USA 1970
R.: Radley Metzger
Worum geht's?: Ein vom Leben ebenso wie von ihrer Beziehung gelangweiltes Ehepaar (Frank Wolff und Erika Remberg) schaut sich im großen Salon ihres Schlosses einen in schmutzigem Schwarz-Weiß gedrehten Amateurporno an.
Ebenfalls anwesend ist ihr erwachsener Sohn (Paolo Turco), dessen starkes Unbehagen über die auf Zelluloid gebannten Handlungen schließlich dazu führt, dass man bald Action und Unterhaltung anderer Art auf dem Rummelplatz im nahegelegenen Städtchen sucht.
Gemeinsam verfolgt man zunächst die tollkühnen Fahrkünste einer Motorradstunttruppe in der gefährlichen Steilwand, doch der wahre Höhepunkt kommt für das Trio, als diese glauben in der attraktiven Fahrerin im weißen Lederdress (Silvana Venturelli) eine der beiden Hauptdarstellerinnen aus dem schlüpfrigen Film von zuvor zu erkennen, wenn auch mit veränderter Haarfarbe.
Seiner Entdeckung sicher, beschließt der Familienvorstand die junge Frau mit nach Hause zu locken, um sich dann dort bei der Vorführung des Streifens über die vermeintliche Peinlichkeit der Darstellerin zu ergötzen.
Gesagt, getan - doch stellt man zurück im heimischen Schloss zur allgemeinen Verblüffung der offensichtlich dysfunktionalen und zerstrittenen Familie fest, dass bei der erneuten Vorführung des Films plötzlich ständig das Gesicht der Hauptdarstellerin verdeckt ist, sei es durch ihre eigenen blonden Haare oder Gegenständen im Raum. Nach eifrigem Zurückspulen muss man sogar feststellen, dass man nun zwar plötzlich das Antlitz der Blondine zu sehen bekommt, es sich aber nun um eine vollkommen andere Person handelt.
Den bösen Plan durch höchst sonderbare Vorkommnisse jäh vereitelt, lädt man das ehemals designierte Opfer ein, die Nacht vor Ort zu verbringen.
Allein im Schlafgemach legt die Schönheit lachend ihre brünette Perücke ab, und bereitet sich schmunzelnd darauf vor, das Leben ihrer Gastgeber in Kürze vollkommen auf den Kopf zu stellen. Schnell wird aus dem scheinbar ahnungslosen Opfer eine umso vergnügtere Täterin und die zuvor noch so angeödeten Schlossbewohner erliegen nur allzu schnell den Verführungskünsten ihres Gastes...
Wie fand ich's?: Der unlängst verstorbene Filmkritiker Roger Ebert hasste diesen Film ebenso sehr wie sein Vorgängerwerk Camille 2000 (USA 1969 dt.: Kameliendame 2000), der es sogar auf Eberts gefürchtete Most Hated Liste schaffte.
Während Camille 2000 für Ebert scheinbar nur eine langweilige Zurschaustellung der größtenteils nackten Hauptdarstellerin Danièle Gaubert war, bemängelte er an The Lickerish Quartet, dass dieser pretentiöser Mist sei, wenn auch schön fotografiert, und bekam von Ebert letztendlich immerhin einen halben Punkt mehr spendiert als Camille 2000.
Dabei vergleicht Ebert in seiner Filmbesprechung The Lickerish Quartet immerhin mit Alain Resnais Meisterwerk L'année dernière à Marienbad (F/I 1961), der es immerhin bei ihm (gerechtfertigterweise) zur Höchstnote **** brachte, ein Vergleich, der in meinen Augen auch überhaupt nicht so weit hergeholt ist, wenngleich ich Metzgers Film eher mit den Werken Allain Robbe-Grillets (vgl. http://dieseltsamefilme.blogspot.de/2013/07/das-paradies-der-langeweile.html) nebeneinander stellen würde, der aber ja wiederum das Drehbuch zu Resnais Glanzstück verfasst hatte.
Sind Marienbad und die Filme Robbe-Grillets wunderbar inszenierte und fotografierte Kunststücke, welche aber nur schwer und manchmal gar nicht zu entziffern sind, ist Metzgers lüsterndes Quartett ein weit weniger undurchsichtiges Ehe- bzw. Familiendrama, welches sich zum Ende des Films auch immer mehr im Stile eines Thrillers selbst entschlüsselt, über dass man einen Anstrich des Übernatürlichen, Märchenhaften gelegt hat, was dem Film in meinen Augen auch die nötige zusätzliche Spannung schenkt, um ihn ohne große Längen über die Laufzeit von 90 Minuten zu bringen.
Dazu tragen natürlich auch die wundervollen Sets bei, welche von Metzgers Kameramann, dem Österreicher Hans Jura, kongenial eingefangen wurden. Das in den Abruzzen gelegene Schloss von Balsorano hatte u. a. auch schon als prächtige Kulisse für Massimo Pupillos wunderbaren Heuler Il boia scarlatto (I/USA 1965 dt.: Scarletto - Schloß des Blutes) mit Mickey Hargitay in der Titelrolle des scharlochroten Henkers hergehalten und beheimatete Jayne Mansfields muskelbepackten Ex-Gatten erneut fast eine Dekade später für die Dreharbeiten zu Riti, magie nere e segrete orge nel trecento... (I 1973 R.: Renato Polselli aka.: Black Magic Rites), einem ebenso schrägen Machwerk italienischer Filmkunst.
Hauptdarstellerin Silvana Venturelli hatte ein Jahr zuvor mit Metzger schon in der bereits oben genannten, frivolen Alexandre Dumas Adaption Camille 2000 gespielt und war auch schon fast am Ende ihrer kurzen Karriere angekommen, was leider auch für den Amerikaner Frank Wolff galt, der mit allen Größen des Spaghettiwesterns gearbeitet hatte, sich aber ein Jahr nach den Dreharbeiten zu The Lickerish Quartet in der Vorweihnachtszeit das Leben nahm. Wolff wurde nur 43 Jahre alt.
Fazit: Eine kunstfertige Mixtur aus Arthouse- und Erotikfilm, abgeschmeckt mit einer ordentlichen Prise Psychedelika.
Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten