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Mittwoch, 11. April 2018

Schweinereien vor Gericht

The Hour of the Pig aka. The Advocate (Pesthauch des Bösen)
GB/F 1993
R.: Leslie Megahey


Worum geht's?: Frankreich im 15. Jahrhundert.
Es sind dunkle Zeiten, trotzdem versucht der junge Anwalt Richard Courtois (Colin Firth) Recht und Ordnung in die abgelegene Provinz Ponthieu zu bringen.
Dort richtet man nach dem damaligen französischen Recht jedoch nicht nur über Menschen, sondern auch über Tiere, denen dieselben Taten angekreidet und auch dieselben Strafen aufgebürdet werden, wie den Leuten der Gegend.
So muss Richard schon bald nicht nur bei einem Mord aus Eifersucht und einem Fall von Hexerei die Verteidigung übernehmen, wird doch ein ausgewachsenes Schwein der Tötung eines kleinen, jüdischen Jungen bezichtigt.
Da das Tier der schönen Maurin Samira (Amina Annabi), in die sich Richard praktisch sofort Hals über Kopf verliebt, gehört, stimmt er nicht vorschnell der Absicht des abgeklärten Anklägers Pincheon (Donald Pleasence) zu, dem Tier einfach zügig dem Garaus zu machen.
Als er dann auch noch bei den Bauarbeiten zu seinem eigenen Haus auf eine weitere Kinderleiche stößt, beginnt der Advokat auf eigene Faust sogar in den höchsten Kreisen des Hinterlands zu ermitteln, stets im Kampf gegen allgegenwärtige Angst, Vorurteile, Aberglauben und Antisemitismus.

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Wie fand ich's?: Regisseur Leslie Megahey (* 1944) dürfte hierzulande nur den Wenigsten bekannt sein, ist der gebürtige Ire doch zum größten Teil seiner Karriere als Regiefachkraft für TV-Kunstdokumentationen bei der altehrwürdigen BBC tätig gewesen.
Mir persönlich viel Megahey erst vor wenigen Monaten als Regisseur der wunderbaren Künstlerporträt-Schauermär Schalcken the Painter (UK 1979) aufgefallen, welche es ebenfalls verdient hätte an dieser Stelle besprochen zu werden (was einer unbedingten Sehempfehlung für Freunde klassischen Gothic-Horrors gleichkommen soll), und die zeigt, dass Fernsehen sowohl geistreich wie unterhaltsam sein kann.
Megaheys (bislang) letzte Regiearbeit sollte jedoch The Hour of the Pig werden, eine gallige Satire um Aberglauben, Macht und das Mittelalter - oder vielmehr eine böse Geschichte um die Macht, die der Aberglaube im Mittelalter an denjenigen gab, der ihn nur richtig für sich einsetzen konnte.
Megahey zeigt eine Epoche, in der zwar immer noch Menschen des Hexenwerks beschuldigt werden, man sich jedoch unter den intellektuellen Köpfen einig ist, dass dies weniger Ausdruck eines tatsächlichen Aberglaubens, sondern vielmehr ein sozialpolitisches Instrument darstellt.
Hier brilliert der wie immer großartige Donald Pleasence als abgeklärter Ankläger Pincheon, der mit gelassener Miene auch mal ein Borstentier zum Tode verurteilt, weil sich gerade sonst kein passender Verdächtiger findet.
Neben Pleasence gibt Colin Firth eine frühe Darbietung seiner Kunst als noch von Idealen getriebenen Junganwalt. Tatsächlich basiert die von Firth verkörperte Figur auf dem französischen Juristen Barthélemy de Chasseneuz, der eines der grundlegenden Werke über das Gewohnheitsrecht seiner Zeit verfasste.
Firth und dessen Filmcharakter erden den Film, der durch die sich im Kreuzfeuer der Interessen befindlichen Mauren auch eine hochaktuelle Flüchtlings- und Migrationsthematik beibringt und nicht nur final fast auf einen bitteren Whodunit zuläuft, sondern noch ganz zuletzt mit einer besonders zynischen Endpointe aufwartet, die einen kurz schlucken lässt.
In Großbritannien unter dem ursprünglich angedachten Titel The Hour of the Pig veröffentlicht, wurde der Film in den USA von Miramax (die Weinsteins - auch so Schweinchen) umgeschnitten und unter dem Titel The Advocate veröffentlicht. Leider fehlt es noch international an einer adäquaten Blu-ray, die vielleicht sogar beide Versionen enthalten könnte ...

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Fazit: Also, was lernt man aus diesem Film? Früher war eben auch nichts besser und Schweine gibt es auch unter den belesenen Zweibeinern, nur richten sie dort weitaus mehr Schaden an!







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Punktewertung: 8,75 von 10 Punkten