I 1972
R.: Sergio Pastore
Worum geht's?: Kopenhagen. Von seiner Freundin (Isabelle Marchall) gerade verlassen und im Restaurant frisch versetzt worden, muss der blinde Filmkomponist Peter (Anthony Steffen) ein sonderbares und beunruhuigendes Gespräch am Tisch hinter ihm mit anhören. Da er aufgrund lauter Musik und zahlreicher Nebengeräusche leider nur Bruchstücke aufschnappen kann, glaubt er zwar von einem verabredeten Verbrechen erfahren zu haben, kann aber weder genau auf die beteiligten Personen noch auf sonstige hilfreiche Details schließen.
Als er am nächsten Tag vom ungewöhnlichen Tod seiner Liebschaft erfährt, macht sich der selbst ernannte Mörderschreck mit seinem loyalen Faktotum Burton (Umberto Raho) auf die Suche nach dem Täter, der auch weiterhin seinen pausbackigen, rothaarigen Todesengel im weißen Cape (Giovanna Lenzi - die Ehefrau des Regisseurs) ausgeschickt, um ein Opfer nach dem anderen in der Modewelt der dänischen Hauptstadt zu fordern.
Wie fand ich's?: Als Genrefan besitzt man so etwas wie einen ganz eigenen Fahrplan, den man bei den anstehenden Sichtungen in seinem Lieblingsunterhaltungsfach anwendet. So hat man meist eine ideelle Liste, welche man - mehr oder weniger - Punkt für Punkt vom ersten Platz an abarbeiten möchte.
Der hier besprochene Sette scialli di seta gialla (dt.: Sieben Schals aus gelber Seide) stand auf meiner solchen, persönlichen Liste jahrelang weit unten, wird er doch häufig eher als Marginalie im Genre besprochen und wurde zudem hierzulande bislang nicht veröffentlicht.
Nach Ansicht des Films muss ich beide letztgenannten Punkte als äußerst ungerecht tadeln, da es sich bei Sergio Pastores Werk zwar um einen dreisten, aber für genreerfahrene Zuschauer recht unterhaltsamen Best-Of-Mix des Italo-Thrillers der vorangegangenen Jahre handelt.
So nimmt Pastore den blinden Helden aus Dario Argentos gerade in den Kinos gelaufenen Il gato a nove code (I/F/BRD 1971 dt.: Die neunschwänzige Katze) und wirft diesen ins Milieu der Mode und Mannequins, wie man es schon in Bavas stilbildenden Sei donne per l'assassino (I/F/MCO 1964 dt.: Blutige Seide) begutachten durfte. Hinzu kommen Morde durch ein seltsames Gift - s.h. den ebenfalls ein Jahr zuvor erschienenen La tarantola dal ventre nero (I/F 1971 R.: Paolo Cavara dt.: Der schwarze Leib der Tarantel), einen mit unheimlicher, flüsternder Stimme drohenden Killer der an Argentos meisterhaftes Debüt L'uccello dalle piume di cristallo (I 1970 dt.: Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe) erinnert und eine Meuchelei unter der Dusche, welche gar Hitchcocks legendärem Urvater des Slashers und des Giallo, Psycho (USA 1960), bluttriefend Hommage erweist.
Diese äußerst explizite Szene bildet den gorigen Höhepunkt des Streifens, welcher sich insgesamt sehr langsam in seiner Gewaltdarstellung steigert, um sich in den letzten zehn Minuten praktisch blutig in Richtung der Zuschauer zu erbrechen.
Diese Explosion der Härte trifft einen noch unvermittelter, setzt man zuvor inhaltlich eher auf eine amüsante Mörderhatz durch die Straßen Kopenhagens und auf ein ganzes Ensemble aus exzentrischen Individuen. Da ist der blinde Hobbyschnüffler mit treuem Diener, der windige Geschäftsmann (Giacomo Rossi-Stuart - der schon 1966 in Bavas Operazione Paura dabei war und zahlreiche Genrebeiträge mit seiner Anwesenheit beglückte), dessen Gattin (Sylva Koscina - war im selben Jahr noch in Di Leos La mala ordina und eins später in Bavas Lisa e il diavolo zu begutachten) und besagte, rothaarige Dame mit dem tödlichen Katzenkorb.
Dass man die Handlung im kühlen Dänemark angesiedelt hat, gibt dem Film in meinen Augen noch zusätzlichen Reiz, kann man doch den üblichen Schauplätzen in bella Italia oder dem Nebel von London (oder Italien, dass sich dreist als Groß-Britannien ausgibt) irgendwann mal überdrüssig werden.
Insgesamt reicht Pastores Destillat allerdings nicht an die absoluten Klassiker des Genres heran, doch gilt auch hier, dass gut geklaut manchmal besser als schlecht selbst erfunden ist.
Meines Erachtens nach wird es also Zeit, dass dieser Film ein ordentliches Release an den heimischen Gestaden erfährt - dies geht jetzt an Euch: Camera Obscura und FilmArt!
Fazit: Ein eher unterschätzter Giallo aus dessen früher Hochzeit oder vielmehr ein bunt zusammengeklautes Pasticcio aus allen lieb gewonnenen Klischees des Genres.
Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten