Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 23. Dezember 2017

Von Gangstern und Gespenstern

Hold That Ghost! (Vorsicht Gespenster!)
USA 1941
R.: Arthur Lubin


Worum geht's?: Kalifornien zu Beginn der 40er-Jahre.
Chuck (Bud Abbott) und sein Kumpel Ferdi (Lou Costello) quälen sich von Job zu Job. Mal verdingen sie sich mehr schlecht als recht mit einer eigenen Tankstelle, dann mühen sie sich als Aushilfskellner in einem Nobelrestaurant ohne Aussicht auf Besserung der eigenen Situation.
Doch unverhofft kommt oft, und eines Tages landen die beiden nach einer Reihe sonderbarer Zufälle im Wagen des Gangsterbosses Moose Matson (William B. Davidson), der jedoch, von der Polizei zusammengeschossen, auf dem Rücksitz der Karosse verreckt.
Das Testament in den Händen des abgezockten Gauners macht die beiden Pechvögel zu Erben des Vermögens des Ganoven, erbt doch der, der Moose als Letztes buchstäblich am Nächsten stand.
Nicht, dass es viel zu erben gebe - Moose soll sein Geld stets nur "im Kopf" gehabt haben, aber es gibt da eine heruntergekommene, aufgegebene Taverne irgendwo an der Landstraße, die den beiden nun gehören soll.
Zum Weg dorthin nimmt den Bus, der natürlich ebenfalls von zwielichtigen Gestalten gefahren wird, welche die Reisegesellschaft in stürmischer Nacht einfach am Ziel ohne ihr Gepäck stehen lassen.
In der Dunkelheit gestrandet, richtet man sich in der abgeranzten Spelunke halbwegs häuslich ein, neben Chuck und Ferdi, sind da noch ein junger, intellektueller Doktor (Richard Carlson), eine etwas affektierte Radio-Actrice (Joan Davis), eine sympathische Kellnerin (Evelyn Ankers) und der halbseidene Charlie Smith (Marc Lawrence), dessen Leiche schon bald allen als Erstes den Abend versaut, bevor eine schaurig-kauzige Gespensterjagd entbrennt, die kein Auge trocken lässt.
Denn nicht nur, dass der Verstorbene Moose seine Kaschemme mit allerlei versteckten Extras versehen hat, auch schleichen finstere Gestalten durch die Nacht und Ferdi wird gar Zeuge einiger wahrhaft paranormaler Aktivitäten!

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Wie fand ich's?: Das Abbott und Costello es in Deutschland nie zur gleichen Bekanntheit ihrer Kollegen gebracht haben hat mich stets verwundert. Jeder, der sich hierzulande für schwarz-weiße Comedyklassiker interessiert, kennt Laurel & Hardy, die Marx Brothers oder sogar die bereits etwas obskureren Three Stooges, doch nur Eingeweihte sind über das Duo Abbott & Costello gestolpert.
Dabei waren die Beiden so etwas wie Akkordarbeiter im Bereich der Comedy, die es als Duo auf ganze 36 Hollywood-Filme plus ein gemeinsames Cameo bringen, eigene Radio- und Fernsehshows hatten und karrieretechnisch dermaßen unter Strom standen, dass sowohl Abbott wie Costello schwerste Sucht- und Gesundheitsprobleme zu schaffen machten.
So war Bud Abbott lange Jahre ein schwerer Trinker, der mit dem Suff seine Epilepsie kurieren wollte und seinen Partner mit nur 40 % des erwirtschafteten Gewinns abspeiste, dieser hatte sich 1943 wohl aufgrund vollkommener Überarbeitung das eigene Immunsystem zerstört und musste aufgrund eines rheumatischen Fiebers ein halbes Jahr mit jeglicher Arbeit aussetzen.
Im selben Jahr verstarb dann auch noch kurz vor seinem ersten Geburtstag Costellos Sohn Butch, als dieser aus seiner Krippe kletterte und im hauseigenen Pool ertrank. Wohl unfähig anders als wie ein kaltschnäuziger Profi auf eine solche Situation zu reagieren, brach Costello trotz der Todesnachricht seines Kindes die soeben begonnene Radioshow nicht ab. Jedoch trennte er sich wenig später von seiner Frau, der er die Schuld für das Unglück gab und auch seine Beziehung zum dominanten Arbeitspartner Abbott sollte deutliche Risse bekommen.
Leiden die ersten Filme des Komikerduos über ein Zuviel an Musicalnummern, so rahmen hier zwei Auftritte von Ted Lewis und den Andrew Sisters die Haupthandlung gottseidank nur ein und hindern nicht den Fluss und das schöne Timing der Gruselklamotte.
Hold That Ghost! steht ganz in der Tradition früher Haunted house movies wie z. B. Paul Lenis Stummfilmklassiker The Cat and the Canary oder James Whales The Old Dark House (USA 1932 dt.: Das Haus des Grauens). Wie in beiden Beispielen kommen auch hier starke Kriminalfilmelemente zum Tragen, die auch (zumindest zum Teil) den Spuk erklären.
Sollten Abbott & Costello in ihrem bekanntesten (hierzulande sogar in einem schönen Mediabook von Koch Media veröffentlichten) Film, Bud Abbott & Lou Costello Meet Frankenstein (USA 1948 R.: Charles Barton), noch tatsächlich auf Dracula (in Ur-Form: Bela "Ich trinke keinen Wein" Lugosi), Frankensteins Monster (etwas befremdlich: Glenn Strange) und den Wolfmenschen (ebenfalls klassisch und Universal besetzt: Lon Chaney Jr.) treffen, so kommt Hold That Ghost! auch ganz gut ohne die geballte Starpower aus - was nur für den Film spricht!
In späteren Jahren ihrer Karriere war das Duo nämlich auf solche "Zusatzschauwerte" mehr oder weniger abonniert, und so trafen sie auch noch auf den Unsichtbaren (Bud Abbott & Lou Costello Meet the Invisible Man von 1951), der leider nicht von Claude Rains dargestellt wurde und auf Dr. Jeckyll und dessen böses Alter Ego (in Abbott & Costello Meet Dr. Jeckyll and Mr. Hyde), der diesmal von Boris Karloff dargestellt wurde, welcher sich zuvor noch zierte in ... Meet Frankenstein erneut seine stilbildende Rolle zu spielen ...

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Fazit: Noch bevor Lou und Bud auf Lugosi und Konsorten treffen sollten, waren die beide bereits vom Grauen umzingelt - ein herrlicher Spaß für die ganze Familie!










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Punktewertung: 8 von 10 Punkte!

Montag, 13. November 2017

In eigener Sache: fragwürdiger Film mit Bootleg-Text!



Heute wurde ich auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass auf der Rückseite einer hierzulande offenbar kaum noch im Handel befindlichen (Bootleg?-)version des knuffigen, jedoch eher mittelmäßigen Jess Franco Streifens Rote Lippen, Sadisterotica nicht nur ein Zitat aus meiner Besprechung des Films gedruckt wurde, sondern dort auch noch gleich mein Name in Klammern genannt wird.
Nun bin ich unsicher, was mich trauriger macht: der Umstand, dass die Veröffentlichung eher, nun sagen wir, fragwürdiger Natur (*hüstel*) ist, oder, dass man mir dafür weder einen größeren Geldbetrag, noch ein ranziges Freiexemplar oder einen Fresskorb von Edeka hat zukommen lassen!
Ich bin enttäuscht von Euch, Great Movies (doch nicht so "great", oder?) und von der Welt im Allgemeinen sowieso ...
Besonders enttäuscht bin ich jedoch, dass es von vielen Werken des unvergessen Herrn Franco immer noch keine vernünftigen hiesigen Editionen im Handel gibt!
Ach, ich reg' mich auf ...

Samstag, 4. November 2017

Hüpf, Geistlein, hüpf!

Gui da gui bzw. 鬼打鬼 (eng.: Encounters of the Spooky Kind, aka.: Close Encounter of the Spooky Kind)
HK 1980
R.: Sammo Kam-Bo Hung


Worum geht's?: Der abergläubige Rikschafahrer Cheung (Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion: Sammo Hung) erwischt beinah seine untreue Freundin in flagranti bei einem frivolen Stelldichein mit Mr. Tam (Ha Huang), einem hohen Würdenträger der Stadt.
Um den vermeintlichen Skandal schnell aus der Welt zu schaffen, wendet sich Tam mit der Bitte den Mitwisser ein für alle Mal los zu werden, an einen ortsansässigen Zaubermeister namens Chin Hoi (Lung Chan).
Dieser plant das auch als "Kühnen Cheung" bekannte Opfer unter dem Vorwand einer Wette für eine Nacht in einen nahe gelegenen Tempel zu locken und eine sich dort befindliche Leiche kurzerhand zum unter Bann stehenden, mörderischen Verbündeten zu machen.
Als jedoch Chin Hois gerechtigkeitsliebender Kollege Tsui (Fat Chung) davon erfährt, springt dieser Cheung mit Rat und Tat zur Seite und gibt dem naiven Schmerbauch das Know-how an die Hand, es auch mit einem schauderhaften, verwesenden Untoten aufzunehmen.
Doch dies ist erst der Anfang eines unglaublichen Kampfes zwischen zwei Hexenmeistern, in dessen Mitte sich der pummelige Cheung schon bald wünscht, dass der Albtraum bald ein Ende nehme.

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Wie fand ich's?: Sammo Hung ist hierzulande wohl in erster Linie als der "Dicke" an der Seite des drahtigen Jackie Chan aus einer Unzahl von Martial-Arts-Komödien bekannt.
Dabei war Hung (*07.01.1952) bereits in jungen Jahren hinter den Kulissen der Shaw Brothers tätig, zunächst als Statist und Stuntman, später als Kampfchoreograf und Regieassistent.
Nur wenige Jahre später sollte Hung auch an den Sets von solch Genregrößen wie Bruce Lee und John Woo auftauchen und zu einer festen Größe im Hongkong-Kino werden.
Ab 1977 stand Hung selbst als Regisseur in Hong Kong hinter den Kameras, seine zweite Regiearbeit Fei Lung gwo gong (HK 1978) schaffte es unter dem Titel Der kleine Dicke mit dem Superschlag auch nach Deutschland und zeichnete sich bereits durch einen angenehmen Mix aus Komik und Kampfkunst aus.
Beim hier besprochenen Gui da gui (was wörtlich "Geist gegen Geist" übersetzt heißt) sollte zu diesem Mix noch zusätzlich auf chinesische Gruselthemen wie Hexer, Vampire und Dämonen zurückgreifen und durch seinen Erfolg direkt das Jiangshi-Genre begründen.
Wir erinnern uns: Bietet das Wuxia-Genre Martial-Arts im historischen Setting (die Mehrzahl der Shaw Brothers Produktionen) so beschäftigt sich Jangshi mit Schreckelementen - gern, wie in Ricky Laus weiteren stilbildenden Kinoerfolg Geung si sin sang (HK 1985 eng.: Mr. Vampire) von 1985, mit den für den chinesischen Raum üblichen, hüpfenden Vampiren, die es wie ihre westlichen Kollegen natürlich auf die Lebenden abgesehen haben. Doch haben es chinesische Vampire nicht auf Blut abgesehen, wollen sie doch lieber ihren Opfern buchstäblich den Atem rauben und ihnen das Qi, die Lebenskraft, aussaugen. Natürlich muss diese Art von Untoten außerdem hüpfen - verhindert doch die Totenstarre einen geschmeidigen Gang locker aus der Hüfte heraus!
In Encounters of the Spooky Kind trifft Hungs Charakter schon früh auf einen solchen typischen Jiangshi, doch ist genauso bemerkenswert der Umstand, dass die erste Hälfte verblüffende Parallelen zu Viy bzw Вий aufweist.
Wie in den Verfilmungen von Nikolai Gogols klassischer Gruselmär muss der Held mehrere Nächte in einer heiligen Stätte mit einer störrischen Leiche verbringen, die es auch gleich auf sein Leben abgesehen hat.
Zwar enden diese Übereinstimmungen bereits mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Films, welche mit zunehmender Laufzeit immer wesentlicher den Schwerpunkt in Richtung furioser Martial Arts verlagert, doch ist dieses Phänomen offenbar bislang kaum zur Sprache gekommen.
Beim Humor schaute man verständlicherweise weniger in die Richtung Russlands als auf die amerikanischen Väter der Klamotte - die Herren Laurel & Hardy und deren Amtsbruder Buster Keaton durften als veritable Vorbilder für gleichsam wohlfeil getimten Slapstick dienen - hier zeigt Sammo Hung einmal mehr, dass Körperfülle nicht gleichbedeutend mit Bewegungsarmut ist.
Immerwieder blitzen auch kleine, blutige Splattereinsprengsel auf, was dem Geschehen noch eine zusätzliche Schärfe verleiht.
Wer zudem eine der unglaublichsten Schlussszenen des Genres sehen möchte, ist hier vollkommen richtig. Ohne auch nur etwas verraten zu wollen: der Schreiber dieser Zeilen bekam einige Sekunden den Mund nicht mehr zu und glaubt nicht, dass ein solches Ende in den heutigen Zeiten von political correctness noch möglich wäre.
Also bedenke: Auch nach Halloween sind die Nächte noch lang und Dunkel, da bietet sich ein Gruseltrip in fernöstliche Gefilde zur Abwechslung und abendlichen Erheiterung gerade zu an!

