Egal ob Exploitation, Gialli, Horror oder Sci-Fi...
Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Mittwoch, 13. November 2019

Notas Cinematic 3: Betreff: Kündigung meines Abonnements


Inland Empire
USA F/P 2006
R.: David Lynch

In aller Kürze: Der folgende Text wurde von mir bereits am 16.11.2007 geschrieben und mitsamt einiger kruder Stil- und Rechtschreibfehler auf der Filmseite der OFDb veröffentlicht. Da dieser Text fast prophetisch auch meine Sicht auf die unlängst abgelaufene dritte Staffel der Kultserie Twin Peaks abbildet, hier den Text mit deutlich weniger Fehlern noch einmal in schön:

Lieber David,

gestern habe ich Deinen letzten Opus Inland Empire gesehen.
Ich muss gestehen, dass ich bislang wohl einer Deiner absoluten Fans gewesen bin, aber nun doch meine Mitgliedschaft im Verein der Internationalen-Lynch-Anbeter kündigen will.
Vor dieser uninspirierten Ansammlung von ganz tollen "Experimenten" habe ich Deinem Meisterwerk Mulholland Drive zuletzt noch die Höchstnote gegeben!
Auch Lost Highway davor war ganz super strange und so ...
Und ich mochte stets die surreale Atmosphäre, das Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, der tollen Musik von Angelo Badalamenti etc ...
Ich muss allerdings gestehen, dass ich eigentlich Eraserhead und Blue Velvet für Deine absoluten Meisterwerke ansehe (beide: 10/10), und ich immer der Meinung war: das einzig Schlechte an Blue Velvet ist diese (gewollt?) ekelhaft farblose Laura Dern. Aber das war in Ordnung, denn Kyle MacLachlans Freundin sollte wohl lediglich einen Konterpart zu Isabella Rosselini darstellen - da passte Laura Dern dann doch noch sehr gut. So vollkommen blass ...
Doch zurück zu Inland Empire.
Du hast aus dem Pilotfilm einer nicht realisierten Serie Mulholland Drive konzipiert und, hey, das lief ja super.
Nun hast Du Dir ´ne Videokamera gekauft und einfach mal so vor Dich hin gefilmt - Experimente nennst Du so was. Auch im Puff in Polen hast du draufgehalten (mit der Kamera natürlich) und hast die Mädels einfach mal improvisieren lassen ... Du Genie!
Dann kam wohl auch Laura Dern des Weges, die ist jetzt 40, wirkt aber wie 50; sie brauchte wohl etwas Kleingeld und hatte einige Tage Zeit ... Tja, und dann hat sie improvisiert ... Und Du hast draufgehalten ...
Ach ja, dann die Idee mit der Hasen-Sitcom! Hui, wie medienkritisch! Du Genie, Du!
Schließlich hast Du alles einfach mal zusammengeschnitten - die Aufnahmen aus Polen, die Hasen und die Dern - und schau: Inland Empire war geboren.
Ein Film, der laut Aussage des Verleihs nur einen roten Faden besitzt: die Angst. Angst hatte ich auch. Dass der Film gar kein Ende nimmt ...
Denn jetzt mal unter uns beiden ganz Intellektuellen: viel Sinn ergibt das nicht. Eigentlich ergibt das sogar überhaupt keinen Sinn! Eigentlich ist das sogar einfach nur total nervendes Freestyle-Geschwurbel eines mal als Genie gefeierten Filmschaffenden, der versucht seine Grenzen auszuloten!! Weniger im künstlerischen, als im kommerziellen Bereich.
Auf Deiner Website verkaufst Du jetzt ja Kaffee... Den hab ich nach 173 Minuten dann wohl auch nötigst gebraucht. Denn von Spannung - keine Spur! Auch von Handlung; oder besser: von einem Handlungsbogen, der den Dreck, ´tschuldigung, die Experimente zusammenhält, ist nach spätestens 20 Minuten keine Spur mehr vorhanden.
Klar es geht um ein verfluchtes Filmprojekt, um polnische Phantome, polnische Zirkusleute, Prostitution (wo wohl? in Polen!) und Riesenhäschen in Hollywood (nicht Polen). Was hast Du eigentlich gegen Polen? Egal.
Früher konnte man Dir Substanz, Eleganz und Anspruch attestieren. Heute: Riesenhasen und polnische Freudenmädchen die zu Do The Locomotion tanzen ...
Die Musik (war da Musik?) hatte Angelo bestimmt letzte Woche beim Renovieren im Keller gefunden. Ist dann auch preiswerter, und so ...
Doch siehe da! Ich muss der Einzige sein, der das so sieht! Die Kritiker lieben Dich! Trotz Einfallslosigkeit und fehlender Inspiration! Du bist halt David fucking Lynch! Ein verdammtes Genie! Dem kauft man alles ab! Ich habe 14.99 € bezahlt! Unbesehen wohlgemerkt! Mach ich nicht noch mal!

