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Freitag, 16. Oktober 2015

Die Rückkehr der Klassiker #4: Die Untoten des Krieges

Dead of Night aka. Deathdream
CAN/GB 1972
R.: Bob Clark
 
Worum geht's?: Vietnam zu Beginn der 70er Jahre.
Im chaotischen Dschungelkrieg lässt der junge Soldat Andy Brooks (Richard Backus) sein Leben. Doch ein verzweifelter Ruf seiner Mutter (Lynn Carlin) in der Heimat holt den Toten wieder ins irdische Dasein zurück. Schon auf der letzten Etappe seiner Heimreise zeigt Andy jedoch ein neues Gesicht; er tötet den Lastwagenfahrer, der ihn auf seiner Route mitnimmt – der Krieg hat Andy im wahrsten Sinne zu einem aggressiven Zombie gemacht.
So kehrt er trotz einer bereits zugestellten Beileidsbekundung der US-Regierung heim und die Freude seiner Mutter und Schwester (Anya Ormsby) ist groß, nur sein Vater (John Marley) scheint über seinen apathischen Sohn und dessen plötzliche Heimkehr verwundert zu sein.
Bei einem Besuch der Kinder der Nachbarschaft entlädt sich der Hass des Kriegsheimkehrers erneut in grausamer Weise, er stranguliert den Familienhund vor den Augen der bestürzten Kinder. Als auch Dr. Allman (Henderson Forsythe), der Hausarzt der Brooks, misstrauisch gegenüber Andys Zustand und dem Tod des Lastwagenfahrers wird, nimmt sich Andy des besorgten Mediziners auf seine Weise an. „Ich bin für Sie gestorben, nun können Sie auch das für mich tun!“, ist sein zynischer Kommentar, bevor er den Doktor in dessen Praxis mit einer Spritze ersticht und dann dessen Blut zu seiner eigenen Regeneration benutzt.
Andy kämpft nämlich bereits mit dem langsamen Verfall seines Körpers und benötigt den Lebenssaft anderer, um der Fäulnis vorübergehend zu entgehen. Derweil ertränkt sein Vater seine Zweifel im Alkohol und hadert mit dem Schicksal, während seine Frau Andys Taten mit der krankhaften Liebe einer besorgten Mutter gegenübersteht. 


Wie fand ich's?: Leid und Tod, die verkümmerten Seelen der Kriegsheimkehrer, eine innerlich zerstörte Familie: kein anderer Horrorfilm zeigt die Folgen des Vietnamkriegs anhand einer amerikanischen Durchschnittsfamilie auf solch eindringliche, klare Weise, wie es Bob Clarks zweiter Genrebeitrag Deathdream tut. 1990 lieferte Adrian Lyne mit Jacob´s Ladder ein ähnlich schockierendes Psychogramm eines Vietnamveteranen ab, doch ist Clarks Film mit seinen einfachen Metaphern wesentlich zugänglicher als Lynes grandioses Spiel mit Realität und Wahn. 
Clark griff für Deathdream auf ein Drehbuch seines Schulfreundes und Weggefährten Alan Ormsby zurück, welcher bereits an Clarks erstem Horrorfilm Children Should´nt Play With Dead Things (USA 1972) maßgeblich beteiligt war und dort auch die Hauptrolle des exzentrischen Laientheaterregisseurs Alan übernommen hatte. Ormsbys damalige Ehefrau Anya ist in Deathdream in der Rolle von Andys Schwester zu sehen, er selbst und sein kleiner Sohn sind in Cameos zu begutachten. 
Für die Special-FX waren einerseits Alan Ormsby wie auch (erstmals in den Credits namentlich erwähnt) der junge Vietnamkriegsheimkehrer Tom Savini zuständig, letzterer gilt heute als lebende Legende und einer der besten Schöpfer unglaublicher Splatter-Effekte und hat u. a. an George A. Romeros Dawn Of The Dead (USA/I 1978 dt.: Zombie) und William Lustigs Maniac (USA 1981) mitgearbeitet.
Jedoch hat Bob Clark mit Deathdream keineswegs einen bluttriefenden Gorestreifen gedreht, sondern einen kritischen Kommentar auf die Nachwirkungen des Vietnamkriegs abgeliefert, der seine Kraft vor allem aus dem durchwegs brillanten Spiel seiner Darsteller schöpft. 
John Marley ist vor besonders durch seine Rolle in Francis Ford Coppolas The Godfather (USA 1971 dt.: Der Pate) bekannt geworden, wo er in einer berühmten Szene neben einem abgeschnittenen Pferdekopf erwacht. In Deathdream verkörperte er nun einen zwischen Vaterliebe und Rechtschaffenheit hin und hergerissenen Familienvater, der schliesslich an der eigenen Entscheidungslosigkeit gänzlich zerbricht.
Richard Backus Filmdebüt als Andy ist geprägt von einem sehr ruhigen und zurückhaltenden Spiel, welches Andys brutale Wutausbrüche noch stärker zur Geltung kommen lässt.
Inhaltlich bedient sich der Film bei der 1902 veröffentlichten Kurzgeschichte The Monkey's Paw (dt.: Die Affenpfote) des Briten William Wymark Jacobs. Deren düstere Prämisse hat von Heinz Erhardt bis Joss Whedeon eine ganze Menge kreativer Köpfe inspiriert und wurde von Drehbuchautor Ormsy nur geringfügig abgeändert und um die Antikriegsaussage erweitert.
Regisseur Bob Clark schuf bemerkenswerte Beiträge zu zahlreichen (Sub-)Genres; so auch den großartigen Protoslasher Black Christmas (CAN 1972 dt.: Jessy - Die Treppe in den Tod), das Oscar-nominierte Drama Tribute (CAN 1980 dt.: Ein Sommer in Manhattan) mit Jack Lemmon und die warmherzige, nostalgische Weihnachtskomödie A Christmas Story (USA/CAN 1983 dt.: Fröhliche Weihnachten), welche, mir unbegreiflicherweise, ebenfalls immer noch keine deutsche Veröffentlichung auf VHS, DVD oder gar Blu Ray erleben durfte. Daneben wurde er jedoch auch für die Musikkomödie Rhinestone (USA 1984 dt.: Der Senkrechtstarter) mit Dolly Parton und ausgerechnet Sylvester Stallone, sowie für Superbabies: Baby Geniuses 2 (USA/GB/BRD 2004) zweimal für die Goldene Himbeere als "schlechtester Regisseur" nominiert.
Bob Clark, der am Ende von Deathdream ein Cameo als scharf schießender Polizist hat, verstarb an der Seite seines erst 22-jährigen Sohns bei einer Frontalkollision mit einem, von einem Betrunkenen gefahrenen Fahrzeug, am 04. April 2007 im Alter von 67 Jahren. 



Fazit: Nicht nur George A. Romero verband gekonnt lebende Tote mit beissender Gesellschaftskritik!


Punktwertung: 8,5 von 10 Punkten