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Fazit: Ein wahrhaft geist(er)voller Spaß, bei dem einen das eigene verwesende und madendurchzogene Pumporgan im Thorax ganz warm wird.



 
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Punktewertung: 9 von 10 Punkten!

Montag, 2. Oktober 2017

Unheilvolle Inselbegabung

Le démon dans l'île (Der Dämon der Insel)
F 1983
R.: Francis Leroi

Worum geht's?: Die Ärztin Gabrielle (Anny Duperey) tritt eine neue Stellung auf einer kleinen französischen Insel als Allgemeinmedizinerin an.
Ihr einziger Kollege dort ist Dr. Marshall (Jean-Claude Brialy), der jedoch bei Teilen der Inselbevölkerung einen üblen Ruf genießt.
Schon bald nach der Ankunft Gabrielles bekommt diese auch schon alle Hände voll zu tun, kommt es doch ständig unter den Anwohnern zu sonderbaren Unfällen mit Alltagsgegenständen.
Zusammen mit einigen Freunden macht sich Gabrielle daran, dem Geheimnis hinter den blutigen Unglücken auf den Grund zu gehen und stößt dabei auf eine seit Jahren vertuschte Bedrohung für jeden, der das Eiland besucht.

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Wie fand ich's?: Dieser obskure und hierzulande eher unbekannte Horrorfilm mischt gekonnt mehrere bekannte Genreelemente zusammen, um am Ende mit einem ungewöhnlich stimmigen Gesamtwerk aufzuwarten.
Hier finden sich nicht nur Ideen aus Jack Golds wenige Jahre zuvor veröffentlichten The Medusa Touch (GB 1978 dt.: Der Schrecken der Medusa) und aus einem weiteren britischen Klassiker von 1960 (wer es genauer wissen möchte: bitte!), nein, er nimmt auch in einigen Szenen die Spannungsinszenierung des gesamten Final Destination-Franchises (USA ab 2000 R.: James Wong u. a.) vorweg.
Wie dort bekommt der Zuschauer immer wieder eine von verschiedenen Gegenständen ausgehende Gefahr suggeriert, nur um von einer unvorhergesehenen Todesart schließlich kalt erwischt zu werden.
Zwar kommt es hier meist nicht zum Tod, doch sind die Effekte in diesen Szenen zum Teil so grafisch, dass die gegen der 90er-Jahre vom Bayrischen Rundfunk ausgestrahlte deutsche Fernsehfassung einige Federn lassen musste.
Insgesamt bekommt man hier also einen Mysterythriller mit kleinen Splatter-Einsprengseln und einer verkappten Mad-Scientist-Story geboten, wie man ihn nicht alle Tage sieht.
Dass Regisseur Francis Leroi (*1942, 2002) verstärkt im Erotik- und Hardcoregenre tätig war, zeigt sich zudem auch noch in einer Szene, in der nicht nur eine junge Dame, sondern auch deren männlicher Begleiter, kurz blankziehen darf.

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Fazit: Ein ungewöhnlicher Gruselschocker für frankophile Feinschmecker mit einem Näschen für Abseitiges. Und auch die Schlussszene weiß noch mit einem letzten bizarren Einfall zu überzeugen!