Gruß,

Sascha

Mittwoch, 6. November 2019

Erotische Alpträume im feuchten Urwald

Les garçons sauvages (int.: The Wild Boys)
F 2017
R.: Bertrand Mandico



Worum geht's?: Die Insel La Réunion 700 Kilometer vor der Ostküste Madagaskars irgendwann zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.
Nachdem sie in einem enthemmten Rausch aus Sex und okkulter Gewalt den Tod ihrer Lehrerin verschuldet haben, werden fünf pubertierende Jungs von den ratlosen Eltern einem mysteriösen holländischen Kapitän (Sam Louwyck) übergeben, welcher sie auf seinem heruntergekommenen Schiff zu einer eigentümlichen Insel bringt.
Inmitten einer ebenso üppigen wie sonderbaren Vegetation beginnen dort die wilden Jungs langsam ihr Geschlecht zu verändern und manche treffen schon bald auf die weise Bewohnerin Severine (Elina Löwensohn), welche ebenfalls zuvor als Mann die seltsamen Gestade betreten hatte.
Finden sich die einen mit der neuen Identität ab, planen andere die Flucht - doch ist ein Zurück nach derlei tiefgreifenden Metamorphosen überhaupt noch möglich?

***

Wie fand ich's?: Bertrand Mandico schuf sich zusammen mit der befreundeten isländischen Regisseurin Katrín Ólafsdóttir im Oktober 2012 ein eigenes Fimmanifest der "Inkohärenz¹", wonach ihre Filme frei von Beschränkungen, auf abgelaufenem Filmmaterial gedreht werden sollen, und dabei immer mindestens zwei verschiedenen Genres zugerechnet werden können. Die Effekte sollten rein "in der Kamera" entstehen, während der Ton stets nachträglich hinzugefügt wird; die Kostüme, Requisiten und Sets stammen aus zweiter Hand und wurden nicht für eben jene Produktion hergestellt.
Auf diese Weise soll ein keiner realistischen Ebene zuzurechnendes surreales Werk entstehen, ganz im Sinne des Dadaismus, der klassischen Surrealisten und anderen Konzeptkünstlern.
Vor seinem Langfilmdebüt mit The Wild Boys war Mandico bereits beinah zwei Jahrzehnte lang im Kurzfilmbereich tätig, so schloss er mit seiner Darstellerin Elina Löwensohn nebenher den Pakt, jedes Jahr einen von am Ende insgesamt einundzwanzig Kurzfilmen zu drehen, um so vom gemeinsamen Alterungsprozess zu profitieren, und auch auf diese Weise die sich über die Jahre verändernden Ansätze und Ansichten im eigenen Schaffen aufzeigen zu können.
Waren Mandicos Filme schon immer von einem absurden und traumwandlerischen Feeling besessen, so gelangt er m. E. nach erst mit Les garçons sauvages zu voller Grandezza.
Mit diesem Film gelingt ihm ein Werk, welches an die nostalgischen Schwarz/weiß-Filme eines Guy Maddin erinnert, dabei William S. Burroughs Hang zum Exzess aufgreift (wessen Roman The Wild Boys: A Book of the dead eine offenkundige Inspirationsquelle für Mandicos Film war, und dessen Verfilmung bereits in den 80ern von Russell Mulcahy in Angriff genommen werden wollte, welches jedoch nur im für den Streifen vorgesehenen Duran Duran Hit gleichen Titels kulminierte) und sich den romantisierten maritimen Motiven des chilenischen Surrealisten Raúl Ruiz bedient, der in seinen Filmen ebenfalls immer wieder Kapitäne, Seemänner und geheimnisvolle (oft metaphorische) Eilande aufgriff.
All dies vermengt Mandico mit einer großen Portion Sex und Spaß am Spiel mit den Geschlechtern, deren Rollen und Befindlichkeiten. Hier werden ungezügelte, gewaltbereite männliche Adoleszenten durch wundersame Weiblichwerdung umerzogen, da kopuliert man mit Pflanzen (ein Motiv aus Burroughs o. g. Roman), nachdem man zuvor die eigene Literaturlehrerin am Ende einer fehlgeleiteten Orgie nackt auf ein Pferd geschnallt hatte.
Über den, mir bei Ansicht des Films noch unbekannten, Besetzungstrick möchte ich hier kein Wort verlieren, nahm ich diesen doch zunächst tatsächlich nicht mal in Ansätzen wahr, und möchte hier dem Leser nicht die nachträgliche Überraschung nehmen, auch, wenn ich mittlerweile mehrfach gelesen habe, dass andere Zuschauer den Gag wohl bereits in den ersten Minuten des Films wahrgenommen haben wollen.
Für die letzte, ebenfalls in Kennerkreisen aufsehenerregende, Regiearbeit seines Freundes Yann Gonzalez, Un couteau dans le coeur (F/MEX 2018 dt.: Messer im Herz; int.: Knife+Heart), einer homoerotisch aufgeladener Giallopastiche, stand Bertrand Mandico übrigens im letzten Jahr ein erstes Mal auch vor der Kamera.
The Wild Boys wurde hierzulande vom feinen Boutiquelabel Bildstörung veröffentlicht. Der Film liegt hier sehr gut untertitelt im Originalton vor, die Bildqualität lässt zumindest bei der mir vorliegenden Blu-ray keine Wünsche offen, und das Bonusmaterial bietet nicht nur vier Kurzfilme auf, sondern kommt auch noch mit Deleted Scenes, dem Trailer, einem Making-of und einem schönen Booklet daher - was will man mehr?

***

Fazit: Ein wilder, mit den Gender- und Geschlechterrollen spielender Ritt in die Untiefen der Sexualität und ein schwüles Feuerwerk an Kreativität. Beinah einzigartig im Ton und deshalb fast schon allein eine Betrachtung durch wagemutige Filmfreunde wert.

Punktewertung: 9/10 Punkte - beinah (wenn nicht gar) ein modernes Meisterwerk des entfesselten Kinos.

1. Hier bezieht sich Mandico auf eine französische Künstlergruppe namens Les Arts incohérents um den Schriftsteller und Publizisten Jules Lévy, welche von jenem 1892 in Paris gegründet wurde und bereits die spätere Avantgarde- und Anti-Art-Bewegung vorwegnahm. 

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Flamboyante Antihelden vor grauen Ecken und Kanten

Die letzte Rache
BRD 1982
R.: Rainer Kirberg


Worum geht's?: Der Weltkenner (Erwin Leder) streift ziellos durch die Wüste und trifft dort auf das Anwesen des Herrschers (Gerhard Kittler), der den überheblichen Reisenden sogleich mit einer delikaten Aufgabe betraut: er soll für den Machtmenschen einen neuen Erben finden, sind doch dessen Sohn (Paul Adler) und Tochter (Anke Gieseke) einander in inzestuöser Liebe zugetan und mussten diesen Frevel bereits mit dem Leben bezahlen.
Keinem Abenteuer abgeneigt, macht sich der Weltkenner auf den Weg in die große Stadt, doch muss er bald erkennen, dass sich nicht nur die Suche nach einem würdigen Thronerben diffizil gestaltet, sondern auch, dass er seinem Auftraggeber nicht trauen kann, besonders, wenn man diesen in einem Rededuell gegenübertritt, um selbst nach der Macht zu greifen.
Eingekerkert dürstet es schnell dem selbstverliebten Glücksritter nach Rache, und als er in seiner Zelle überraschend auf einen verrückten Wissenschaftler (Volker Niederfahrenhorst) trifft, sieht er ein weiteres Mal seine Stunde gekommen ...

***

Wie fand ich's?: Mit "Die letzte Rache" schuf Rainer Kirberg 1982 einen wunderbar seltsamen Film, der irgendwo zwischen Augsburger Puppenkiste und Guy Maddin, zwischen Absurdismus und Caligari hin und her pendelt.
Für das ZDF seinerzeit in der weitgefassten Reihe Das kleine Fernsehspiel konzipiert, entstand der Film unter der Mitarbeit der deutschen Electro-Pioniere Der Plan, welche mit ihrem oft experimentellen Werk ebenfalls zwischen NDW und Avantgarde pendeln, und die nicht nur für die famos schräge musikalische Untermalung verantwortlich zeichneten, sondern deren Mitglieder auch kleinere Rollen übernahmen oder Kulissen entwarfen. Als ein griechischer Chor untermalen sie die Szenen in Form von drei sonderbaren Gewächsen durch meist kryptische Gesangseinlagen und tragen so zum bizarren Ton des Streifens noch weiter bei.
Im Zentrum des Films steht aber Ausnahmedarsteller Erwin Leder (* 1951), dem deutschen Publikum durch seine Rolle als "Das Gespenst" Johann in Petersens Das Boot (BRD 1981), dem wagemutigen Genrefilmfreund als namenloser Serienmörder aus Gerald Kargls Angst (AUS 1983), bekannt, der durch sein gestelztes Spiel jede Szene an sich reißt. Leder spielt, als würde er, wie in einem Stummfilm, allein durch Mimik und Gestik die Emotionen seiner Figur greifbar machen müssen, was durch seine nicht weniger aberwitzige Verwendung der Stimme einen solch skurrilen Charakter schafft, wie man ihn im deutschen Film der letzten Jahrzehnte nur selten findet.
Passend dazu bietet Kirberg Script zahlreiche Verweise auf Klassiker des deutschen Stummfilms und bedient sich bei der, teilweise sogar liebevoll (mit der Kurbel) animierten, Optik direkt beim Deutschen Expressionismus. Hier dominieren die klaren Kanten und Ecken von Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (D 1920), während der Mad Scientist dort gleich an Rotwang aus Langs Metropolis (D 1927) gemahnt.
Da wird der Level der Abenteuerlichkeit nur noch mehr gesteigert, wenn NDW-Ikone Andreas Dorau mal kurz ein (tatsächlich der Handlung dienliches) Duett singt oder Josef Ostendorf als Kommissar zur Waffe greift - Kirbergs Die letzte Rache hält den Zuschauer schon allein aufgrund seiner unvorhersehbaren Einfälle bei der Stange. So ist es auch wenig schlimm, dass dem Narrativ gegen Ende etwas die Luft ausgeht - mit einer Laufzeit von 85 Minuten ist der Film schön kompakt geworden, bedenkt man, dass in heutigen Zeiten selbst triviale, am Fließband produzierte Comicverfilmungen meist gern die Zweistundenmarke locker überschreiten.
Die letzte Rache ist mal wieder ein Film für all jene, die glauben bereits alles gesehen zu haben, und sich freuen, dass es in Deutschland einmal möglich war mit Geldern des ZDFs so etwas zu produzieren.
Der Film ist übrigens in einer schönen Edition als DVD-Flipper (PAL auf der einen, NTSC auf der anderen Seite) beim Kleinstlabel Monitorpop erhältlich und kann direkt über deren Webseite zu einem räsonablen Preis bezogen werden.

***

Fazit: Ein Geheimtipp für Fans des Absurden im Allgemeinen, Freunde des Stummfilms im Besonderen und Fans schräger Kreativität überall auf dem Erdenrund.


Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten

Dienstag, 25. Juni 2019

Blutbrüder in Preiselbeersauce

Blood Rage
USA 1987
R.: John Grissmer


Worum geht's?: Als Kind hat Terry (Keith Hall) in einem Autokino einen Besucher während des Liebesakts mit dem Beil massakriert, und sofort danach seinem traumatisierten Bruder Todd (der Bruder des Erstgenannten: Russell Hall) die grausige Tat in die Schuhe geschoben.
Zehn Jahre später, flüchtet der unschuldige Todd (nun: Mark Soper in einer Doppelrolle) aus der Anstalt, in der er ein Jahrzehnt verbracht hat, um, wie Michael Myers, verfolgt von der ihn in der Psychiatrie behandelnden Person (Marianne Kanter - Produzentin des Films), nach Hause zurückzukehren, wo sein Bruder bislang ein ruhiges, normales Leben bei seiner Mutter (Louise Lasser) verbracht hat.
Als diese jedoch bei einer Festlichkeit das Vorhaben äußert, ihre neue Liebe zu ehelichen, erwacht im bösen Zwilling gleichzeitig wieder der Drang zu morden.
So trifft Todd genau zu dem Zeitpunkt daheim ein, als die ersten Leichen bereits zerteilt die pittoreske Gegend verschandeln, und die sympathische Karen (Julie Gordon) mit perfektem Timing gedenkt, ihrem geheimen Schwarm Terry endlich ihre Liebe gestehen zu wohlen; natürlich nicht ahnend, dass dieser mehr Interesse an seiner bluttriefenden Machete, als an ihr hat.

***

Wie fand ich's?: Als man Blood Rage 1987 veröffentlichte, hatte das Slashergenre bereits seinen Zenit seit etwa drei Jahren überschritten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Film allerdings bereits vier Jahre im Regal gelegen, und erst jetzt gedachte man, mit dem Streifen noch eine schnelle Mark machen zu wollen.
Es muss also den Produzenten des Films durchaus klar gewesen sein, dass man es hier mit einem leicht devianten Vertreter seiner Art zu tun hat.
Blood Rage ist nämlich ein sich scheinbar vollkommen seines Genres und seiner Schublade bewusster Film, der absolut weiß, was sein junges Publikum fordert: blutige Gewalt und schwüle Sexualität. Auf beides greift Regisseur Grissmer in aller Regelmäßigkeit im Minutentakt zurück, sprenkelt eine ordentlich Portion Alkohol darüber - die Rotweingläser sind hier gern bis zum Rand gefüllt - und wirft noch nebenher Videogames, Swimmingpools und Babysitting mit in den Topf - eben alles, was die Boys und Girls so umtreibt.
Dazu drehte man die Gore-Regler auch noch kurz auf zwölf (zumindest in den späteren Uncutfassungen, die ersten Veröffentlichungen waren noch stark zensiert), liefert dem Publikum in der Mitte durchtrennte Köpfe und Leiber und jede Menge Kunstblut, welches nun wirklich keine Preiselbeersauce ist, wie es der Hauptdarsteller auch mehrfach während des Films wiederholt.
Hier zeigt sich auch schon der höchst sonderbare Hang zu einem bizarren, obskuren Humor, bei dem nie sicher ist, ob er es nun freiwillig oder tatsächlich unfreiwillig ins Drehbuch geschafft hat. In einer besonders bemerkenswerten Szene, fordert Mutti ihren noch unverdächtigten Killersohn so zum Beispiel auf, dort draußen nicht nur vorsichtig zu sein, sondern sich auch wegen der Kälte einen Pulli anzuziehen, am besten den blauen!
Persönlich tendiere ich dazu, dass man hier sehr wohl wusste, was man tat, und der Streifen von einem wunderbar unterschwelligen Tongue-in-cheek-Witz durchdrungen ist, der zeigt, dass man das Genre bereits nicht mehr ernst nehmen wollte und konnte. Es kommt also bereits ein Gefühl einer latenten Parodie auf, was sich auch im Overacting einer so erfahrenen Schauspielerin wie Louise Lasser zeigt.
Natürlich hatte es auf diesem Gebiet bereits 1981 und 1982 erste eindeutige Versuche mit Student Bodies (USA 1981 R.: M. Rose / M. Ritchie dt.: Was macht der Tote auf der Wäscheleine?) und Wacko (USA 1982 R.: Greydon Clark) gegeben, welche jedoch ihre Hauptbetonung auf wenig feinsinnigen Brechstangenhumor setzten und qualitativ eher im unteren Bereich der Liga anzusiedeln sind (es sei hier noch angemerkt, dass der 1981 ebenfalls erschienene Saturday the 14th [USA 1981 R.: Howard R. Cohen dt.: Samstag, der 14.] zwar vom Titel her eine Slasherparodie vorgaukelt, es sich hier allerdings um ein Haunted-House-Movie mit Vampirfilmmotiven handelt).
So nimmt Blood Rage eine kleine Sonderstellung innerhalb seiner Gattung ein und sollte einem größeren Publikum bekannt gemacht werden - denn der Slasher ist ebenso wenig tot zu bekommen wie seine ewig populären Antagonisten Jason, Michael, Chucky und Freddy - um nur die Größten von ihnen zu nennen ...

***

Fazit: Sicher kein echter Klassiker seines Genres, aber durchaus eine kleine Perle in einem Meer an Mittelmäßigkeiten. Wer sein Adoleszentengemetzel nicht nur ernst und humorlos mag, findet hier eine süffisante Alternative.

Punktewertung: 7/10 Punkten

Mittwoch, 29. Mai 2019

Der mörderische Zauber der Eitelkeit

Il siero della vanità (eng.: The Vanity Serum)
I 2004
R.: Alex Infascelli


Worum geht`s?: Italien - hier und heute. Nach und nach kidnappt ein Unbekannter mehrere C-Prominente durch das Verabreichen eines Tiersedativums, und hält diese fortan in unterirdischer Einzelhaft.
Verzweifelt versucht die, nach einem eskalierten Einsatz traumatisierte und leicht gehbehinderte, nun wieder zurück in den Dienst gezogene, Polizeibeamtin Lucia (Margherita Buy), dem Täter auf die Spur zukommen.
Alle Hinweise führen in den Dunstkreis der arroganten und skrupellosen Talkshowmasterin Sonia Norton (Francesca Neri), deren Show als ein Sammelbecken für Möchtegernprominente fungiert, die versuchen das quotenstarke Trashformat als Sprungbrett für die eigene Karriere zu benutzen.
Schon bald wird klar, dass der Entführer nicht auf bloße Lösegeldforderungen aus ist, sondern einen bizarren Plan verfolgt, der auch vor Toten nicht halt macht!

***

Wie fand ich's?: Bereits mit seinem Langfilmdebüt Almost Blue (I 2000) hatte Regisseur Alex Infascelli gezeigt, dass das Subgenre des Giallo auch noch im Jahr 2000 nicht gänzlich tot ist. Bereits dort folgte man einer Polizistin auf ihrem Weg durch die Großstadt, in der sie nach einem wahnsinnigen Serienmörder sucht, der stets die Identität seines letzten Opfers annimmt.
Vier Jahre später sollte Infascelli, der sein Handwerk an den Sets mehrerer großer Musikvideoproduktionen in den USA gelernt hatte (u. a. für Nirvana, Prince und Michael Jackson), sich erneut am Neo-Giallo versuchen, und den hier besprochenen Thriller Il siero della vanità drehen, welcher neben einer schönen Spannungskurve auch mit einem medienkritischen Subtext aufwartet, der in Zeiten des heutigen, allgegenwärtigen Trash-TVs immer noch hochaktuell daherkommt.
Wie weit Menschen gehen, um an ihre von Andy Warhol seinerzeit versprochenen 15 Minuten des Ruhms zu kommen, wird hier grotesk auf die Spitze getrieben. Kam Almost Blue noch insgesamt recht düster und verstörend daher, so herrschen diese dunklen Töne zwar auch in Il siero della vanità vor, doch bricht sich hier zeitweise auch ein ätzender Humor seinen Weg und bereichert die Erzählung um weitere Nuancen.

***

Fazit: Ein alles in allem gelungener Neogiallo, der einem von vielen geliebten Subgenre neues Blut zuführt und dessen Regisseur hierzulande bei Freunden italienischer Genrekost mehr Bekanntschaft verdient hätte.

Punktewertung: 7,5 von 10 Punkten

Dienstag, 15. Januar 2019

Wenn das Feuer den letzten Ton verzehrt

Born of Fire (Die Macht des Feuers)
GB 1987
R.: Jamil Dehlavi


Worum geht's?: Während ungewöhnlich starke Sonnenaktivitäten auftreten, begibt sich der sensible Flötist Paul (Peter Firth) auf eine Reise in die Türkei, wo er zusammen mit einer Astronomin (Suzan Crowley) dem "Master Musician" (Orla Pederson aka. Oh-Tee) entgegentreten muss, einer bösen Geistergestalt, die durch den Klang ihrer Flöte die Welt in Feuer tauchen will.
Unterstützt vom Muezzin der örtlichen Moschee, Bilal (Stefan Kalipha), nimmt Paul die Suche nach dem furchtbaren Dschinn auf, und kommt dabei auch dem Schicksal seines Vaters auf die Spur, der diese Reise bereits vor ihm angetreten hatte.

