Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 10. Juni 2017

In die Pfanne gehauen!

Eating Raoul
USA 1982
R.: Paul Bartel

Worum geht's?: Jeder hat einen Traum. So auch der frisch arbeitslos gewordene Weinverkäufer Paul Bland (Paul Bartel) und dessen Gattin Mary (Mary Woronov), die als Krankenschwester Schichten in einem Hospital schiebt.
Beide träumen von einem eigenen Gourmetrestaurant, doch ist leider kaum das Kapital dafür vorhanden, und während ihre Nachbarn fröhlich eine Swingerparty nach der anderen werfen, zählen die Blands im 50er-Jahre-Dekor ihres Appartments die wenigen Ersparnisse.
Da kommt es sehr gelegen, dass eines Abends der heimkehrende Paul einen enthemmten Swinger dabei erwischt, wie dieser sich gerade an seiner Mary vergreifen will und ihn kurzerhand mit einer gusseiserenen Pfanne erschlägt - in der Tasche des ekligen Perverslings findet sich nämlich eine gesunde Menge Bargeld!
Schnell wird die Leiche im hauseigenen Müllschlucker entsorgt, doch lösen die paar Scheine nicht die finanzielle Situation des Ehepaars, dass sich derweil erfolglos um einen Kredit bemüht.
Als ein zweiter Swinger in der Wohnung der Blands aufläuft und Paul erneut beherzt zur Pfanne greift, nur um in der Brieftasche des Toten auf ein weiteres schönes Sümmchen zu stoßen, fasst man den Entschluss, aus der mittlerweile gewonnenen Routine ein dauerhaftes Einkommen zu machen.
Mit der Hilfe einer örtlichen Domina (Susan Saiger) und einer Annonce in einem Sexmagazin locken von nun an die Blands gezielt frivole Freier in die biedere Wohnung der beiden, wo Paul schon die Bratpfanne im Anschlag hält.
Schnell kommt man so zu einigem Reichtum und diesen möchte man schützen - mit einem neuen Türschloss!
Dass sich der herbeibestellte Schlosser Raoul (Robert Beltran) ebenso schnell als kleinkriminelles Element herausstellt, konnte ja keiner ahnen, schon eher, dass es keine gute Idee sein würde ihm die Entsorgung der Leichen anzuvertrauen, die sich schon bald in der Wohnung der Swingerkiller zu stapeln drohen.

***

Wie fand ich's?: Gute Komödien sind selten.
Noch seltener sind gute Komödien, die nicht nur lustig sind, sondern die auch ein gelungenes Bild von ihrer Entstehungszeit abgeben, toll gespielt sind und dem Zuschauer geschmackvoll eine Geschmacklosigkeit nach der anderen unter die Nase reibt, ohne jedoch je wirklich geschmacklos zu werden.
Regisseur und Hauptdarsteller Paul Bartel (* 1938; † 2000) gelingt in Eating Raoul dieses Kunststück scheinbar mühelos.
Bartel, der, genau wie seine Kodarstellerin Mary Woronov, lange Zeit im Umfeld Roger Cormans tätig war, kurbelte de, von einer kleinen Kultgemeinde mittlerweile stark verehrten Film in etwas mehr als drei Wochen für das relativ geringe Budget von nur 350.000 $ herunter.
Das Ergebnis: eine luftig-lockere Komödie mit galligem, gesellschaftskritischem Unterton, die thematisch durchaus ihresgleichen sucht.
Bartel war ein ähnlicher Coup bereits zuvor mit dem von Corman produzierten Death Race 2000 (USA 1975) gelungen, in dem auch Mary Woronov schon eine größere Rolle innehatte. Ebenfalls oberflächlich ein klassischer Exploitationfilm, findet sich auch hier bereits ein ätzender, zeitkritischer Subtext, der sich mit dem zunehmenden Einfluss von Massenmedien und Großkonzernen, dem Wegfall von Moral und der allgemeinen Konsumsucht auseinandersetzt.
Einige dieser Motive hielt Bartel auch bei Eating Raoul bei, hinzu kommt ein gesteigertes Interesse für die zunehmende Übersexualisierung der US-Gesellschaft, anschaulich dargestellt am Beispiel der seit den 60er-Jahren immer stärker aufkommenden Swingerbewegung.
Demgegenüber stellt das Drehbuch das Ehepaar Bland, die zunächst als sympathische Verlierer daherkommen, aber im Grunde nichts anderes als recht langweilige Spießer sind, die in getrennten Betten schlafen und sich dort neben Kuscheltieren oder, im Falle des weinsammelnden Ehemanns, übergroßen Plüschflaschen zum Schlafen legen.
Bartels wunderbar relaxte Satire platzt nur so vor tollen Details und wird dadurch auch selbst nach mehrmaligem Sehen kaum langweilig. Im Gegenteil; sie gewinnt nur an Größe - wie ein guter Wein.
Ach, ja - Paul und Mary Bland sollten noch einmal zurückkehren, für ein Cameo in einem gänzlich anderen Film. Ein Bildbeweis findet sich im unteren Teil des verlinkten Posts!

***

Fazit: Bitterböse, ätzend, aber prickelnd im Abgang - eine Satire, die man sich zusammen mit einem edlen Tropfen oder einer schönen Dose Bier zur Brust nehmen sollte.








***

Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten