Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 23. November 2014

Köpfchen muß man haben!

Head
USA 1968
R.: Bob Rafelson


Worum geht's?: Dies ist ein Film über den Befreiungsversuch vier junger Männer, namentlich Peter (Tork), Davy (Jones), Micky (Dolenz) und Michael (Nesmith), ihr Image als kinderzimmertaugliche, zusammengecastete Plastikpopband hinter sich zu lassen und der allmächtigen Industrie zu entfliehen, welche der Einfachheit halber gleich durch einen riesenhaften Victor Mature dargestellt wird.
Nebenher gibt es Musik (besser als man denken könnte), es werden mehrere Filmgenres wahllos parodiert (Krieg, Western, Fantasy) und ein gewisser Lord High 'n Low (Timothy Carey) verfolgt die Band mit großer Hartnäckigkeit.


Wie fand ich's?: Wenn man Drehbuchautor Jack Nicholson Glauben schenken mag, entstand das Script zu diesem abgefahrenen Scheiß durch einen gemeinschaftlichen Brainstorm der Band mit Regisseur Bob Rafelson und Autor Nicholson - unterstützt von einer Unzahl dicker Joints. Hatte Onkel Jack erst mal alle Ideen auf einem Notizblock versammelt, soll er sich mit (einem gefühlten, halben Liter) LSD ins stille Kämmerchen begeben haben und dort das Ganze in finale Form gebracht haben.
Will man Head mit anderen Filmen seiner Zeit vergleichen, so kommen einen schnell so obskure Kultwerke wie Otto Premingers Skidoo oder Roger Cormans The Trip (USA 1967) in den hoffentlich noch ungetrübten Sinn. Zu Letzterem hatte ebenfalls Jack Nicholson das Script verfasst und sich wohl auf diese Weise bei den Monkees als Autor für ihren endgültigen Befreiungsschlag vom Nette-Jungs-Image empfohlen.
Die Monkees waren zunächst eine Kopfgeburt u. a. Bob Rafelsons, der zusammen mit anderen Fernsehschaffenden die vier Boys 1965 für eine Fernsehserie mit ebenjenem Titel, The Monkees (USA 1966-1968 dt.: Die Monkees), castete und direkt an Don Kirshner, seines Zeichens Musikproduzent und wohl direkter Vorfahre Dieter Bohlens, übergab, der die Neulinge erst mal studiotauglich machte und eine Langspielplatte (Sie erinnern sich?) zur direkten Weitervermarktung aufnehmen ließ. Tatsächlich kam allerdings zunächst nur der Gesang von den Monkees selbst, der Sound wurde von einer Studioband eingespielt.
Unterstützt durch eine teure Werbekampagne wurden sowohl Band wie TV-Serie schnell ein Hit, doch hing den Monkees immer ein starker Plastikgeruch an, den auch Hits wie I'm A Believer (geschrieben von Neil Diamond) oder verliehene Bravo Ottos nicht überdecken konnten.
So sollte Head gleichermaßen Befreiungsschlag oder Suizidversuch in einem werden - die schlechten Einspielergebnisse (die IMDb spricht von schlappen 16,111 $) und Kritiken machten es eher zu Letzterem - und die Band zusammen mit Enfants terribles wie Frank Zappa und Timothy Carey zeigen, um von deren Kultstatus zu profitieren und selbst eine neue Art von Credibility zu erlangen.
Die erklärte Zielgruppe waren also die Hippies und Hipster, denen LSD und THC keine Fremdworte waren, für die jedoch die Monkees nach wie vor ein rotes Tuch waren - man denke an Alexander Klaws, der plötzlich mit den Einstürzenden Neubauten eine Platte aufnimmt...
Heutzutage hat Head eine kleine, aber feine Kultgemeinde um sich geschart; auf der Rotten Tomatoes Website bekommt der Film immerhin einen Metascore von 75% und selbst Leute wie Roger Ebert und Kim Newman fanden nette Worte...
Schaue ich mir Head an, so habe ich das Gefühl vier Künstlern beim kalkulierten, öffentlichen Selbstmord zuzuschauen und ich bin mir nie ganz sicher, ob der Faktor der Kalkulation nun gerade das Tolle oder das Abgeschmackte an diesem Werk darstellt. Nun, im Zweifel wohl für den Angeklagten!
Waren die Monkees es leid, sich zum Affen zu machen, so schufen sie mit Head einen wild tanzenden, benebelten King Kong, dem es mehrfach gelingt, sein verblüfftes Publikum aufs Neue zu überraschen - und wer steht nicht auf manisch schwofende Primaten?


Fazit: Bunt, schrill, schräg, aber trotzdem stets irgendwie sehr geschmackvoll und wohl durchdacht - ein interessantes Unikum voller großer Momente und großer Charaktere (Carey, Zappa, Hopper, Nicholson, Rafelson, Sonny Liston und ein letztes Mal Tor 'Plan 9' Johnson).


Punktewertung: 8 von 10 Punkten

Sonntag, 16. November 2014

Wo der Reis kocht...

Koroshi no rakuin bzw. 殺しの烙印 (eng.: Branded to Kill/dt.: Beruf: Mörder)
J 1967
R.: Seijun Suzuki


Worum geht's?: Er ist die Nummer 3: Gorô Hanada (Jô Shishodo), ein Killer mit einer Vorliebe für den Geruch von kochendem Reis und einem Faible für schöne Frauen - wie seine Gattin Mami (Mariko Ogawa), die er mehr schlecht als recht behandelt.
Als er die geheimnisvolle Misako (Annu Mari) trifft, wendet sich jedoch das Glück des abgeklärten, coolen Killers. Bei einem von Misako erteilten Mordauftrag setzt sich ein Schmetterling auf das Visier seiner Waffe, sodass sein Schuss einen Unbeteiligten trifft.
Von nun an wird Gorô von der geheimnisvollen Nummer 1 (Kôji Nanbara) heimgesucht, dem es mit teuflischem Psychoterror gelingt, den Widersacher an den Rand seines Verstandes zu bringen.


Wie fand ich's?: Nur einen weiteren Yakuzastreifen hatten die Nikkatsu Studios von Regisseur Seijun Suzuki gefordert, dieser hatte jedoch höhere Ziele, als nur ein weiteres Fließbandprodukt in die Lichtspielhäuser zu hieven, wo dieses in einem Double-Feature in Dauerrotation laufen sollte, bis es von einem ähnlich gestrickten Werk ersetzt worden wäre.
Dabei hatte das Studio den Regisseur erst nach Ansicht des Drehbuchs in letzter Minute auf den Plan gerufen, um dem bereits zur Produktion angesetzten Film von Suzuki umschreiben zu lassen, da man wohl bereits zu diesem Zeitpunkt am kommerziellen Charakter des Scripts zweifelte. Tatsächlich entwickelte Suzuki die meisten Ideen für Branded to Kill jeweils erst in der Nacht vor dem nächsten Drehtag.
So schuf Suzuki einen stylishen Film voller poetischer Bildsymbolik, der sowohl das Massenware gewohnte Publikum wie das Studio überforderte und an den Kassen scheiterte, was Nikkatsu dazu bewog, ihren angestellten Regisseur praktisch über Nacht zu feuern. Dies führte zu einem komplizierten Rechtsstreit zwischen Suzuki und Nikkatsu, welches für beide in einem vorläufigen Niedergang endete. Das finanziell bereits zuvor angeschlagene Studio brach zusammen und Suzuki wurde von anderen Studios mittlerweile ebenfalls als Risiko angesehen, was darin resultierte, dass er erst fast eine Dekade später wieder in der Lage war, Arbeit zu finden.
Heute wird Branded to Kill ebenso wie der ein Jahr zuvor entstandene Tôkyô nagaremono (J 1966 int.: Tokyo Drifter; dt.: Abrechnung in Tokio) als Suzukis Meisterwerk angesehen - ein gelungener Spagat zwischen Kunst- und Unterhaltungsfilm, der sich den Mitteln des amerikanischen Film noir ebenso bedient wie der französischen Nouvelle Vague, welche bereits ebenfalls vom Film noir beeinflusst worden war. So findet man in Branded to Kill gleich zwei Femmes fatales und ein kunstvolles Spiel mit Licht und Schatten neben einer immer wahnwitziger werdenden Story, welche die durch Dr. No (GB 1962 R.: Terence Young) begründete James-Bond-Welle aufgreift und ad absurdum führt, in dem der Protagonist ein neurotischer, an kochendem Reis schnüffelnder, Egomane ist, der durch die Psychospielchen seiner Nemesis immer paranoider wird und letztendlich scheinbar gar vollkommen den Verstand verliert. Wenn Nummer 3 einen sinisteren Augenarzt in dessen Praxis durch den Abfluss seines Waschbeckens erschießt, tritt diese parodistische Ebene klar zutage - was Branded-to-Kill-Fan Jim Jarmusch nicht abhielt, diese Szene in seinem Ghost Dog: The Way of the Samurai (USA/F/BRD/J 1999) zu kopieren.
Die gerade neu erschienene, deutsche Blu Ray von RapidEyeMovies bietet ein wunderbares Bild, satten Ton und einige Interviews mit Cast und Crew. Was will man mehr?


Fazit: Stylisher, nihilistischer Killer-Wahnsinn in Schwarz-weiß. Poetisch und doch kalt - irgendwo zwischen Bond und Godard.


Punktewertung: 9,75 von 10 Punkten

Sonntag, 9. November 2014

Geräusche vom Dachboden

Anima Persa
I/F 1977
R.: Dino Risi


Worum geht's?: Zum Studium der Malerei kommt der achtzehnjährige Tino (Danilo Mattei) zu seiner Tante und seinem Onkel ins ergreifende Venedig.
Während seine Tante Sofia (Catherine Deneuve) eine herzliche aber nervöse und stets blässlich wirkende Frau ihn warmherzig empfängt, ist sein Onkel (Vittorio Gassman) ein herrischer, abweisender  Intellektueller, der seinen Haushalt allein durch seine bloße Präsenz unter der Knute hält.
Schon kurz nach seiner Ankunft fallen Tino seltsame Geräusche vom Dachboden auf, zu dem eine Treppenflucht hinter einer ihm zuvor von der Tante verbotenen Tür führt.
Entschlossen sucht der junge Student nach dem Ursprung der sonderbaren Laute und stößt dabei nach und nach auf ein tragisches Familiengeheimnis, welches besser für immer im Dunkel des Dachbodens geblieben wäre...


Wie fand ich's?: Ist Regisseur Dino Risi (*1916; †2008) eher als Großmeister der Comedia all'italiana und für Filme wie Profumo di donna (I 1974 dt.: Der Duft der Frauen) bekannt, so schuf er mit Anima Persa 1977 einen leider etwas vergessenen Psychothriller, der teilweise das Genre des Giallo streift, und schon aufgrund seines Casts zu begeistern weiß.
Catherine Deneuve und Vittorio Gassman sind (bzw. waren) absolute Größen ihrer Zunft und brillieren auch hier mit außergewöhnlicher Handwerkskunst, wobei man sagen muss, dass auch der Rest der Besetzung und besonders der hier debütierende Danilo Mattei grandiose Leistungen zeigen. Mattei, der seit 1998 keinen Film mehr gedreht hat und seit einiger Zeit offenbar als Immobilienmakler tätig ist, fand sich bereits wenig später unter der Leitung Umberto Lenzis in Cannibal ferox (I 1981 dt.: Die Rache der Kannibalen) und La guerra del ferro: Ironmaster (I/F 1983 dt.: Er - Stärker als Feuer und Eisen) wieder und bekam danach nur noch kleinere Nebenrollen angeboten.
Anima Persa beginnt wie ein klassisches Haunted House Movie oder eine weitere Variation von Whales The Old Dark House (USA 1932 dt.: Das Haus des Grauens) mit leichten Anklängen des Giallos, nur um sich dann immer mehr zu einem garstigen Psychodrama zu mausern. Damit hebt sich Risis langsam entwickelnder Film wohlig von der sonst mitunter etwas formelhaft daherkommenden, italienischen Genrekost ab und stellt sich in eine Reihe mit Werken wie z. B. Piero Schivazappas meisterhaften Femina ridens (I 1969 USA: The Laughing Woman) der ebenfalls das Genre um interessante Aspekte bereicherte und erweiterte.
Dazu wartet man noch mit einem finalen Twist auf, den selbst mancher genreerfahrener Zuschauer nicht absehen kann und der doch vollkommen logisch und schlüssig daherkommt - was Anima Persa nur weiter aus dem Gros seiner Mitbewerber heraushebt.
Die literarische Vorlage stammt übrigens von Giovanni Arpino, dessen Bücher auch schon zu solchen Meisterwerken wie dem bereits oben erwähnten Profumo di donna oder Pietro Germis Divorzio all'italiana (I 1961 dt.: Scheidung auf italienisch) adaptiert wurden.


Fazit: Toll gespielt, toll inszeniert - Tollwut auf'm Speicher. Viel toller geht's gar nicht...


Punktewertung: 9,25 von 10 Punkten