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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Donnerstag, 11. Februar 2016

Ausdrücklich fraglich?!

Interrabang
I 1969
R.: Giuliano Biagetti


Worum geht's?: Eine schnittige Jacht, drei schöne Damen, klares Wasser, ein gewitzter Fotograf und heller Sonnenschein.
Fabrizio (Umberto Orsini) sucht einen möglichst pittoresken Hintergrund für die geplanten Aufnahmen von seinem attraktiven Model Margerita (Shoshana Cohen), das zugleich seine Geliebte ist - was seine Frau Anna nicht weiter zu stören scheint.
Während diese sich dem Sonnenbaden widmet und Fabrizio mit Margerita an Land geht, hängt Fabrizios intellektuelle Schwester Valeria (Haydée Politoff) gelangweilt ihren misanthropen Gedanken nach.
Niemand scheint der Radiomeldung von einem flüchtigen Schwerverbrecher Aufmerksamkeit zu schenken, lediglich ein defekter Vergaser zwingt Fabrizio dazu, seine Gefährtinnen kurz zurückzulassen, um in Gesellschaft einer anderen Schönen Rat und Hilfe zu suchen.
Auf sich allein gestellt treffen die drei Grazien an Land auf den sonderlichen Streuner Marco (Corrado Pani), der es nur zu schnell schafft, jede der Damen um den Finger zu wickeln - und dies in unmittelbarer Nähe eines toten Polizisten.
Ist Marco der gesuchte Killer, nachdem auch die kurz auftauchende Wasserpolizei sucht? Warum scheint Valeria vom Anblick einer dahinverwesenden Leiche kaum beeindruckt zu sein? Ist Margerita nur auf Fabrizios Geld aus? Wird Fabrizio je zurückkommen? Und was zur Hölle ist ein Interrabang?!

Wie fand ich's?: Nun, zumindest letzte Frage lässt sich hier direkt spoilerfrei auflösen. Ein Interrobang (wieso der Film den Ausdruck mit a statt o schreibt - weiß der Teufel‽) ist ein obskures Sondersatzzeichen, welches 1962 von einem amerikanischen Werbetexter erfunden wurde und einem Satz sowohl unterstreichenden, wie fragenden Charakter geben sollte.
Hierzu erschuf Martin K. Spekter eine Verbindung aus Frage- und Ausrufezeichen; geboren war das Interrobang. Dieses ‽ war also quasi der Vorgänger des heute so oft im Internet verwendeten WTF-Kürzels (entstanden in einer Zeit, in der noch Stil und Kreativität über reine sprachliche Profanität regierten).
Tatsächlich trägt im Film nicht nur die hübsche Haydée Politoff dieses Kunstzeichen als Goldschmuck um den Hals, es gibt auch genau das Gefühl wieder, das man in den Augen der meisten Rezipienten nach dem Ansehen dieses Filmes erahnen kann.
Giuliano Biagetti gelingt nämlich hier das Bravourstück, einen Film mit einer unglaublich relaxten und entschleunigten Atmosphäre zu entwerfen, dessen Figuren offenbar recht eindeutig gestrickt sind - bis, ja, bis der Film anfängt mit zunehmender Laufzeit zunächst subtil, später eindeutig, einen Plottwist nach dem anderen aufs Parkett zu legen.
Wird man also zunächst durch das sonnendurchflutete Ambiente und die klischeehaften Protagonisten wunderbar eingelullt (ja, man könnte schon fast von gediegener Langeweile sprechen), so verschlägt einem spätestens die oben erwähnte Szene eines plötzlichen Leichenfundes die Sprache (oder reißt einen aus dem bereits eingetretenen Dämmerzustand zwischen Wachen und Träumen).
Wer also glaubt Interrabang würde am Ende seiner (angenehmen, 93-minütigen) Laufzeit alle Fragen befriedigend beantwortet haben, der schaue sich das formschöne Satzzeichen noch einmal genau an.
Regisseur Giuliano Biagetti (* 1925; †1998) hat es laut IMDb in einer mehr als vierzigjährigen Karriere auf nur vierzehn Filme gebracht, ein Großteil davon waren seichte Erotikkomödien, für die er sich wohl teilweise so sehr schämte, dass er sich hinter dem Pseudonym Pier Giorgio Ferretti versteckte.
Mit Interrabang hat er auf jeden Fall einen für Genrefans sehr interessanten Bastard aus der geschaffen, der irgendwo zwischen galliger Satire und froschfröhlichem Sommerthriller hin und her pendelt, nur, um mit seiner Schlussszene dem Ganzen noch die Krone aufsetzen, auf deren Zacken nur ein Zeichen prangen kann:


Fazit: So luftig, locker ist man noch nie filmisch an der Nase herumgeführt worden. Mehr Strandurlaubsfeeling findet man in kaum einem anderen Genrefilm dieser Ära.


Punktewertung: 7 von 10 Punkten