Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Donnerstag, 31. Mai 2018

Befreie das Tier in Dir!

Wolf (Wolf – Das Tier im Manne)
USA 1994
R.: Mike Nichols


Worum geht’s?: Auf der Heimreise von einem erfolgreichen Geschäftstermin, fährt der ausgeglichene Verlagschefredakteur Will Randall (Jack Nicholson) auf einer verschneiten einen Wolf an.
Bei der Begutachtung des angefahrenen Tiers, wird Randall in die Hand gebissen, und muss wenig später zu seiner Überraschung bemerken, dass sich zudem um die Bisswunde herum große Büschel aus Haar bilden und sich seine Sinne insgesamt verstärken.
Sein Unglück spitzt sich weiter zu, als er nach der Übernahme durch den schwer reichen Großunternehmer Alden (Christopher Plummer) seinen Job an seinen eigenen Protegé Swinton (James Spader) verlieren und praktisch stattdessen buchstäblich in die Walachei versetzt werden soll.
Doch dies scheint dem Schicksal immer noch nicht genug zu sein, muss der vom Pech verfolgte Mann doch auch noch feststellen, dass der jüngere Rivale nicht nur seine Stelle bekommen soll, sondern auch längst ein Verhältnis mit seiner Ehefrau (Kate Nelligan) hat.
Verständlicherweise erzürnt, wird der biedere Verlagsangestellte nun wortwörtlich immer mehr zum Tier, beißt er doch Swinton selbst in die Hand und fängt er eine sonderbare Affäre mit Aldens entfremdeter Tochter Laura (Michelle Pfeiffer) an, in dessen Haus er einen seltsamen Traum hat und des Morgens blutbesudelt erwacht.
Der um Hilfe ersuchte Dr. Alazeis (Om Puri) erkennt Randalls Problem auf Anhieb: Randall ist dabei zu einem Werwolf zu werden.
Mit Lauras Unterstützung versucht er fortan den Fluch unter Kontrolle zu bekommen, doch wer kann das Tier im Manne schon aufhalten, wenn es einmal entfesselt wurde?

***

Wie fand ich’s?: Gleich jedem anderen Subgenre auch, hat der Werwolffilm in den letzten Jahren und Dekaden immer wieder einige neue Beiträge auf die Leinwände gebracht.
War die Vielzahl davon der übliche, uniformierte Mittelstand, so gab es allerdings auch einige herausragende Werke, die aus der breiten, gleichgesichtigen Masse herausragen. Dies müssen nicht unbedingt Meisterwerke sein, es reicht, wenn sie den Horrorfilm um einige neue Aspekte bereichern, oder, wenn sie einfach nur „seltsam“ genug sind, um zum Beispiel in diesem Blog einen Platz zu finden.
Wolf ist auf den ersten Blick starbesetzter Hochglanzhorror aus Hollywood, doch trägt Wolf anders als viele seiner Artgenossen einen nicht allzu subtil versteckten Subtext im Herzen, der ihn zu etwas Besonderem macht.
Mike Nichols Film lässt sich nämlich auch als schwarze Komödie über einen gesetzten Geschäftsmann in der Midlife-Crisis lesen, der um seine Existenz beraubt (Job und Partnerin sind zunächst passé) buchstäblich das Tier in sich entdeckt und dem Affen in Folge immer mehr Zucker gibt.
Dieses Auffinden der Animalität im eigenen Selbst wird vom Protagonisten selbst zunächst als Fluch angesehen, doch eröffnet bereits die Figur des totkranken Volkskundlers Dr. Alazeis die Perspektive auf eine alternative Form der Existenz, die vielleicht sogar die eigene Sterblichkeit zu überwinden vermag.
Wenige Jahre nach Wolf sollte der kanadische Werwolfstreifen Ginger Snaps (CAN 2000, R.: John Fawcett, dt.: Ginger Snaps – Das Biest in Dir) die Herkunft des Monströsen nicht mit der Midlife-Crisis eines Mannes, sondern mit der Pubertät und Frauwerdung eines jugendlichen Mädchens in Zusammenhang bringen, ein Motiv, welches sich dann wiederum später auch in dessen beiden Fortsetzungen und im dänischen Horrordrama Når dyrene drømmer (DK 2014, R.: , eng.: When Animals Dream) recht ähnlich wiederfinden sollte, wobei letzterer keine „klassische“ Darstellung eines Werwolfes aufweist.
Dem seit den 60er-Jahren in Hollywood tätigen Mike Nichols (*1931; †2014; eigentlich: Michail Igor Peschkowsky), Sohn zweier jüdischer Exilrussen und bereits für sein Debüt Who’s Afraid of Virginia Woolf? (USA 1966, dt.: Wer hat Angst vor Virginia Woolf?) Oscar-nominiert, gelingt in der ersten Hälfte somit ein wunderbar stringent erzählter, äußerst angenehm erwachsener Horrorfilm, der jedoch gen Ende immer mehr in klassische „Endkampfgefilde“ abrutscht, und in einem eher unnötigen Actionfinale nach Schema F mündet, das jedoch noch einen wiederum schönen allerletzten Twist nach sich zieht.
Interessanterweise ist belegt, dass Drehbuchautor und Verfasser der gleichnamigen Romanvorlage Jim Harrison nach einem Streit mit Nichols seine Hollywoodkarriere wutentbrannt an den Nagel hing, da Nichols‘ Darstellung des zum Tier werdenden Protagonisten ihm offenbar zu bieder erschien.
Dabei ist es gerade die zu Anfang eher zurückhaltende und zunächst wenig effekthascherische Art des Films, die Wolf aus der Masse seiner behaarten, zähnefletschenden Konkurrenten heraushebt.
Natürlich sollte man nicht unterschlagen, dass der Film auch durch einen brillant aufspielenden Jack Nicholson und dessen Kollegen Pfeiffer, Plummer und Spader locker über die mehr als zweistündige Laufzeit gebracht wird und auch die Musik von Maestro Ennio Morricone tut noch ein weiteres hinzu.

