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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 23. Oktober 2015

Die Rückkehr der Klassiker #5: Wie kommt denn das Arsen in den Wein, Tantchen?

Arsenic And Old Lace (Arsen und Spitzenhäubchen)
USA 1944
R.: Frank Capra

Worum geht's?: Mortimer Brewster (Cary Grant), ein erfolgreicher Theaterkritiker und Schriftsteller von Büchern, die den Schrecken der Ehe thematisieren, befindet sich zu Anfang dieses Films eben dort, wo der Schrecken oft seinen Anfang nimmt: in der Warteschlange eines Standesamts. Und tatsächlich heiratet der Autor der Junggesellenbibel „Die Ehe: ein Betrug und eine Falle“ seine Freundin Elaine Harper (Priscilla Lane) unter den wachsamen Augen der anwesenden Skandalpresse.
Nun bleibt Mortimer noch ein Abschiedsbesuch bei seinen lieben Tantchen Abby und Martha (Josephine Hull und Jean Adair), welche zusammen mit seinem geistigverwirrten Vetter Teddy (John Alexander), welcher sich für Theodor Roosevelt hält, in einem idyllischen Haus in Brooklyn leben.
Das Idyll täuscht jedoch, denn die beiden alten Damen „erlösen“ mit vergifteten Hollunderbeerwein allein stehende, ältere Herren, welche auf der Suche nach einem Zimmer auf ein Schild im Fenster der netten Damen hereinfallen. Als Mortimer im Haus seiner Tanten auf eine Männerleiche in der Fenstertruhe stößt, fällt sein Verdacht zunächst auf Teddy, welcher gern mal ins Horn stößt und die Treppe erstürmt, ganz im Gedächtnis an Roosevelts Sturm auf den Hügel von San Juan, oder im Keller „Schleusen für den Panamakanal“ gräbt. Zu seinem Schrecken muss Mortimer von seinen geständigen Tanten erfahren, dass sie hinter der Leiche stecken.
Mortimers Probleme verdichten sich, als sein zweiter Vetter Jonathan (Raymond Massey) zusammen mit dem versoffenen und sonderbar paranoiden Dr. Einstein (Peter Lorre) Zuflucht im Hause der Tanten sucht. Jonathan, ein flüchtiger Gewaltverbrecher, weist nach einiger, von Dr. Einstein ausgeführter, plastischer Chirurgie verblüffende Ähnlichkeit mit Frankensteins Monster auf; ein Umstand, den auch Mortimer ebenso zur Kenntnis nehmen muss, wie den, dass er nun noch mindestens ein weiteres Problem zu lösen hat...

***

Wie fand ich's?: Screwball-Comedy trifft auf den klassischen Gruselthriller. So lässt sich Frank Capras Meisterwerk in kurzen Worten fast exakt beschreiben. 
Die übermütige Screwball-Komödie feierte in den 30er Jahren große Erfolge mit heutigen Klassikern wie My Man Godfrey (USA 1936 R.: Gregory La Cava dt.: Mein Mann Godfrey) oder Bringing Up Baby (USA 1938 R.: Howard Hawks dt.: Leoparden küsst man nicht) und bot sich somit zeitnah zur Verschmelzung mit anderen Genres geradezu an.
Meisterregisseur Capra, der zwei Jahre später mit It´s A Wonderful Life (USA 1946 dt.: Ist das Leben nicht schön?) den ultimativen Weihnachtsfilm schaffen sollte, gelang mit Arsenic and Old Lace eine wunderbare Umsetzung des gleichnamigen Theaterstücks von Joseph Kesselring, in dem bereits Boris Karloff die Rolle des Jonathan übernommen hatte. So kommen die mehrfachen Anspielungen auf Raymond Masseys „monströses“ Aussehen nicht von Ungefähr und sorgen nebenbei für einen netten Insidergag.
Sicherlich merkt man dem für heutige Verhältnisse recht statisch inszenierten Film das zugrundeliegende Theaterstück an; so spielen große Teile des Films im gleichen Raum, welcher nur sehr selten zur Straßenkulisse verlassen wird. Doch macht das übermütige Spiel aller Akteure, besonders das des hibbeligen, hypernervösen Cary Grants, dieses verzeihliche Manko schnell wett. Capra soll sich sehr eng an die Vorlage gehalten haben und nur hier und da Szenen oder Text gegenüber des zugrundeliegenden Theaterstücks abgeändert haben. Dabei bot sich diesmal kaum Platz für Capras sonst obligatorischen sozial-kritischen Inhalt, wie er z. B. in Mr. Deeds Goes To Town (USA 1936 dt.: Mr. Deeds geht in die Stadt) oder in Meet John Doe (USA 1941 dt.: Hier ist John Doe) vorhanden ist.
Was heute bleibt, ist eine liebenswürdige, witzige und wunderschön altmodische Gruselkomödie, deren Anteil an Horror in Zeiten von Harry Potter, Hunger Games durchaus als kindertauglich anzusehen ist.
Greift man zur schönen deutschen DVD von Warner, so fallen einem zunächst die drei enthaltenen, unterschiedlichen Filmfassungen auf. Da wäre die, dem Capra-Fan aus dem Fernsehen wohlbekannte, TV-Fassung von 1962, welche eine von der Berliner Synchron GmbH vollkommen neugestaltete Titelsequenz aufweist, in der ein animierter Totenkopf die einzelnen Credits pantomimisch kommentiert. Daneben findet man jedoch auch die etwa drei Minuten längere Originalfassung, wahlweise im Originalton oder mit der deutschen Kinosynchro von 1957, welche interessanterweise den Film direkt von Anfang an dem Halloweenfest zuordnet, in dem dessen Titelsequenz mehrere Karten mit gezeichneten Hexen, Kürbissen, Katzen und Fledermäusen zeigt. Aufmerksamen Betrachtern mag jedoch, auch in der alten deutschen Fernsehfassung, vermutlich nicht die Szene entgangen sein, in der Mortimers Tanten einigen verkleideten Kindern aus der Nachbarschaft Süssigkeiten durchs Küchenfenster schenken. Das macht Arsenic And Old Lace für mich nur umso mehr zum ultimativen Halloweenfilm, Puristen dürfen natürlich trotzdem weiterhin einen Tag zuvor den Klassiker von Carpenter anschauen.
In diesem Sinne: A Happy Halloween!

Fazit: Nicht nur zu Halloween ein Filmfest für die ganze Familie - vielleicht nicht Capras bester aber einer seiner liebenswertesten Filme.

Punktewertung: 10 von 10 - Ein wahrer Klassiker!