Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 26. Oktober 2012

Das erste Opfer eines Krieges ist die Unschuld...

Pensione Paura
I 1977
R.: Francesco Barilli

Worum geht's?: Italien zur Zeit des 2. Weltkriegs.
Die Minderjährige Rosa (Leonora Fani) bestellt zusammen mit ihrer Mutter Marta (Lidia Bondi) ein Hotel irgendwo in der Provinz.
Rosa vermisst ihren geliebten Vater, der bei der Luftwaffe dient, und verabscheut die aufdringlichen Gäste der maroden Herberge, deren Nachstellungen sie fast hilflos ausgeliefert ist.
Besonders aufdringlich und hartnäckig ist Rodolfo (Luc Merenda), ein schmieriger Gigolo, der mit seiner wesentlich älteren Geliebten nur aufgrund derer Diamanten ewige Heiratspläne schmiedet.
Als Rosas Mutter sich bei einem Treppensturz das Genick bricht (Unfall oder Mord?), steht das Mädchen plötlich vollkommen schutzlos und allein da, denn der trunksüchtige, alte Kellner Alfredo ist ebenso wenig eine Hilfe, wie der nervöse Fahnenflüchtige (Francisco Rabal), den Mutti im Hotel versteckt hielt.
Doch als sich zwei weitere Gangster einquartieren und Rodolpho eines Nachts wie ein Tier über Rosa herfällt, taucht plötzlich ein mörderischer Helfer mit Hut und Trenchcoat auf...

Wie fand ich's?: Dies ist der zweite Langfilm von Francesco Barilli, der bereits drei Jahre zuvor mit Il profumo della signora in nero (I 1974) einen unvergesslichen Klassiker des italienischen Psychothrillers abgeliefert hatte, dessen Qualitäten, um mal direkt zum Punkt zu kommen, mit Pensione Paura allerdings nicht ganz erreicht werden.
Handwerklich ist Barillis Nachfolger sicher erneut unantastbar und auch auf darstellerischer Ebene kann man alles andere als meckern; es ist vielmehr die Unentschlossenheit des Drehbuches, die den Film unausgewogen und sonderbar unstimmig anmuten lässt.
Fast die gesamte erste Stunde des Films bekommt der Zuschauer nämlich ein schön anzusehendes Drama über eine leidgeplagte Jugend im Krieg zu sehen, bevor dann im letzten Drittel zunächst eine unnötig explizite Vergewaltigung, dann wesentlich unspektakulärer gefilmte Messermorde und schließlich ein Maschinengewehrmassaker den Zuschauer aus dem Fluss der Bilder reißen, nur um ihn dann zum Schluss wieder ins Land der Tragödie zu schicken.
Wer Il profumo della signora in nero gesehen hat, weiß, dass Barilli Drama, Gewaltdarstellung und einen bemerkbaren Spannungsbogen dort noch bei Weitem besser miteinander verbinden konnte, als in Pensione Paura, hier zerfallen diese Elemente fast in eigenständige, sehr unterschiedlich lange Episoden, sodass der Film leider keinen einheitlichen Ton findet.
Trotzdem wird man gut unterhalten, was man mich zu einer klaren Wertung oberhalb des Mittelmaßes bewegt hat.
Nach Pensione Paura sollte Francesco Barilli leider kaum noch als Regisseur aktiv werden und sich vermehrt als Schauspieler betätigen.

Fazit: Knapp vorbei am großen Treffer - zum Ende hin mit einer unnötigen Prise Giallo und unangemessenem Gemetzel leider etwas überwürztes Psychodrama!

Punktewertung: 6,5 von 10 Punkten

Samstag, 20. Oktober 2012

Wer sagt: Auf der Alm da gibt's koa Sünd?