Punktewertung: 7,25 von 10

Samstag, 10. Juni 2017

In die Pfanne gehauen!

Eating Raoul
USA 1982
R.: Paul Bartel

Worum geht's?: Jeder hat einen Traum. So auch der frisch arbeitslos gewordene Weinverkäufer Paul Bland (Paul Bartel) und dessen Gattin Mary (Mary Woronov), die als Krankenschwester Schichten in einem Hospital schiebt.
Beide träumen von einem eigenen Gourmetrestaurant, doch ist leider kaum das Kapital dafür vorhanden, und während ihre Nachbarn fröhlich eine Swingerparty nach der anderen werfen, zählen die Blands im 50er-Jahre-Dekor ihres Appartments die wenigen Ersparnisse.
Da kommt es sehr gelegen, dass eines Abends der heimkehrende Paul einen enthemmten Swinger dabei erwischt, wie dieser sich gerade an seiner Mary vergreifen will und ihn kurzerhand mit einer gusseiserenen Pfanne erschlägt - in der Tasche des ekligen Perverslings findet sich nämlich eine gesunde Menge Bargeld!
Schnell wird die Leiche im hauseigenen Müllschlucker entsorgt, doch lösen die paar Scheine nicht die finanzielle Situation des Ehepaars, dass sich derweil erfolglos um einen Kredit bemüht.
Als ein zweiter Swinger in der Wohnung der Blands aufläuft und Paul erneut beherzt zur Pfanne greift, nur um in der Brieftasche des Toten auf ein weiteres schönes Sümmchen zu stoßen, fasst man den Entschluss, aus der mittlerweile gewonnenen Routine ein dauerhaftes Einkommen zu machen.
Mit der Hilfe einer örtlichen Domina (Susan Saiger) und einer Annonce in einem Sexmagazin locken von nun an die Blands gezielt frivole Freier in die biedere Wohnung der beiden, wo Paul schon die Bratpfanne im Anschlag hält.
Schnell kommt man so zu einigem Reichtum und diesen möchte man schützen - mit einem neuen Türschloss!
Dass sich der herbeibestellte Schlosser Raoul (Robert Beltran) ebenso schnell als kleinkriminelles Element herausstellt, konnte ja keiner ahnen, schon eher, dass es keine gute Idee sein würde ihm die Entsorgung der Leichen anzuvertrauen, die sich schon bald in der Wohnung der Swingerkiller zu stapeln drohen.

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Wie fand ich's?: Gute Komödien sind selten.
Noch seltener sind gute Komödien, die nicht nur lustig sind, sondern die auch ein gelungenes Bild von ihrer Entstehungszeit abgeben, toll gespielt sind und dem Zuschauer geschmackvoll eine Geschmacklosigkeit nach der anderen unter die Nase reibt, ohne jedoch je wirklich geschmacklos zu werden.
Regisseur und Hauptdarsteller Paul Bartel (* 1938; † 2000) gelingt in Eating Raoul dieses Kunststück scheinbar mühelos.
Bartel, der, genau wie seine Kodarstellerin Mary Woronov, lange Zeit im Umfeld Roger Cormans tätig war, kurbelte de, von einer kleinen Kultgemeinde mittlerweile stark verehrten Film in etwas mehr als drei Wochen für das relativ geringe Budget von nur 350.000 $ herunter.
Das Ergebnis: eine luftig-lockere Komödie mit galligem, gesellschaftskritischem Unterton, die thematisch durchaus ihresgleichen sucht.
Bartel war ein ähnlicher Coup bereits zuvor mit dem von Corman produzierten Death Race 2000 (USA 1975) gelungen, in dem auch Mary Woronov schon eine größere Rolle innehatte. Ebenfalls oberflächlich ein klassischer Exploitationfilm, findet sich auch hier bereits ein ätzender, zeitkritischer Subtext, der sich mit dem zunehmenden Einfluss von Massenmedien und Großkonzernen, dem Wegfall von Moral und der allgemeinen Konsumsucht auseinandersetzt.
Einige dieser Motive hielt Bartel auch bei Eating Raoul bei, hinzu kommt ein gesteigertes Interesse für die zunehmende Übersexualisierung der US-Gesellschaft, anschaulich dargestellt am Beispiel der seit den 60er-Jahren immer stärker aufkommenden Swingerbewegung.
Demgegenüber stellt das Drehbuch das Ehepaar Bland, die zunächst als sympathische Verlierer daherkommen, aber im Grunde nichts anderes als recht langweilige Spießer sind, die in getrennten Betten schlafen und sich dort neben Kuscheltieren oder, im Falle des weinsammelnden Ehemanns, übergroßen Plüschflaschen zum Schlafen legen.
Bartels wunderbar relaxte Satire platzt nur so vor tollen Details und wird dadurch auch selbst nach mehrmaligem Sehen kaum langweilig. Im Gegenteil; sie gewinnt nur an Größe - wie ein guter Wein.
Ach, ja - Paul und Mary Bland sollten noch einmal zurückkehren, für ein Cameo in einem gänzlich anderen Film. Ein Bildbeweis findet sich im unteren Teil des verlinkten Posts!

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Fazit: Bitterböse, ätzend, aber prickelnd im Abgang - eine Satire, die man sich zusammen mit einem edlen Tropfen oder einer schönen Dose Bier zur Brust nehmen sollte.








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Punktewertung: 8,25 von 10 Punkten

Donnerstag, 30. März 2017

Wenn die Pferde mit dir durchgehen ...

The Rocking Horse Winner
GB 1949
R.: Anthony Pelissier

Worum geht's?: Großbritannien nach einem der beiden Weltkriege.
Hier lebt der junge Paul (John Howard Davies) mit seinen Eltern, seinen beiden Schwestern sowie seiner Nanny und dem neuen Bediensteten Bassett (John Mills) in einem schönen Anwesen.
Nach außenhin eine heile Welt, in der der Knabe aufwächst, doch kann weder Mutter (Valerie Hobson) noch Vater (Hugh Sinclair) mit Geld umgehen - Vater spielt gern um Geld, dass er nicht besitzt und Mutter kauft gern Sachen, die sie sich nicht leisten kann - und so befindet sich der Haushalt der Familie Grahame ständig am Rande der Insolvenz.
Abhilfe schuf hier bislang der freundliche Onkel Oscar (Ronald Squire), doch hat auch dessen Geduld nun ein Ende und dreht der Familie den Geldhahn endgültig zu.
Fortan erahnt der sensible Spross der Grahames den verzweifelten Ruf nach Geld in allen Räumen des großen Familienhauses.
Dann bekommt Paul eines winterlichen Weihnachtstages ein großes Holzschaukelpferd geschenkt und muss zu seiner eigenen Überraschung feststellen, dass er sich durch wildes Schaukeln auf dem glotzäugigen Gaul in einen Trance versetzen kann, an dessen Ende er den Gewinner der Pferderennen auf der örtlichen Rennbahn voraussagen kann, auf der Hausbursche Bassett und Onkel Oscar quasi Stammgäste sind.
Schon bald hat Paul den kriegsversehrten Bassett auf seine Seite gezogen und ein wahres Vermögen auf dem Turf gewonnen - doch fordert jede wundersame Gabe auch ihren Tribut und diesen muss auch ein kleiner Junge entrichten.

