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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 19. Oktober 2014

Tot in Berlin

The Quiller Memorandum (Das Quiller Memorandum: Gefahr aus dem Dunkel)
GB/USA 1966
R.: Michael Anderson


Worum geht's?: Berlin irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der britische Geheimdienst hat auf der Suche nach dem Versteck einer Bande von Neonazis bereits zwei Agenten verloren. Nun schickt der smarte Bereichsleiter Pol (Alec Guinness) mit Quiller (George Segal) ein neues Gesicht in den Kampf.
Schnell wird Quiller bewusst, das auch er nur ein Bauer in einem Schachspiel mit dem gewieften Boss der Gegenseite namens Oktober (Max von Sydow) darstellt, der genauso interessiert daran ist den Sitz der Briten in der geteilten Stadt zu ermitteln.
Gemeinsam mit der schönen Schullehrerin Inge Lindt (Senta Berger) findet sich Quiller schon bald in einem undurchsichtigen Schlagaustausch wieder, in dem Freund und Feind mitunter kaum voneinander zu unterscheiden sind.
 

Wie fand ich's?: Durch den riesigen Erfolg des James-Bond-Franchises zu Beginn der 60er Jahre wurden international zahlreiche Versuche ins Leben gerufen, sich ebenfalls ein Stück vom großen Kuchen, Eurospy-Genre genannt, abzuschneiden. Versuchten einige es mit direkten Kopien wie z. B. Se tutte le donne del mondo (I 1966 R.: Levin/Maiuiri dt.: Unser Mann in Rio), andere mit Parodien wie OK Connery, so gab es auch noch solche, die es mit einem absoluten Gegenentwurf zur Kunstfigur James Bond probierten. Filme wie The Ipcress File (GB 1965 R.: Sidney J. Furie dt.: IPCRESS - Top Secret), dem ersten Teil einer Serie um den britischen Agenten Harry Palmer (basierend auf Vorlagen von Len Deighton und gespielt von Michael Caine), begründeten schon bald den Trend zu sogenannten "Anti-Bonds".
The Quiller Memorandum basiert auf einer preisgekrönten Vorlage des unter zahlreichen Pseudonymen tätigen Briten Elleston Trevor (*1920; †1995; eigentl. Trevor Dudley-Smith, hier als Adam Hall genannt), welche von dem später mit einem Literaturnobelpreis geehrten Harold Pinter zum Drehbuch gemacht wurde. Wie Deightons Harry Palmer war auch Quiller der Held einer ganzen Reihe von Romanen, jedoch ist The Quiller Memorandum bislang der einzige Einsatz unseres Helden auf der Kinoleinwand, lediglich im Jahr 1975 brachte die BBC eine TV-Serie unter dem einfachen Titel Quiller ins Fernsehen, welche jedoch nur eine Staffel mit 13 Folgen lang ausgestrahlt wurde und mittlerweile fast vollkommen vergessen ist, zumal die BBC die Serie bisher weder wiederholt hat, noch sie anderweitig zugänglich machte.
Wie Harry Palmer ist auch Quiller nicht der übermächtige Superagent, wie es Bond ist, sondern nur ein kleines Rad in einer viel größeren Maschine, welche ständig droht es einfach durch ein anderes zu ersetzen. Hier brilliert der immer großartige Alec Guinness als snobistischer Vorgesetzter, der keinen Zweifel an der Stellung seines Untergebenen lässt.
Max von Sydow gefällt in der Rolle des latent sadistischen Kopfes einer Bande von Neonazis zu denen im übrigen auch der gern gesehene Herbert Fux gehört.
Senta Berger bezaubert als undurchsichtiges Love Interest Quillers und auch Günter Meisner - der ja leider im Kino immer nur der ewige Nazi war - darf den Zuschauer verwirren.
Zuletzt noch ein Wort zum trickreichen Ende, welches durchaus interessanter als in ähnlichen Produktionen des Genres daher kommt. Tatsächlich wartet The Quiller Memorandum mit einem unerwartet düsteren Schluss auf, der so gar nicht den feucht-fröhlichen Enden eines James Bond entspricht, sondern das Publikum etwas unsanft in die Realität entlässt. Scheinbar frustrierte und überforderte der Film das an weit unintelligentere Plots gewöhnte Publikum so sehr, das der ganz große Erfolg leider ausblieb und Quiller wieder in der Versenkung verschwinden musste. Schade, hätte ich doch gerne noch mehr von diesem Mann gesehen...


Fazit: Ein gelungener, zumeist jedoch leider eher unterbewerteter, Beitrag zum Eurospy-Genre. Ein großartiger Cast agiert in einer spannenden Story.


Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten