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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 6. Dezember 2015

Blutige Hatz auf Erntedankgeflügel

Turkey Shoot (Insel der Verdammten)
AUS 1982
R.: Brian Trenchard-Smith

Worum geht's?: Australien in der nahen Zukunft.
Andersdenkende Feinde der Regierung werden in Umerziehungslager gebracht, wo sie dem brutalen Personal hilflos ausgeliefert sind.
Während die meisten dieser Einrichtungen schnell an den Rand ihrer möglichen Kapazität kommen, hält der ausgebuffte Lagerleiter Thatcher (Michael Craig) die Zahl seiner Gefangenen durch ein perfides Spiel übersichtlich; er lässt ausgewählte Insassen mit dem Versprechen auf Freiheit in einem blutrünstigen Rennen gegen sich und drei weitere Jäger aus der elitären Schicht, wie dem schleimigen Staatssekretär Mallory (Noel Ferrier) und die ebenso attraktive wie gefährliche Societydame Jennifer (Carmen Duncan), antreten.
Zu den unglücklichen Auserwählten zählen diesmal der unbeugsame Dissident Paul (Steve Railsback), dem bereits die Flucht aus anderen Lagern gelang, die scheue Schönheit Chris (Olivia Hussey), der kriecherische Brillenträger Dodge (John Lay) sowie die der Prostitution verdächtigte Rita (Lynda Stoner).
Unbewaffnet rennen sie um ihr Leben, stets verfolgt von den gut ausgerüsteten Jägern und dem sadistischen Wächter Ritter (Roger Ward), für die Fair Play ein nie gehörtes Fremdwort ist.

***

Wie fand ich's?: Das Thema der gemeinschaftlichen Menschenjagd ist schon zahlreiche Male von Filmemachern aufgegriffen worden, man denke nur an den markanten Klassiker The Most Dangerous Game (USA 1932 R.: Irving Pichel und Ernest B. Shoedsack dt.: Graf Zaroff - Genie des Bösen), in dem Fay Wray diesmal nicht versuchte den Nachstellungen eines Riesenaffens zu entgehen, sondern den Todesfallen eines ebenso sadistischen, wie distinguierten Leslie Banks. Später folgten neben direkten Remakes der Literaturverfilmung (Richard Connell, veröffentlicht 1924) auch noch andere thematisch sehr ähnliche Filme, wie z. B. Peter Collinsons Open Season (E/CH/GB/USA/ARG dt.: Jagdzeit) von 1974, oder John Woos Hard Target (USA 1993 dt.: Harte Ziele) sowie der beinah zeitgleich entstandene Surving the Game (USA 1994 R. Ernest R. Dickerson dt.: Tötet ihn!). Erweitert man die Thematik nur unwesentlich, kann man auch noch weitere Klassiker des modernen Actionfilms wie Ted Kotcheffs First Blood (USA 1982 dt.: Rambo) im selben Atemzug nennen.
Doch kommen wir zum hier besprochenen Turkey Shoot (der Originaltitel bezeichnet im amerikanischen Sprachraum ländliche Schützenfeste bei denen auf und um Truthähne geschossen wird sowie im militärischen Sprachgebrauch das bloße Abschlachten des Feindes durch eine vollkommen überlegene Truppe).
Regisseur Brian Trenchard-Smith liefert seit den frühen 70er-Jahren feinstes Exploitationkino aus Down Under und ist dem Kenner durch kleine, aber feine Kultstreifen wie The Man from Hong Kong (HK/AUS 1975 dt.: Der Mann von [sic] Hong Kong) oder den ein Jahr nach Turkey Shoot entstandenen BMX Bandits (AUS 1983 dt.: Die BMX-Bande), der einer der ersten Kinofilme Nicole Kidmans werden sollte.
In Blood Camp Thatcher (so der britische Alternativtitel) holte der gute Brian ("Setz dich. Nimm dir 'n Keks [...]) den alten Aristokraten Zaroff aus dem staubigen Schrank und kreuzte diesen mit den sogenannten Women in Prison Filmen, die zunächst zartbesaitete Heldinnen in dreckigen Knästen noch dreckigeren Aufsehern (oder auch gern lesbischen Aufseherinnen) dem sensationslüsternen Blick des Publikums ausliefern. Als repräsentative Beispiele seien zu diesem recht umfangreichen Subgenre hier nur Jess Francos scharf gewürzter Europudding Der heiße Tod (FL/E/I/BRD/UK 1969 eng.: 99 Women), Tom DeSimones gelungener 8oer-Knaller Reform School Girls (USA 1986 dt.: Pridemoore) oder der klassische Film noir Caged (USA 1950 dt.: Frauengefängnis) kurz genannt.
Dazu kommen einige zusätzlich eingestreute Science-Fiction-Elemente, die neben dem dystopischen Tyrannenstaat ihren Höhepunkt in der Figur des animalischen Zirkusfreaks Alph (s. h. Foto oben) finden. Dieser einem Werwolf nicht unähnlichen Gestalt möchte man nicht im Traum begegnen und hier zeigt sich, neben dem Willen zu immer größer angelegten, harten Actionszenen, auch am stärksten Trenchard-Smiths Hang zum filmischen Exzess und zu einem ungehemmten Umgang mit allen ihm und den Drehbuchautoren eingefallenen fixen Ideen.
Man meint als Zuschauer beinah das Lachen der Drehbuchautoren und den fröhlichen Ausruf "Fuck the critics!" vonseiten der Produktion zu vernehmen.
Weniger nach Lachen war wohl den Darstellerinnen am Set zumute. Olivia Hussey, Slasherfans durch ihre Hauptrolle in Bob Clarks famosen Black Christmas (CAN 1974 dt.: Jessy - Die Treppe in den Tod) ein Begriff, soll Probleme mit Australiens recht sonderbarer Fauna gehabt haben (hochgiftige Spinnen, Skorpione, Kraken, Quallen und Stechrochen sind eben nicht jedermanns Sache), während Linda Stoner, ganz die bekennende Tieraktivistin, sich weigerte einen toten Fisch auszunehmen und erst nach langen Debatten mit Trenchard-Smith bereit war, ihr Hinterteil zu entblößen.
Alles in allem ist Turkey Shoot ein großes Fest des schlechten Geschmacks, mit dem man auch durchaus zu später Stunde am Heiligen Abend neben dem Lametta bewehrten Weihnachtsbaum seinen Spaß haben kann.

Fazit: Finest Ozploitation! Ein vollkommen entfesseltes Actionfeuerwerk aus dem australischen Busch mit allem Pi, Pa und (nackten) Po. Lass krachen, Brian!






Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten