Anschaffung fand ich es nun, im einsetzenden Herbst, angebracht den Film endlich seiner Bestimmung und meinem Abspielgerät zuzuführen und siehe da - ich wurde von der Wucht der Bilder binnen Sekunden überwältigt.
Was der sonst nur als Kurz- und Dokumentarfilmer in Erscheinung getretene Olivier Smolders hier aufbietet ist ein verfilmter Albtraum - fragmentarisch, düster und von großer Schönheit. Irgendwo zwischen Lynch (die roten Vorhänge der Theaterbühne, die beiden grinsenden Alten, der Antiheld in seinem Sessel neben dem Heizkörper), Cronenberg (die Metamorphose des Frauenkörpers), Kafka (Gregor Samsa grinst und krabbelt davon, ein Rollenname bezieht sich direkt auf Der Prozess) und den Brothers Quay (vibrierende, zerfallende, erdige Traumwelten) findet Smolders einen eigenen Stil, seine persönlichen Phobien, Traumata und Phantasmen darzustellen.
Dass es ihm dabei nicht wirklich gelingt, eine kohärente Geschichte im herkömmlichen (Mainstream-)Sinn zu erzählen, scheinen ihm einige Zuschauer recht übel genommen zu haben, doch ist es gerade diese erzählerische Konsequenz, die Nuit noire fast auf den Level seiner o. g. Vorbilder hievt.
Wenn man Smolders schon unbedingt etwas negativ ankreiden will, dann eventuell die beinah erdrückende Vielzahl seiner Ideen. Von der Klitterung der eigenen Kindheit, dem Geheul der (Wer-) wölfe, den finsteren Zeiten der belgischen Kolonialzeit (Smolders wurde 1956 im damaligen Belgisch-Kongo geboren), Film als Realität dokumentierendes Medium und der Dunkelheit der gepeinigten Seele erzählt dieser Film; wiederkehrende Motive sind Zwillinge (Doppelgänger/Dopplungen), Insekten (zwischen Ästhetik und Ekel) und der Wechsel zwischen Schwarz und Weiß (oder hell und dunkel). Aus all dem muss sich der Zuschauer zuletzt selbst einen Reim machen, eine offensichtliche Interpretationshilfe in Form einer (doch noch alles) erklärenden Schlussszene gibt es nicht. Smolders hat uns seine Nachtmahre gezeigt und dies reicht ihm scheinbar zur Therapie, er lässt sein Buch der freudschen Traumdeutung wie sein Kollege Lynch doch lieber im Schrank.
Nuit noire ist bislang der einzige Langfilm Smolders, der sich weiterhin vor allem dem Kurzfilm verschreibt und auch 2014 mit La part l'ombre (F 2014 dt.: Tiefe Schatten) diesem Genre einen weiteren Beitrag zufügte.
Die deutsche DVD von I-on New Media ist, wenn man einmal von der eher mittelprächtigen Synchronisation absieht, sehr gelungen und bietet neben einem scharfen Bild noch zahlreiche, interessante Extras.


Fazit: Schön verstörend und verstörend schön - eine surreale, belgische Praline mit dem herbstlichen Aroma feuchter Erde.


Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten

Sonntag, 14. September 2014

Der Jo-Jo-Effekt

Sukeban deka bzw. スケバン刑事
J 1987
R.: Hideo Tanaka


Worum geht's?: An einer, von ihren Insassen schlicht nur Höllenburg genannten, Privatschule plant der sinistere Schulmeister Hattori (Masatô Ibu) den Staatsstreich.
Als jedoch einem Schüler die Flucht gelingt, setzt man die Schülerin Saki (Yōko Minamino), einen Girl Cop in Schuluniform mit tödlichem Jo-Jo und ihre Kolleginnen auf den Fall an.
Ein verzweifelter Kampf beginnt, bei dem die junge Megumi (Ayako Kobayashi) zudem hofft, ihren Bruder Kikuo (Tetta Sugimoto) aus den Fängen der teuflischen Erziehungsanstalt befreien zu können.