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Fazit: Ein, zumindest in der ersten Hälfte, tierisches Vergnügen für vielleicht ebenfalls bereits in die besten Jahre gekommene Freunde haariger Gestaltwandler.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten

Sonntag, 27. Mai 2018

Achtung: Rummelplatz-Zombie-Hippies - oder: Da hat der Arsch aber Kirmes!

Malatesta's Carnival of Blood
USA 1973
R.: Christopher Speeth


Worum geht's?: Ein runtergekommener Rummelplatz irgendwo in Pennsylvania zu Anfang der 70er.
Um heimlich nach ihrem Sohn Lucky zu suchen, heuert Familie Norris beim sinisteren Mr. Blood (Jerome Dempsey) als Schausteller an und übernimmt fortan für die Saison die örtliche Schießbude.
Blood vertritt den phantomhaften Besitzer der Kirmes, Malatesta (Daniel Dietrich), der des Nachts mit einem Cape bekleidet durch die Dunkelheit streift und seinen kannibalistischen Untertanen gern seinen Lieblingsstummfilm zeigt, wenn diese nicht gerade einen Besucher um die Ecke bringen und jenem dann das Blut abzapfen.
Zusammen mit dem jungen Budenbesitzer Kit (Chris Thomas) macht sich Vena (Janine Carazo), die Tochter der Norris', daran, das Geheimnis hinter Malatestas Rummel des Blutes zu ergründen und entdeckt eine unglaubliche Welt des Schreckens.

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Wie fand ich's?: Dies ist mal wieder ein Film, der sich mir schon nach kurzer Zeit der erstaunten Betrachtung, als geradezu idealer Kandidat für diesen Blog anbot. Schon die obige Synopsis macht klar, hier handelt es sich um bizarre Ware, Ware zudem, die drei Jahrzehnte lang praktisch vollkommen unerreichbar war, bevor sie Regisseur Speeth (*1939; †2017) höchstselbst 2003 auf DVD veröffentlichte, und sie so erstmals einem breiten Publikum zugänglich machte.
Was man vorfindet, ist ein seltsamer Mix aus psychodelischem Jahrmarktsgrusel, angefüllt mit menschenfleischfressenden Zombies, welche aus Romeros frühen Werken des Genres entliehen zu sein scheinen.
Immer wieder gelingt Speeth in seinen, mit schmutzigen Kunststofffolien angefüllten, Rummelkulissen atmosphärische Bilder dank tollen Regieeinfällen zu schaffen.
Man hat das Gefühl, das hier vieles improvisiert war, manche Darsteller sind offenkundig Laien und haben hier (wie Hauptaktrice Janine Carazo) ihren einzigen Filmauftritt.
Hervé "Nick Nack" Villechaize, der Lesern diese Blogs bereits vor Jahren ebenfalls hier untergekommen ist, hat hier eine seiner ersten Rollen und darf neben Charaktervisagen wie William Preston (bekannt als Schreckgespenst aus The Exorcist III und Gilliams The Fisher King) die Freakshow des Herren Malatesta mit seiner Präsenz beehren.
Immer wieder wirft Speeth einige verstörende Gore-Effekte mit in den Mix, welche allerdings ebenfalls etwas laienhaft daherkommen, trotzdem jedoch nicht ihre verstörende Wirkung verfehlen.
Wer sich über einen bizarren Low-Budget-Bastard aus Versatzstücken von Night of the Living Dead, dem später entstandenen The Funhouse, den Filmen eines Hershell Gorden Lewis, Herk Harveys Carnival of Souls und dem fast zeitgleich erschienenen Messiah of Evil freuen kann, ist hier also genau richtig.
Die schöne britische Medienmanufaktur Arrow Films hat Malatesta's Carnival of Blood als ersten Film seines bislang dreiteiligen American Horror Projects neben weiteren obskuren Kultklassikern wie The Premonition (USA 1976 R.: R. A. Schnitzer, dt.: Das Trauma) und The Witch Who Came from the Sea (USA 1976 R.: Matt Cimber) veröffentlicht. Kaufempfehlung!
***

Fazit: Für erfahrene Freunde kranker Kost ein wilder Ritt auf der Achterbahn, für einen unvorbereiteten Zuschauer ein Test seiner Geduld und geistiger Belastungsfähigkeit.

Punktewertung: 7,25 von 10 Punkten