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Von Grindhouse bis Arthouse...
Besprechungen übersehener, unterbewerteter oder obskurer Werke der Filmgeschichte!

Samstag, 1. März 2014

So einer hat 'ne zweite Chance verdient...

Never Give a Sucker an Even Break (Gib keinem Trottel eine Chance)
USA 1941
R.: Edward F. Cline




Worum geht's?: Der "große Mann" (W. C. Fields als er selbst) ist auf dem Weg in die Esoteric Studios, um dort sein neustes Drehbuch anzudienen und bei dieser Gelegenheit dort seine junge, ihm ergebene Nichte Gloria Jean (eben jene) zu treffen, welche als Schauspielerin und Sängerin gerade mitten in den Vorbereitungen zu einem Musikfilm steckt.
Auf dem Weg in die Filmfabrik bekommt der liebe Uncle Billie allerdings erst mal etwas auf den roten Säuferzinken, da er einer feschen Dame nachstellt und prompt mit deren Galan unliebsame Bekanntschaft macht.
In einem Diner rasselt er mit der feisten Bedienung zusammen, die ihm Eiswasser in die Hose kippt und sich beharrlich weigert ihm mehr als eine Handvoll Zigarren zu verkaufen.
Endlich beim fachkundigen Produzenten (Franklin Pangborn) angekommen, muss Fields feststellen, dass sein abenteuerliches Skript für diesen und dessen Gattin als unverfilmbar gilt.
Dabei hat seine Story alles, was einen großen Film ausmacht: einen ungebremsten Fall vom Sonnendeck (!) eines Passagierflugzeugs, eine holde Unschuld auf einem hohen Berg, einen Gorilla als deren Türsteher, Ziegenmilch mit höherer Oktanzahl als Strohrum und einer heiratswilligen, schwerreichen Witwe (Margaret Dumont) namens Mrs. Hemogloben.



Wie fand ich's?: Es gibt immer wieder Filme, die mich selbst nach dem jahrzehntelangen Konsum von allerlei absonderlicher Filmkost doch noch kalt erwischen und geradezu baff zurücklassen. Gottseidank.
Kannte ich zuvor lediglich Fields Meisterwerk The Bank Dick (USA 1940 R.: Edward F. Cline dt.: Der Bankdetektiv), in dem Fields erneut seine Paraderolle als geplagter Familienvater, der unter dem Pantoffel seiner dominanten Gattin steht, gab, so erwischte mich Never Give a Sucker an Even Break vollkommen unvorbereitet.
Dieser sollte der letzte Film sein, in dem Fields die Hauptrolle spielte und die Legende besagt, dass Universal Pictures ihrem dahinscheidenden Star für seinen Abschied völlige Kontrolle über sein nächstes Projekt geben wollte - bis die Produzenten sahen, was Fields ablieferte und den Film daraufhin mit einer zusätzlichen Musikszene "bereicherten", ihn umschnitten und dann zunächst den Film und wenig später Fields mehr sang- und klanglos ihrem weiteren Schicksal überließen.
Fields, der eigentlich William Claude Dukenfield hieß, war 1941 61 Jahre alt und der Suff hatte seine Leibesfülle anwachsen und seine Reflexe bereits erlahmen lassen. Anders als viele Entertainer, die den Trinker nur spielten, hatte er privat wie am Set ständig einen Flachmann mit gemixten Martinis bei sich. Wenn jemand fragte, was er denn da tränke antwortete Fields: Ananassaft. Als einmal ein Techniker unbemerkt tatsächlich Fields Flachmann mit Ananassaft füllte, soll er gerufen haben: "Wer hat Ananassaft in meinen Ananassaft gefüllt?"
Die Scripts zu seinen Filmen schrieb Fields oft selbst, meist unter absurden Pseudonymen wie Mahatma Kane Jeeves, Charles Bogle oder wie hier: Otis Criblecoblis. Wie viele seiner Kollegen improvisierte er aber auch gern und ließ das Drehbuch links liegen.
In Never Give a Sucker an Even Break spielt Fields sich selbst, ebenso wie der damalige Kinderstar Gloria Jean, die seine ihn liebende Nichte spielt. Es soll Fields persönlicher Wunsch gewesen sein, einmal eine ihn wirklich liebende Person in einen seiner Filme hineinschreiben zu können und tatsächlich ist der letzte Satz des Films, gesprochen von Gloria Jean: "My Uncle Bill... but still I love him!"
Never Give a Sucker an Even Break beginnt mit Szenen um und in fiktionalen Filmstudios, driftet dann unvermittelt ins vollkommen Absurde, wenn das zur damaligen Zeit relativ unbekannte Motiv des Films im Film zum Tragen kommt. Dieses hatte praktisch nur Buster Keaton 1924 in seiner genialen Stummfilmkomödie Sherlock Jr. (USA 1924) zuvor umgesetzt; dort steigt der träumende Protagonist während einer Filmvorführung durch die Leinwand in den laufenden Film. Bei Fields wird zwar lediglich während einer Drehbuchlesung die Handlung des Scripts bildlich dargestellt, doch geizt man auch hier nicht mit für die 40er-Jahre tollen Trickeffekten. So fällt Fields während des Flugs aus einem Flugzeug, landet mehrfach erneut hochschnellend auf einem Bett, rast etwas später Hunderte Meter in einem offenen Aufzugkorb an einer Bergwand hinunter und ein Gorilla trifft an eben jener auf einen zuvor noch sorglosen Klettermaxen.
Fields lässt seiner Erfindungskraft freien Lauf, der Wachhund mit den übergroßen Vampirfängen ist ebenso bemerkenswert, wie die rasante Autofahrt zum Ende des Films, in der man erkennen kann, dass Regisseur Edward F. Cline seine Karriere bei Mack Sennets Keystone Cops begonnen hatte.
Ebenfalls außergewöhnlich für die Zeit ist eine Szene in einem Eiscafé, in der Fields kurz seine Rolle verlässt und das Publikum mit einem direkten Blick in die Kamera unmittelbar anspricht. "This scene's supposed to be in a saloon but the censor cut it out.", beschwert sich Fields und lässt erahnen, dass man dem "großen Mann" doch nicht völlig Carte blanche gegeben hatte. Die bereits erwähnte Gesangsszene, welche zu Beginn des Films diesen fast wieder vollkommen ausbremst, ist ein weiteres Indiz für Interventionen des Studios.
Trotzdem hat Fields mit Never Give a Sucker an Even Break ein Werk für seine Fans geschaffen, welches zum Teil vollkommen an den damaligen Seherfahrungen vorbei geht, aber mit tollen Gags und Einfällen aufwartet. "This script is an insult to a man's intelligence. Even mine.", blökt Franklin Pangborn als fiktionaler Produzent in der Mitte Films.
Die folgenden Jahre sollten für Fields einen weiteren Abbau seiner Kräfte bedeuten und ihn nur noch in kurzen Cameos auf die Leinwände bringen.
Am 15. März 1941, einige Monate bevor Never Give a Sucker an Even Break in die Kinos kam, war Christopher, der zweijährige Sohn Anthony Quinns, welcher mit seiner Frau Katherine DeMille ein direkter Nachbar von Fields in L.A. war, in einem Springbrunnen vor Fields Haus ertrunken; ein ebenso trauriger wie tragischer Unfall, der natürlich aufgrund von Fields Reputation als eingefleischter Kinderhasser (der er allerdings im Privatleben keineswegs war) hohe Wellen schlug.
Von Gram zerfressen neigt man vielleicht noch eher dazu dem Alkohol zuzusprechen und zu Jahresbeginn 1946 wurde bei Fields, der bereits mehrfach an einem Delirium tremens gelitten hatte, schließlich eine Leberzirrhose im Endstadium festgestellt.
Fields verstarb am ersten Weihnachtstag 1946 im Alter von 66 Jahren.



Fazit: Ein letztes Mal der große Mann sein. Alles auf eine Karte gesetzt und den Flachmann immer griffbereit. W. C. Fields - was für ein Mann...

Punktewertung: 8 von 10 Punkten