Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 19. Juni 2015

Es riecht nach Katze im Staate Dänemark

Sette scialli di seta gialla (eng.: The Crimes of the Black Cat)
I 1972
R.: Sergio Pastore


Worum geht's?: Kopenhagen. Von seiner Freundin (Isabelle Marchall) gerade verlassen und im Restaurant frisch versetzt worden, muss der blinde Filmkomponist Peter (Anthony Steffen) ein sonderbares und beunruhuigendes Gespräch am Tisch hinter ihm mit anhören. Da er aufgrund lauter Musik und zahlreicher Nebengeräusche leider nur Bruchstücke aufschnappen kann, glaubt er zwar von einem verabredeten Verbrechen erfahren zu haben, kann aber weder genau auf die beteiligten Personen noch auf sonstige hilfreiche Details schließen.
Als er am nächsten Tag vom ungewöhnlichen Tod seiner Liebschaft erfährt, macht sich der selbst ernannte Mörderschreck mit seinem loyalen Faktotum Burton (Umberto Raho) auf die Suche nach dem Täter, der auch weiterhin seinen pausbackigen, rothaarigen Todesengel im weißen Cape (Giovanna Lenzi - die Ehefrau des Regisseurs) ausgeschickt, um ein Opfer nach dem anderen in der Modewelt der dänischen Hauptstadt zu fordern.


Wie fand ich's?: Als Genrefan besitzt man so etwas wie einen ganz eigenen Fahrplan, den man bei den anstehenden Sichtungen in seinem Lieblingsunterhaltungsfach anwendet. So hat man meist eine ideelle Liste, welche man - mehr oder weniger - Punkt für Punkt vom ersten Platz an abarbeiten möchte.
Der hier besprochene Sette scialli di seta gialla (dt.: Sieben Schals aus gelber Seide) stand auf meiner solchen, persönlichen Liste jahrelang weit unten, wird er doch häufig eher als Marginalie im Genre besprochen und wurde zudem hierzulande bislang nicht veröffentlicht.
Nach Ansicht des Films muss ich beide letztgenannten Punkte als äußerst ungerecht tadeln, da es sich bei Sergio Pastores Werk zwar um einen dreisten, aber für genreerfahrene Zuschauer recht unterhaltsamen Best-Of-Mix des Italo-Thrillers der vorangegangenen Jahre handelt.
So nimmt Pastore den blinden Helden aus Dario Argentos gerade in den Kinos gelaufenen Il gato a nove code (I/F/BRD 1971 dt.: Die neunschwänzige Katze) und wirft diesen ins Milieu der Mode und Mannequins, wie man es schon in Bavas stilbildenden Sei donne per l'assassino (I/F/MCO 1964 dt.: Blutige Seide) begutachten durfte. Hinzu kommen Morde durch ein seltsames Gift - s.h. den ebenfalls ein Jahr zuvor erschienenen La tarantola dal ventre nero (I/F 1971 R.: Paolo Cavara dt.: Der schwarze Leib der Tarantel), einen mit unheimlicher, flüsternder Stimme drohenden Killer der an Argentos meisterhaftes Debüt L'uccello dalle piume di cristallo (I 1970 dt.: Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) erinnert und eine Meuchelei unter der Dusche, welche gar Hitchcocks legendärem Urvater des Slashers und des Giallo, Psycho (USA 1960), bluttriefend Hommage erweist.
Diese äußerst explizite Szene bildet den gorigen Höhepunkt des Streifens, welcher sich insgesamt sehr langsam in seiner Gewaltdarstellung steigert, um sich in den letzten zehn Minuten praktisch blutig in Richtung der Zuschauer zu erbrechen.
Diese Explosion der Härte trifft einen noch unvermittelter, setzt man zuvor inhaltlich eher auf eine amüsante Mörderhatz durch die Straßen Kopenhagens und auf ein ganzes Ensemble aus exzentrischen Individuen. Da ist der blinde Hobbyschnüffler mit treuem Diener, der windige Geschäftsmann (Giacomo Rossi-Stuart - der schon 1966 in Bavas Operazione Paura dabei war und zahlreiche Genrebeiträge mit seiner Anwesenheit beglückte), dessen Gattin (Sylva Koscina - war im selben Jahr noch in Di Leos La mala ordina und eins später in Bavas Lisa e il diavolo zu begutachten) und besagte, rothaarige Dame mit dem tödlichen Katzenkorb.
Dass man die Handlung im kühlen Dänemark angesiedelt hat, gibt dem Film in meinen Augen noch zusätzlichen Reiz, kann man doch den üblichen Schauplätzen in bella Italia oder dem Nebel von London (oder Italien, dass sich dreist als Groß-Britannien ausgibt) irgendwann mal überdrüssig werden.
Insgesamt reicht Pastores Destillat allerdings nicht an die absoluten Klassiker des Genres heran, doch gilt auch hier, dass gut geklaut manchmal besser als schlecht selbst erfunden ist.
Meines Erachtens nach wird es also Zeit, dass dieser Film ein ordentliches Release an den heimischen Gestaden erfährt - dies geht jetzt an Euch: Camera Obscura und FilmArt!


Fazit: Ein eher unterschätzter Giallo aus dessen früher Hochzeit oder vielmehr ein bunt zusammengeklautes Pasticcio aus allen lieb gewonnenen Klischees des Genres.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Donnerstag, 4. Juni 2015

Auf der dunklen Seite des Monds verscharrt

Nothing Lasts Forever (Alles ist vergänglich)
USA 1984
R.: Tom Schiller


Worum geht's?: Vom verzweifelten Wunsch ein Künstler zu werden getrieben, kehrt der junge Adam Beckett (Zach Galligan) von einem Europa-Aufenthalt in den Big Apple zurück, nur um erschreckt feststellen zu müssen, dass nach einer Katastrophe nun die Hafenbehörde über die Stadt herrscht und strenge, bizarre Einreiseverordnungen erlassen hat.
So muss Adam einen mehrere Sekunden langen Test im Schnellzeichnen mit einem kecken Aktmodel absolvieren, bei dem er prompt scheitert und daraufhin sein weiteres Berufsleben als uniformierte Verkehrsaufsicht in einem kleinen Häuschen am Eingang des Holland Tunnels unter der Aufsicht eines pedantischen Chefs (Dan Aykroyd) verbringen.
Zu seiner Verblüffung findet Adam in den folgenden Tagen nicht nur heraus, dass das fesche Aktmodel Mara (Appolonia van Ravenstein) vom Eignungstest eine seiner Kolleginnen ist, sondern dass Obdachlose weltweit die Geschicke der Menschen leiten und man wahre Liebe nur auf dem Mond findet...


Wie fand ich's?: Mitte der 80er Jahre sah es finanziell recht unsicher aus im Hause Metro-Goldwyn-Mayer. Die epochale Pleite von Michael Ciminos unverstandenen Meisterwerks Heaven's Gate (USA 1980) hatte Geldnot und Angst im Herzen des Unternehmens hinterlassen. So verwundert es wenig, dass Nothing Lasts Forever nach einigen desolaten Testscreenings erst mal ins Regal gestellt wurde - und dort bis heute beinah in Vergessenheit geriet.
Da Regisseur Tom Schiller zudem immer wieder seine warmherzige, sozialkritische Komödie mit zahlreichem, historischen Stock Footage anreicherte, steht weiterhin die starke Vermutung im Raum, dass Rechtsquerelen aufgrund von ungeklärten Urheberrechtsansprüchen, die Auswertung des Films verhindern.
Woran es auch immer liegen mag, Warner Bros. (bei welchen heute die Rechte liegen), weigert sich auch im Jahr 2015 weiterhin beharrlich Nothing Lasts Forever außerhalb einiger seltener internationaler TV-Ausstrahlungen (laut OFDb 2001 auf VOX, dann 2007 im Pay-TV bei Turner Classic Movies, in letzter Zeit in den USA wiederholt bei TCM Underground) auch auf DVD oder gar Blu Ray verfügbar zu machen.
Dabei wartet Schillers bislang einziger Kinofilm neben einer, für ein Mainstreampublikum vermutlich tatsächlich zu bizarren, ungewöhnlichen Story, auch mit namhaften Darstellern und einer famosen Optik auf.
Zach Galligan (*1964) war 1984 durch Joe Dantes Megaerfolg Gremlins (USA 1984) zu kurzem, aber wie sich heute zeigt auch schnell vergänglichen, Starruhm gelangt. Daneben unterschrieben auch Bill Murray und Dan Aykroyd für weitere Rollen in Schillers Film, was die Besetzung zusätzlich aufwertet und für einige gut gefüllte Kinosäle gesorgt hätte.
Schiller hatte jahrelang für die legendäre, amerikanische Comedyshow Saturday Night Live gearbeitet, wo er zahlreiche kurzfilmhafte Sketche schuf, welche heute bei Fans Kultcharakter besitzen und die in einem Segment der Show namens Schiller's Reel ausgestrahlt wurden. So verwundert es nicht, dass auch John Belushi, ebenfalls durch SNL zu erster Berühmtheit erlangt, eine Rolle in Nothing Lasts Forever bekommen sollte, Belushi aber an den Folgen seines Drogenkonsums 1982 bereits im Alter von 33 Jahren tragischerweise verstarb.
Nothing Lasts Forever bedient sich einer an Filme der zwanziger, dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre erinnernde Optik, welche zum einen durch die bis auf zwei Szenen konsequente Gestaltung in Schwarz-Weiß, auch durch die Kostüme und das Setdesign zum Ausdruck gebracht wird. Dies erinnert an die Filme eines Guy Maddin, wie Tales from the Gimli Hospital (CAN 1988) oder an Lars von Triers Europa (D/DK/F/S/CH 1991), die auch Schillers Hang zum Absurden teilen.
Nothing Lasts Forever führt den Zuschauer durch eine nostalgische Alternativwelt: Von der brummenden Großstadt zu einer unerwarteten und im wahrsten Sinne des Wortes bunten Unterwelt, schließlich direkt zur Shoppingfalle auf dem Mond. Die Fahrt dorthin findet in einem großen Reisebus statt, dessen Geräumigkeit beinah an ein Kreuzfahrtschiff oder die TARDIS eines Doctor Who erinnert.
Dass Schillers Film gen Ende auch noch eine romantische Gesangsszene auffährt, kann leider allerdings nicht über den Fakt hinwegtäuschen, dass Nothing Lasts Forever insgesamt etwas unausgewogen wirkt und besonders das Finale geradezu überstürzt und kurz angebunden daher kommt.
Trotzdem kann mein Plädoyer schlussendlich natürlich nur das endgültige Release dieses Werkes fordern, natürlich als formvollendete Blu Ray mit Audiokommentar des Regisseurs, einer räumlichen, scharfen Bildauflösung, Featurette über die Entstehungsgeschichte und Interviews mit Galligan, Murray und Aykroyd.
Man wird ja wohl noch träumen dürfen...


Fazit: Eine groteske, romantische Großstadtkomödie für Mondsüchtige.


Punktewertung: 8 von 10 Punkten