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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Sonntag, 26. Mai 2013

Das ist doch wirklich keine Hexerei!

Night of the Eagle (Hypno)
UK 1962
R.: Sydney Hayers


Worum geht's?: Norman Taylor (Peter Wyngarde) unterrichtet Psychologie an der Uni und hält flammende Vorlesungen gegen Aberglaube und Geisterfurcht. Der kühle Rationalist schreibt solche spiritistischen Umtriebe stets einer zugrunde liegenden Neurose zu und erklärt somit alle Anhänger dieser Praktiken für schlicht geisteskrank.
So kann man seine persönliche Erschütterung sehr gut nachvollziehen, als er eines Abends durch Zufall bemerkt, dass seine ihn liebende Frau Tansy (Janet Blair) seit geraumer Zeit eine Hexe ist, welche durch allerlei Schutzzauber versucht die Existenz ihres geliebten Gatten vor dem bösen Einfluss Dritter zu retten.
Außer sich vor Enttäuschung verbrennt Norman alle Talismane und Medaillons; sehr zum Schrecken seiner Frau, welche ihren Gatten nun schutzlos sieht und das, wo Tansy doch sogar ihr Leben für Norman opfern würde.
Tatsächlich tut sich schon am nächsten Tag unter den Füßen des ungläubigen Akademikers im übertragenen Sinne der Boden auf, als er von einer Studentin des Missbrauchs angeklagt wird, deren Freund ihn daraufhin in seinem Büro bedroht und des Abends eine teuflische Präsenz mit Gewalt durch die Haustür der Taylors zu brechen versucht.
Doch selbst als Tansy daraufhin für ihren Norman buchstäblich ins Wasser gehen will, sieht der Skeptiker kaum die Zeit zum Umdenken gekommen.
Werden dunkle Mächte das Leben des Paares zerstören können, nur weil Normans säkulare Weltanschauung seinen Blick auf die wahre Bedrohung verklärt?


Wie fand ich's?: Fritz Leibers Roman Conjure Wife (dt.: Spielball der Hexen bzw. Hexenvolk) aus dem Jahr 1943 zählt zu den großen Klassikern der amerikanischen Horrorliteratur und findet in dem hier besprochenem Night of the Eagle (der in den USA unter dem Alternativtitel Burn, Witch, Burn in die Kinos kam) seine zweite und vielleicht beste, offizielle Verfilmung.
Bereits ein Jahr nach Veröffentlichung der Geschichte als Fortsetzungsroman im Magazin Unknown Worlds erschien mit Weird Woman (USA 1944 R.: Reginald Le Borg) eine etwas losere Adaption innerhalb der sechsteiligen Inner-Sanctum-mystery-Filmreihe. Diese Serie von preiswert produzierten Filmen, in denen Lon Chaney, jr. die jeweiligen Hauptrollen übernahm, bezog sich auf die dazumal populäre Radioshow gleichen Titels, welche von 1941 bis 1952 on-air war.
Tatsächlich wirkt Weird Woman im direkten Vergleich heute extrem angestaubt und schwerfällig, zudem das Ende hier eher an einen klassischen Whodunit erinnert und jegliche Horror- und Mystery-Elemente infolge fast auf ein Minimum reduziert wurden.
Anders als diese erste Verfilmung sollte sich Sidney Hayers Night of the Eagle schon näher an Leibers Vorlage halten und in ihren besten Momenten an die Werke eines Jacques Tourneur erinnern, der in ähnlicher Art und Weise ein Meister der feinen Töne und des subtilen Grauens war. Wie bei Tourneur (ich denke hier besonders an Cat People [USA 1942 dt.: Katzenmenschen] und I Walked with a Zombie [USA 1943 dt.: Ich folgte einem Zombie]) wird das Thema Okkultismus und Hexerei ohne große Spezialeffekte elegant und erwachsen dargestellt; und wie bei Tourneur entwickelt sich der Horror eher im Kopf des Zuschauers, als dass man sich auf das Zeigen von Filmblut oder Gummimonstern verließe.
Stattdessen schafft man eine wunderbar düstere, unheilvolle Atmosphäre, wobei man das Publikum möglichst lange im Unklaren hält, ob nun tatsächlich dämonische Kräfte am Werk sind oder man die Vorgänge rational erklären bzw. dem Zufall zuschreiben sollte.
Hier liegt dann auch der größte Unterschied zwischen Weird Woman und Night of the Eagle, denn wo Ersterer mit einer relativ unspektakulären (und vorhersehbaren) Auflösung aufwartet, konkretisiert Hayers Film die übersinnliche Bedrohung doch noch zum Ende des Films und setzt durch einen simplen Spezialeffekt (es handelt sich hier laut IMDb in der Tat schlicht um eine Handpuppe) einen riesigen Adler in Szene, der den Helden durch die Flure der Hochschule jagt. Anders als in Weird Woman muss der Held hier ohnmächtig erkennen, dass seine Ungläubigkeit tatsächlich zu seinem Untergang führen wird, und es doch mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als seine Schulweisheit ihn träumen lässt.
Sidney Hayers hatte vor diesem Film bereits mit Circus of Horrors (UK 1960 dt.: Der rote Schatten) sein Händchen für Horrorfilme bewiesen, sollte aber bereits zehn Jahre später fast ausschließlich bei zahlreichen Fernsehserien die Regie übernehmen, darunter auch für einige der besten Folgen der vielleicht ultimativen, britischen Kultserie The Avengers (UK 1961-1969 dt.: Mit Schirm, Charme und Melone).
Auch Peter Wyngarde, der die Hauptrolle lediglich aufgrund einer Erkrankung der Erstbesetzung verdankte, sollte nach einer Unzahl von Auftritten in TV-Serien seine ganz eigene Fernsehserie als Privatdetektiv Jason King (UK 1971-1972) bekommen, nachdem er den suaven Frauenhelden und bereits erfolgreich in der Serie Department S (UK 1969-1970) verkörpert hatte. Als er jedoch 1975 das erste Mal wegen erregen öffentlichen Ärgernisses auf einer Herrentoilette (nicht nur George Michael kann sich die näheren Umstände ausmalen...) verhaftet wurde, war seine Karriere bis auf einige Nebenrolle praktisch beendet und Mitte der 90er Jahre zog sich Wyngarde, der in der Homosexuellenszene offenbar den putzigen Spitznamen "Petunia Winegum" trug, ganz aus der Öffentlichkeit zurück.
Das sehr gelungene Drehbuch von Night of the Eagle wurde u. a. von Richard Matheson mitverfasst, der in seiner Eigenschaft als Sci-Fi-Autor bereits für die Scripts einiger Edgar Allen Poe-Verfilmungen Roger Cormans herangezogen worden war, und bis heute den Genrefilm unzählige Male durch seine Arbeiten bereichert hat.
1980 wurde Conjure Wife zum dritten Mal unter dem Titel Witches' Brew (USA R.: Richard Schorr/Herbert L. Strock) verfilmt. Das Interessanteste an dieser eintönigen Horrorkomödie ist der Umstand, dass die große Lana Turner hier ihren wenig glamourösen Abschied vom Filmbusiness nahm.


Fazit: Hierzulande leider selten gesehener, kleiner Klassiker des britischen Schwarz/weiß-Grusels. Atmosphärisch dicht und erwachsen erzählt, gut gespielt und wohl inszeniert - für Fans des gediegenen, britischen Schauerstücks sehr empfehlenswert!

Punktewertung: 7,75 von 10 Punkten