Sennentuntschi
CH/AU 2010
R.: Michael Steiner


Worum geht's?: 1975. In einem Schweizer Alpendorf erhängt sich der Messner, zeitgleich taucht eine offensichtlich traumatisierte, junge Frau (Roxane Mesquida) auf.
Diese kann weder sprechen, noch einen Hinweis auf ihre Herkunft geben und nur der Priester (Ueli Jäggi) vermutet zunächst, dass diese traurige Figur direkt aus der Hölle stammt und ihr Auftauchen in direktem Zusammenhang mit dem toten Kirchendiener steht.
Trotz der fürsorglichen Hand des engagierten Dorfpolizisten Reusch (Nicholas Ofczarek), schlägt der Verlorenen nur Hass oder Gleichgültigkeit entgegen, genährt von Aberglauben und Vorurteilen.
Ohne wirkliche Hilfe der Dorfbevölkerung versucht Reusch die Herkunft der Schönen ausfindig zu machen, und stößt dabei auf ein Verbrechen, welches bereits fünfzig Jahre zurückliegt und damit auf den einzigen ungelösten Fall eines sterbenden Polizeiinspektors im Ruhestand.
Doch wie hängt dies alles nur mit einem Leichenfund in der Gegenwart zusammen, was haben zudem drei Männer in einer abgelegenen Almhütte mit der Frau zu tun, und wie kommt dann noch die sagenumrankte Figur der Sennentuntschi ins Spiel, die zu Leben kommende Strohpuppe, welche einsamen Hirten als Gespielin dient, um dann tödliche Rache an ihnen zu nehmen?


Wie fand ich's?: Nachdem die Produktion des Films beinah an finanziellen Problemen scheiterte und nur eine Geldspritze der Münchener Constantin Film das Projekt rettete, schaffte es Sennentuntschi tatsächlich doch noch dank rund 150000 zahlender Schweizer Kinobesucher der erfolgreichste Film im Jahr 2010 der Alpenrepublik zu werden.
Dabei hatte eine Ausstrahlung eines gleichnamigen Theaterstücks des Dramatikers Hansjörg Schneider im Schweizer Fernsehen bereits 1981 einen Skandal ausgelöst und auch eine recht freizügige, deutsche Kinoadaption unter dem Titel Sukkubus - den Teufel im Leib (BRD 1989) von Georg Tressler war eher auf profane Schauwerte aus.
In Steiners neuerer Filmadaption der Sage, bei der der Regisseur in Zusammenarbeit mit seiner damaligen Ehefrau auch das Drehbuch verfasste, liegt das Hauptaugenmerk der Geschichte jedoch weniger auf einem sexuell aufgeladenen Metaphernspiel, als auf einem spannenden Mysterythriller, der sich nach und nach durch die Verwendung längerer Rückblenden auflöst und den Zuschauer am Ende eher fassungslos über das Gesehene entlässt.
Hinzu kommt die wahrhaft malerische Szenerie der Schweizer Alpen, ebenso die hervorragende Ausstattung, welche die Handlung zur Mitte der 70er Jahre äußerst authentisch erscheinen lässt und die bis in die kleinste Nebenrolle sehr gut agierenden Schauspieler.
Die 1981 geborene Französin Roxane Mesquida erweist sich hier geradezu als Idealbesetzung für die geheimnisvolle Schönheit und auch Nicholas Ofczarek gibt den gerechten Dorfpolizisten mit Bravour.
Der schweizerdeutsche Originalton ist für einheimische Ohren allerdings kaum verständlich, darum ließ man den Film für eine Auswertung hierzulande nachträglich noch einmal hochdeutsch synchronisieren.



Fazit: Ganz was Feines aus dem Land der Toblerone - allerdings herbe im Abgang.

Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten

Freitag, 19. Oktober 2012

Insekten und um Sekten herum

The Sect (La Setta)
I 1991
R.: Michele Soavi

 
Worum geht's?: Deutschland 1991. Nachdem die etwas verhuschte Lehrerin Miriam (Kelly Curtis) auf dem Nachhauseweg fast einen alten Mann (Herbert Lom) angefahren hat, beschließt sie aufgrund von Schuldgefühlen, den Alten mit zu sich und ihr abgelegenes Häuschen zu nehmen.
Dies soll sich schnell als böser Fehler erweisen, nutzt der Gute doch die erste Gelegenheit, der armen Miriam ein Insekt in die Nase einzuführen, ihr Trinkwasser mit sonderbaren, blauen Fäden zu kontaminieren, um dann im Keller auch noch tot umzufallen!
Was folgt, ist ein scheinbar nicht endenwollender Strudel aus Mord, Traum, Wahn und Verzweiflung; denn die Sekte hat schon lange ihre Augen auf Miriam gerichtet und verfolgt gnadenlos ihren wahrhaft teuflischen Plan!


Wie fand ich's?: Michele Soavi spielte im Filmbusiness jahrelang nur die zweite Geige, soll heißen: er verdingte sich als Regieassistent, am Set von solchen Klassikern des italienischen Horrorfilms wie Dario Argentos Tenebre (I 1982) oder Lamberto Bavas La casa con la scala nel buio (I 1983 dt.: A Blade in the Dark) in denen er auch als Darsteller auftauchte.
1987 inszenierte Soavi mit dem stylishen Giallo Deliria (I 1987 dt.: Aquarius - Theater des Todes) dann endlich seinen ersten eigenen Langfilm, und spätestens mit der viel umjubelten Horrorkomödie Dellamorte Dellamore (I 1994) hat er schließlich auch international auf sich aufmerksam machen können.
1991 drehte Soavi jedoch erst mal La Setta, einen von seinem Freund Dario Argento geschriebenen und produzierten Film, für den sich Soavi den zu dieser Zeit fast vergessenen Herbert Lom und Jamie Lee Curtis' große Schwester Kelly vor die Kameras holte.
Lom, der in diesem Jahr leider verstorben ist, hatte bereits in Meilensteinen wie Spartacus (USA 1960 R.: Stanley Kubrick) und The Ladykillers (GB 1955 R.: Alexander Mackendrick) mitgewirkt und war 1991 längst am Ende seiner Karriere angelangt, während Kelly Curtis sich in kleinen Nebenrollen verdingte und hin und wieder für Fernsehproduktionen engagiert wurde.
Nun, auch mit La Setta sollte es Kelly nicht gelingen, ihrer jüngeren Schwester auch nur ansatzweise den Rang abzulaufen, das Endresultat kann sich aber auch nach mehr als zwanzig Jahren noch sehen lassen.
Der Film ist ein ungemein atmosphärischer Mix aus fast surrealen Albtraumbildern a' la David Lynch und Motiven aus Rosemary's Baby (USA 1968 R.: Roman Polanski), die aber in Argentos Drehbuch mitunter vollkommen eigenständig und frisch wirken.
Damit ist Soavis Film weit entfernt von den eher unkreativen, bloßen Rip-Offs seiner Landsleute, denn er verleiht einer längst nicht neuen Story (die zudem die für Argento üblichen Logiklücken mitbringt...) einen ganz eigenen Anstrich, ohne sich einfach nur dem Plagiat zu verschreiben.
Stilistisch lässt Vieles zwar noch sehr stark den Einfluss Argentos erahnen, doch auch auf dieser Ebene ist Soavi weit davon entfernt, seinen Freund rein zu kopieren.
Der Film definiert seine ganz eigene Symbolik, schafft damit einen so noch nicht vorhandenen Mythos, in dem sich Charles Mansons mörderische Hippiekommune mit der Schwarzen Magie und den pantheistischen Motiven grimmscher Märchen zu etwas umformt, was es so als Ganzes noch nicht gab, mich allerdings teilweise stark an einige Bilder aus Clive Barkers drei bis vier Jahre später entstandenen Lord Of Illusions (USA 1995) erinnerte - ohne hier jetzt ein Plagiat vermuten zu wollen...
Am Ende kann man La Setta getrost zu den besten italienischen Genrefilmen der frühen 90er Jahre rechnen - für die dritte eigene Regiearbeit eines ewigen Assistenten eine mehr als beachtliche Leistung...


Fazit: Märchenhaft anmutender Horrortrip in tollen Bildern - with a little help from his friend(s)...

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Exzentrische Adlige voller Mordlust

The Sadistic Baron Von Klaus (La mano de un hombre muerto)
E 1962
R.: Jess Franco

Worum geht's?: Im schönen Städtchen Holfen geht ein Frauenmörder um. Die Alteingesessenen wissen auch genau, wer der Unhold sein soll: der vor 500 Jahren verstorbene Baron Von Klaus, ein Sadist und Frauenhasser, wie er im Buche steht (bei de Sade halt...) und nun ein des Nachts herumstreifender Geist mit mörderischen Absichten.
So eine Geschichte bleibt natürlich nicht lange im Verborgenen, und so schickt das wunderschön betitelte Magazin Mädchen und Mörder Wochenzeitung ihren besten Mann, Karl Steiner (Fernando Delgado) nach Holfen, um von dort sowohl über Mädchen wie Mörder zu berichten.
Hier hat Inspektor Borowsky (George Rollin) bereits Witterung aufgenommen und bereits so manches Alibi gecheckt und schon bald deuten tatsächlich mehrere Spuren in Richtung des heutigen Barons, Max Von Klausen (Howard Vernon), der unter falschem Namen im Hotel vor Ort abgestiegen war.
Doch als seine Geliebte ihm ein wasserfestes Alibi verschafft und ein weiterer Mord passiert, muss sich der Inspektor nach einem neuen Verdächtigen umsehen und die schöne Karine (Paula Martel) muss weiter Angst im Hause der Von Klausens haben, wo sie doch gerade erst mit ihrem Liebsten, Ludwig Von Klausen (Hugo Blanco), einem kultivierten Feingeist und Freund klassischer Musik, dort eingetroffen ist.
Potenzielle Opfer gibt's in dem kleinen Örtchen wohl noch genug, und so lässt die nächste Untat nicht lange auf sich warten.
Wer wird zum nächsten Opfer des schwarz gekleideten Killers?

Wie fand ich's?: Dies ist einer der ersten Filme des berüchtigten Vielfilmers Jess Franco, der es bis heute auf weit über hundert Werke von zumeist eher zweifelhafter Qualität bringt. Dabei hat er fast alle Genres bedient, nur das des Westerns nicht, weil er diesen, so sagte er mal selbst, einfach zu sehr mag.
Wie bei allen echten Künstlern (hüstel...), finden sich auch in Francos Arbeiten immer wieder Leitmotive, welche sich wie ein roter Faden durch sein Oeuvre ziehen.
So kulminiert schon dieser Streifen in einer für 1962 sehr gewagten Szene, in der eine gefesselte Frau im nietenbesetzten G-String mit Peitsche und glühendem Schneidwerkzeug zu Tode malträtiert wird.
Hier zeigt sich also bereits sein Faible für nackte Haut und sein S/M-Fetisch, der spätestens in Filmen wie Marquis de Sade: Justine (E/I/BRD/LI 1969) oder Der heiße Tod (E/I/UK/BRD/LI 1969) voll zur Geltung kamen - beide Filme greifen im Übrigen Themen auf, welche Franco im Laufe seiner Karriere immer wieder abarbeiten wird: das Werk des Marquis de Sade und leicht bis unbekleidete Frauen hinter Gittern.
In La mano de un hombre muerto findet man zumindest Anklänge an den berüchtigten Adligen aus der Provence wieder.
Was diesen Film jedoch von vielen seiner unzähligen späteren Werke abhebt, ist hier Francos noch vorhandenes Gespür für Atmosphäre und ein gesteigertes Interesse an der Inszenierung im Allgemeinen, beides Dinge, die, der im Laufe seiner Karriere immer mehr zum besessenen Akkordarbeiter evolvierende Franco, zugunsten eines immensen Outputs gerne links liegen ließ.
Hier hingegen bekommt man den Eindruck, dass Franco tatsächlich voll auf der Höhe der Zeit ist und bereits Stil und Flair der zu diesem Zeitpunkt und in den folgenden Jahren in Europa aufkommenden Krimis und Gialli aufgreift, wenn nicht sogar teilweise vorwegnimmt.
Die als Handlungsort gewählte, fiktive deutsche Stadt Holfen, welche scheinbar irgendwo im Bayrischen liegen soll, in der aber immerhin Dortmunder Aktienbier ausgeschenkt wird, zeugt zusätzlich von dem Versuch eines spanischen Filmemachers, diesen Film unmittelbar neben den sehr erfolgreichen Produktionen der Rialto Film positionieren zu können.
So ist La mano de un hombre muerto vielleicht der Titel, mit dem sich Jess bei Atze Brauner bereits vorzeitig für die Regie bei El Muerto hace las maletas (E/BRD 1971 dt.:Der Todesrächer von Soho) empfehlen konnte - dem Remake der 1962 von Werner Klingler gedrehten Bryan Edgar Wallace-Adaption Das Geheimnis der schwarzen Koffer.
Der Todesrächer von Soho sieht dann auch wie ein billiges Plagiat eines Edgar-Wallace-Streifens aus und kündet von Francos zu dieser Zeit schon vorherrschender, überstürzter Arbeitsweise.
Man kann also sagen, dass Franco neun Jahre nach dem soliden La mano de un hombre muerto nur noch eine billige, verwaschene Kopie seiner selbst war...

Fazit: Netter Krimi mit einem für die Entstehungszeit außergewöhnlichen Finale - Fans von Fuchsberger & Co. dürfen hier ruhig mal einen Blick riskieren!

Punktewertung: 6 von 10 Punkten