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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 6. Mai 2016

Schneller Kies und harte Kerle

Hell Drivers (Duell am Steuer)
GB 1957
R.: Cy Enfield

Worum geht's?: Frisch aus dem Knast entlassen, heuert der sanftmütige Tom (Stanley Baker) bei dem zwielichtigen Cartley (William Hartnell) an. Dieser führt ein florierendes Transportunternehmen, welches täglich möglichst viele Wagenladungen Kies aus einem nahe gelegenen Steinbruch ankarren lässt und seine Mitarbeiter dabei zu einem mörderischen Tempo zwingt - wer seine Quote nicht erfüllt wird kompromisslos gefeuert.
Seit Langem hält der stets gewaltbereite Red den Rekord von 18 Ladungen am Tag und stellt als ungekrönter König der britischen Landstraße ein massivgoldenes Zigarettenetui demjenigen in Aussicht, der es schafft, seine persönliche Höchstleistung zu überbieten.
Tom, der der Welt und seiner Familie noch etwas zu beweisen zu haben glaubt und dem die aggressive Art Reds und seiner Kumpane eh nicht liegt, schließt Freundschaft mit Gino (Herbert Lom), dem gefühlvollen "Spaghetti", der in Cartleys hübsche Sekretärin Lucy (Peggy Cummings) verliebt ist, und entsinnt mit seinem neuen Kumpan eine Reihe von Tricks und Kniffen, dem brutalen Schläger den Rang abzulaufen.
So entbrennt ein tödliches Rennen in arg beanspruchten Kipplastern, bei dem einer am Ende auf der Strecke bleiben muss.

***



Wie fand ich's?: Das Erste, was Hell Drivers bereits bei nur oberflächlicher Betrachtung aus der Menge der britischen Actionfilme seiner Zeit heraushebt, ist der wahrlich unglaubliche Cast, der mehr als ein halbes Dutzend Stars zu einem Zeitpunkt auffährt, als diese noch gar keine Sterne waren.
Herbert Lom, Peter Sellers Nemesis aus der Pink-Panther-Reihe (USA ab 1963), Sid James, der Star aus den Klamauk-Kultfilmen der Carry-on-Serie (GB 1958-1978 sowie 1992), William Hartnell, der allererste Doctor aus der BBC-Kultfernsehserie Doctor Who (GB ab 1963), David McCullum, der spätere Illya Kuryakin in 105 Episoden von The Man from U.N.C.L.E. (USA 1964-1968 dt.: Solo für O.N.C.E.L.), Patrick McGoohan, die ewige Nr. 6 im Kampf gegen Nr. 2 in The Prisoner (GB 1967-1968), Gordon Jackson, der Chef aus The Professionals (GB 1977-1981 dt.: Die Profis) sowie Jill Ireland, die einzige Frau, die Spock je liebte und ein junger Schotte namens Sean Connery ist auch noch dabei!
Mit solchen (zum Zeitpunkt der Produktion wohl kaum vorhersehbaren) großen Namen im Cast hat man bei den meisten Cineasten bereits die halbe Miete eingefahren, doch gehört zu einem guten Film halt auch immer eine gute Story - Inhalt ist eben immer genauso nötig wie die reinen Schauwerte!
Dass er kein Vorläufer eines Michael Bay war, zeigte Cyril Raker Endfield (* 1914; † 1995) wohl am eindrucksvollsten in seinem, in Südafrika spielenden, Kriegsepos Zulu (UK 1964), in dem ein ebenfalls erst gerade zum Star werdender Michael Caine mit seinen Mitstreitern einer Überzahl an afrikanischen Zulukriegern gegenübersteht - an seiner Seite und in der Hauptrolle: Stanley Baker.
Baker (* 1928; † 1976), der mit nur 49 Jahren viel zu jung an den Folgen einer Lungenkrebsoperation verstarb, war in den 50ern zu so etwas wie einem vielseitigen Actionstar geworden, der sich sowohl in den damals noch sehr populären Sandalen- wie auch in Kriegs- und Mantel-und-Degen-Filmen umtat und 1956 bereits in Child in the House (UK 1956 dt.: Ein Kind kommt ins Haus) für Cy Endfield vor der Kamera stand.
In Duell am Steuer sollte er nun mit einer ganzen Schar von zukünftigen Filmstars, die seine Popularität alle später in den Schatten stellen sollten, um die Wette rasen, wenngleich man heute eine Höchstgeschwindigkeit von 50 mph (ca. 80 km/h) als eher belächelnswert ansehen könnte.
Durch die gekonnte Inszenierung, den Schnitt und die stets tollen Darsteller, bekommen die beschleunigt abgespielten Rennszenen jedoch eine mitreißende Dramatik, die keinen Zuschauer kaltlassen sollte.
Inhaltlich tun sich klare Vergleichspunkte mit Henri-Georges Clouzots ebenfalls fabelhaften Le salaire de la peur (F/I 1953 dt.: Lohn der Angst) auf, bzw. mit dessen direktem Remake Sorcerer (USA 1977 dt.: Atemlos vor Angst) von Meisterregisseur William Friedkin auf. In allen drei Filmen jagen Lkw-Fahrer mit gefährlichen Frachten durch schwer befahrbares Terrain (ich denke, man kann regennasse, britische Landstraßen in der Mitte der 50er Jahre durchaus so betiteln), in allen drei Filmen spielt die Freundschaft und Konkurrenz der Fahrer, die allesamt Outcasts sind, eine bedeutende Rolle.
Hell Drivers verbindet gekonnt die graue Realität des so eben in England aufkommenden kitchen sink dramas mit spannungsgeladener Action und kredenzt dem Zuschauer dazu noch eine interessante Ménage-à-trois, die der Story zusätzliche Schärfe gibt.
Also drauf auf den Beifahrersitz und anschnallen - Cy Endfield und sein Staraufgebot geben Vollgas!

***

Fazit: Ebenso rasant wie dramatisch und kann er auch an Sorcerer und La salaire de la peur sicher nicht anstinken, klebt er doch praktisch direkt an deren Stoßstange!








Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten