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Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Freitag, 31. Januar 2020

Mehr als nur heiße Luft

Ukradená vzduchlod' (Das gestohlene Luftschiff)
CZ/I 1966
R.: Karel Zeman

Worum geht's?: Prag, zum Ende des 19. Jahrhunderts: Das Zeitalter der Luftschifffahrt.
Fünf minderjährige kleine Jungen kapern kurzerhand ein Luftschiff von einem Ausstellungsstand, nachdem dessen Besitzer die Kinder um ihre zuvor jovial zu Werbezwecken versprochene Gratisfahrt bringen wollte.
Zudem verbreitet man das Gerücht, eben jenes Fluggerät sei mit einem neuartigen, explosionssicheren Gasgemisch gefüllt, was einen benachbarten Kaiserstaat dazu veranlasst, einen Spion zu entsenden, während man den Eltern der Kinder öffentlich den Prozess macht.
Ein findiger Journalist auf einem qualmenden Motorrad macht sich auf, nach den Jungen zu forschen, welche derweil auf einer sonderbaren Insel gestrandet sind, dessen Felsenfeste auch dem legendären Kapitän Nemo zu Zeiten als Unterschlupf dient.

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Wie fand ich's?: Karel Zeman zeigte hier einmal mehr, auf welch hohem kreativen Niveau man in den 60ern in der Tschechoslowakei Kinder- und Familienfilme schuf.
Erneut mixt er - wie z. B. auch schon in seiner vorangegangenen Jules-Verne-Adaption Vynález zkázy (CZ 1958 dt.: Die Erfindung des Verderbens) Animationen mit Realfilm und bewerkstelligt damit auch technisch ein buchstäbliches Abenteuer. So entsteht eine Jules-Verne-Adaption, die in ihren besten Momenten auch den erfinderischen Geist eines anderen großen Vordenkers aufgreift: den des französischen Kinomagiers Georges Méliès, der bereits in den Anfangstagen des Films Menschen zum Nordpol und gar auf den Mond brachte.
Zeman hält seinen, sich ebenfalls wie bei Méliès zahlreicher Filmtricks bedienenden, Film zum Großteil im Ton alter Sepiafotografien, was dem Werk etwas zusätzlich entrücktes, nostalgisches Flair verleiht und ihn klar einer bestimmten Zeit zuordnet. Allerdings macht Zeman damit auch seinem Zuschauer dauernd noch mehr bewusst, ein Kunstwerk - oder vielleicht besser: ein künstliches Werk - vor sich zu haben, weswegen es einem mitunter schwerfällt sich gänzlich in diese zwar wunderschönen aber stets doch sehr artifiziellen Bilderwelten fallenlassen zu können.
Einer von Zemans größten Bewunderern ist - wenig verwunderbar - Terry Gilliam, der Ex-Animateur, 'tschuldigung: -Animator, der Pythons, der sich selbst 1988 an einer Verfilmung der Abenteuer des Baron Münchhausen (UK/BRD orig.: The Adventures of Baron Munchhausen) wagte, welche sein Vorbild Zeman bereits 1962 unter dem Titel Baron Prásil (CZ dt.: Baron Münchhausen) im gleichen Realfilm-trifft-Animation-Stil wie Das gestohlenene Luftschiff realisiert hatte.
Wer also auf der Suche nach einer Jules-Verne-Adaption ist, welche die Visionen des Franzosen in einzigartige Bilder bettet, der sei hier richtig - man sollte jedoch bedenken, dass es sich hier absolut um einen Kinderfilm handelt, welcher in erster Hinsicht auf ein junges Publikum ausgerichtet ist und deswegen inhaltlich sehr geradlinig und wenig tiefschürfend daherkommt. Wer seinen Zeman etwas satirischer und kritischer mag, dem sei an dieser Stelle doch gleich noch dessen Bláznova kronika (CZ 1964 dt.: Chronik eines Hofnarren) ans Herz gelegt, ein wilder Ritt durch den Dreißigjährigen Krieg in Form einer surrealen Farce!

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Fazit: Ein luftiges Abenteuer für alle Jungen und Junggebliebenen!

Punktewertung: 8 von 10