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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Flamboyante Antihelden vor grauen Ecken und Kanten

Die letzte Rache
BRD 1982
R.: Rainer Kirberg


Worum geht's?: Der Weltkenner (Erwin Leder) streift ziellos durch die Wüste und trifft dort auf das Anwesen des Herrschers (Gerhard Kittler), der den überheblichen Reisenden sogleich mit einer delikaten Aufgabe betraut: er soll für den Machtmenschen einen neuen Erben finden, sind doch dessen Sohn (Paul Adler) und Tochter (Anke Gieseke) einander in inzestuöser Liebe zugetan und mussten diesen Frevel bereits mit dem Leben bezahlen.
Keinem Abenteuer abgeneigt, macht sich der Weltkenner auf den Weg in die große Stadt, doch muss er bald erkennen, dass sich nicht nur die Suche nach einem würdigen Thronerben diffizil gestaltet, sondern auch, dass er seinem Auftraggeber nicht trauen kann, besonders, wenn man diesen in einem Rededuell gegenübertritt, um selbst nach der Macht zu greifen.
Eingekerkert dürstet es schnell dem selbstverliebten Glücksritter nach Rache, und als er in seiner Zelle überraschend auf einen verrückten Wissenschaftler (Volker Niederfahrenhorst) trifft, sieht er ein weiteres Mal seine Stunde gekommen ...

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Wie fand ich's?: Mit "Die letzte Rache" schuf Rainer Kirberg 1982 einen wunderbar seltsamen Film, der irgendwo zwischen Augsburger Puppenkiste und Guy Maddin, zwischen Absurdismus und Caligari hin und her pendelt.
Für das ZDF seinerzeit in der weitgefassten Reihe Das kleine Fernsehspiel konzipiert, entstand der Film unter der Mitarbeit der deutschen Electro-Pioniere Der Plan, welche mit ihrem oft experimentellen Werk ebenfalls zwischen NDW und Avantgarde pendeln, und die nicht nur für die famos schräge musikalische Untermalung verantwortlich zeichneten, sondern deren Mitglieder auch kleinere Rollen übernahmen oder Kulissen entwarfen. Als ein griechischer Chor untermalen sie die Szenen in Form von drei sonderbaren Gewächsen durch meist kryptische Gesangseinlagen und tragen so zum bizarren Ton des Streifens noch weiter bei.
Im Zentrum des Films steht aber Ausnahmedarsteller Erwin Leder (* 1951), dem deutschen Publikum durch seine Rolle als "Das Gespenst" Johann in Petersens Das Boot (BRD 1981), dem wagemutigen Genrefilmfreund als namenloser Serienmörder aus Gerald Kargls Angst (AUS 1983), bekannt, der durch sein gestelztes Spiel jede Szene an sich reißt. Leder spielt, als würde er, wie in einem Stummfilm, allein durch Mimik und Gestik die Emotionen seiner Figur greifbar machen müssen, was durch seine nicht weniger aberwitzige Verwendung der Stimme einen solch skurrilen Charakter schafft, wie man ihn im deutschen Film der letzten Jahrzehnte nur selten findet.
Passend dazu bietet Kirberg Script zahlreiche Verweise auf Klassiker des deutschen Stummfilms und bedient sich bei der, teilweise sogar liebevoll (mit der Kurbel) animierten, Optik direkt beim Deutschen Expressionismus. Hier dominieren die klaren Kanten und Ecken von Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari (D 1920), während der Mad Scientist dort gleich an Rotwang aus Langs Metropolis (D 1927) gemahnt.
Da wird der Level der Abenteuerlichkeit nur noch mehr gesteigert, wenn NDW-Ikone Andreas Dorau mal kurz ein (tatsächlich der Handlung dienliches) Duett singt oder Josef Ostendorf als Kommissar zur Waffe greift - Kirbergs Die letzte Rache hält den Zuschauer schon allein aufgrund seiner unvorhersehbaren Einfälle bei der Stange. So ist es auch wenig schlimm, dass dem Narrativ gegen Ende etwas die Luft ausgeht - mit einer Laufzeit von 85 Minuten ist der Film schön kompakt geworden, bedenkt man, dass in heutigen Zeiten selbst triviale, am Fließband produzierte Comicverfilmungen meist gern die Zweistundenmarke locker überschreiten.
Die letzte Rache ist mal wieder ein Film für all jene, die glauben bereits alles gesehen zu haben, und sich freuen, dass es in Deutschland einmal möglich war mit Geldern des ZDFs so etwas zu produzieren.
Der Film ist übrigens in einer schönen Edition als DVD-Flipper (PAL auf der einen, NTSC auf der anderen Seite) beim Kleinstlabel Monitorpop erhältlich und kann direkt über deren Webseite zu einem räsonablen Preis bezogen werden.

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Fazit: Ein Geheimtipp für Fans des Absurden im Allgemeinen, Freunde des Stummfilms im Besonderen und Fans schräger Kreativität überall auf dem Erdenrund.


Punktewertung: 8,5 von 10 Punkten