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 Wie fand ich's?:  Haben Sie je von Anthony Pelissier (* 1912; † 1988) gehört? Nein? Das ist selbst bei eingefleischten Filmfans zu verstehen, hat der aus einer Künstlerfamilie stammende Brite doch lediglich bei sieben Kinofilmen auf dem Regiestuhl gesessen, von denen es wohl auch nur drei bislang zu einer deutschen (TV-)Auswertung gebracht haben.
The Rocking Horse Winner gehört allerdings nicht dazu und fristet damit hierzulande das Leben des obskuren Geheimtipps für Freunde englischer Nachkriegsdramen, wenn er denn überhaupt einmal irgendwo erwähnt wird.
Es handelt sich um eine sehr nah an der Vorlage angelegte Adaption einer Kurzgeschichte von D. H. Lawrence gleichen Titels, welche bereits 1926 in Groß-Britannien veröffentlicht worden war. Lawrence ist wohl am bekanntesten als Autor des zwei Jahre nach The Rocking Horse Winner veröffentlichten Skandalwerks Lady Chatterley's Lover, welches durch seine freizügige Erotik schnell einen legendären Ruf erlangte und bis heute zahlreich verfilmt wurde. Handelt Lady Chatterley von der gestörten Beziehung zweier Eheleute, Impotenz und Standesdünkel, so schlägt die zuvor geschriebene Kurzgeschichte ebenfalls den Weg eines Familiendramas ein, beäugt allerdings ein anderes Verhältnis.
The Rocking Horse Winner lässt den Zuschauer einen Blick in die fragilen Psychen von Kindern und auf das seelische Abhängigkeitsverhältnis zwischen Eltern und ihren jungen Nachkömmlingen werfen.
Oberflächlich betrachtet geht es den Grahames eigentlich gut, sie leben in einem stattlichen Anwesen, leisten sich Bedienstete und müssen auf nichts verzichten. Erst wenn man hinter die Kulissen sieht und realisiert, dass der Familie aus reiner Verschwendungssucht der Bankrott droht, kann der Zuschauer das aufkeimende Drama erahnen, welches jedoch durch ein rationales Umdenken der Familienoberhäupter eigentlich abwendbar oder zumindest begrenzbar wäre.
Doch geht es hier eben nicht um die Schilderung "einfacher" finanzieller Probleme einer snobistischen, britischen Familie - und der hohe soziale Stand der Grahames lässt ohnehin jeden Anflug eines frühen Kitchen Sink Dramas im Ansatz ersticken - nein, der Film wie auch die grundlegende Kurzgeschichte richtet sein Interesse auf das älteste Kind der Familie, dass im Streben nach Harmonie im Elternhaus den Wunsch nach "Geld" wie ein geisterhaftes Raunen im Gebälk wahrnimmt und sich selbst die Erfüllung der Bedürfnisse seiner Eltern vornimmt.
Hier kommt nun das Mysterium ums Schaukelpferd ins Spiel und genau hier macht der Film vieles richtig, was mit Blick auf heutige Filmproduktionen leider längst nicht mehr selbstverständlich ist.
The Rocking Horse Winner macht nämlich nie eindeutig klar, ob es sich bei dem Spielzeug tatsächlich um wundertätiges Holz in Tierform handelt, oder ob der kleine Paul bereits als Kind Opfer seiner eigenen Wahnvorstellungen ist.
Die Deutung der gezeigten Vorgänge liegt beim Publikum und ist dort perfekt aufgehoben, kann sich jeder Zuschauer nach eigener Räson einen Reim auf das Gezeigte machen - den Film selbst zum tragischen Kindheitsdrama oder fantasievollen Horrorfilm erklären. Dass selbst zwischen den beiden Deutungsebenen noch Schattierungen möglich sind, wertet den Stoff in jeder Hinsicht noch zusätzlich auf.
Bei der Besetzung verließen sich Pelissier und sein Produzent John Mills (im Film als wetterprobter Gärtner Bassett zu sehen) auf ein Schauspielerensemble, welches sich in Teilen zuvor bereits in David Leans erstklassiger Dickensverfilmung Great Expectations (UK 1946 dt.: Geheimnisvolle Erbschaft) mehr als nur erfolgreich bewährt hatte.
Das sich Lawrences Kurzgeschichte gut für eine weitere Adaption eignen würde sahen in den nachfolgenden Jahrzehnten anscheinend mehrere Personen ein, wurde doch 1977 zunächst ein Fernsehfilm unter der Regie Peter Medaks unter dem bewährten Titel abgedreht, 1983 erschien ein erster Kurzfilm (UK 1983 R.: Robert Bierman) in Großbritannien, darauf 1998 in den USA ein zweiter (USA 1998 R.: Michael Almereyda), welcher beim Chicago International Film Festival mit dem Gold Hugo ausgezeichnet wurde und in diesem Jahrzehnt erschienen in den USA tatsächlich bislang zwei weitere Kurzfilme, die den Stoff erneut aufgreifen - 2010 ein Elfminüter und bereits 2015 ein weiteres, halbstündiges Werk.

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Fazit: Eindrucksvoll und bedrückend, sensibel und faszinierend. Bei Anthony Pelissiers Kindheitsdrama darf man ruhig alles auf Sieg setzen - doch Achtung: Die schwarz-weiße Mähre versteht nach wie vor zu treten!