Wie fand ich's?: Nach einem viele Millionen Male verkauften Manga, einer erfolgreichen Fernsehserie, die in drei Staffeln jeweils eine neue Heldin etablierte, und einem 72-minütigen Fernsehspezial, war der dritte Schritt klar: Ein Kinofilm musste her. Unter der Leitung Hideo Tanakas (*1933; †2011), der schon bei Folgen der Fernsehserie Regie führte, entstanden in schneller Folge gleich zwei Filme für die japanischen Lichtspielhäuser - dieser und das Sequel Sukeban deka: Kazama san-shimai no gyakushû (J 1988 R.: Hideo Tanaka). Während der hier besprochene erste Teil auf die zweite Staffel der Fernsehserie Bezug nimmt, bezieht sich das Sequel auf die dritte Staffel und weist so eine andere Heldin und Hauptdarstellerin auf. Stil, Atmosphäre und Inszenierung des Kinofilms unterscheiden sich kaum von der Fernsehserie, sodass ich hier jedem dem dieser Film gefällt auch die TV-Reihe ans Herz legen darf.
Hier wie dort muss sich ein zwangsrekrutiertes Schulmädchen gegen finstre Typen durchsetzen, die das japanische Schulsystem unterwandern. Bewaffnet ist die junge Dame mit einem, aus einer besonders harten Polymer-Legierung geformten, Jo-Jo, in dessen Inneren sich zudem eine versteckte Polizeimarke versteckt.
Sukeban deka ist ebenso bunt, wie dreckig und düster. Heftige Feuergefechte und meterhohe Explosionen wechseln sich mit süßlichem J-Pop ab - da wundert es nicht, dass Hauptdarstellerin Yōko Minamino nicht nur Fotomodell, sondern genau wie ihre Kollegin Yui Asaka aus der dritten Staffel (hier im ersten Kinofilm in einer Nebenrolle zu sehen) auch eine gefeierte Popsängerin und ein großes Jugendidol war.
Das Sukeban deka ursprünglich auf einem Manga basiert, es sich hier also im westlichen Sinn um eine Comicverfilmung handelt, ist jederzeit am überbordenden Mix aus Schuldrama, Polizeithriller und Sci-Fi erkennbar, wobei man sagen muss, dass Hideo Tanaka weitgehend vollkommen auf eine aus Musikvideos bekannte Ästhetik verzichtete, sondern (budgetbedingt?) den meisten Szenen einen schmutzigen, fast realistischen Touch verlieh.
Nach den beiden Kinofilmen riss der Erfolg des Franchise nicht ab. Es folgten 1991 eine Animeserie und zuletzt 2006 eine neue Realfilmauflage namens Sukeban deka: Kôdo nêmu = Asamiya Saki (J 2006 R.: Kenta Fukasaku dt.: Yo-Yo Girl Cop).


Fazit: Ebenso urjapanisch wie unterhaltsam - ein "triviales Action-Epos" (so das Lexikon des internationalen Film) mit dem Charme der 80er, abgeschmeckt mit einem Hauch von Wasabi und Sojasoße...


Punktebewertung: 7,5 von 10 Punkten

Freitag, 12. September 2014

The Twilight Blog #11 - Wie weggezaubert!

The Twilight Zone - Staffel 1, Episode 11
And When the Sky Was Opened (dt.: Testflug)
B.: Rod Serling, basierend auf einer Kurzgeschichte von Richard Matheson
R.: Douglas Heyes
US-Erstaustrahlung: 11. Dezember 1959 (BRD: 5. Juni 1971 beim BR unter dem Serientitel: Geschichten, die nicht zu erklären sind)


Die Story: Drei US-Testpiloten verschwinden mit ihrer experimentellen Flugmaschine beim Eintritt ins All kurzzeitig vom Radar, bevor sie nach einem Crash in der Mojavewüste zunächst ins Krankenhaus eingeliefert werden. Während Major Gart (Jim Hutton) mit einem Bruch das Bett hüten muss, werden seine Kollegen Forbes (Rod Taylor) und Harrington (Charles Aidman) umgehend entlassen. Als jedoch Harrington in einer Bar, die er zusammen mit Forbes besucht, sich plötzlich unter seltsamen Umständen buchstäblich in Luft auflöst, wird klar, dass man in dieser Welt nicht nur spurlos vom Radar verschwinden kann...


Das Zwielicht durchbrochen: Rod Taylor erreicht seine Final Destination in dieser Episode der Twilight Zone. Taylor (*11.01.1930), der schon mit der Zeitmaschine reiste, sich einer tödlichen Schar Vögel gegenübersah und zuletzt für Tarantino Winston Churchill als unrühmlichen Bastard zum Besten gab, verliert in dieser Episode auf so wundervolle Art die Nerven, dass er die Episode praktisch im Alleingang über die Ziellinie trägt.
Die Story basiert auf einer Kurzgeschichte des schon bald zum festen Schreiberensemble der Twilight Zone gehörenden Richard Matheson (*1926; †2013), der später noch Scripts für solche legendären Episoden wie Nightmare at 20,000 Feet und Steel nachliefern sollte und dessen Romane I Am Legend und The Shrinking Man allein zahlreiche Genreklassiker beeinflussten. Die dieser Folge lose zugrunde liegende Short Story Disappering Act erreicht zwar nicht die Größe dieser Vorlagen, doch ist eine durchschnittliche Geschichte Mathesons oft bei Weitem besser als die vieler seiner Kollegen.
Tatsächlich nahm Serling nur Mathesons Grundidee einer Person, deren Menschen im Umfeld einer nach dem anderen spurlos verschwinden, und ergänzte sie um einen Science-Fiction-Aspekt. Leider wirkt gerade dieses Element heute etwas obsolet, hat doch der bemannte Raumflug längst praktisch jeglichen Schrecken verloren und sind uns allen Bilder und Aufnahmen des Weltalls durchaus geläufig. So nimmt Serlings Adaption von Mathesons Story zwar fast schon die Grundidee des Final Destination Franchise (USA/CAN 2000-2011) vorweg, lässt den Zuschauer jedoch nach dem Ende vielleicht etwas unbefriedigt zurück.
Trotzdem ist And When the Sky Was Opened ein (kleines) Highlight der ersten Staffel und eine (wohl nicht nur) von mir immer wieder gern gesehene Episode.


Episodenbewertung: ****/5