***

Wie fand ich's?: Es gab einen kurzen Zeitraum, da waren surreale End-of-the-World-Horrordramen offenbar der letzte Schrei (Achtung: Wortspiel in zehn bis elf Wörtern ...) und es entstanden in Großbritannien so tolle Filme wie The Shout (GB 1978 R.: Jerzy Skolimowski, dt. Der Todesschrei), The Medusa Touch (GB/F 1978 R.: Jack Gold, dt.: Der Schrecken der Medusa) oder die den Mainstream ansprechende The Omen Trilogie (GB/USA 1976 - 1991 R.: Donner, Taylor/Hodges, Baker), welche zehn Jahre später noch einen Nachzügler fürs TV gebären sollte, über den wir hier aber lieber den Mantel des Schweigens hüllen wollen.
Ebenfalls eine ganze Dekade später, sollte Jamil Dehlavi seinerseits einen leicht verspäteten Mitbewerber um den Thron des bizarren Apokalypsestreifens ins Rennen schicken.
Der Sohn eines paskistanisch-französischen Elternhauses feierte einige Jahre zuvor mit dem in Pakistan umgehend verbotenen The Blood of Hussein (GB/PA 1980 dt.: Husseins Herzblut) einen weltweiten Kritikererfolg, der allerdings aufgrund seiner Religions- und Militärkritik schnell dazu führte, dass Dehlavi von der pakistanischen Regierung ins vorläufige Exil gezwungen wurde.
So entstand sein nächster Langfilm, der hier besprochene Born of Fire, gänzlich mit britischen Geldern (heißt: aus den Taschen der TV-Produzenten von Channel 4), zum Dreh der Haupthandlung reiste man allerdings in die ferne, geheimnisvolle Türkei. Dort fand man die unglaublichen Aussensets, die dem Film eine besonders weltverlorene Atmosphäre bescheren, welche zwischen kalten Schatten und flirrender Sonnenhitze hin und her springt.
Mit Peter Firth verpflichtete man einen erfahrenen Hauptdarsteller, welcher kurz zuvor mit Tobe Hooper den nicht weniger sonderbaren Lifeforce (GB/USA 1985) auf die Leinwand gebracht hatte.
An seine Seite stellte man die ätherisch wirkende Suzan Crowley, den zurückgenommen agierenden Stefan Khalipha sowie den kleinwüchsigen Jordanier Nabil Shaban und den hageren Skandinavier Orla Throrkild Pederson, welcher unter seinem Pseudonym Oh-Tee auftritt und u. a. zuvor schon in Lynchs The Elephant Man (USA/GB 1980) und in Top Secret (GB/USA 1984) der Zucker-Brüder seine ungewöhnliche Erscheinung vor einer Kamera in Pose rücken durfte.
Zusammen erschuf man mit oft gleißenden, stets jedoch wunderschönen, Bildern eine beinah einzigartige Seherfahrung, die einen gänzlich neuen Horrormythos vom dämonischen "Meistermusiker" gebiert, der mit Feuer und Melodie diese Welt in Asche legen möchte.
Dass daraus im Gegensatz zu den oben genannten Omen-Filmen oder der wesentlich später entstandenen Wishmaster-Serie (USA 1997-2002), die ebenfalls einen bösen Dschinn durchs Dorf treibt, kein langlebiges Franchise, ja, nicht einmal eine Fortsetzung resultierte, mag daran liegen, dass Born of Fire weit mehr Kunst- als Horrorfilm ist, und es sich hier um keine Produktion für ein breites Mainstreampublikum handelt, welches vermutlich auf den Film eher befremdet und ablehnend reagieren würde.
So machte Die Macht des Feuers zunächst noch kurz eine gefeierte Ehrenrunde über einige internationale Festivals und verschwand dann leise glimmend in der Vergessenheit, bis das von mir geschätzte britische Indicator-Label endlich eine Blu-ray-Veröffentlichung initiierte, die ich hier jedem geneigten Leser ans brennende Herz legen möchte.

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Fazit: Ein entrückter Trip in die dunklen Kavernen einer anderen Kultur - fiebrig, hitzig und doch von einer bezirzenden Melodie getragen.

Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten