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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 26. Januar 2013

Dämonen der Seele

Onibaba - Die Töterinnen (Onibaba bzw. 鬼婆)
J 1964
R.: Kaneto Schindō


Worum geht's?: Japan zur Zeit eines Bürgerkrieges im 14. Jahrhundert.
Inmitten eines riesigen Sumpfes und stetig wogenden Schilfmeeres wohnen zwei Frauen in einer schäbigen Hütte.
Es sind eine Alte (Nobuko Otawa - des Regisseurs dritte Ehefrau und Muse) und deren junge Schwiegertochter (Jitsuko Yoshimura), welche in diesen schwierigen Zeiten ihren Lebensunterhalt durch das Töten und Ausrauben verirrter und verletzter Samurais bestreiten und zusammen auf die Rückkehr ihres Sohnes bzw. Ehemannes aus den Wirren des Krieges warten.
Doch kehrt statt des erwarteten Familienmitglieds der testosterongeladene Nachbar Hachi (Kei Satō) in das pendelnde Schilf zurück, der vorgibt den Tod seines Freundes selbst mit angesehen zu haben und sich auch sogleich für dessen Witwe interessiert.
Die junge Frau lässt den Macho zunächst mithilfe der resoluten Schwiegermutter abblitzen, doch gibt sie schließlich schnell der eigenen Wollust nach und eilt des Nachts in die Hütte des trinkenden Tunichtguts.
Schwiegermama sieht dies alles mit starkem Unmut, nicht nur lebt sie nun in Angst die junge Frau und mit ihr die Grundlage für ihren Lebensunterhalt an den neuen Galan zu verlieren, denn die Alte wäre allein kaum in der Lage die Samurai zu überwältigen und in das tiefe, schwarze Loch zu werfen, in dem die beiden die Leichen ihrer Opfer entsorgen; nein, die alte Frau spürt selber ein starkes Verlangen nach dem schwitzigen Hachi und missgönnt der Jungen schlicht den Spass.
Eines Nachts taucht ein Samurai (Jukichi Uno) mit einer hölzernen Dämonenmaske vor dem Gesicht im morastigen Schilflabyrinth auf, der von der mal wieder verlassenen Alten fordert, ihm den Weg aus dem Sumpf zu weisen.
Befragt nach seiner wundersamen Maske, welche gleichermaßen Furcht und Mitleid erregt, antwortet der Ritter, sie würde nur sein wunderschönes Antlitz verbergen.
Nun neugierig geworden, lockt die alte Frau den in der Dunkelheit unorientierten Mann in das klaffende Bodenloch, jedoch nur, um mit einem Seil dem gefallenen Körper schleunigst nachzusteigen und ihm mit Gewalt die Maske vom Gesicht zureißen.
Doch statt eines schönen Gesichts erwartet dem Betrachter eine einzige, nässende Brandwunde, was die abgeklärte Mörderin jedoch nicht davon abhält, die Maske mitzunehmen und sie selbst aufzusetzen, um so der Schwiegertochter auf den Wegen von und zu ihren nächtlichen Schäferstündchen Angst zu machen und ihr später noch mit Geschichten vom Fegefeuer ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen.
Aber alles rächt sich mitunter im Leben, und als eines Nachts die Maske nicht mehr vom Gesicht abgenommen werden kann, regiert nur noch der pure Horror über die Leben der beiden Töterrinnen.

Wie fand ich's?: Die klaren Schwarzweißbilder des Schilfmeeres könnten den Betrachter wunderbar einlullen, wäre man als Zuschauer nicht auch sofort mit den Gräueln des Krieges konfrontiert, welche sich ihren Weg in diese malerische Szenerie bahnen.
In diesem Film wird gemordet, um am Leben zu bleiben und Sex dient als Mittel des Vergessens und als Bestätigung des eigenen Seins.
Shindōs Film nimmt eine bekannte, alte Parabel des Shin-Buddhismus, um mit den Mitteln des Nō-Theaters (hier stammt auch der Begriff des Oni, eines sich hinter einer Maske versteckenden Dämons, her), der grimmen Milieustudie und des Horrorfilms, eine eigene Geschichte von Mord und Totschlag, Lust und Neid, Krieg und Verlust, Sex und Geilheit zu erzählen.
Äußerst interessant ist in diesem Kontext der auffällige Querverweis auf das Schicksal der Hibakusha, der Opfer der Atombombenabwürfe auf Japan, der dem Film einen zusätzlichen Aspekt zur Interpretation verleiht. Es kann wohl kaum ein Zufall sein, das die Träger der Maske das charakteristische Äußere dieser Kriegsopfer annehmen, Opfer, die aufgrund mangelnder Aufklärung in ihrer Heimat oftmals zudem diskriminiert und ausgegrenzt wurden und von deren Schicksal der Regisseur schon 1952 in Gembaku no ko (J 1952 dt.: Die Kinder von Hiroshima) erzählte.
Man tut sich dann auch schwer, den Film eindeutig einem Genre zuzuordnen. Von Kostümfilm, Erotikstreifen, Horrorschinken, (Anti-)Kriegsfilm oder schlicht Drama reichen die Möglichkeiten und man sollte sich einvernehmlich darauf einigen, es hier mit einer Mischung aus alldem zu tun zu haben.
Kennern des japanischen Kinos wird die freizügige Nacktheit der Schauspielerinnen keine große Überraschung bescheren, doch bescherte sie wohl genug Unwillen beim deutschen Verleih, welcher den Film um ca. anderthalb Minuten Erotik und Gewalt unnötig beschnitt.
Witzigerweise wäre mein einziger Kritikpunkt die m. E. etwas zu sehr in die Länge gezogene erste Hälfte des Films, der aber trotzdem mit dem in diesem Blog ebenfalls bereits besprochenen (und noch besseren) Suna no onna (s. h.: http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2012/07/kein-sand-im-getriebe.html) zu den besten Filmen ihrer Herkunft gehört.

Fazit: Für Feinschmecker fernöstlicher Köstlichkeiten - vortrefflich gefilmt, pikant gewürzt, doch nicht nur im Abgang recht gallig und dank versteckter Widerhaken mithin schwer zu schlucken. Dafür wirkt der Eindruck auf der Hirnrinde lange nach...

Punktewertung: 9,25 von 10 Punkten