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Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten

Dienstag, 7. Februar 2017

Die Ewige Stadt im steten Regen

Suburra
I/F 2015
R.: Stefano Sollima

Worum geht's?: November 2011. Die Apokalypse naht.Im Vatikan denkt der Heilige Vater über die Niederlegung seines Amtes nieder, während das organisierte Verbrechen seine Finger gen Ostia, einem Vorort Roms, ausstreckt.
Dort soll das Las Vegas Italiens aus dem Boden gestampft werden und ein umsatzträchtiger Sündenpfuhl aus Glücksspiel und Prostitution entstehen.
Als nach dem Liebesspiel eine minderjährige Mätresse im Hotelzimmer des hochrangigen Politikers Malgradi (Pierfrancesco Favino) an einer Überdosis verstirbt, wird dieser erpressbar und findet sich schnell unter dem Druck zahlreicher Gangster wieder.
Ebenso ergeht es dem Klubbesitzer Sebastiano (Elio Germano), der sich durch Schulden im Würgegriff des Clanchefs Ancleti (Adamo Dionisi), genannt der "Zigeuner", befindet und alles daran setzt, sich aus diesem zu befreien.
Derweil sieht der Nachwuchskriminelle "Nummer 8" (Alessandro Borghi) gelassen der Zukunft entgegen, nicht ahnend, dass das Ende bereits mit großen Schritten naht und auch der unaufhörliche Regen nur schwer das viele, zu vergießende Blut von den Straßen spülen kann.

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Wie fand ich's?: Als Sohn einer Legende ist es mitunter schwer, aus dem übermächtigen Schatten seines berühmten Elternteils zu treten.
Stefano Sollima (* 1966) ist der Sohn des 2015 verstorbenen Sergio Sollima, der Genrefans besonders durch seine Western La resa dei conti (I/E/USA 1966 dt.: Der Gehetzte der Sierra Madre), Faccia a faccia (I/E 1967 dt.: Von Angesicht zu Angesicht) und Corri uomo corri (I/F 1968 dt.: Lauf um dein Leben) ein Begriff sein sollte und besonders bei Freunden des Spaghettiwesterns auch posthum höchstes Ansehen genießt.
Spätestens mit der gefeierten TV-Serie Gomorra - La serie (I/BRD 2014 dt.: Gomorrha - Die Serie) hat sich nun auch Sergios Sohn Stefano bei Italofilmfans als Könner empfohlen und Suburra übernimmt einiges von der großartigen TV-Produktion, die es bereits auf 24 Episoden in zwei Staffeln gebracht hat.
Suburra ist hart, modern und realistisch; dabei gelingen Sollima und seinem Kameramann Paolo Carnera auch immer wieder grandiose Bilder, die dem Film eine hohe Ästhetik verleihen.
Die den Hintergrund bildende Großstadt im Dauerregen kennt man bereits aus anderen Thrillern wie Blade Runner (USA/HK/GB 1982 R.: Ridley Scott) oder Se7en (USA 1995 R.: David Fincher dt.: Sieben), wirkt aber trotzdem nie abgedroschen, sondern spendet zusätzliche Atmosphäre und unterstreicht die angedachte Endzeitstimmung.
Sollima zeigt einerseits ein vollkommen korruptes Rom, in dem Gier und Egoismus regieren, andererseits entwirft er das Bild einer Gewaltspirale, in der am Ende Gewalt immer nur neue Gewalt zur Folge hat und selbst die "kleinen Leute" und ewigen Mitläufer zu extremen Mitteln gezwungen werden.
Stefano Sollima widmete Suburra seinem verstorbenen Vater und sollte er auch nicht unbedingt in dessen (Genre-)Fußstapfen treten, so übernimmt er vielleicht das abgelegte Zepter des Mafiafilms vom 2013 verstorbenen Damiano Damiani, dessen TV-Miniserie La piovra (I/F/GB/BRD 1984 dt.: Allein gegen die Mafia) stilbildend war und wie ein Vorläufer von Gomorra - La serie wirkt.

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Fazit: Ein modernes Meisterwerk des italienischen Mafiathrillers.
Man darf gespannt sein, was aus den Händen seiner Macher darauf wohl noch folgen kann und wird.





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Punktewertung: 9,5 von 10 Punkten